Archiv für den Monat: Dezember 2013

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29. Dezember 2013

Die Weihnachtsreise 13

20.12. Wir fahren schön nach Würzburg. Im Zug nur kurzes Generve mit einer Frau, die nicht akzeptieren will, dass ich zwei Sitzplätze benötige, weil wir zu zweit reisen, mein Mann aber nicht so schnell durchkommt mit dem ganzen Gepäck und meint fragen zu können, ob wir alle Bahncomfort Kunden seien. Selbstverständlich antworte ich. Sie bekommt gegenüber einen Sitzplatz, belegt aber auch gerne 3, wenn es geht. Neben ihr auf dem Sitz die Tasche und gegenüber die Beine ausgestreckt.

In Würzburg angekommen erwartet den Besucher eine trostlose Unterführung. In dem eckigen Tunnel wird man zum Hauptausgang geleitet. Es sind zwei „Jungbullen“ in alten tarngrünen Uniformen gerade dabei eine Gruppe Punker zu filzen und sich die selbstgedrehten Zigaretten genau anzuschauen. Sofort fühlt man sich in die 80er Jahre zurück versetzt. Wer sehen will, wie es in der ehemaligen DDR ausgesehen hat, der muss nach Wolfsburg in die Innenstadt, sage ich oder nach Helmstedt, meint zumindest unser Freund Marc. Wer wissen will, wie es in den 80ern war, der kann nach Bayern fahren. Wir haben ein Ziel. Schließfächer. Das eine nimmt kein Geld, also müssen wir die riesigen Koffer in die obere Etage hochwuchten. Ein Rentner beobachtet das alles und nervt mich schon. Das eine Schließfach hat Stephans Geld geschluckt und weigert sich das anzuzeigen, geschweige denn das Geld wieder herauszugeben. Schließlich ist alles verstaut. Stephan geht zur Information, wo der Typ seinen Schalter verlässt und uns zu den Schließfächern folgt und Stephan bekommt seine 4,- € wieder. Meine Laune ist bestens. Ich bedanke mich und fasse den Typen dabei am Oberarm an. Wir verlassen den Bahnhof und gehen entlang der Bahngleise durch die dunkle Stadt. Gegenüber ist ein Park. Irgendwann biegen wir rechts ab. Es ist schwer die Straßen zu überqueren und sehr fußgängerunfreundlich. Ich schimpfe schon wieder. Dann führt eine Treppe den Berg hoch und man geht direkt an den Weinstöcken, die beleuchtet sind, vorbei. Irgendwann ist da eine Treppe und es stehen junge Menschen draußen (unsere späteren Bedienungen). Wir erst mal weiter. Oben ist eine Hütte mit weihnachtlicher Beleuchtung, die ausschaut wie eine Skihütte und ein Plateau. Vorne eine Glasbau, in dem Weinverkostung und –verkauf stattfinden und ein spektakulärer Blick auf die Stadt und die Festung Marienberg gegenüber. Dann gilt es herauszufinden, wo wir einen Tisch reserviert haben. Alles heißt hier gleich Winzer am Stein, Weinhaus am Stein. Ich bin schon wieder am Schimpfen. In dem Restaurant angekommen, ist keine Bedienung weit und breit und ich hänge mein Zeug erst mal an die falsche Garderobe. Mein Hut muss mangels einer Hutablage in den Weingläserschrank verfrachtet werden. Wir sitzen, der Raum besteht aus Wänden mit offenem Mauerwerk und schlechter Kunst. In der Mitte ein eingemauerter Kessel, wie zum Bierbrauen. Die junge Bedienung mit den kleinen Plugs im Ohr schlägt einen Winzersekt vor. Pur oder mit weihnachtlichen Aromen, Bratapfel z.B. Wir nehmen jeweils eines und die Laune ist wiederhergestellt. Das Zeug ist echt gut und wird auch durch die gefälligen Aromen, die nicht künstlich schmecken, nicht versaut, sondern eher aufgewertet bzw. man kann immer abwechselnd trinken. Ich eher mehr als Stephan. Dann die Entscheidung, was gegessen wird. Das Menü ist nicht näher definiert. Auf einer Seite stehen die Inhaltsstoffe, aus denen es gemacht wird. Wir entscheiden uns dafür, dass Stephan das Menü nimmt und ich ausnahmsweise á la Karte esse. Erst mal kommt der Gruß aus der Küche. Stockbrot, was draußen am Feuer vor der Tür gemacht wurde und fettig und lecker schmeckt, mit einem Frischkäse gefüllt und an kleinen Holzstöcken, dazu Entenrilette, eine Zitronenbutter und einen kleinen Salat aus Rotkraut.

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Das schmeckt schon mal super und ich sage beim Abräumen, dass ich mich gerne zu dem Sommerlager anmelden möchte, bei dem das Stockbrot so lecker schmeckt. Es geht weiter und ich bekomme geräucherte und gebratene Gänseleber und einen Süßwein und Stephan eine lange Schwarzwurzel, die mit Lauchasche schwarz gemacht wurde, geräucherter Aal und anderen kleines Deko-Zeug. Beides sehr lecker.

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Der Koch kommt an den Tisch und wirkt sympathisch. Er kennt sich auch mit den Weinen sehr gut aus. Das gehört hier dazu. Dann der Zwischengang mit Pasta. Ich Kaninchen, er Kalbsbries. Gut, aber nur zwei kleine gefüllte Pastateilchen. Das empfinde ich immer als unbefriedigend. Es muss ja keiner Pasta anbieten, der kein Italiener ist, aber wenn, dann esse ich schon gerne einen kleinen Teller voll und nicht nur zwei. Stephan bekommt noch Fisch.

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Zum Hauptgang gibt es den einzigen Fremdwein, also der kein Hauswein, selbst hergestellten hauseigener Wein ist. Ich esse Reh mit Artischocke und Stephan Rind, Bürgermeisterstück, geschmorte Bäckchen und ein kleines Stück Zunge. Beides wiederum sehr lecker.

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Ich will eine Rauchpause vor der Tür machen. Stephan schaut beim Weinverkauf rein. Ich frage nach dem herrlichen Bauwerk gegenüber, was so schön mit blauen Lichterkette beleuchtet ist. das sei ein Baukran, lautet die Antwort. Ich verlasse daraufhin den Weinshowroom. Ich schaue auf mein Handy, schon wieder diese 0911-Nummer, die es gestern oder heute Morgen schon versucht hatte und ich war darüber hinweg gekommen zurück zu rufen. Das Hotel? Ich rufe zurück, es ist 20:02. Der Sommelier vom Essigbrätlein ist am Telefon, dass wir heute einen Tisch für 4 Personen bei ihnen reserviert hätten. Ich sage, das kann nicht sein, mein Mann hat noch versucht für Morgen einen Tisch zu bekommen. Es muss ein Missverständnis sein. Ich gebe den Hörer an Stephan ab. Jetzt ist die Stimmung deutlich getrübt, weil das unser Lieblingsladen ist und das echt scheiße ist. Der Sommelier hat zu Stephan gesagt, dass man da nichts machen könne und wir doch immer so zuverlässig gewesen seien. Wir haben beide ein schlechtes Gewissen, aber irgendwie bin ich mir keiner Schuld bewusst. Es stimmt schon, dass wir vorletztes Jahr für letztes Jahr vor Weihnachten gleich einen Tisch bestellt haben, mit der Angabe, mindestens 4, vielleicht auch 12 Leute. Dann wurde im Vorfeld telefoniert und es blieb bei 4. Es mag auch sein, dass ich letztes Jahr Weihnachten gesagt habe, dass beim nächsten Mal der Sommelier wieder da sein soll, aber das war nur so ein Spruch und keine verbindliche Tischbestellung. Es wurde so eingetragen, dass ich das gesagt habe. Hilft nichts, weiter im Hier und Jetzt. Ich werde denen einen Entschuldigungsbrief schreiben, dass sie keine Tischbestellungen von der betrunkenen Tante mehr entgegennehmen sollen, nur noch per Fax. Beim Nachtisch können wir uns nicht entscheiden. Ich will fränkische schwarze Walnuss und der gebackene Camembert mit Preiselbeere, der ganz anders sei als gedacht und von der Bedienung empfohlen wird, klingt auch wie ein Must. Wir nehmen beides. Stephan bekommt den Nachtisch aus dem Menü, ein Cheesecake mit deutlicher Salznote. Die schwarze Walnuss ist sehr lecker, mit Eis dazu, aber der Camembert, der von einer kurzhaarigen, tätowierten Frau serviert wird, ist der Oberhammer. Sie stürzt das Törtchen. Es ist ein sehr fluffiges Sufflé, wie ich es noch nie so gegessen habe mit einem flüssigen Käsekern, sehr flüssig, fein und dezent und dazu frische Preiselbeeren und etwas Birne, sehr dünn geschnitten. Toll, toll, toll.

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Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt und es ist eine tolle Location. Ich bin mir sicher, das wird nicht unser letzter Besuch gewesen sein. Wir nehmen den Zug um 21 Uhr etwas, der leicht Verspätung hat. Christian Wulf arbeitet jetzt offenbar in Würzburg bei der Bahnhofsmission.

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Stephan will unbedingt ins Essigbrätlein und noch eine Nachtisch essen und sich entschuldigen. Im Hotel sollen wir einen Gutschein vorzeigen, den wir zugeschickt bekommen, aber nicht dabei haben. Wie gucke ich wohl? Auf dem Zimmer sind die Betten getrennt. Das war’s dann für heute. Wir schieben sie zusammen. Ich genieße noch einen Blick nach draußen und dann heia. Hier ein Foto vom Fenster am nächsten Morgen. Etwas Nebel, aber auch Stimmung. Vor uns der Handwerkerhof mit einem Bratwursthäuschen mit rauchendem Kamin.

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21.12. Gutes Frühstücksbüffet im Victoria, mit Käse-Wurstsalat mit Essig-Öl Dressing und leckeren Früchtequarks und – joghurt und Birchermüsli, sowie Frenchtoast. Es sind viele schwule Amerikaner da. Gut, auch ein Pärchen was wir kennen sammelt alten tschechischen Christbaumschmuck… Das Hotel ist ausgebucht. Die Heteros fahren zum Münchner Oktoberfest, aber die Rentner, die Schwulen und die Familien pilgern nach Nürnberg. Home of Christmas. Christmascapital of the world. Ich habe mein Dürerhütchen auf. Neben mir eine gepflegte Rentnerin, die sagt, wunderschön. Ich sage: danke. Sie stiert mich weiter von der Seite an: beautiful und dann: verstehen Sie deutsch und ich: ja, deswegen habe ich danke gesagt, merci, thank you. Ich soll nicht immer so genervt sein, aber ich will nur in Ruhe frühstücken. Sie gesellt sich zurück an den großen Familientisch mit amerikanischen Kindern und Enkeln. Neben Amerikanern, sind auch Japaner stark vertreten. Wir sind um 10 Uhr im Café Neef verabredet mit Christian und Andreas. Auf dem Weg dorthin immer wieder Touristen. Japaner, die Metzgeien filmen, in denen eine Frau hinter dem Tresen (Straßenverkauf) steht und der Rauch der Bratwürste sie umgibt. Ich sage zu Stephan: wie wir in Japan. Alles ist different und interesting. Im Neef kann ich nicht noch mal frühstücken. Stephan nimmt einen Lebkuchenstrudel mit Vanillesoße zur Einstimmung.

