Archiv für den Monat: Juni 2014

Lumix und die Wertvollsten sitzen in Wunstorf

16.05. Was mir an Hannover gefällt nach Paris und nach Stuttgart ist, dass die Leute hier tendenziell eher aussehen wie aus einem linken Jugendzentrum, d.h. nicht so lieb, nichtssagend und gutaussehend, sondern eher szenig und das finde ich dann zugleich anziehender. Als Typ würde ich auch eine Frau bevorzugen, die Doc Martens trägt und irgendwie nach Underground ausschaut, wie eine, die nur hübsch ist.

 

Eine Freundin meiner neuen Betreuten, ich nenne sie mal Frau Tod, kommt ohne Termin vorbei um mir mitzuteilen, dass sie wieder manisch wird. Die älteste Tochter hat sie alarmiert. Am Wochenende hat sie mir zumindest um 3 Uhr morgens mails geschickt wen wir alles verklagen sollen. Ich nehme das ernst. Ich versuche sie zu erreichen.

 

Die WEG-Versammlung schwänze ich.

 

Abends schreibt mir Frau Tod, dass etwas auf ihrem Konto nicht stimmt, komische Dinge würden passieren und tatsächlich wurden um 19:11 fast 5.000,- € abgebucht an eine portugiesische Bank mit Sitz in Lissabon. Sie sagt, sie habe sich um alles gekümmert bzw. die Bank würde das tun. Später findet sie es lustig, dass das beim Spiel Deutschland gegen Portugal passiert.

 

Wenn das chinesische Essen, was man beim Bringdienst bestellt hat nach 5 Minuten kommt, muss man misstrauisch sein. Das war zu schnell.

 

17.06. Morgens gleich schauen: Geld ist wieder zurück gebucht. Telefoniere mit der Bank. Sie hat einen Trojaner auf dem Rechner und soll den nicht mehr für Bankgeschäfte nutzen. Das wäre noch mal schöner gewesen. Ich rette den Dispo und dann so eine Katastrophe.

 

Herr Engel hat Termin, Herr Ihme ohne Termin. Nein, Geld gibt es nicht.

 

Papastempelschlumpf gefolgt von seinem Sohn auf dem Markt. Sie sind große Fußballfreunde. Die Marktfrau meines Vertrauens hat neue Mitarbeiterin, die leider sehr ungeschickt ist, bongt ständig falsch. Sonst arbeitet sie mit der Tochter zusammen. Bewundere ihre Geduld mit der Frau. Alles dauert 3 mal so lang und Kunden kommen mit dem Bong und beschweren sich und jeder Einkauf muss noch mal überprüft werden. Ich kaufe den letzten Schnittlauch und einen leckeren Salat. Zu Recht werben sie damit, dass ihre Salate 8 Tage halten. Die sind einfach Hammer, üppig und geschmacklich eine eins. Da kann man sich richtig an Salat gewöhnen.

 

18.06. Der Tag der klaren Worte. Frau Tod kommt mit neuem Typen, der sie aber seit 25 Jahren kennt, der aber mit einer anderen zusammen war. Sie wollen heiraten, irgendwie stellen sie ihn schon mit ihrem Nachnamen vor (von wegen bald wird geheiratet) und sie haben zwei große, schwarze Hunde dabei und kommen vor der Zeit, so dass sie mich schon im Treppenhaus treffen. Sie soll die Enkel nicht mehr sehen dürfen und hat den Schwiegersohn morgens um halb fünf ausversehen angerufen. Schuld war das blöde Telefon, sie wollte nur eine SMS schicken. Man soll weder anrufen noch eine SMS verschicken morgens um halb 5, wenn man eine bipolare Störung hat. Da soll man schlafen verdammt noch mal. Sie ist heftig geschminkt und aufgedonnert. Jetzt sagen immer alle, bin ich auch, aber sie ist halt wesensverändert. Ich bin klar im Kopf, bei ihr reißen die Gedanken immer ab und sie kann keinen zu Ende führen. Sie will den verseuchten Rechner gar nicht mehr nutzen, auch nicht für emails, auch nicht mir mal schreiben. Sie ist laut, lacht unangemessen und ist aggro. Sie hat die Medikamente abgesetzt, weil sie 2 Jahre nur geschlafen habe. Ich widerspreche und sage, sie war ganz normal und dass ich es nicht verstehe, wenn einer einen hohen Blutdruck hat und nimmt Blutdrucksenker und dann ist der Wert 120 zu 80, weiß er, das liegt an den Medikamenten und kommt nicht auf die Idee zu sagen, jetzt ist der Wert so super, dann setze ich die mal ab. Ich spiele in Wirklichkeit auf ein häusliches Problem an, weil Stephan seinen Blutdrucksenker abgesetzt hat und wieder 160 misst und ich das derart unverantwortlich finde. Ich sage ihr, dass meine Hütchen lustig seien, aber ich hier ganz klar der Spielverderber in dem Spiel sei. Dafür hat mich das Gericht bestellt. Der Typ ist Physiotherapeut und erzählt, wie beweglich sein Becken ist und auch sonst sei er sehr beweglich und er ist 6-facher Großvater und ganz offensichtlich knallverliebt in sie, hat aber Angst vor der eigenen Courage, wenn sie aus dem Zimmer geht, ist ihm das deutlich anzumerken. Verliebt sein sei auch ein bisschen manisch, aber die Alarmsignale von Freunden und Familie, die sie lange kennen, will er auch nicht in den Wind schlagen. Wir vereinbaren, dass wir Morgen um 16 Uhr zu ihrem Arzt zusammen fahren. Lumix fällt erst mal aus für mich. Ich sage ihr das und zeige den Vortrag mit dem springenden Husky, den ich mir anschauen wollte, sage aber, das sei wichtiger. Sie meint, wir könnten auch danach da noch hinfahren. Nein, wenn wir ohne Termin um 16 Uhr in Wennigsen beim Arzt sind, schaffen wir das sicher nicht bis 17 Uhr auf dem Expo-Gelände und da muss man auch vorher Tickets besorgen. Das schlechte Zeitmanagement gehört ganz klar zu dem Krankheitsbild meiner Meinung nach. Unser Bürowelpen verhält sich unangemessen gegenüber den beiden ruhigen Hunden und wird von Mutti gleich weggezerrt. Ich frage warum, hat sie Angst, dass er aufgefressen wird? Der muss sozialisiert werden.

Mein Betreuter der sich in seine Erbkrankheit reinsteigert, dass man dann Muskelschwund oder Diabetes bekommen kann sage ich, dass Diagnostik nur was nutzt, wenn man was machen kann, sonst dient es nur dazu einen verrückt zu machen. Krebsvorsorge ja, aber Erbkrankheit, die nicht beeinflusst werden kann, damit macht man sich nur verrückt. Auch wenn man es weiß, weiß man nichts. MS kann heißen, man merkt nie wieder was von der Krankheit oder man sitzt in 6 Monaten im Rollstuhl und ist in einem Jahr tot. Wir können alle nicht in die Zukunft schauen und das Leben ist tödlich. Der Sachbearbeiterin gefalle ich gut und sie pflichtet mir bei.