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Ich sage den Jungs, dass mich hier alle anstarren in Nürnberg und ob sie da bitte etwas dagegen unternehmen könnten. Ich übergebe den Kalender, der mäßig gut ankommt, obwohl viele Fotos der Beschenkten enthalten sind und zu diesem Zweck nachgemacht wurden. Wir gehen auf den Christkindlesmarkt und beobachten, wo die Einheimischen Lebkuchenware für Hamburg einkaufen. Ich rede etwas Englisch und kommentiere Tücher und anderes textiles Zeug „this is not really Christmassy, it’s just stuff they’re selling“. „These are the really small local sausages“. Ein Stand mit kitschigen Tieren aus Stein. Ich fasse eine Robbe an und bekomme gleich einen Anraunzer aus dem Hintergrund, „nicht mit Handschuhen“. Ich sage, dass ist doch besonders vorsichtig und fröhliche Weihnachten auch. Der Typ ist ein Arsch. Ich muss trotzdem eine weinrote Vogelspinne mit gelben Augen kaufen. Ich glaube, er hat mir falsch rausgegeben und habe den Tag über noch viele Phantasien, die davon handeln, wie ich mir noch eines kaufe und es demonstrativ auf den Boden zu werfen, wo es in Stück zerbricht bis hin zu, ich bin auf dem Pferd und trampele seinen Stand kaputt. Wir gehen zu Lösch, einem legendären Küchenausstatter und suchen eine neue Pfeffermühle aus. Unsere ist die Pest und ich wünsche mir eine neue. Am liebsten mag ich die meiner Eltern, die sie zur Hochzeit geschenkt bekommen haben aus dem Jahr 1966, schlicht, aus Holz. Wir finden eine ähnliche. Gute Beratung. Das Mahlwerk wird ausgetauscht, Pfeffer bekommt ein Keramikmahlwerk. Die Pfefferkörner sollen nicht zu groß sein, weil sie sonst nicht durchfallen und der rote Pfeffer verklebt die Mühle. Es ist das Weihnachtsgeschenk meiner Eltern neben Vogelbeergelee und Vogelbeersaft von meiner Mutter (fast die komplette Ernte 2013). An der Kasse werde ich gefragt, was das für eine Tracht sei, die ich trage. Das können die sich nicht vorstellen, dass einer selber so was zusammen stellt oder einfach so trägt, sondern die Bayern denken immer in Uniformen. Ich kaufe den Jungs ein Küchenhandtuch. Wenigstens das kommt gut an. noch in einen Laden mit englischen Produkten auf der Suche nach Oxfam, dann ins Kunsthaus und dann folgt der Abschied. Wir gehen noch mal aufs Hotelzimmer und entspannen etwas. Stephans Cousin mit Familie, die wir 8 Jahre nicht mehr gesehen haben, kommen um 16 Uhr statt um 14 Uhr. Sie kommen tatsächlich kurz vor halb 5 und parken in der Tiefgarage des Hotels. Die Jungs haben die Köpfe nach unter gebeugt und wir machen uns erneut auf Richtung Christkindlesmarkt. Dort ist gerade Rushhour. Als wir an einem Lebkuchenstand halten, erkennt mich die Verkäufer und stellt fest, dass ich heute schon mal da war. Ich will einen Spaß machen und schaue zur Seite auf unsere Begleiter und sage; „nein, wir kennen uns nicht. Ich bin das erste Mal da“. Da mischt sich vehement ihre Kollegin ein und sagt, sie erkenne meinen Zylinder und ganz bestimmt sei ich es. Humor? Hoffnungslos. Die Frau meines Cousins macht ein paar Stimmungsfotos von den Bergen mit Lebkuchen, der Postkutsche, der Weihnachtsturm mit Figuren, der sich dreht. Es ist einfach nur voll und lauter trinkende Gruppen sind unterwegs. Volker gibt eine Runde Glühwein aus und das tut gut. Anschließend gibt es von seiner Frau eine Mentholzigarette, die ich bis zum Filter aufrauche. Wir müssen ins Steichele. Dort ist es sehr gemütlich und lecker. Die Kinder sprechen nicht nur spanisch, sondern auch akzentfrei Deutsch. Der ältere schaut auf Papas Handy Fußballergebnisse und der jüngere zeigt mir auf Mamas Handy das Spiel Minion Race. Ich sage, gut dass ihr zwei Eltern habt, schon alleine wegen der Handys. Der Kleine wird vertraulich und rückt immer näher an mich heran. Er kann Zahlen bis 100 schreiben und ich lobe ihn dafür. Die Reste der Gans werden eingepackt und wir machen uns auf den Weg zurück zum Hotel am germanischen Nationalmuseum vorbei und an der Stadtmauer entlang. Abschied. Die Familie fährt zurück nach Ingolstadt und wir beschließen uns mal in München zu treffen. Das ist für sie auch nur 1 Stunde entfernt. Stephan ist unzufrieden und will noch mal auf den Weihnachtsmarkt und Glühwein trinken. Ich verweigere mich. Ein Lebkuchen auf dem Hotelzimmer reicht ihm dann auch.

23.12. Wieder Frühstück. Eine ältere weibliche Aushilfebedienung fragt nach Kaffee. Stephan bestellt einen doppelten Espresso-Macchiato und sie stellt darauf fest: „also keinen Kaffee“.  Sehr lustig. Beim zweiten ist die Maschine kaputt. Wir checken aus nachdem unser Nachbar, der einen Schlüssel für unsere Wohnung hat uns mit dem Einscannen und Weiterleiten des Vouchers den Arsch gerettet hat. Das Gepäck bleibt da. Wir gehen in den Bahnhof und lassen und beraten. Es wird ein Oberfrankenticket plus. Dann geht es bei Sonnenschein zum Friedhof, unser Grab besichtigen. Irgendwas stimmt nicht. Ich bin ausnahmsweise besser orientiert als mein Mann. Das ist bedenklich. Ich hatte vor der Reise die Idee eine Grabschleife fertigen zu lassen mit dem Aufdruck: „hier wohne ich bald“, aber das war zu kurzfristig. Ich werde es nächstes Jahr umsetzen. Dieses Jahr habe ich ein Bindie mit den betenden Händen von Dürer, weil dieses Motiv auf unserem Grab zu finden ist aus den Todesanzeigen der Haz herausgeschnitten und mitgebracht für unsere kleine Fotosession.

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Ein Eichhörnchen ist furchtlos und hüpft von Grab zu Grab um in den Schalen nach Eßbarem zu schauen. Er grast sie systematisch ab. Stephan meint, er will Kerne aus Zapfen. Als ich in seine Richtung gehe, kommt er auf mich zu. Springt er mir gleich an den Hals und hat Tollwut? Was ist eigentlich ein Kunstanstaltbesitzer? Gutes Wort jedenfalls.

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In der Nähe des Friedhofs sind exquisite Geschäfte zu finden.

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An der Haltestelle, wir warten auf die Tram, schaue ich auf den Plan und entdecke die neuen Fahrpreise, die ab 2014 gelten. Ein betrunkener Jugendlicher kommt aus einer Spielothek getorkelt und will die Uhrzeit von mir wissen. Als ich ihn negativ bescheide, will er wissen, warum ich auf den Plan gucke, wenn ich keine Uhr habe. Das geht Dich nicht an, zieh weiter, kommt die freundliche Antwort von der Tante. Stephan sagt ihm zuvor die Uhrzeit nach der Funkuhr.

Wir gehen noch auf den St. Rochus Friedhof um mal einen Vergleich zu haben, ob wir vielleicht falsch gebucht haben, der gleich beim Plärrer ist, also mitten in der Stadt.

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Ist doch klar, dass Nürnberg nicht nur einen, sondern gleich zwei so spektakuläre Friedhöfe hat, die wir wunderschön finden. Die Gräber als weiche Mooskissen.

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Dietrich liebt die lateinischen Sprüche und will auch für unser Grab so ein Motiv. „Ultima latet“, was übersetzt wohl soviel heißt wie: Die letzte Stunde liegt im Verborgenen. Ja, latent, überall ist das Latein. Hier finden wir ein schönes „Per aspera ad astra“ und daneben ein schönes Haus aus Metall.

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Auch diese Ruhestätte ist noch in Betrieb und es sind etliche frische Gräber. Ich schaue mir die Schleifen genauer an, weil ich so eine auch machen lassen will. Wer schreibt eigentlich einen Dankestext auf eine Grabschleife? Das ist Schwachsinn. Zu Lebzeiten soll man sich bedanken und nicht bei einem Toten. Es bringt nichts. Wir gehen einen Kaffee trinken und neben uns sitzt ein alter Boxer, die viel bettelt. Herrchen isst das Frühstücksbüffet und ist streng mit ihm, aber nicht konsequent. Die Erziehung funktioniert also nicht.

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Wir fahren mit der U-Bahn zum weißen Turm und gehen ins Bratwursthäuschen bei der Sebalduskirche. Wie immer sitzen wir zwischen anderen Touristen. Es sind wieder junge Japaner dabei. Die Bedienung heißt Bianka und benutzt Körpersprache um zu signalisieren, die Gäste aus Fernost sollen durchrutschen. Herrlich. Das junge Pärchen teilt sich eine Portion von 8 mit Kraut. Wir nehmen jeweils 8 mit Kraut und 8 mit Kartoffelsalat und Meerrettich extra und eine schwarze Johannissaftschorle und sind dann wieder weg. Wir gehen noch mal auf den weltberühmten Jahreszeitenmarkt um selber Tonnenweise Lebkuchen einzukaufen und ich will Eierpunsch trinken. Den gibt es in kleinen roten Stiefeln, die 3,- € Pfand kosten.

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Die Gasse in der wir gestern standen und den Glühwein getrunken haben verstehe ich heute besser. Gestern standen wir im Dunkeln vor einem Stand mit französischen Keksen und Marmeladen und ich dachte noch, na ja, die verkaufen halt alles von dem Weihnachtsmarkt, heute sehe ich, dass die Gasse überschrieben ist mit Passage der Partnerstädte und der Stand von gestern war Nizza. Es gibt auch Antalya, Atlanta und Glasgow und hier ist es irgendwie netter, als der ganze Weihnachtskitsch mit Ostflair. Ich kaufe was Schönes am griechischen Stand für meine Freundin Sunla und Stephan trinkt einen spanischen Glühwein mit Anisschnaps. Nach dem Lebkucheneinkauf noch einen Abschiedskaffee im Di Sumo auf der Brücke.

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Die Sonne scheint, wir laufen noch etwas am Fluss entlang. Zuvor noch ein Blick auf die Burg/Altstadt.

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Stephan sucht ein Kino. Hier laufen Vorstellungen bis 2 Uhr morgens. Wir werden fündig. Es sind viele Fußballproleten von gestern unterwegs, die der Meinung sind, dass Fasching oder Karneval in Rio Dinge sind, die mir gesagt werden müssen. Weil wir noch Zeit haben, gehen wir noch mal in den Museumsshop des Neuen Museums und trinken einen zweiten Eierpunsch. Dann fahren wir um 14 Uhr etwas Richtung Bayreuth. Da wir 20 Minuten zu früh am Gleis sind bekommen wir auch noch Sitzplätze. Gegenüber sitzen Ossis, die von einer Fernreise wiederkommen. Der Sohn ist aufgeweckt und redet als Einziger. Er will wissen, ob ein Truthahn größer ist als ein Flamingo und da wo sie waren ist jetzt Nacht. Ich tippe auf Florida. Der neue Mann von Mama heißt Lutz. Wir werden abgeholt, zuhause ist der Baum schon geschmückt. Er ist recht minimalistisch und hat wenig Zweige, war aber wohl teuer. Stephan hat einen Blick dafür und findet ihn edel, die blauen Nadeln. Ich finde er sieht japanisch aus. Wir läuten das weihnachtliche Doppelkopfturnier ein. Dazwischen gibt es Abendbrot u.a. mit dem Käse aus der Feinkostabteilung in Nürnberg. Wir spielen weiter bis wir müde sind bzw. ich will die Helmut Schmidt Doku sehen und denke, etwas Fernsehen kann nicht schaden zum Einstieg. Nachts finde ich den Ausgang aus dem Zimmer nicht und muss das Licht anmachen!

23.12. Wir kann man den letzten Werktag des Jahres sinnvoll nutzen? Meine Mutter muss wegen ihrer neuen Brille zum Optiker. Ich sage, Stephan und ich müssen schon seit Monaten zu so was. Wir gucken immer schlechter und Stephan, er will keine Brille vor 50 und ich halte es für kriminell, weil er diese ganzen online Überweisungen macht. Mein Mutter ruft an und wir haben um 15 Uhr einen Termin beim Optiker des Vertrauens meiner Eltern. Stephan geht vormittags schon in die Stadt und will in die Rotmainhalle zum Wochenmarkt und mir eine Bauernbutter besorgen. Ich bin Einzelkind und es gibt Pasta mit Steinpilzen. Es war Steinpilzjahr und die Stücke sind riesig, ein paar Maronen sind auch dabei für den Geschmack. Sehr lecker was hier aus der Tiefkühltruhe hervorgeholt werden kann. Mittagschlaf. Dann wieder selbstgebackene Plätzchen und um 14:20 Uhr nehmen wir den Bus in die Stadt und treffen Stephan beim Novello, einem italienischen Feinkostgeschäft was von einem schwulen Pärchen geführt wird. Meine Mutter sammelt die Punkte, die es für den Einkauf gibt. Nudeln werden nachgekauft. Mein Vater stellt mal wieder fest, dass es auffälliger ist mit mir durch die Stadt zu gehen als mit meiner behinderten Schwester. Ich schnappe ein und sage, dass er vorgehen soll und ich ihn nicht kenne. Es nervt mich, dass ich nicht so sein kann, wie ich will und mir fällt das viele Geglotze natürlich genauso auf (die Nerven). Nach einem Abstecher in der Kurzwarenabteilung geht es zum Optiker. Herr Engelbrecht läuft meiner Mutter schon entgegen. Als sie angekündigt hat mit ihrer Tochter zu kommen und da müsse schon seit Jahren was gemacht werden, denken sie meine behinderte Schwester wird kommen und holen das alte Messegerät aus dem Keller, was schnellere Messungen macht. Jetzt wo ich es bin, kann das wieder weggebracht werden. Herr Engelbrecht misst mich und Stephan über 2 Stunden aus. Ich soll eine Lesebrille bekommen und Stephan sieht noch schlechter. Während er noch Stephan bearbeitet suche ich ein Gestell. Ich will nicht so eitel sein. Irgendeines muss her. Leider habe ich keine Erfahrungen was mir steht und ausnahmsweise auch keine Meinung oder wenig Meinung. Bei Kleidung habe ich nie Zweifel, hier könnte ich Beratung gebrauchen. Mein Vater mag ein dezentes Metallgestell, unten offen mit Reptilienprägung oben. Ich hatte mir eine dicke Brille, die nostalgisch aussieht und bei der mir die Plastikschichten, die mehrfarbig sind gefallen ausgesucht. Herr Engelbrecht sieht diese und sagt ohne die Vorgeschichte zu wissen, das sei die richtige für mich. Ich kann sie Freitag abholen. Bei Stephan wird die Brillenwahl heikler, weil die alle hinter den Ohren drücken und weh tun, so dass er sie nicht tolerieren kann und Bewegungen macht, wie ein Tier was die Pfote in der Falle abbeißen will. Es geht also weniger um die Optik als darum, was die Mimose überhaupt duldet. Die junge Azubine bringt eine Sportbrille von Lacoste oder was weiß ich welcher Marke mit weichen, farbigen Gummiverlängerungen an den Bügeln, die hinter dem Kopf per Magnet verschlossen werden. Die muss Stephan voll ausfahren um sie um seine Kartoffel herum zu bekommen. Das bunte Gummi auf dem rasierten Schädel. Das geht gar nicht. Er bekommt ein leichtes Metallgestell mit Bügeln, die gerade sind und nur aufliegen und nicht hinter den Ohren drücken. So 23.12.2013. Der Stichtag an dem die Zeit der Brillenlosigkeit endet. Ende unserer Jugend, wie Stephan meint. Wir trösten uns am Bratwurststand und anschließend fordere ich Stephan auf mir und Dietrich einen Eierlikör in der Süßen Quelle zu besorgen, während ich noch mal einen Wollladen aufsuche wegen Stopfgarn. Stephan kauft einen sehr leckeren mit Kirschwasser. Im Laden will ein Kunde Bier und wird abschlägig beschieden, weil es sich um ein Süßigkeitsfeinkostgeschäft handeln würde und sie kein Bier verkaufen. Ein anderer Kunde will einen Rotwein aus Franken für unter 10,- € die Flasche. Der Verkäufer schlägt einen für 12,- € vor, ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis, wie er dem Kunden erklärt, der ablehnt, weil der Preis nicht mit seinem Auftrag übereinstimmt. So deutet es Stephan. Männer mit konkretem Kaufauftrag. Meine Mutter ist noch beim Akustiker wegen der Hörgeräte. Neulich war ein Stöpsel von dem Hörgerät in ihr Ohr gefallen. Die Entfernung war wohl sehr schmerzhaft. Entsetzt habe der Akustiker sie angeschaut nach einem Blick ins Ohr, so dass sie gar nicht wusste, was da so Schlimmes drin sein konnte. Würmer, die rauswachsen. Der Mann flirtet deutlich mit mir und ist auch in meinem Alter. Es reicht mir allerdings, dass ich Herrn Engelbrecht heute kennengelernt habe. Wir gehen ins Café an der Oper. Es ist Viertel vor 6 und um 6 schließen die. Wir trinken heiße Schokolade und nehmen dann ein Taxi nach Hause. Dort fahren wir mit Dietrich noch mal zu Real. Letzte Besorgungen machen. Hier wird mein Hütchen nicht nur kommentiert: „süß“, sondern auch von einer Frau angefasst. Ich fühle mich ausgeliefert bei so viel Distanzlosigkeit. Bin ich im verdammten Streichelzoo, dass mich eine fremde Frau einfach anpackt. Schnell wieder ins Private. Etwas Abendbrot und dann wenden wir uns wieder dem Spiel zu mit den Rentnerkarten, die wir in Nürnberg besorgt haben mit extragroßen Zeichen drauf. Sehr angenehm. Hier fühle ich mich zu den vielen Steiff-Tieren hingezogen und bedauere, dass ich keinen Grund habe, eines auszusuchen.  Die haben es echt drauf mit dem Ausdruck und der Herstellung von Stofftieren. Dafür nehme ich den Steiff-Katalog mit und schlachte ihn ordentlich aus beim Kartenbasteln. Morgen wollen wir um kurz vor 8 meine Schwester aus dem Heim abholen. Wir gehen zeitig ins Bett.

24.12. Werde um 6:30 Uhr wach. Der Himmel über dem Wasserschutzgebiet ist viel schöner als das Foto es erahnen lässt.

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Als ich um 7 Uhr schon fertig bin, mache ich die Rohmasse für die Quarkklösschen, die ich mir für Heiligabend gewünscht habe. Ein Rezept meiner Oma. Reformhauskost mit Hirseflöckchen. Wir holen Steffi. Auf dem Rückweg halten wir beim Bäcker. Ich bekomme einen Premiumstollen für zuhause. Lasse mich noch vom Chef persönlich beraten. Etwas Mittagessen, dann der tägliche Mittagschlaf. Heute schlafe ich wirklich. Kaffee und Butter in Keksform, dann ein Spaziergang durch die Nachbarschaft. Dann duschen und aufhübschen. Um 16:40 Uhr gibt es singen unterm Baum und Bescherung. Von mir gibt es Kalender für meine Eltern und Stefanie. Wir trinken 2 Flaschen Sekt und tätigen im gelockerten Zustand diverse Telefonate. Ich bin entschlossen mit meinem Mann auszugehen, deswegen habe ich mich auch aufgebrezelt. Ich trinke Espresso. Meine Eltern kündigen an um 9 Uhr ins Bett zu gehen, statt dessen, spannendes Kartenspiel bis 1:30. Da habe ich auch keine Lust mehr. Draußen ist es dunkel und kalt und was soll ich da? Ich kenne da keinen. Die Oberfranken amüsieren und was hab ich davon? Der Misanthrop in mir setzt sich einmal mehr durch. Stephan, der erkältet ist, schläft. Ich kann nicht einschlafen und überlege zu basteln, aber das ist auch zu stressig.

25.12. Stephan schläft. Ich fahre mit meiner Mutter und Steffi zu den Enten. Mittags gibt es Gans und Sauternes. Die Gans ist superlecker.

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Ich helfe beim Anrühren der Sauce, weil mein Vater eine Schulter-OP hatte und noch deutliche Einschränkungen hat. Er muss im Stehen die Karten austeilen. Meine Mutter unterstellt ihm, dass er simuliert. Am ersten Morgen will ich ihm Yoga-Übungen zeigen, mir fällt aber nichts Dolles ein. Jedenfalls soll er nicht die Luft anhalten, wenn er versucht den Arm nach oben zu schleudern. Atmen, atmen, atmen. Nach dem Gänseessen Mittagschlaf. Stephan passt auf Steffi auf und macht den Abwasch. Heute kann ich keine Plätzchen essen, so satt bin ich. Wir schauen den Film vom Familienfest. Meine Gästevorstellung, die über 1 Stunde dauerte und als Performance gelobt und gepriesen wurde, ist fast komplett dokumentiert. Wie lustig und genial ich das gemacht hätte. Ich selber finde nur meine Stimme schlimm, weil sie außerhalb meines Kopfes sehr nervig klingt und sehe auch deutlich, dass ich einen Buckel habe. Ich sehe aus, wie meine Oma. Heute nur ganz kleines Abendbrot. Was wir danach gemacht haben dürfte allen aufmerksamen Lesern klar sein.

26.12. Ich schlafe mal bis 9 Uhr. Bam! Ich träume, dass das Patenkind von Stephan, Constantin nicht tot ist, sondern von seinen Eltern in die Psychiatrie eingewiesen wurde und jetzt wieder auftaucht. Sehr skurriler Traum. Meine Schwester ist sehr schlecht drauf. Nach dem Mittagessen bringen wir sie zurück. Meine Mutter ist deutlich am Ende mit ihren Kräften und schläft etwas im Auto. Hier einige unverfängliche Ansichten aus dem Heim.