Die Physiotherapeuten, denen man im Haus des Jobcenters begegnet.

Männer die aufeinander zeigen

 

Ehemals sehr enge Freundin zu der seit einigen Jahren kein Kontakt besteht, ist sehr schwer krank und ich weiß es von dritter oder vierter Seite. Wir sind geschockt und wissen nicht, wie damit umgehen. Ich will nicht wieder ein Drama erleben, dass ich zu aufdringlich bin. Andererseits so tun als wüsste man von nichts und warten bis die Todesanzeige in der Zeitung ist erscheint mir auch feige und vor allem unangemessen. Diese Frau hat mir schon sehr geholfen im Leben und mich geprägt, vor allem in meiner Jugend, als ich doofe Schülerin und sie schon eine richtige Frau mit eigenem Hausstand war. Hat mir zu meinem Mann geraten und mir Frieda Kahlo und Laurie Anderson vorgestellt.

 

19.05. Morgens sitze ich im Termin und Frau Tod ruft um 2 Minuten vor 10 an mit heiserer Stimme, dass sie um 10 Uhr bei der Polizei sein müsse und das nicht schaffe. Ich soll das absagen und ich soll dann mitkommen und alles ganz wichtig. Ich schmeiße meinen Termin hinaus und rufe da an. Der Ermittler sagt, die Aussage sei unwichtig, der Schaden sei verhindert worden und Auslandsermittlungen, eh schwierig. Er macht mir Panik, dass alles noch ganz unsicher sei, die Kontodaten alle bekannt und die Täter könnten sich zweite SIM-Karte zusenden lassen und es muss ein neues Konto her. Ich dann mit der Bank am Telefonieren, die sich offenbar besser auskennen. Das macht heutzutage kein Handyanbieter mehr, SIM-Karte an fremde Adresse und die Täter haben nicht vorgegaukelt, dass sie auf der Seite der Sparkasse war, das war die Seite der Sparkasse, auch hier sei die Technik besser geworden. Das ist gruselig und unheimlich was technisch möglich ist und haben die von der Polizei denn gar keinen Plan? Außerdem hat sie mitgewirkt. Man hat ihr eine TAN auf ihr Handy geschickt und da stand, dass sie 5.000,- € nach Portugal überweist, wenn sie den eingibt. Das hätte sie nur mal durchlesen müssen. Es war also schon im Zeichen der Manie, dass sie das nicht erkannt hat bzw. erst machen und dann Alarm melden. Das ist eine wichtige Info für mich. Nebenbei ruft Frau Tod an, der alles nicht schnell genug geht, dann der Polizist, der sich Sorgen um sie macht, dass sie sehr weinerlich sei und sich vielleicht was antun würde, ob ich die Möglichkeit hätte dort hinzufahren. Das tue ich dann nach einer Vorankündigung. Sie ist dankbar, ich bewundere den neu gebauten Tischbrunnen von letzter Nacht. Der Freund ist jetzt der Böse und ist nachts rausgeflogen. Sie hat Putin angeschrieben und will eine Armee zusammenstellen. Das Telefonbuch wird durchtelefoniert und sie will wissen, wer auf ihrer Seite ist und wer weiter schlafen will. Ich bin selber beeindruckt, wie sich das alles weiterentwickelt hat in 24 Stunden und eskaliert ist. Nachts war der Notarzt da, weil sie nicht mehr atmen konnte und hat sie abgeschossen und sie hat 2 Stunden geschlafen. Und die Frau, die am Telefon nicht gleich reagiert hat, muss auch verklagt werden. Sie kocht Tee und Kaffee gleichzeitig, den Kaffee gibt es mit Biosahne, lecker. Die Tochter kommt, ich versuche Krisenintervention, integrierte Versorgung über die Krankenkasse, Telefonate nach Berlin und Hamburg, ich will heute einen Anbieter am Start haben und jemanden der vorbeikommt. Die Tochter entsperrt das Handy (leider). Sie hatte immer einen dreistelligen PIN eingegangen statt zu lesen, dass sie noch 3 Versuche hat und der Pin aus vier Ziffern besteht. Jetzt ruft sie jede Nummer an, die auf dem Telefon erscheint oder vermeintlich erscheint. Telefoniert mit der Türkei (schon wieder) und sie bestellt Bücher bei Verlagen. Mit dem einen Ohr spreche ich mit dem sozialpsychiatrischen Dienst, der Notärztin, mit dem anderen versuche ich die Sachen wieder abzusagen. Es ist unheimlich anstrengend und wie einen Sack Flöhe hüten. Die Tochter und ich sind im Dauereinsatz. Die ältere Tochter ruft auch an, ist aber hoch schwanger und hält sich zurück, kann sie aber mit dem Thema Enkel sofort zum Heulen bringen. Ich sage ausversehen das Wort, was sie gesagt hatte „Eröffnungswehen“, dann will sie gleich losstürzen. Nein, sie kneift noch zu, nur ein bisschen Regelschmerz. Noch mal gut gegangen. Sie kocht stundenlang Spargelschalen aus und fügt Gläserweise irgendwelche Gewürze hinzu. Der Herd ist auf 9 und sie geht raus und vergisst es. Wir stellen ihn immer wieder heimlich runter oder sagen es ihr auch, was sie wieder vergisst. Die Anrufer, die sie nachts angerufen hat, rufen alle nacheinander zurück. Irgendwann kommt die Notärztin, die ich auch aus anderem Zusammenhang kenne. Sie sind zu zweit. Die Frau ist leider sehr ungeschickt und meine flippt aus, schreit sie an, sie bestimmt immer noch, wer sie bei ihr in der Küche setzen darf und macht weitere Kerzen an, direkt an ihrem Ohr und neben Trockenblumen. Alle haben Angst. Bei mir ist sie folgsam. Natürlich würde sie mit mir nach Wunstorf fahren. Das sei so abgesprochen. Die Ärztin hat Zweifel (das klappt doch nie). Was ist, wenn sie an der nächsten Ampel raus will. Ich schaffe das schon. Sie bestellt den Krankenwagen und wünscht mir viel Spaß. Wenn alle Stricke reißen nehme ich sie in den Arm und sie schluchzt eine Runde und dann geht es wieder besser. Ich sage ihr, alles wird gut und wir stehen das gemeinsam durch. Dann kommt irgendwann mal der Typ von der integrierten Versorgung, ich hatte gesagt, wir können alle fachkundige Unterstützung gebrauchen. Ein junger Türke. Sie hat die Türken gerufen, wie sie sagt. Der ist auch mittelgeschickt. Sie will jetzt doch lieber ambulant. Der Krankenwagen kommt. Es sind leider 2 Frauen mit Gummihandschuhen. Das Packen dauert ¾ Stunde und sie lässt sich nicht hetzen. Die Tochter ist unterwürfig und fragt immer, ob sie das und das packen darf. Kerzen werden wieder angemacht, die Handtasche wird ausgeleert auf dem Fußboden und durchsortiert, alle Feuerzeuge zusammen und dann zack, wieder rein. Muster auf dem Tisch sortieren. Leider merkt sie, dass ich ihr das Handy weggenommen habe und lässt nicht locker bis sie es wieder hat. Stephan muss meine Bürotermine machen. Es ist 14:05 als wir in den Wagen steigen. Ich gucke auf die Uhr, weil sie sagt, dass dauere immer eine Stunde mit dem Krankenwagen. Es dürfen nur 2 mitfahren, der junge Türke fährt die Tochter. Das ist auch hilfreich und so war er wenigstens nicht umsonst da. Ich sitze ihr gegenüber und gegen die Fahrtrichtung. Ich sage, dass ich mich fühle, wie im englischen Taxi. Sie trägt eine Sonnenbrille und wir plaudern und vertreiben und die Zeit während wir auf der Autobahn im Stau stehen. Als sie ein Stück Croissant essen will heißt es von vorne, dass im Krankenwagen nicht gegessen werden darf (auch taktisch keine Meisterleistung) Sie will an der nächsten Raststätte anhalten und brüllt herum, dass sie gestern um 18 Uhr das letzte gegessen habe. Die Tochter hatte Frühstück mitgebracht. Auch das kriege ich wieder hin und wir kommen an und es gibt erst mal ein High Five mit den Mitpatienten vor der Tür und dann geht sie in den Raucherraum. Ich darf erklären, wer hier eingewiesen wird. Es kommt wie besprochen. Das war ja unser running Gag, dass sie mich da behalten werden. Wenn ich jedoch das Wort ergreife, habe ich keine Probleme es deutlich zu machen. Ich mache die Tür zum Stationszimmer zu und will sicher stellen, dass sie kapieren, dass sie nicht freiwillig da ist, weil sie keine tragfähige Willenserklärung abgeben kann. Ich habe mir nicht einen ganzen Tag ans Bein gebunden um das schonend zu machen und sie machen das alles zunichte. Ich muss darauf bestehen, dass sie meinen Betreuerausweis kopieren mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung. Ich verabschiede mich und werde sofort als Rudelführer akzeptiert auf Station. Während die liebe Tochter bei den jungen Kerlen eher als Opfer erkannt wird, schauen sie bei mir interessiert, aber haben Respekt. Im Raucherraum meint einer der nach schweren Körperverletzungen aussieht mit frischen Narben im Gesicht zu mir: „komm mal her, ich will Dir was sagen“. Ich dann, „sag’s laut“ und er kommt auf kleinem Schritt zu mir und sagt: „ich stehe auf Ihr Outfit“. Alles klar. Es regnet. Ich sitze mit der Tochter vor der Tür auf einem Betonpfeiler. Wie ausgeblasene Eier fühlt man sich. Bedanke mich für die Hilfe, ohne sie hätte ich es nicht geschafft. Es ist die Aufgabenteilung, dass sie als Familie und Freunde die Klamotten bringen und ich mich nicht auch um so was kümmern muss. Ja, ihre Mutter hat mich bewusst ausgesucht. Das ist mir nach heute ganz klar. Sie versucht private Abholung zu organisieren. Das klappt nicht. Ich lass Taxi rufen, dann Bahnhof, Zug gerade gefahren, hektisch Fahrkarten kaufen, der nächste kommt gleich, sie kennt den öffentlichen Nahverkehr nicht, wir rennen und stempeln nicht ab, weil es irgendwie nicht geht. Ich biete ihr das Du an, sie hat Konditorin gelernt, ein sehr ehrbarer Beruf, den ich sehr schätze, wollte erst Krankenschwester werden. Hat gemerkt, dass ihr das nicht gut tut. Nach ihrer Mutter hat sie schon einen Laden. Sie lacht. Trotz aller Belastung sei sie eine gute Mutter gewesen. Ja, wer einen langweiligen, desinteressierten Fladen zur Mutter hat, hat andere Sorgen. Sie kann jetzt nicht alleine sein und fährt zur Schwester. Ich gebe ihr die nicht abgestempelten Fahrkarten mit. Die kann sie in nächster Zeit bestimmt gebrauchen. Sie weiß ja jetzt wie es geht. Wir bleiben in Kontakt. Ich denke, Stephan ist vielleicht mit Steffi zur Lumix. Er war gerade zwischen Büro und Zuhause unterwegs. Ich mache noch etwas Post und faxe den Vertrag für die integrierte Versorgung zurück. Das hatte ich versprochen.