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Nach dem Mittagschlaf und dem Kartenspiel fährt uns ein unsympathischer Franke mit seinem Taxi in die Stadt. Auf die Frage, ob er es gut gefunden hat, verweist er auf das Schild, dass kann jeder außer ein Depp oder ein Russe. So ein Herzchen. Im Wolffenzacher ist wenig los. Holzvertäfelung. Komponisten hängen gerahmt. Stephan traut sich nach Karten zu fragen. Wir trinken wieder fränkischen Sekt aus Würzburg. Wir werden durch das Menü getrieben, d.h. die Vorspeise kommt sofort und das Hauptgericht 5 Minuten zeitversetzt und dass wir mit der Vorspeise noch nicht fertig sind, interessiert den Kellner nicht. Ich hatte den hausgebeizten Lachs mit „pfannfrischen Baggala“, das sind Kartoffelpuffer aus Kartoffelklossteig, schön fettig und Feldsalat dazu. Dann hatte Stephan die Roulade mit Klößen und ich den Saibling.

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Meine Mutter trinkt einen Espresso und kündigt an, die Nacht durchspielen zu wollen. Dann bekommt sie einen Spielspruch von Stephan in den falschen Hals und es ist aus. Wir haben Verständnis, aber vermitteln kann ich auch nicht. Heute hilft nichts mehr. Schlaf muss her. Wir trinken mit meinem Vater Haarer Schnaps Zwetschge und planen ein Treffen in Stuttgart 2014. Außerdem geht es etwas philosophisch daher und wir stellen alle drei fest, dass wir eine große schwarze Null geschrieben haben im Leben und alles was noch kommt einfach noch mehr oben drauf ist, wie ein Füllhorn, was überläuft. Noch eine tolle Reise, noch ein gutes Essen….

27.12. Der Frühstückstisch ist gedeckt mit Käse und frisch gepresstem O-Saft. Die Putzfrau ist da. Wir packen. Dann noch eine Aussprache, dass wir den Vorabend nicht übel nehmen und Verständnis für Übermüdung und Überforderung haben. Ich sage, ich mache so was 1-2 mal die Woche und wenn die Familie das nicht aushält, wer dann. Mit deutlich besserer Laune fahren wir in die Stadt meine Brille abholen. Ich steuere zunächst auf ein Antiquitätengeschäft zu und kaufe 3 kleine gerippten bunte Weingläser für die Puppenstube sowie eine Bettflasche aus Metall mit einem Verschluss, den man öffnen kann und einem kleinen Fernseher, der postkartenartige Ansichten von Oberfranken zeigt. Das gibt es für 15,- €. Mir kommt es teuer vor, aber ich will das Zeug unbedingt zum Basteln. Die Inhaberin hat mir angeblich einen guten Preis gemacht, weil sie meine Eltern kennt. Auf dem Weg zum Optiker holt Stephan seine Taz und eine Frau, die sich bei einer älteren Frau eingehackt hat strahlt mich an. Ich habe sie nicht erkannt, es ist eine ehemalige Klassenkameradin, die sich am Telefon immer gemeldet hat mit der Ansage: „hier ist die Tochter von Prof. Hausmaus“. Oh Gott, wohnt die hier immer noch, vielleicht auch nur für Weihnachten zu Besuch. Meine Brille wird angepasst. Ich frage Stephan, wie er sie findet und er sagt laut: „potthässlich“. Ich lache hysterisch, weil ich den Spruch so sau cool finde, aber die jungen Mitarbeiter des Brillenfachgeschäfts sind geschockt und beschwichtigen, wie gut mir die Brille stehen würde und das ich gut aussehen würde. Jetzt fehlt nur noch das Wort „modisches Accessoire“ für diesen Krückstock.

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Wieder finden wir Trost am Bratwurststand am Sternplatz.

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Der Bratwurstgriller kennt mich und fragt, ob wir mal wieder in der Stadt seien. Ähhh? Nein oder wie lautet die Antwort darauf. Ich gehe noch in das Teegeschäft meines Vertrauens. Ich hocke am Boden vor dem Regal mit den Rooibuschtees und Stephan steht hinter mir. Die Verkäuferin will wissen, ob sie ihm helfen kann. Er: „Ich passe nur auf, dass sie nicht zu viel kauft“. Dann solle er doch lieber rausgehen ist das Fazit der Bedienungen. Das sei offenbar schlecht fürs Geschäft. Dann legt er nach und sagt: “Ich passe nur auf, dass sie nicht wieder klaut“. Das sei gut, finden dann die Frauen. Dann geht es in die Metzgerei meines Vertrauens. Die Verkäuferin ist der Hammer. Sie weiß, dass ich alles eingeschweißt will. 2 paar Weißwürste, dann die hausgemachte Salami italienischer Art. 100 gr. eingepackt und 100 gr. eingeschweißt (das war ihr Vorschlag), grobe Bauerstreichwurst, eine Walnusssalami, die noch lieber genommen als die andere und schließlich die Leberwurst mit Cranberries. Die ist der Hammer. Letzte Station beschwipste Krapfen. Es handelt sich dabei um Windbeutel. Leckerer Brandteig, prall gefüllt mit frischer Sahne mit Kirschwasser und zwar so deutlich, dass man leicht einen sitzen hat nach dem Verzehr am Vormittag.

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Dann gehen wir auf einen Kaffee ins Rossi. Der Laden ist einfach cool und der Kaffee sau lecker. Es ist gemütlich und nostalgisch mit Zuckerwürfelsammlungen in Holzkästen an der Wand. Die Strega-Flasche nach der wir mal gefragt haben war auch nur zur Deko, aber egal. Vorher sind wir endlich fündig auf der Suche nach Propolis. Das stark alkoholische Wundermittel gegen Erkältung. Das ist so ein Bienenkram, mit dem die ihre Waben einschmieren um den Nachwuchs gegen Bakterien zu schützen, quasi Bienenantibiotikum.  In der Mohrenapotheke mit der Orchideensammlung im Fenster werden wir fündig. Sie stellen es selber her und es steht auf einer vorderen Position. Der junge Kerl mit dem gut trainierten Oberkörper, der uns das Zeug verkauft gefällt mir auch. Jetzt haben wir noch so viel Zeit, dass wir noch mal zu meinen Eltern nach Hause fahren auf die letzte Runde Karten. Es wird nicht mehr aufgeschrieben. Dann Zugfahrt und meine ersten Experimente mit dem neuen Nasenfahrrad. Die Ferne ist deutlich unscharf, aber der Nahbereich so was von vergrößert. Die Schrift in meinem Buch, das Gesicht meines Mannes. Glücklich komme ich in Hannover an. Keiner glotzt mich an und zeigt mit dem Finger auf mich. Der Rentnertaxifahrer ist ruhig und sympathisch und im Radio läuft Hannoveraner Dialekt nach dem Ganzen „a wenig“. Ein spröder Typ, der erst einen Mischlingshund (englische Bulldogge) vermitteln will. Er hat nur einen Baum (häh, denkt man, es geht dann aber um den Weihnachtsbaum und die Moderatorin leitet über und sagt was davon, dass wenn eine Frau da wäre, würde er opulent Weihnachten feiern), also geht es dann doch darum eine Frau kennen lernen. Die soll humorvoll sein, weil er habe den Humor seiner Mutter geerbt und darauf sei er stolz und sie soll nicht zum Lachen in den Keller gehen. Aussehen ist nicht so wichtig, sie muss nicht 24 sein. Hauptsache, sie ist spontan und auch mal verrückt und man dachte, dann passt sie ja gar nicht zu dem langweiligen Sprecher, der sich das alles wünscht. Ich sage, also den Hund würde ich nehmen. Ich bin wieder zuhause und fühle mich ganz gelöst. Den Lebkuchen haben wir im Gepäck.

Zuhause wartet Weihnachtspost, darunter ein Brillentuch von Pipilotti Rist mit einem Motiv ihrer Kunst mit dem Hinweis, Mikrofaser, waschbar, Brillen- oder Bildschirmputztuch. Die Frau muss Hellseherin sein! Es ist schließlich der erste Tag meines Daseins als Brillenschlange.

Der Geist von Weihnachten

19.12. Herr PM hat eine Räumungsklage und ich bestelle mich gegenüber dem Gericht und zeige die Verteidigungsbereitschaft an, obwohl es hier gar nichts zu verteidigen gibt. Das Betreuungsgericht ist zeitgleich der Meinung, dass er mich zahlen kann, weil seine Schwester noch 4.000,- € für ihn verwaltet. Denen schreibe ich, dass wir das Geld für die Räumungsklage und vor allem den Umzug und die Mietkaution benötigen und ein Betreuter von mir sich 2013 suizidiert hat als er umziehen sollte und da war schon eine Wohnung vorhanden, in die er ziehen konnte. Die Details erspare ich dem Betreuungsgericht, aber er ist zu einem Hochhaus in Ricklingen gefahren, wo er einmal eine Wohnung besichtigt hat und offenbar wusste, dass man reinkommt und ins Treppenhaus und an einen Außenbalkon und gesprungen in der Nacht bevor die Umzugshelfer kamen, die morgens vor verschlossener Tür standen. Ich denke, meine Aufgabe ist es, meine Betreuten auch dann zu unterstützen, wenn sie rechtlich keine Prozesskostenhilfe bekommen, weil die Rechtsverteidigung keine Aussichten auf Erfolg hat und, dass das Umziehen müssen mit hohem Stress verbunden ist und ich hier gerade allerhand zu tun habe, ich aber auch nicht umsonst arbeiten will mit dem Hinweis, dass der Rechtspfleger, der ihn für vermögend hält, die Akte bitte dem zuständigen Richter vorlegen soll, weil ich doch der Meinung bin, dass ich meinem Betreuten beistehen und nicht die Arbeit einstellen sollte.

Ich fahre zum Amt und treffe  mich mit einem Betreuten um einen neuen Antrag zu stellen. Es wurde festgestellt, dass er länger als 6 Monate nicht erwerbsfähig ist. Lange Schlange, Russen mit ihren Eltern und andere, die erst am 19.12. gemerkt, dass sie kein Geld für den Monat bekommen haben.  Alles läuft wie am Schnürchen. Ich bin bekannt in der Hamburger Allee und dort sitzen viele sympathische Menschen, mit denen ich mich verstehe u.a. ein Typ, der aussieht, wie der Schwager von Walter White aus Breaking Bad, der in der Serie allerdings bei der DEA arbeitet (Drug Enforcement Administration ist die Abkürzung glaube ich).

Meine kleine Querulatorin, die immer will, dass ich ihre Rechte wahrnehme und überall Klagen einreiche, wollte mich los werden. Ich wäre auch nicht dagegen gewesen, habe nur gesagt, dass ich sehr wohl was tue und der Wunsch nach Betreuerwechsel in der Krankheit begründet liegt. Das Landgericht schreibt nach einer Beschwerde des Hasen: „Die Voraussetzungen für eine Betreuerentlassung gemäß § 1908 b Abs. 1 Satz 1 BGB liegen nicht vor. Ein wichtiger Grund für die Betreuerentlassung ist, wie das Betreuungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht ersichtlich. Auch aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Betreuerin eine konkrete Pflichtverletzung vorzuwerfen wäre. Die Betroffene wirft der Betreuerin lediglich allgemein vor, ihre Interessen nicht durchzusetzen. In welcher Form sie hierbei pflichtwidrig gehandelt haben soll, ergibt sich aus den pauschalen Vorwürfen nicht. Die Betreuerin hat sich ausweislich ihrer Stellungnahme um die Angelegenheiten der Betroffenen intensiv gekümmert, ohne dass konkret ersichtlich wäre, inwieweit hier Pflichtverletzungen vorliegen sollen. Die Betroffene verkennt, dass die Betreuerin lediglich gehalten ist, die Interessen der Betroffenen wahrzunehmen; ob sich die Interessen auch durchsetzen lassen, ist vielmehr eine Frage der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung…Dem Wunsch der Betroffenen nach einer Austauschentlassung kommt zwar ein besonders Gewicht zu….Es widerspräche dem Wohl der Betreuten, ihrer gegen die Betreuerin gerichteten, krankheitsbedingten Stimmung nachzugeben.“

Auch ganz schön zu lesen.

Ich bekomme Fotos von einer Freundin von unserem Feininger als Welpe. Das war Modenschau bei Anne Behne vor gefühlten 100 Jahren. Ach, wie süß, der helle Hund, unser Sonnenschein und was waren wir für stolze Eltern. Wir haben keinen neuen Hund, weil ich immer noch Feininger habe, in meinem Herzen. Ich schrieb der Freundin, die mittlerweile 2 Hunde hat, dass ich immer noch einen Hund habe, aber meiner tot ist und ich daher nicht mehr Gassi gehen muss oder darf mit ihm.

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Ich habe abends einen Termin zum Buttonbasteln für einen Junggesellinnenabschied. Die Buttons sollen das Wort „PENIS“ ergeben, aber nur einzelne Buchstaben, die im Bedarf zu dem Wort zusammengesetzt werden können, wegen der Kinder. Ich muss das nicht alles verstehen. Es wird das erste Mal mit Glitter gearbeitet in der Buttonwerkstatt. Ich bin hundemüde wegen der Weihnachtsfeier, die feucht-fröhlich war von meiner Seite und mit einem Nachgang in kleinerer Runde noch länger ging. Ich gehe um 21 Uhr ins Bett. Vorher noch eine mail an kunsthistorisches Museum wegen der Freund-Ausstellung. Verlängert vom 06.01. auf den 12.01. Ich bin verunsichert, aber den Flug haben wir eh schon gebucht.

20.12. Ich bin um vor 5 wach und habe ausreichend Zeit alles zu erledigen was heute noch auf dem Programm steht, privat und dienstlich. Nerve meine Eltern mit Anrufen um 8 Uhr. Sie sind im Bad. Lege den Kalender des Nachbarn kommentarlos vor seine Tür.

Morgens kommen die Fensterputzer. Der Typ redet gar nicht und benutzt nur Zeichensprache. Den Kopf in Richtung Flurende drehen und dabei fragend gucken soll heißen, ob die Mitarbeiterin der Steuerberaterin weiß, wann der Psychologe mit seinem Termin fertig ist. Das Museum in Wien antwortet mir prompt und ich bedanke mich. Schreiben kann man sich sehr gut mit den Wienern, aber in geschäftlichen Angelegenheiten sollen sie verschlagen sein, d.h. sie sind charmant und hauen einen zugleich übers Ohr, halt nicht so gradlinig wie die Deutschen. Selbe Sprache, trotzdem andere Kultur.  Meine Betreute sagt ihren Termin ab, der Sohn ist krank geworden. Sie kommt dann nach Weihnachten am 30.12. Ich erledige Post. Gegen Mittag fahre ich mit dem Kollegen zu der Computerfirma um mit denen nach einer Lösung zu suchen. Im Auto ist er knallhart, vor Ort hat er viel Verständnis. Er macht ihnen aber auch deutlich, dass wir über 2 Wochen keine Rechner hatten und kein Geld verdienen konnten und das alles nacharbeiten müssen. Sie haben das Problem nicht ernst genommen (jeder Mitarbeiter bekommt täglich 90 Anrufe und jeder ist der Meinung, dass bei ihm die Hütte brennt) bzw. erst nach meinem Fax. Unser Programmierhamster hält sich bedeckt, sein dicker, schielender Kollege sagt, es wäre blöd gelaufen und das sie so was nicht noch mal machen würden. Das sei ihr Fazit. Wenn man ein Supportticket für 300,- € von der Softwarefirma kaufen muss und sich darüber einig ist. Wer kümmert sich darum? Der IT-Spezialist oder der Endverbraucher und Kunde? Ich sage, es sei doch so als sei man beim Hausarzt gewesen nach einer Blutuntersuchung. Der sagt, der eine Wert sei verdächtig, aber er könne das nicht beurteilen, da müsse ein Speziallabor ran. Wer organisiert das dann?

U wie uneinsichtig

16.12. Die Woche beginnt. Ich bin Beraterin für den Fall: Mutter in der Psychiatrie und habe ein offenes Ohr. Ich kenne die Frau von der Feier einer Kollegin.

In der Mittagspause überlegen wir Spiele für Silvester. Mäxchen und Flaschen drehen sind meine Vorschläge.

In unserer Küche hängt eine Liste mit Bildern der Mitarbeiter unserer Computerfirma, die so grob versagt hat. Die sehen durch die Bank nach Joeys Pizzaservice aus. Alle bis auf 2 sehen aus wie Fahrer und die 2 sehen dafür aus wie Stammkunden, die täglich bestellen. Ich habe die Sache schon fast überwunden. Hatte zwischendurch Gewaltphantasien und dachte bei einem hellblauen Flippchart mit dem falschen Blauton an Taubenblau, Babyblau und blaues Auge Blau auf den Spezialisten bezogen, der hier tagelang herum saß, der immer nicht zurück ruft und nicht mit denkt für 5 Pfennig. Jetzt denke ich nur noch, dass die echt armselig ausschauen, wie Pizzafahrer halt. Mein Kollege hatte die Idee mit dem Küchenaushang und dachte dabei an Darts. Danach ist mir gar nicht mehr. Wie verflogen. Gut, schlechte Laune bekomme ich schon, wenn ich den noch mal in Echt sehe, aber so ergreift mich wieder vorweihnachtliche Milde.

Nachmittags bin ich bei Herrn Maßregelvollzug verabredet und habe Stephan zwei Ernährungstabellen aus dem Internet ausdrucken lassen, außerdem habe ich den Ausweis im Gepäck. Gottseidank entscheide ich mich gegen Fahrrad und fahre dann schön spießig und doof mit dem Bus in Wunstorf. Der Zug ist megavoll und viele mit umständlichen Einkäufen, z.B. Bilderrahmen, finden nur einen Stehplatz. Ich lese Tante Jolesch und freue mich. Noch bevor der Zug losfährt kommt im Sekundentakt eine Durchsage, dass der Ausstieg links ist. Dann eine sehr trockene, niedersächsische Livedurchsage des Zugführers, dass wohl der allerletzte jetzt mitbekommen habe, wo der Ausstieg ist. Das sei der Boardcomputer, der einen männlichen Namen trägt, den er auch nennt und der würde heute viel labern und sei nicht abzustellen. Alle müssen schmunzeln.  Im gemütlichen, ausbruchssicheren Besprechungszimmer der KRH gibt es die große Runde. Meiner ist verzettelt und will immer wissen, wer ihn beruflich fördert und wegen Abi, das macht er dann schneller als es die Regel ist. Ich sage, bevor es um ein Hochbegabtenstipendium geht, muss erst mal eine Butze her. Es ist mal wieder lustig festzustellen, dass es nicht darauf ankommt, was einer sagt, sondern wer und wie. Der Schließer oder Pfleger, die Übergänge sind hier sehr fließend sagt was und Herr MRV sagt nein. Ich sage dasselbe und er willigt ein. Dann sei das so. Erst mal vielleicht Wohnheim anschauen, auf jeden Fall ambulant betreutes Wohnen akzeptieren. Innerlich spreche ich ein Stoßgebet. Außerdem sage ich ihm, zu wackelig wieder zu dem Vermieter, der ihm per Untermietvertrag Unterschlupf gewährt. Geduld reicht keine 3 Tage, dann ist er auf der Straße und Frau A. im Weihnachtsmodus mit Telefon im Flugmodus und nicht zu erreichen. Ich hoffe, er hat es verstanden. In der Bahn ist es richtig voll, dass die Hannoveraner genervt sind und echt Leute nicht einsteigen können, damit ist da für japanische und auch englische Verhältnisse noch viel Platz in der Mitte, aber die Leute rücken nicht vernünftig auf und sind schon am Limit. Eine sehr kleine Frau steht neben mir, die sich beschwert, dass es schon seit Monaten so voll sei. Ja, ist doch lustig, denke ich da. Schön auf Tuchfühlung gehen.

Anruf wegen Rechte am eigenen Bild. Fotos eines Toten. Trauerbewältigungsarbeit der Freundin. Jetzt meldet sich die Familie und ein Anwalt. Mit Lebenspartner ist nicht die uneheliche Freundin gemeint, sondern eingetragene Lebenspartnerschaft, gleichgeschlechtlich, wie Ehe. Ohne Ehe nix Wert, rechtlich, oder? Gottseidank hatten wir die Rechte an unserem toten Hund.
Den haben wir ganz viel fotografiert zur Bewältigung des Schocks und mit den Fotos konnte man auch schon Leute schocken und das war nur ein Hund.

Der Mond ist schon schön. Ich bin immer wieder verliebt. Mit den Wolken als Beilage. Gerahmt vom Fenster meines Sportstudios. Es sieht traumhaft aus. Letztes Mal mein Montagssportkurs in diesem Jahr.

Wir liebäugeln mit Wien schon im Jänner. Letztes Jahr waren wir auch 2 x Anfang des Jahres dort und wenn so eine „Tradition“ erst mal Einzug erhalten hat. Schön Naschmarkt und Kaffeehaus und die Lucian Freund Ausstellung. Das wäre schon eine feine Sache und mein Schatz und ich sind uns Gesellschaft genug, auch wenn ich die Wiener Freunde sehr liebe, sollte man sich nicht in Abhängigkeit begeben und auch keinem auf den Zeiger gehen. Das muss nicht sein, oh nein. Da kann man schön unabhängig hin, was Schönes anmieten und herrliche Stunden dort verbringen, wo die Zeit stehen bleibt. Im Café Sperl z.B. Und da sehe ich auch schon das perfekte Apartment. Die Frau schreibt geiles Englisch mit deutschem Satzbau: „Fridge and Waschmaschine are hiding behind red courtains“ ist dort zu lesen. Dusche in der Küche, alles gut. Lustig schaut’s aus und gleich neben dem Sperl. „Super clean“ sei es dort, preist die Vermieterin ihre Bude. Ähhh: next to Sperl = super clean! Zumindest in meiner Definition der Dinge.