 

Dann Beckmanns. Ich muss was Gutes essen. (Das Burrata ist noch nicht einmal das, was mir richtig gut schmeckt)…..

Beckmanns Burrata

Heute wird uns das Du angeboten vom Koch. Wurde auch Zeit. Er fragt, wo wir sonst essen gehen. Wir waren gerade in der Wielandhöhe in Stuttgart, aber sein Fisch war besser, nein, er meint hier in Hannover. Ich glotze in die Küche, er meint, das sei nichts, nur grüne Bohnen. Nein, wir schauen seiner Küchenhilfe auf den Arsch. Ich sage, Stephan und ich seien beide etwas verknallt in sie. Er auch und grinst. Wusste ich’s doch.

 

Cumberlandsche Galerie, zu früh. Wir sind die ersten Gäste neben einem alleinstehenden Mann, der vielleicht Theaterkritiker ist. Die Oper ist kurzweilig und modern, deswegen heißt sie auch „Semioper von Henry Purcell in historisch unkorrekter Aufführungspraxis“. Wir treffen unsere Nachbarn und sitzen nebeneinander auf der Bank. Jan macht mich darauf aufmerksam, dass der Klarinettenspieler einen Luftsack am Hals hat wenn er in sein Instrument bläst und Tatsache, das war mir vorher nicht aufgefallen, aber jetzt. Und wie. Das sieht richtig ausgeleiert aus. Ich mag die Inszenierung und sage, besser als sich stundenlang von Wagner langweilen zu lassen. So kommen auch die Instrumente viel besser zur Geltung, weil es wenige sind. Bassposaune ist eh der Hammer, aber auch Althorn und Klarinette können gut sein. Sweet Milk, den Namen muss man sich merken. Vielleicht kann man die ja mal engagieren für eine Hochzeit, z.B. Immerhin habe ich ein Lied gleich wiedererkannt und das finde ich bemerkenswert, weil ich mich selber für sehr unmusikalisch halte nur offenbar im zuordnen und Wiedererkennen bin ich ganz gut so habe ich als Kind damit beeindruckt, dass ich bei der Sesamstrasse erkannt habe, das ist Papas Musik als Bach lief. Hier höre ich, das Lied hat Klaus Nomi mal gesungen und das stimmt auch, habe nachgelesen, Cold Song heißt es und hat wenig Text, aber der hat es in sich.