17.12. Nein, ich meine nicht heute, wo ich schwitze im Wintermantel mit Wollschal und meine Riemchenschuhe wieder ausgepackt habe und die Handschuhe bleiben in der Tasche, ich meine Freitag auf dem Weg ins Kino, Spätvorstellung. Es war eisig kalt und Stephan trägt bei eisigen Temperaturen auf dem Fahrrad eine dünne Sommerhose und zwar extremdünn und ist stolz darauf, freut sich, dass er so männlich ist. Lange Unterhosen werden abgelehnt. Schon als Kind sei es demütigend gewesen eine Strumpfhose zu tragen. Wie Leander, der mir verrät, die müsse er nur tragen, wenn er in die Hose gemacht hat. Ich sage, Schatz, eine lange Baumwollunterhose, schön gemütlich, es müsste Dir ein Bedürfnis sein und dann sitzt Du wie gepolstert und warm auf dem Fahrrad. Meine Worte verhallen ungehört.

Ich habe keinen anwaltlichen Killerinstinkt. Es geht mir ab mich darüber zu freuen, wenn die Gegenseite einen Einlauf bekommt. Ich habe Mitgefühl. Heute mündliche Verhandlung in meiner Mietsache. Die behinderte Mandantin wurde krank durch den Kontakt mit Behinderten (quasi Hund mit Hundehaarallergie) und hat fristlos gekündigt, was der Vermieter ablehnt, wobei vorher gesagt wurde, dass es mit ärztlichem Attest kein Problem sei.  Vorgerichtlich wollte ich mich einigen und hatte mich noch geärgert auf ein Angebot 2/3 in Raten zu bezahlen nicht eingegangen zu sein. Jetzt fragt die Richterin die Gegenseite, einen dünnen Mann mit Outdoorkleidung über dem Anzug nach Untervollmacht. Nein, der Typ ist aus Berlin angereist. Dann nach Einigungsbereitschaft. Gottseidank sage ich nichts an dieser Stelle. Sie will mal sagen, wie sie das sieht. Meine Argumente greifen alle. Mietverhältnis endet zum 30.11. und nicht erst 3 Monate später. Nicht wegen des Kündigungsgrundes meiner Mandantin, sondern hier gab es einen anderen, vertraglichen Kniff auf den ich aufmerksam gemacht hatte. Es gab einen zweiten Vertrag, den die Behinderten mit einem Pflegedienst abschließen müssen und diese waren aneinander gekoppelt. Beim Pflegevertrag war es mir jedoch gelungen, diesen zum 30.11. aufheben zu lassen. Die Renovierungskosten sind verjährt, weil Verlängerung der Verjährungsfrist in den AGB nicht zulässig. Keine Abweichung vom Gesetz, nur in Ausnahmefällen. Die liegen hier nicht vor. Wir vergleichen uns so, dass die Klage insgesamt hinten runter fällt. Dafür behalten sie die Kaution, die sie schon haben. Meine Kosten müssen sie auch zahlen, außer der Vergleichsgebühr. Dafür hat die Mandantin Prozesskostenhilfe bekommen. Mal sehen, ob der Vergleich hält, sonst Risiko Landgericht, was alles anderes sehen kann. Hey, das ist ja mal besser gelaufen als erwartet. Der Vermieter ist ein Arschloch, aber für den Kollegen, der extra angereist ist, tut es mir leid. Ich gehe zur Belohnung ins Fairkaufhaus und da ist heute „Adventskalender“ Türchen 17. Dezember, 30 % auf Damenkleidung. Hey, heute ist mein Tag! Dafür muss ich schon in der Adolfstraße auf dem Weg zum Gericht über das Plakat von Scooter lachen. 20 Jahre Hardcore. I don’t think so. Was hat das mit Hardcore zu tun? Kann mir das bitte mal einer erklären.

Scooter

Ich verschiebe Zahlungsfristen und meine Betreute fragt sich, warum? Ich sage entweder weil mir langweilig ist oder weil sie sonst nichts zu essen hat im Januar und wir jeden Euro gebrauchen können. Ja, auch ein Abschlag der Stadtwerke von 35,- €, der erst am 13.02. fällig ist. Ihre Idee war, sich in der MHH einweisen zu lassen, damit sie dann warmes Essen hat. Das ist noch weniger sinnvoll und ich bin gegen eine unbegrenzte Aufstockung des Dispo, der die 2.000,- € Marke schon gesprengt hat. Ich bin sauer, aber sie kann es wohl nicht besser. Es täuscht mich, dass sie alle Zahlen auf dem Schirm hat, nur danach handeln gelingt ihr nicht. Das meint auch die MHH. „Frau Arnhold, ich habe gute Nachrichten für Sie. Das Blindengeld wird erhöht im April“ oder so ähnlich lauten ihre Worte. Warum sind das gute Nachrichten für mich, lautet meine Gegenfrage. Ich bin nicht sehbehindert.

Ich verrichte die Dinge, die vor Weihnachten noch sein müssen. In der Erbschaftssache war ein Vergleich schon beschlossen. Die Gegenseite hat ihre Anwältin gekündigt. Ist jetzt alles wieder offen und kann von vorne anfangen? Habe ich nicht schnell genug den Vergleich angenommen? Hätte nichts genutzt. Die müssen zum Notar. 35.000,- € zahlen und dann nicht in der richtigen Form, dass es auch beim Grundbuchamt anerkannt wird, wäre auch keine Lösung gewesen. Scheiße ist es trotzdem. In der Familiensache ruft mich die neue Freundin an, ob mein Mandant den Dauerauftrag für Kindesunterhalt ändern soll. Ja, so haben wir es besprochen lautet meine Antwort. Er versteht es manchmal nicht richtig. Gut, dass sie noch mal nachfragt. Überzahlten Unterhalt bekommt man nicht zurück. Sie lobt mich, dass ich viel besser sei als ihr Anwalt, weil ich schneller bin und ihr Freund schon geschieden. Das ist mal wieder ein Blick auf die Sichtweise der Klienten.

Dicke Akten vom Versorgungsamt und ein großer Kalender werden zur Post gebracht. Lange Schlange. Bei den Akten ist es mir ein Einschreiben Wert.

Morgen lerne ich meinen neuen Hasen kennen für den der Strafverteidiger mich vorgeschlagen hatte. Ich klingele bei ihm zuhause. Das ist mit dem Bewährungshelfer, der Stille Post für uns macht, so vereinbart. Morgen haben wir auch Büroweihnachtsfeier. Bis zuletzt war unklar, wie viele Personen teilnehmen 11 oder 12. Wie im Großraumbüro geht das hier zu. Hintergrund sind aber immer irgendwelche Krisen, also nicht so lustig, auch wenn ich nicht direkt betroffen bin. Schrottwichteln hatte ich letztes Jahr initiiert im Titus. Da mochte man den Anblick nicht besonders. Ich habe das beste Geschenk ever bekommen und daher keine Ambitionen das zu wiederholen. Könnte nur eine Enttäuschung sein. Von Schwiegermutter aus dem Osten, Glas mit Griff und Sandlandschaft und künstlichem Vogel und echten, aber toten Kakteen sage ich nur.

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Schnell zu Sport, außerhalb der Reihe, aber letzte Chance überhaupt in 2013, also auf. Danach essen und Haare waschen nach Wochen. Kopf kratzt nachher schlimmer als vorher. Stephan schneidet die Spitzen.

18.12. Morgens viel Telefonate u.a. mit der Grundbuchabteilung eines auswärtigen Gerichts in meiner Erbschaftssache. Der eine sagt so, der andere so. Dort anfragen, wo der Entscheider sitzt.

Die Vegetarierin hat sich krank gemeldet für die Weihnachtsfeier. Erst eine Extrawurst und dann unpässlich. Ich muss das anders sehen. Ich bin dankbar, dass ich so wenig gesundheitliche Probleme habe. Da gibt es Rücken oder Magen, kein Sekt- oder Weißwein darf mehr getrunken werden und das sind Leute, die jünger sind. Ich denke immer, ich strotze vor Kraft und der Zenit ist noch nicht erreicht. Klar, ich bin faltig geworden um die Augen und sehe nicht mehr so prall aus im Gesicht wie früher und auch nicht mehr so niedlich, aber ich bin zufrieden.

Der Hase ist nicht im Hochhaus. Mittags sollte eine gute Zeit sein. Die Tante steht unten vergeblich vor der Tür. Ich bekomme seine Nummer vom Bewährungshelfer und er kommt vorbei. War erst in einer anderen Straße. Da ist unter der Hausnummer 10 auch ein grünes Haus. Er schaut mich mit großen Augen an und erzählt mir was von den Magneten in den Wänden und der Bewährungsauflage eine ambulante Therapie zu machen.  Nach Familie gefragt gibt es eine Oma und die Pflegeeltern und -schwester. Ich rufe gleich den Betreuungsrichter an. Der will ihn noch mal begutachten lassen. Dann ruf ich ihn noch mal an und frage ihn, ob ich dem Gutachter seine Handynummer geben darf. Dann tue ich das und der hat zufällig nur noch heute Termine in Linden. Alle Vorzeichen stehen positiv bzw. was bin ich nur für ein resolutes Organisationswunder.

Auch in meinen anderen Fällen läuft alles super. Fotos für die neue Versichertenkarte. Eine ruft an, dass sie mir die Urkunde vorbei bringen will. Welche Urkunde, frage ich. Ach ja, eingetragene Lebenspartnerschaft. Sie hat geheiratet. Wie unsensibel von mir. Sie will ein Praktikum in der Pathologie machen. Das sei immer ihr Traum gewesen. Auch wenn sie da nich arbeiten könne, dann wenigsten ein Praktikum. Nachmittags kommt eine neue Betreute und lacht als ich schnell alles erledige und sage, dass mit der Stadtwerkenachzahlung reichen wir erst mal nicht ein, haben die überhaupt Zündstrom für die Therme gezahlt? Ich merke mal wieder, was es den Leuten für eine Last nimmt, wenn ich Ihnen die Dinge abnehme. Erst mal dem Amt schreiben, was sie überhaupt meinen. Sie schreiben Reha und schicken Rentenanträge und wegen der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage sowieso Fristverlängerung bis Mitte Januar. Auf die 2 Wochen kommt es wirklich nicht an. Wie kann man meinen Hasen so viel Stress machen vor Weihnachten. Das werde ich nicht dulden! Zumal das diejenige ich, die nicht so sehr am Leben hängt, wie sie mir anvertraut hat und seit dem 9 Jahr regelmäßig Suizidversuche unternimmt. Ich höre mir das an, weil es mir so fremd ist als am Leben Klammernde, habe aber keine Gesundheitssorge.

Dazwischen ein loyaler Mandant, der immer kommt und bar zahlt und dann soll ich was machen. Er ist sehr zufrieden mit meinen Leistungen. Er lobt mich und sagt immer: viel besser würde ich arbeiten, als die, die er früher hat arbeiten lassen. Ich bin auch mit unserer geschäftlichen Liaison. Er ist zuverlässig. Kommt pünktlich, sagt ab, ist freundlich. Manchmal bringt er mir Essen. Schnelles Schreiben, 50,- €. Das geht. Jeder bekommt den Dienstleister, den er verdient hat. Das ist schon lange mein fester Glaube.