 

20.06. Heute will ich aber zu Lumix. Bewährungshelfer sieht auch etwas aus wie Papaschlumpf. Hat keinen Kontakt zu Herrn Ihme und lässt sich auf den neusten Stand bringen. Erkundige mich wie es Frau Tod geht. Die Tochter meldet, dass sie viel mit dem Handy anruft und sich selber schadet, indem sie geschäftliche Kontakte anruft, aber auch Arbeitgeber der Töchter. Sie wollen ihr ein Prepaid Handy besorgen und die Station soll das unterbinden. Die Ärztin meint, dass sie hiergegen nichts tun könne, ich sei doch Juristin, mir müsse sie es nicht erklären. Muss sie doch, weil sonst muss sie mir erklären, warum ich eine hoch kranke Frau mit viel Aufwand in die geschlossene Psychiatrie bringe. Dann lasse ich sie nächstes Mal Zuhause und dann kann sie sich dort zugrunde richten. Ich ärgere mich und schicke Faxe. Mittags ist das Handy doch in Verwahrung. Das Pflegepersonal sieht das anders. Einen Beschluss gibt es auch. Der Richter fragt sich auch, was ich wieder auf dem Kopf habe und erzählt was von einem Krokodil. Ich kenne den Oberarzt und nehme mit ihm Kontakt auf. Als er nicht weiß, wer dran ist sage ich „Mozart ist scheiße“. Dann spreche ich mit Frau Tod und sie will alles tun, was wir sagen und fühlt sich gut aufgehoben. Den Arzt kennt sie aus Linden und vom Markt. Da trifft sie ihn mit seinem Freund. Alles erledigt, dann kann es ja heute zur Lumix gehen. Zwei Vorträge stehen auf dem Programm.

 

Nach der Ankunft erst mal eine Runde Fotos gucken. Irgendwie kommen sie mir mittelmäßig vor. Eine Frau, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit Frieda Kahlo hat und mit der wir Fahrstuhl fahren lobt meine Ohrringe, die Plastikhandgranaten. Die wären „great“. Ich: „Thanks“.

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Der erste Vortrag ist von einer Engländerin, die ein bisschen ausschaut wie Tilda Swinton und eine kleine Tochter hat, die langsam an die Fremdbetreuung durch Studentinnen gewöhnt werden muss. Sie hat Flüchtlinge fotografiert aus Somalia, die auf dem Seeweg in den Jemen wollten und dann, wenn sie merken, dass es da nicht besser ist weiter nach Saudi Arabien. Die Fotos sind schlecht, was den Umständen geschuldet sein mag unter denen sie gemacht wurden und weil die Geschichte wichtiger war, die erzählt wird. Ich mag die Frau nicht. Sie hat sich an der einen Stelle doch tatsächlich entschieden die Kamera wegzulegen und Menschen zu retten, d.h. aus dem Meer zu ziehen und betont das so als sei es nicht das normalste der Welt. Was denn bitte sonst? Sie macht einen auf Tierfotografin, die nicht eingreifen soll. Ich verstehe den Ansatz nicht. Natürlich muss man eingreifen und die Leute warnen, dass sie sich in Todesgefahr begeben und es auf der anderen Seite nicht besser ist. Was macht das sonst für einen Sinn? Man will einen Unterschied machen und eine Geschichte erzählen, was verändern durch seine Arbeit, aber irgendwie will man auch nicht eingreifen. Feige kommt mir das vor und irgendwie glaube ich ihr dann nicht mehr oder habe zumindest Zweifel an den Dingen, die sie erzählt. Die bösen Schlepper oder Bandenchefs, die sie auch z.T. fotografiert. Früher nannte man das Fluchthelfer, wie Stephan zu Recht sagt und was kann man für 50 Dollar schon erwarten. Es kommt einem alles sehr vereinfachend vor und auch irgendwie erfunden. Menschen, die Angst hatten und nicht in die kleinen Boote einsteigen wollten als sie gesehen haben, wo sie rein sollten, wurden angeblich mit Genickschuss hingerichtet am Strand. Ich glaube es nicht. Warum sollte man es tun? Es macht auch auf der Verbrecherebene keinen Sinn. Das Geld hat man schon und die Leichen müssten auch beseitigt werden. Mein Misstrauen gegen die Frau ändert sich auch bei der zweiten Geschichte nicht. Minderjährige Flüchtlinge aus Afghanistan. Auch hier ist sie hin- und hergerissen zwischen Nichteinmischen und es aber doch tun. Sie reist mit einem Jugendlichen und will ihn dann doch nicht kennen um ihn nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Sie will ihn nicht fotografieren um seine Identität zu schützen, tut es dann aber doch als er schläft und in schlecht, d.h. die Fotoqualität wird nicht besser, obwohl das hier durchaus möglich gewesen wäre. Hauptsache Kinder und auf die Tränendrüse drücken. Sie wird dann nach dem Vortrag auch nach ihrem gefährlichen Job und ihrer Verantwortung als Mutter gefragt. Das ist zwar auch eine dämliche Frage, zugegeben, aber der Ansatz der Vortragenden ist mir trotzdem total suspekt. Lässt die Mütterliche raushängen, aber dann doch lieber nur neutral bleiben, professionell und nur berichten. Je mehr ich meinen Beruf mache, desto mehr scheiß ich gerade auf das vermeintlich professionelle bzw. halte den Ansatz von dem „das ist mein Gegenüber und bloß nicht zu sehr verbrüdern“ gerade nicht für nicht professionell. Meine Emotionalität ist ein wichtiger Bestandteil meiner beruflichen Arbeit und den baue ich zunehmend konsequent aus. So.

 

Der zweite Vortrag gefällt mir viel besser. Der Typ hat Humor und macht gute Bilder. Er ist Schweizer und wohnt in Paris. Ich schaue später nach. Sein Atelier ist in Montparnasse, bei dem Friedhof in der Nähe und der Straße mit den ganzen Crêpeperien. Er hat auch ein gesundes Selbstbewusstsein. Sie machen ein neues online Magazin und das kostet Geld, es kennt sie keiner, nur 450 Abonnenten, aber sie sind gut. Der Typ ist mir sympathisch und er hat echt gute Bilder gemacht. Nacktcamp, Alte, Nackte beim Yoga. Kopfstand. Ein Feuerwehrmann beim Pinkeln. Rauch und der doppelte Löschstrahl. Ein Typ, der in der Kanalisation Ratten jagt.

 

Wir gehen anschließend zum Griechen am Lindener Markt. Der ist etabliert und etwa schon so lange in Hannover wie wir, aber wir waren noch nie da. Gute Qualität und ein Aquarium an der Wand. Wo hat man das noch? Es gibt Servietten mit Landkarte und auf der Speisekarte kann man griechisch lernen. Wir verabreden uns für Morgen früh.

 

21.06. Traum: will mit Annette und ihrem Sohn in eine Theaterinszenierung, erst holen wir ihn ab von der Kita und dann ergibt sich das. Ist in der Nordstadt in einem Jugendzentrum und man muss durch einen Krankenhaustrakt. In diesem Trakt ist eine Geburtsstation oder so, ganz viel Blut, pulsierende Haufen aus Blut und Innereien. Frauen in weißen Gewänder voller Blut, es sind altmodische Nachthemden, total beschmiert. Menschen stehend angekettet, die voll bluten und da muss man durch. Es ist so eng gedrängt, dass man selber voll blutig wird. In der punkig gemachten Inszenierung mit selbstgenähten Kostümen geht es um das dritte Reich und es wird viel Gewalt gespielt. Ich frage mich ob das kindgerecht ist. Alle sind Jugendzentrumpunks, wie Sprengel ist es da, d.h. Mitwirkende und Publikum. Es gibt eine Pause und man erhebt sich von den selbstgebauten Sofas, Matratzen und Möbeln. Ich komme nach der Pause zu spät und muss über die Bühne wieder auf meinen Platz auf einer der Matratzen steigen. Dann ist es vorbei und es kommt eine Durchsage, dass alle in 5 Minuten das Gebäude verlassen müssen, sonst schließen die Türen automatisch. Große Hektik allgemein, weil ich die Garderobe mit meinen Sachen nicht finde, brauche Stephans Hilfe. Wir schaffen den Count down und sind draußen. Das ist hier der Normalfall, dass die Türen schließen und dann braucht keiner einen Schlüssel. Ich habe Panik dort eingesperrt zu sein, aber es ist ja noch gut gegangen. Hilmar ist auch bei uns. Ich kommentiere seine Unterhose, dass die gut sei und er meint, dass die noch nicht mal seine Frau kennen würde. Ich: „Du spinnst“.

 

Im Nachhinein weiß ich nicht mehr, welche Annette das war (und es kommen mehrere in Frage) oder ob es überhaupt eine Annette war (keine Frau, die ich kenne und mir mit Sohn vorstelle lässt eine Klingel läuten, wie man auf Englisch sagt), aber der Traum war eine Mischung aus der Schwangerschaft der Tochter von Frau Tod, die schon Eröffnungswehen hatte und der geschlossenen Station und der Oper der anderen Art in der wir waren sowie meine Hannoverliebe. Das ist ganz klar.

 

Ich streite mich morgens mit Stephan, weil er Ouzo beim Griechen getrunken hat. Sehe die wertvollen Szenen in Linden. Bauarbeitertyp, der mit Mädchen Hand in Hand läuft, die ein Auge abgeklebt hat und ganz geduldig, ruhig und liebevoll mit ihr spricht. Wir kommen spät los, gehen noch eine Runde mit den Hunden und hetzen zur Lumix. Stephan kauft schon mal Karten, wir parken und laufen zum Hörsaal. Der Schweizer Referent vom Vortag kommt uns entgegen und ich grüße ihn mit einem freundlichen „hallo“. Ich bin mir sicher, dass er mich auch wiedererkennt. Habe gestern weit vorne gesessen und so schwer ist das nicht (mich wiederzuerkennen), wie meinen Freundinnen immer meinen.

 

Ich werde viel angeglotzt und manchmal probiert man mich ganz doof zu fotografieren. Stephan und ich sind meistens schneller. Er hört, wie gesagt wird: die war gestern schon da.

 

Wir setzen uns hinten in den Hörsaal. Die Vorstellung des Vortragenden ist schon im Gange und ich sehe nichts und laufe ganz vorsichtig weil ich nicht fallen will. Es ist nicht so voll, aber viele müssen auf den Treppen sitzen, weil Zuhörer die Reihe blockieren und einfach außen sitzen bleiben und nicht durchrutschen.

 

Der Typ ist Engländer, spricht aber ein gutes Englisch. Er hat Arbeit gemacht „Gun nation“ über die Waffenverrückten Amerikaner, die Angst haben und sich aber nicht schützen, sondern Gefahren erhöhen durch die Bewaffnung. Halbautomatische Gewehre, die im Vietnam Krieg benutzt wurden für die Ehefrau. Dann geht es um sein Projekte „Love me“ über Schönheitswahn, der jetzt auch die Männer erreicht hat nachdem man sich zuerst darauf konzentriert hat, die Frauen verrückt zu machen und unzufrieden mit ihrem Äußeren um ihnen Dinge verkaufen zu können sind jetzt die Männer dran. Keine behaarte Männerbrust mehr in der Werbung seit 1995 (auf dem Titelblatt irgendeines namhaften Magazins). Er hat so Recht. Auch dieser Jugendwahn. Früher war Alter toll, Weisheit, Lebenserfahrung, hat Respekt bedeutet. Jetzt muss man sich schämen, wenn man nicht mehr jung ist und um seinen Job fürchten. Dann Fotos aus Hackney, seinem Stadtteil in London. Danach Fremdschämen für die dämlichen Fragen. Mein Gott, wie schafft man es ein einvernehmliches Foto zu machen. Wenn sie das nicht wissen, sollten sie das Studium wechseln oder sind das nicht Studierende sondern andere Idioten. Die Fragen hat Steve Mc Curry schon vor Jahren beantwortet, dass er wohl klein sei und nicht so bedrohlich wirken würde und von daher Glück hätte, dass man Blickkontakt aufnimmt und so was doch „abstimmen“ könne jenseits der Sprache. Mein Gott, wie kann man einvernehmlich Sex mit einem anderen Menschen haben ohne sich eine Verzichtserklärung vorher unterzeichnen zu lassen, lästere ich nach dem Vortrag ab. Was sind das für dämliche Fragen und zwar immer wieder.

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Steffi haben wir verloren, sie war nach den Hunden schauen. Erst mal ins Kaffee mit Ausblick und schön am Rand sitzen.

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Wir gucken uns die restlichen Bilder an. Ich bleibe dabei, es sind weniger Fotostrecken dabei, die ich für echt gut halte im Sinne von sehr großem Fototalent. Ich bleibe dabei, dass die Qualität schon besser war. Bei der ersten Lumix als ich ein Foto gekauft habe, konnte ich mich gar nicht entscheiden und meines ist Weltklasse. Dieses mal kaufe ich nicht mal den Katalog. Es sind einfach viele mittelmäßige Fotostrecken. Vielleicht wäre ich lieber in Wunstorf gewesen, denke ich irgendwie. Das ist das wahre Leben und hier nur gucken und viel Zeit geht dabei drauf.

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 Das Expogelände ist ganz schön heruntergekommen.

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Stephan geht zur Demo. Wir fahren zur alten Bult, treffen den Mann der Yogalehrerin und Ingrid mit ihrer Mutter. Sie kommen vom Friedhof, ist Todestag ihres Vaters. Der Sohn hat Abi gemacht und will ein Jahr nach Neuseeland. Suki macht Hosen dreckig.

 

Es tut gut wieder in Linden zu sein und sei es nur Rewe. Freu mich, dass Stephan schon zuhause ist. Sein Rad steht noch bei Steffi. Er hat brav Baklava eingekauft, war aggro und hat „halt’s Maul“ zu einem rassistischen Mann im Bus gesagt, der mit ihm aussteigen wollte. Das passiert auch nicht alle Tage.

 

Viel Essen, kein Abendprogramm, obwohl wir eingeladen sind Schwule Sau und Faust. Ich habe keine Lust. Hoffe kurz, dass Ghana gewinnt. Wieder Diskussionen um das Absetzen des Blutdrucksenkers. Ich bin unfreundlich und sage, dass sei Veranlagung und er kann nicht darauf hoffen, dass sich da wieder was eingerenkt habe, warum auch? Es ist vielleicht der falsche Ansatz, dass ich immer so knallhart ehrlich und beleidigend bin. Auch hier steht die Sorge dahinter, aber ob sich so was ändern lässt?