Bekomme Fax. Ich glaube, die familienrechtliche Klage wird sich doch nicht abwenden lassen.  Manche Anwälte verstehe ich nicht, aber vielleicht vertreten sie die Interessen nur besser oder anders. Einen anderen Kollegen, der mir bis heute eine Frist gesetzt hat, rufe ich nur an. Mehr als Ratenzahlung wird schwierig und dann ohne seine Kosten und Zinsen. Er wirkt sehr umgänglich. Mittellosigkeit ist manchmal ein tolles Argument. Auf die Weihnachtsfeier bin ich auch gespannt, weil es dieses Jahr auch bedeutet, neue Leute, zumindest eine neue Mitarbeiterin kennen zu lernen. Eine wird in Kürze wieder ausscheiden. Mal sehen, ob ich jemanden beleidige oder wie der Abend läuft.

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Ich bin gerne wieder zurück in Hannover und freue mich sogar über das Amtsgericht und sein Personal. Der Alltag geht mit der Strafverhandlung gegen Herrn I. los. Der Gerichtssaal ist voll von Zeugen (mindestens 6 Polizisten sind geladen, eine Frau, die für einen Kerl gehalten wird und das schmeichelt ihr). Die Geschädigten, ebenfalls Zeugen, sind Flachpfeiffen. Mein Kollege, der Verteidiger, ist super und fragt den einen, nachdem er ihn hat belehren lassen, dass er nichts sagen muss, durch das er sich selbst belastet, ob es sein könne, dass er Herrn I. gefragt hat, ob er ihm Marihuana besorgen könne. Als er verneint, wird er gefragt, ob er kifft. Das schon, er hat auch eine MPU am Laufen. Dann wisse er ja auch, dass man so was am Steintor kaufen könne. Mag sein, war die Antwort, aber woher wisse das er Verteidiger will die Richterin wissen. Von Berufs wegen ist seine Antwort. In einer Verhandlungspause erzählt der Kollege, dass er gestern beim Landgericht gewesen sei mit der Praktikantin, die hinten drin sitzt und es bestätigen könne. Die Frau Vorsitzende hätte vor Beginn der Verhandlung gesagt: „Hier hat einer gekifft. Ich rieche das genau“. Allgemeines Gelächter. Der Zeuge, der von meinem Betreuten verletzt worden sein soll, hat bei der Polizei angegeben, dass I. ihm mit dem Fuß in den Bauch getreten habe. Heute will es ein Schlag gewesen sein. „Der Tritt fühlt sich heutzutage wie ein Schlag an“. Solche lustigen Sachen bekommen wir zu hören. Zum Schluss gibt es für meinen, der wohl zumindest geschubst hat und dann das Handy genommen hat, welches vorher schon kaputt war und 100 Meter weiter von der Polizei wieder sicher gestellt wurde 1,5 Jahre und es gibt Rechtsmittelverzicht. Ich bin immer fassungslos, aber ihm Strafrecht zählt nicht unbedingt, wie erfolgreich man in kriminellen Dingen war. Sein Mitangeklagter bekommt 1 Jahr und 2 Monate zur Bewährung auf 3 Jahre. Er ist nicht vorbelastet, außer einem Vorstoß gegen ausländerrechtliche Meldeauflagen. Er kann nur französisch und seine kleinen Kinder sind in Belgien bei Freunden untergebracht. Er sieht aus wie ein böser Clown, mit grobporiger Haut und Glatze und bekommt im Gegensatz zu meinem wenig Sympathiepunkte. Im Schussplädoyer stellt er fest, dass er sich nichts vorzuwerfen habe, außer die falsche Gesellschaft gesucht zu haben. Das sieht nicht nach Einsicht aus, wie die Richterin feststellt, habe ihr das die „Schuhe ausgezogen“. Nach der Verhandlung erfahre ich, dass ich eine neue Betreuung übernehmen soll. Der Typ sieht überall Hobbits und verlässt dann seine Wohnung nicht. Wenn der Hunger zu groß wird, geht er raus und fährt los (ohne Fahrkarte). Das klingt spannend. Auch hier stellt die Richterin, die mich aus einer anderen Betreuungssache kennt fest, dass Herrn I. eine Superbetreuerin habe. Na, dann. Vorher weiß sie das. Weil ich so schön im Zuschauerraum sitze.

Freitag kommt Besuch aus Hamburg und wir essen Suppe und spielen Mahjong. Samstag machen wir einen kleinen Ausflug in die Ole Deele. Ich habe meinen passenden Kopfschmuck auf, der sehr gut ankommt. Das Essen ist super und ich habe nicht umsonst Vertrauen in Toni gehabt. Er hatte hinter den Kulissen das Zepter bereits übernommen, wie wir erfahren.

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Sonntag ist noch etwas Spielen angesagt und sonst basteln. Am Montag wird eine Hilfeplanung wird von meiner Betreuten 15 Minuten vorher per SMS abgesagt. Freitag hatte sie mir die Teilnahme noch bestätigt und auf die Mailbox gesprochen.

10.12. Morgens Langenhagen mit der Dauerpatientin, die doch keine Depotspitze nimmt und mit der man kaum reden kann. Großes Aufgebot mit Richterin und Verfahrenspflegerin und Oberärztin. Nachmittags um 16 Uhr steigen wir in die Bahn Richtung Eilvese. Es ist zu voll für 2 Fahrräder, für die wir noch nicht mal Karten haben. Als wir beim Geburtstag meiner Schwiegermutter ankommen, verabschieden sich gerade die anderen Gäste. Es gibt Kuchen und es ist sehr entspannt. Wir bekommen Geld zu Weihnachten und Essen mit für den Rest der Woche. Sie sind einfach nur lieb und anspruchslos, meine Schwiegereltern. Freuen sich über einen kurzen Besuch, erwarten nichts. Ich klebe die Walnuss-Erdnuss Teddies die fehlenden Gliedmaßen wieder ran, die meine Schwiegermutter sofort findet. Es war Tischschmuck. Bei Bedarf kann ich ihn mal genauer beschreiben. Sie hat auch eine Heißklebepistole und wir machen Späße, weil sie sich beschwert, dass ihr Tochter die kaputten hingestellt habe und ich sage, was habe sie gegen Behinderte. Stephan macht die Narkose. Einmal klebe ich schlecht und das Bein muss noch mal gebrochen werden. Ich liebe meine Schwiegereltern. Sie sind so unproblematisch und wenn ich beruflich gestresst bin, hilft mir die Familiensoße sehr, dass ich mich stärker und geborgen fühle. Ich habe einen blöden Scheidungstermin am nächsten Tag. Auch das geht vorbei und die Parteien einigen sich. Ich kann bei dem Mandanten und seinem Bruder, der auch mal Mandant war mit meinem Charme gut punkten. Ich bin froh, dass es vorbei ist. Das heißt nicht ganz, keine Abänderungsklage vor Weihnachten wegen Kindesunterhalt muss doch noch sein. Wir haben einen Gästehund, den ich ins Büro nehme. Vorbildlich verhält sich der kleine, graue Terrier. Abends sage ich Yoga und die anschließende Kneipenrunde, die ich angeleiert hatte in letzter Minute ab. Besuch der toten Tanten. Auch mein schlechtes Gewissen kann mich nicht zwingen. Ich denke immer, ich ziehe es durch bis ich merke, es geht nicht. Sofa.

12.12. Morgens habe ich ganz früh einen Termin. Die Fachärztin soll zu meinem Betreuten. Klappt alles gut. Sie nimmt sich sehr viel Zeit, er ist verhältnismäßig gut drauf. Ein Wechsel in ein Heim, würde ihm nichts bringen. Hier hat er seine gewohnt Umgebung, dort kommt er unter die Räder oder hat weniger Platz und Rückzugsmöglichkeiten. Für mich ist das Gespräch gut, weil ich dann die Bestätigung bekomme, dass ich nichts versäume. Wir beschließen Essen auf Rädern, weil er sich von Cola und Zigaretten ernährt.

Dann Hilfeplanung bei einer anstrengenden Betreuten in der MHH, die ihr Konto mit 2.000,- € überzogen hat und nächsten Monat umzieht. Sie bekommt klare Ansagen von ihrer Therapeutin und ich dann die Kontokarte zur Verwaltung, damit weiterer Schaden verhindert werden kann. Angeblich hätte ich gesagt, ich hätte genug Termine und sie sei alt genug und damit die Geldeinteilung verweigert. Damit spiele ich, indem ich mehrfach diesen Satz in der Frauenrunde sage, weil ich mir sicher bin, dass diese Worte nicht über meine Lippen gekommen sind.

Am späten Nachmittag bekommen wir unser neues Lichtobjekt. Es gefällt mir sehr gut und sieht etwas aus wie H.R. Giga. Schönes Putzlicht. Da hat man erst den Lichtdesigner beauftragt, der einem viel Schummerlicht in die Wohnung gebaut hat, aber da musste erst der Mann von der HBK Braunschweig daher kommen um mal richtig für helles Licht zu sorgen. Ich bin begeistert.

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Ich brezele mich auf zur Kestnervernissage und gehe in einer Anwandelung von nervöser Unruhe vorher noch mal ins Büro um was zu faxen in meinem familienrechtlichen Mandat. Bei Kestner finde es ich so dröge, dass ich lauthals meine Kündigungsabsicht heraus posaune. „Auch wenn die Kündigung dann erst 2015 wirksam wird, dann hätte es wenigstens eine Ende. Ich bin dafür, dass hier wieder ein Schwimmbad eingebaut wird“. Als wir gehen wollen und nur noch auf unseren Nachbarn warten, werden wir von einem jungen Ding angesprochen, ob wir vielleicht Mitglieder werden wollen. Das könne man auch als Weihnachtsgeschenk verschenken, die Mitgliedschaft. Ich sage zu Stephan: „sag ihr, das ist ein ganz schlechtes Thema“. Sie sagt, was Weihnachtsgeschenke und ich sage: nein Mitgliedschaft, weil ein Lichtobjekt, was einen geraden Strich an die Wand macht und damit einem riesigen Raum blockiert, da gehe wieder gleich wieder schimpfend raus aus der Dunkelheit. Da kann ich im Fahrstuhl auch interessante Lichteffekte studieren. Diese Architektenkunst spricht mich nicht an. Zu vielen schlechten Ausstellungen, die mich null ansprechen. Wer sucht das aus? Wer lässt diese Leute hier rein? Wir kennen genügend gute Künstler, z.B. in Berlin, die echt ihr Handwerk beherrschen und die sieht keiner. Dann kommt sie mit den Preisen und Nominierungen und ich sage, das sei mir wurscht. Ich beurteile das selber, ob es mir gefällt. Ich würde mir die Musik auch nicht danach aussuchen, ob das auf Platz 1 der Charts sei, so von wegen, verkauft viel, muss ja dann toll sein und musikalisch anspruchsvoll. Es sei für sie interessant, unser Feedback, betont das junge Ding mehrfach und erklärt mir den verschiedenen Auftrag, den der Kunstverein und die Kestnergesellschaft hätten, während jene Nachwuchskünstler fördern würden, ginge es ihnen darum internationale Größen der Kunstwelt nach Hannover zu holen. Aber bittschön, da muss doch auch jemand dabei sein, der mich auch interessiert. Die Leute sehe ich dann im White Cube in London. Die haben einfach keinen Geschmack, die Leute, die hier das Programm zusammenstellen. Das ist mein Fazit. Ich will Kunst, die mich anspricht oder verstört oder zum Lachen bringt, weil sie geistreich ist und nicht so ein nichtssagendes Beleuchtungszeug und schlechte Skizzen. Wir trösten uns im Roma. Gefühlte 10 Jahre nicht da gewesen und genauso lecker wie damals. Die haben es echt drauf.