 

22.06. Ich befreie mich von meinem Lumix-Bändchen. Wir schneiden sie uns gegenseitig ab, anders geht es nicht. Meine Nähverabredung sagt ab. Reportage über den Beginn des ersten Weltkrieges. Es verblüfft wie alle u.a. auch Intellektuelle und Schriftsteller Krieg für was Tolles gehalten haben und total euphorisch ihre Söhne da hingeschickt haben und dann ernüchtert festzustellen, die sterben da jung. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Soldaten in Verdun waren 14 Tage. Sinnloser sog. Stellungskrieg. Es wird nichts „erobert“ und am Ende sind mehrere 100.000 tot.

 

Bastele 3 Hütchen mit denen sie nächstes Mal nicht fragen werden, wer gerade eingewiesen wird, sondern mich da behalten werden so Stephan unverhohlenes Kompliment. Eines der Hütchen hat auch Pillen oben dran, d.h. kleine, dicke Stifte der Leibnizapotheke, die ausschauen wie Pillen. Das trage ich für Frau Tod zur Belohnung nach Wunstorf wenn da Besprechung ist. Herr Engel nervt mit Emails am Sonntag.

 

Weißarmäffchen nennt mich Stephan, weil mein linker Arm in der Mitte ganz bleich ist, da wo die Armreife ihn vor der Sonne komplett verdecken oder ihm auch die Luft nehmen und der Arm gammelt etwas vor sich hin. Das sieht krank aus nackt, ohne Schmuck.

 

Fußballgeschichten. Bengalisches Feuer und der Torwart blutet am Kopf. Die Frau, die geworfen hat wusste nicht, was sie geworfen hat und ob sie was getroffen hat. Es stellte ich dann heraus, dass der Spieler sich selber mit einer eingewickelten Rasierklinge verletzt hat, die er sich in den Schuh gesteckt hatte und er hatte nur auf den richtigen Moment gewartet. Die Frau wurde für den Playboy „entdeckt“. Ja, das ist eine schöne Fußballgeschichte und so scheint es zu laufen. Zuhause blühen die Kakteen.

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Nach der Briefwahl haben wir Freundinnen von früher getroffen. Früher hat die eine so kreativ gebastelt, ich habe noch lauter Sachen von ihr und jetzt zeigt sie uns Fotos von ihrer aufgeräumten Wohnung. Es ist erschreckend, wie die Kreativität sich bei vielen auswächst. Das soll nie bei mir passieren! Es macht mir Angst, weil ich es nicht verstehen, wie kann man eine Bastelneigung gehabt haben und die geht so derart weg. Das macht mir Angst.

 

Kehrwochenende

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13.06. Ich ärgerte mich gestern, dass ich Stephan anrufen musste vom Handy, weil ich nicht weiß, ob ich die Marienstraße oder die Hildesheimer runter fahren muss nach Kleefeld. Ich kann es mir nicht merken, obwohl ich die Strecke schon zig mal gefahren bin. Ich baue mir nach dem Ärger eine Eselsbrücke KLM. Kleefeld liebt Marienstraße. Ich komme mir dement vor und total dämlich.

Mr. Borderline hat sich entschuldigt und ich fand das total klasse. Die ambulante Wohnbetreuung, die eigentlich schon fast Angst vor ihm hatte will weiter machen. Das finde ich total wichtig, weil gerade so Heimkinder haben oft die Erfahrung gemacht, dass es einen Konflikt gibt und dann die Bezugspersonen wegbrechen und das soll hier nicht der Fall sein. Wenn ich was zu sagen habe, halten wir das aus und schaffen Kontinuität.

Heute werde ich um 6 Uhr schon wach und um 7:58 Uhr habe ich das Üstra-Ticket am Automaten gezogen. Wir nehmen die Bahn, die Stephan rausgesucht hat um 8:17. Unser Zug mit Zugbindung fährt um 8:41. Leider fliegen wir am Schwarzen Bären raus und stehen mit vielen anderen auf der neu gebauten Haltestellenbrücke (Hochbahnsteig). Die nächste Bahn kommt in 10 Minuten. Schaffen wir das, will ich von Stephan wissen. Er bejaht, weil wir ja nur ca. 6 Minuten Fahrtstrecke vom Bahnhof entfernt sind. Taxi wäre ohnehin keines griffbereit. Ich bin schon angespannt. Dann kommt die U-Bahn endlich um halb und ist supervoll. Sie stockt, die Menschen sollen die Trittstufen frei machen. Immer wieder halten wir und es geht nicht voran. Irgendwann hilft nur auf eine Verspätung der DB hoffen. Wir rennen zum Bahnsteig, ich hyperventiliere und meine Beine drohen zu versagen. Dann steht fest, es ist 8:43 als wir oben ankommen und unser Zug ist weg. Ich drehe durch, will wieder nach Hause, alles absagen. Stephan will am Automaten ein neues Ticket kaufen, ich will Rache. Meine Laune ist so was von miserable, dass ich meiner Umwelt Angst mache. Ich schnappe mit am Gleis des Intercity nach Kassel eine Bahnmitarbeiterin und erkläre der schon mal alles und dass ich Genugtuung will, weil alle unsere Termine durcheinander kommen und wie früh soll mal noch losfahren usw. In dem Zug sind Hühner auf Junggesellinnenabschiedstour und Männer, die Sitzplatzreservierungen haben und Zahlen laut aufsagen. Bei dem einen bleibe ich ganz nah an seiner Kopflehne stehen und er will wissen, ob ich nicht durchgehen wolle und ich erkläre ihm, nein und, dass ich genau für diesen Stehplatz eine Stehplatzreservierung hätte. Wir gehen dann in den Speisewagen und ich bekomme einen lauwarmen Tee, bei dem sich das Wasser nicht verfärbt und ich kann meinen Finger hineinstecken und der wird noch nicht mal richtig gewärmt. Den muss ich auch reklamieren. Das für 3,20 € und das total schlechte Baguette-Frühstück kostet 6,80 €. Die haben sportliche Preise in der Bahn. Die Schaffnerin, die die üstra nicht kennt, weil sie aus München kommt und sagt, dass sie aus Kulanz die Zugbindung aufhebt und unserer Tickets gültig schreibt und fragt mich, ob meine Laune jetzt besser sei, was ich bejahe. Wenn ich richtig sauer werde habe ich doch Erfolg, auch mit privaten Anliegen.

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Das hat uns 125,- € und noch viel mehr Ärger und Frust meinerseits gespart. Umsteigen in Kasel-Wilhelmshöhe, eine Signalstörung in Gernsheim oder so ähnlich, wir kommen an mit erneuter Verspätung.