Freitag. Habe keine Lust zu arbeiten. Hole den Perso von Herrn Maßregelvollzug ab, den ich  Montag sehen werde. Jeden Tag ruft er mich an und hat neue Hausaufgaben, Wohnungsanzeige mit der Rückrufnummer des Patiententelefons ist keine gute Idee. Ich lehne es auch ab bei der Hotline der ILF anzurufen und mich über mögliche Studiengänge für ihn beraten zu lassen. Das mit dem Ausweis hingegen mache ich. Bedanke mich bei dem Mitarbeiter des Bürgeramtes, dass er mir telefonisch weitergeholfen habe. Manchen schreien gleich Datenschutz, auch wenn ich die ganzen Daten gebe und keine haben will und dann wäre ich nicht in die Stadt gefahren auf Gut dünken und mein Betreuter hätte seinen Ausweis nicht bekommen. War also spitze so. Wir holen 2 Kisten Wein aus dem Rossini ab. Eine Holzkiste steht in meinem Fahrradkorb. Der Nachwuchs hat sich verrechnet und dann bei Stephan für seine Ehrlichkeit bedankt. Vorher habe ich heute bei sonnigem Wetter in einem Anfall von Spontanität bei der Staatsanwaltschaft gehalten um kurz vor 13 Uhr um einen meiner Kalender los zu werden. Zwei Wachtmänner in Begleitung kamen durch das hohe Eisentor und haben unten die Tür aufgeschlossen. Ich zu dem einen: „hallo, Entschuldigung“. Er reagiert nicht und zwar überhaupt nicht (ignorance is strength, sage ich auch immer). Ich lasse nicht nach: “Ähhhh, Tschuldigung, ich wollte fragen, ob Sie feststellen könnten, ob Frau K. von der Staatsanwaltschaft noch da ist“. Er: „da ist alles schon geschlossen“. Ich: „Ja, aber Sie haben doch ein Telefon und könnten anrufen, ob sie vielleicht noch da ist und dann kommt sie bestimmt runter, wenn sie weiß, dass ich es bin“. Dann mischte sich der dritte Mann und einzige Nicht-Justizwächter ein und meinte, er könne nachschauen, ob Frau K. da sei und sie dann ggfls. runter schicken. Ich: „na, dann könnten sie das gleich freundlicherweise mitnehmen und ihr auf den Tisch legen oder in der Geschäftsstelle abgeben, aber es soll nicht im Altpapier landen, es ist selbstgebastelt und sehr wichtig“. Er fragte dann zwei Mal nach meinem Namen. Ich sagte ihn: Vor- und Nachnamen oder nur Vornamen und ergänze, dass es privat sei, wir kennen uns vom Studium. Danke. Leider habe ich nicht gefragt: „und wie heißen Sie, dem ich mein Geschenk anvertraue?“ Ich kann aber eine eins-A Personenbeschreibung: Er hat eine schwarze Wellensteiner Jacke, schwarze, leicht gelockte Haare und rote Flecken im Gesicht. Etwas kleiner als ich und ca. 45 Jahre alt, vielleicht auch älter oder jünger. Das Geschenk ist in doppelter Hinsicht gut angekommen. Die Menschkenntnis hat mich nicht getäuscht. Auf dem Mann war Verlass.

Sport, dann kaufe ich Obst ein und Joghurt bei Denn’s ein, weil ich gefühlt seit Wochen kein Obst gegessen habe. Zuhause esse ich ein riesiges Stück Cheddarkäse von Sainsbury mit Weißbrot und eine halbe Schachtel Butterkekse mit Schokoladenüberzug, dann bin ich auch wieder satt. Habe das Abendprogramm entdeckt, den neuen Film von den Cohen Brüdern OmU. Das muss man ausnutzen. Stephan sagt was von ausverkauft und es sitzen vielleicht 2 Duzend Leute im Kino. Die Ausstattung ist toll. Tolle Wohnungseinrichtungen mit 60er Jahre Möbeln, großen Plattensammlungen, Plakaten aus Wien an der Wand (US-Bildungsbürger), tolle Besucher, gemischte Paare, sie ist Asiatin, tolle Brillengestelle, wie die Insekten bei Gary Larson, tolle, enge Strickpullis u.a. trägt Justin Timberlake trägt immer einen. Der Film ist traurig und es geht halt wirklich alles schief, was schief gehen kann. Ist das Leben wirklich so? Es kommt mir an diesem Abend so unrealistisch vor wie das Gegenteil.

Unverschämt lange Ausschlafen Samstag und Sonntag und ich verlasse das Haus nicht das ganze Wochenende über. Samstag bastele ich zwei Ketten. Die eine ändere ich um, weil das Plastikobst doch sehr abstand und ich es nicht tragen mochte. Dann eine lila Ratte aus Shanghai, die lange als Schlüsselbundanhänger diente in neuer Funktion.

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Ich habe insgesamt 29 Kalender gebastelt und jetzt wo diese Zeit vorbei ist, ist wieder Zeit für andere Projekte. Ein Objekt aus den Verpackungen der Lonsdale Sport-BHs und Schmuck für Weihnachten. Ein Hütchen aus Lebkuchenschachteln und eine Kette aus weißen Plastikweihnachtssymbolen und Vieles mehr. Der Weihnachtsschmuck bleibt allerdings ohne Foto.

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Siehst Du Kathrin, hat sich doch gelohnt den Koffer mit den ganzen Verpackungen voll zu machen…Deine und meine.

Nachmittags kommt ein Freund vorbei und einer der Kalender wandert in sein neues Zuhause. Abends kommt eine Freundin zum Essen. Es gibt Gänsestopfleber (das Mitbringsel fürs Hunde sitten aus der Galerie Lafayette in Berlin)  mit einem Glas Süßwein und einen improvisierten Eintopf mit Spitzkohl und sehr schönen orange-lila, gelb-grünen Möhren sowie Christmas Cake von Fortnum and Mason (Apollo’s Muse). Wir sprechen über die wechselseitigen Silvesterpläne und wollen auf jeden Fall was zusammen machen. Eine private Einladung erscheint wenig verheißungsvoll, aber wir werden einander haben und die Aussicht zusammen gehen zu können (Exit through the gift shop) um vielleicht noch tanzen zu gehen. Wir bestätigen uns wechselseitig das lustigste Silvester der vergangenen 10 Jahre miteinander verbracht zu haben. Das sind gute Aussichten. Damals war ich kurz davor vor 12 Uhr ins Bett zu gehen nachdem ich 1,2,3 im Fernsehen geguckt hatte. Freunde waren zum Mahjongpspielen da, wollten dann aber weiter. Wir waren auch dorthin eingeladen, sind aber nicht gegangen. Als ich schon die Frisur gelöst und den Schmuck abgelegt hatte, klingelte es und Larissa stand mit einer Flasche Schampus vor der Tür. So begann alles, was sich spontan entwickelte und uns bei weißer Pracht zunächst zum bösen Wolf auf die Straße und dann auf eine fremde Teenagerparty führte, wo die Gastgeber euphorisierende Drogen genommen hatten. Irgendeine Vodka-Götterspeise wurde auch uns zur Begrüßung angeboten, aber wir bleiben beim rosa Cremant. Ich sei die Anwältin ihres Freundes mit den lustigen Hütchen werde ich begrüßt. Wir hatten ein weiteres Pärchen im Schlepptau und es gab leckere Getränke, die wir uns selber mitgebracht hatten (bzw. die von einem Kavalier durch den Schnee zu uns gebracht wurden), ich habe zu einer kleinen, leisen Anlage getanzt oder draußen auf dem Balkon mit Nadelbäumen im Schnee (einer unwirklich Aussicht für Linden Mitte) geraucht. Alles war zauberhaft gedämmt und es war ein so runder und herrlich unerwarteter Abend, der mit schlechter Laune und vor 12 ins Bett gehen begann. Heute spielen wir probehalber eine Runde Scrabble und stellen fest, dass ist ziemlich langweilig und ungeeignet für Silvester. Aus Sorte wird Eissorten und dann Reissorten und schließlich Südreissorten. Auf ein Pokerspiel, was den ganzen Abend dominiert und was Einige wieder zu ernst nehmen, wollen wir uns jedenfalls nicht einlassen an Silvester. Am frühen Abend hatte ich mit Claudia aus Hamburg telefoniert, die mich schon vorab nach meiner Jahresbilanz 2014 gefragt hat. Positiv unterm Strich, auf jeden Fall. Sie hatten viele Veränderungen, es gab gemeinsame Reisen u.a. nach Kopenhagen und wir lieben unseren TCM-Tee, wie wir während des Telefonats festgestellt haben.

Sonntag fange ich mit einem neuen Collageprojekt an, mit kleinen Kontaktabzügen, die ich in Farbfotos aus Baden-Württemberg hineinmorphe. Meine Schwägerin versteckt sich auch in mindestens 3 Bildern. Dazu mache ich ein Hütchen mit einem kleinen Rest Delfinstoff von meiner Freundin Andrea. Die Delfine schwimmen jetzt in meinem Zwiebelnetz (Gemüsezwiebeln, Klasse II). Es ist eine sehr gelungene Kreation. Schlafen, basteln, leckere Reste essen. Tee und Christmas Cake im Wintergarten, nähen, noch mehr basteln. Was für ein herrlicher Sonntag, ganz nach meinem Geschmack. Einziger Nachteil. Ich habe ein Hütchen gebastelt für ein Kleid, was ich nicht finden kann. Auf keiner meiner Kleiderstangen. Habe doch zu viel Zeug. Im Fernsehen läuft eine Dokumentation Edvard Munch. Oh Mann, der war auch nicht so gut drauf, der Typ und mit Frauen hatte er es auch nicht so. Da freue ich mich über meinen Mann, den Frauenversteher, der seinen Körper gerade beim Sport stählt und wende mich meinem Tagebuch zu.

Seit Dienstag will ich meine Schwiegereltern anrufen und mich bedanken. Das Kleid was ich suche, taucht in der Bügelwäsche auf.

Hier ist das Londonzebra mit den neuen Knochen aus dem Wald von den Hamburger Freunden.

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Stephan ekelt sich davor, aber ich habe einen richtigen Fetisch mit Knochen und fasse die gerne an und finde sie einfach ästhetisch. Die Zähne sitzen noch richtig fest im Kiefer. Den kleinen Hüftknochen, den sie mir mitgebracht haben, habe ich schon liebevoll abgeseift und er wird zum Schmuck verarbeitet und ist hier nicht zu sehen. Gerd wird noch ein Lichtobjekt für unser Gästezimmer machen. Ich schlage vor aus den Waldknochen. Er sagt, klar, ich soll die sammeln und ihm mitgeben. Ob ich das fertig bringe, die herzugeben für so was, auch wenn es ja trotzdem bei mir bleibt. Der Kampf tobt in mir.