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Ich bin erleichtert aus dem Zug aussteigen zu können. Superlangweiler von Berufskollegen aus einem Verlag haben uns seit FFM gegenüber gesessen. Er ein alt wirkender Mann mit sehr schmalen Schultern und schlimmen Dialekt und Zähne und sie jung, mit langen blonden Haaren, aber auch kaum attraktiver. Im Verlag arbeiten, aber nicht richtig Deutsch sprechen können, „die Kamera, wo ich dabei habe“….Gefallen tun mir immer die Schrottplätze, sie erfreuen mein Herz. Wie ein riesiger Haufen Gold, das glänzende Metall zu einem Berg aufgetürmt, der in die Sonne glitzert und glänzt, die eine Seite rostig, die andere shiny. Wenn ich meinen dicken schweren Rung verliere, den ich heute trage, hat die weitsichtige Goldschmiedin vorgesorgt und meinen Namen in die Ringschiene reingestanzt. Orte, die Wolfgang heißen. Hey, wir haben noch nie in Hanau gehalten.

Der Stuttgarter Bahnhof ist nicht wiederzuerkennen und man muss ewig latschen. Taxi. Beim Apartment treffen wir meine Eltern, die unten beim Vietnamesen „Noodles“ was essen. Ich bin mehr als grantig und kriege mich einfach nicht ein und Stephan tut ihnen leid. Stephan macht die Wohnungsübergabe oben im Haus und ich lasse mich auf einen teuren, aber ausgezeichneten Mittagstisch einladen. Edles Sashimi-Fleisch mit Nudeln, Salat und frischen Kräutern. Der Laden ist gut. Die Dachgeschoss-Wohnung ist etwas bedrückend, aber die Dachterrasse bietet einen spektakulären Blick und viel Platz.

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Wir trennen uns von meinen Eltern, die zu Breuninger wollen, gehen Kuchen kaufen bei Nast. Ich sehe schon deutlich die ersten sicheren Anzeichen der Kehrwoche.

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Ewig laufen wir zum Taxistand, weil man keine Chance hat eines von der Straße anzuhalten und ich aufgegeben habe und fahren zu meiner Tante in den kühlen Wald, um wenigstens die Folgeverabredung einzuhalten. Hier gibt es Kaffee. Vieles ist schön 50er Jahre mäßig und irgendwie vertraut z.B. die gebatikte Arche Noah, die bei meiner Oma hing, die sie ihrerseits schon geerbt hatte und auf der mein Name steht, obwohl ich selber gar nichts damit anfangen könnte, d.h. ich freue mich, sie hier zu sehen und wir hören uns andere Versionen der Familiengeschichte an. Es gibt alte Servietten mit einem etwas anderen Stadtplan, irgendwie sehr komprimiert. Ich fühle mich wohl mit dem Nebendarsteller von Pooh. Außerdem geht es um Billigtaxen, kleine Nägel, vollgeblutete weiße Leinenhosen, chinesischen Tee. Es geht nichts über einen gut ausgestatteter Haushalt mit Sieben, Trichtern und alten Flaschen mit Bügelverschluss.

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Dann geht es mit klimatisiertem Bus und Bahn zurück.

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Ich schaue kurz in dem Tanzbedarfsladen rein, die ab Morgen Ausverkauf haben, aber es gibt im Sommer keine Wollleggings und meine Füße schmerzen schon in den ungewohnten Sandalen. Tanzschühchen mit Riemchen und Highheels sind mir nicht zumute. Die schauen auch alle als hätte der Elefant den Porzellanladen betreten.

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In der Puffstraße vor unserer Mietwohnung hängen sehr alte Zuhälter zum Fenster raus.

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Meine Mutter leiht sich meinen Rock mit den roten Jugendstilstickereien, den Andrea mir genäht hat. Der steht ihr gut, der Stoff stammt ohnehin von ihr und wenn ich ihr mal was Gutes tun kann, dann mache ich das gerne und so wechselt er den Besitzer, ohne dass ich ihn jemals getragen hätte. Wieder und jetzt gemeinsam verlassen wir unseren Bau auf Zeit und wir fahren mit der Zacke, das ist eine Zahnradbahn und unser Ticket von vorhin gilt noch, auch wenn mir das heute egal wäre bzw. ich auf meine Überzeugungskünste gegenüber jeglichem Personal der Personenbeförderung vertraue. Als wir oben aussteigen steht ein total gut aussehendes und sympathisches Paar von der Wielandshöhe und ich hoffe, es ist unser Blinddate an diesem Abend und das ist dann auch so. Herbert ist sehr charmant und Andrea sehr gutaussehend und sie hat ein tolles Kleid an mit fotorealistischen Blumen darauf. Das Essen überzeugt nicht so sehr. Es ist wohl eher die Lage, die dieses Restaurant herausragend und so beliebt macht. Nur die Wachtel als Vorspeise ist richtig lecker, das andere eher durchschnittlich. Das Hauptgericht noch besser als einige Zwischengänge und ich esse es sogar ganz auf, obwohl ich dachte, dass ich Stephan die Hälfte oder mehr abgeben würde.

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Mein Kollege erzählt vom Seminar mit anstrengenden Firmenjuristen, die total schwierige Fragen stellen und er gewohnt sind andere mit ihrem Wortschwall zu verwirren. Da hilft nur Columbo-Strategie. Sich doof stellen und sich das immer wieder erklären lassen bis die anstrengend Fragenden ganz mürbe werden. Ich sage, dass sie so lange Fortbildungen machen werden bis auch der letzte alte Lude sich auf Streitschlichtung und Interessensausgleich versteht. Meine Eltern laden uns ein, nachträglich zu Stephans Fünfzigsten. Meine Mutter legt sich beim Käsegang mit der Bedienung an, die ihr zu schnell abräumt, d.h. die Teller wegzieht während man noch beim Essen ist. Wir sind um 23 Uhr die letzten Gäste und die Angestellten räumen kräftig auf. Es ist eine Stimmung als würden sie schon für das Frühstück eindecken. Als wir anschließend zur Haltestelle Weinsteigen laufen trinken Jugendliche auf der Straße und es steht ein Schild „Bio-Avocados zu verschenken“ am Rande der Schrebergartenkolonie, was total lustig auffällt. Ich kann keinen Zusammenhang erkennen. Es ist der Hinweis auf einen besetzten Garten und illegalen Klub, wie Stephan später herausfindet. Andrea gibt eine Runde Fahrkarten aus und immerhin fehlen uns nur zwei von acht. Auf der Straße wird mein Kollege von seinem 45. Geburtstag ereilt. Wir gehen noch eine aus Runde auf unserer partytauglichen Dachterrasse und geben damit an. Ich hoffe, dass wir das Stuttgarter Pärchen noch mal treffen werden und beneide meinen Kollegen um diese Gastgeber. Herbert empfiehlt uns schwäbische Küche direkt bei uns im Rotlichtviertel, „Weinstube Fröhlich“ heißt der Laden und ich vertraue Herbert. Für Stephan gibt es auf der Dachterrasse ein Gedicht, obwohl er gar nicht aktuell Geburtstag hat. Meine Eltern umarmen alle und sind sehr vertraut, aber es wird konsequent gesiezt, auch mein Kollege und unser Freund. Das müssen wir ihnen noch mal abgewöhnen bzw. hätte am Abend gleich konsequent eingreifen müssen, was ich nicht tat. Um 2 Uhr gehen wir müde ins Bett. Ich habe am kleinen Zeh rechts außen die hammergroße Blase. Der Wahnsinn. Ich dachte, das wäre „Fußfleisch“ was da durch das Lochmuster gepresst wird, aber das gibt es an dieser Stelle nicht. Sie ist groß und hart, so dass ich erst überlege, ob mir hier auf die Schnelle eine riesige Warze gewachsen sein kann, was ich dann aber doch ausschließe. Schlimmer ist, dass ich meinen rechten Ohrring verloren habe und es sind ganz alte Ohrringe der ersten Stunde, d.h. aus den 80ern. Ewig nicht getragen und jetzt ist einer weg, d.h. nie wieder. Wenigstens wurden sich noch auf BM dokumentiert versuche ich mich über den Verlust hinweg zu trösten.

14.06. Meine Mama hat nicht geschlafen und das überwiegend auf der Wohnzimmercouch. Stephan hat die Kamera in der Wielandshöhe vermutlich liegen lassen, aber da ist keiner zu erreichen. So viel zu der Ohrringdoku.

Ich lenke mich etwas ab mit Dokumentationen bei uns im Treppenhaus (die geile Kakerlake) und anderswo. Unsere Gasse mit abgesperrten Mülltonnen.

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Wir gehen zu Herbertz Espressobar und frühstücken. Hier ist es entspannt und es gibt ein Pferd und ein Einhorn auf Rädern für die Kinder. Bei Mädchen sind beide gleichermaßen beliebt und werden viel geritten. Wir essen leckere Laugen-Sesam-Croissants mit Bauernschinken (das ist hier Schwarzwälder). T-Shirts gibt es auch.

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Dann schauen wir in einem Tee-Laden rein, der im Heusteigviertel von einem Engländer betrieben wird. Wir machen eine Teeprobe. Paps kauft Grüntee und wir Kekse und Clotted Cream.

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Da der Typ nicht rechnen kann, zahle ich nur, was die Ware auch Wert ist, weil hier werden englische Kekse überteuert verkauft in kleinen Mogelpackungen mit viel Verpackung und nur 80 gr. Kekse für Phantasiepreise. Die meistens Packungen hätten 4,90 € gekostet. So weit ist der Importweg von England nach Stuttgart nun auch nicht. Wir kaufen Blumen in einem tollen Blumenladen mit Feigenbäumen vor der Tür für unsere Gastgeber heute Nachmittag.

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Dann gehen wir noch eine Runde in die Markthalle und auf den Flohmarkt, der für mich keiner ist, weil hier lauter Leute ihre festen Plätze haben und immer dieselbe Ware am selben Platz. Was ist das für ein Flohmarkt? Ein schlecht gelaunter Uhrenhändler, bei dem ich schon mal eine Dose Ösen gekauft habe usw. Heute alles zum halben Preis, wirbt eine Frau. Was bedeutet das auf einem Flohmarkt? Haben die Dinge feste Preise und wenn ja, wirbt man damit auf einem Flohmarkt? Ich kaufe eine Serie Katzenbriefmarken für 50 Cent an der Stelle wo ich letztes Mal die Pilzbriefmarken gekauft habe. Dann noch zwei Indianer in meiner neuen Lieblingsfarbe, kupfermetallic für 1,- €. Mehr Umsatz ist mit mir nicht zu erzielen. Zuhause habe ich dann Katzen aus Nicaragua und Kühe aus Frankreich zum verbasteln.

Chamäleon an der Markthalle und unsere Wohnung auf Zeit.

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Stephan hat in der Zeit die Kamera geholt und wir treffen uns wieder, gehen ins Apartment und schauen nach den Öffnungszeiten eines sozialen Kaufhauses in Bad Cannstatt. Dazu hören wir MC Brudaal oder wie der heißt mit seinem herrlichen Song über die Kehrwoch. „Jetzt wird sauber gmacht, das is a Supersach. Das ganze Treppenhaus, so sauber check des aus“….“ein kleines Verschnauferle ….und en Energybier… und wenn’s hier nicht sauber wär, dann wärn wir ja am Prenzlauer Berg“. Nachdem es im Auto stressig ist zwischen der Fahrerin und dem Beifahrer (meinen Eltern) und das Wegdiktatgerät ewig nervt, sage ich den Programmpunkt soziales Kaufhaus ab, bevor es noch stressiger wird. Im Tunnel wird meine Mutter geblitzt, ein Radfahrer fährt im dichten Verkehr und wechselt die Spuren. Das regt die Rentner noch mehr auf. Wir kommen an in Untertürkheim und machen einen Überraschungsbesuch bei fast 90-Jährigen. Ein sehr nettes Ehepaar aus der Verwandtschaft. Er übt sich gerade in Kehrwoche als wir vorfahren und macht dann eine Flasche Trollinger auf in der guten Stube, sie holt das Käsegepäck aus dem Wohnzimmerschrank. Er noch sehr stattlich für sein Alter, wie mein Mann bemerkt. Das Wetter sei unnatürlich heiß dieses Jahr, die Traubenblüte war an seinem Geburtstag fast vorbei. Früh ist es, wenn sie da schon begonnen hat. Seine Johannis- und Stachelbeeren sind zum Teil verbrannt. Seine Weinberge hat er verkauft. Der Käufer hat jetzt 14 Hektar von 88, die die Genossenschaft insgesamt hat. Er hat ganzjährig 2 Polen da, sonst schafft man die Arbeit nicht. Dietrich will unbedingt den Keller sehen. Paul hat kaputte Knie und Treppen steigen bereitet ihm Schmerzen. Da wird keine Rücksicht darauf genommen und er tut alles, was verlangt wird. Das Haus wurde im 30-Jährigen Krieg zerstört, aber der Keller nicht. Er hat eine Raumhöhe von 5 Meter und ist ganzjährig kalt. Er diente im 2. Weltkrieg als Luftschutzbunker und ist schon beeindruckend. Ich will mir noch mal den Unimog aus den 60er Jahren anschauen, seinen Lebensbegleiter neben seiner Frau. Dieser steht in der Garage und kann angeblich alles. Auch Strümpfe stricken, will ich wissen. Das nicht, aber sonst alle Arbeiten, wobei man für die kleineren am Hang zwischen den Reben wohl auch ein anderes Fahrzeug nutzt. Er sieht aus wie ein Militärjeep und man könnte gut Modells daran posieren. Hilde macht sich Sorgen um den Enkel, der studiert und Tag und Nacht lernt und über den Büchern hängt. Das sei nicht gut. Da kann man auch überschnappen, wie sie so schön erzählt auf breitestem schwäbisch. Das sei der einen Mieterin von ihnen passiert. Einfach übergeschnappt. Sie sind einfach herzlich und lieb ohne Ende. Hilde erzählt beim Abschied, dass sie immer mehr Türken als Nachbarn haben. Das ist nicht rassistisch gemeint, aber man merkt, dass sie es nicht mehr verstehen, dabei passen Türken so gut hierher und machen auch die Kehrwoche anstandslos mit. Herbert hatte erzählt, dass ein Türke neulich einen einheimischen Kohlschneidewettbewerb (es wird wohl Kraut gemacht) gewonnen hat. Auch klar, aber die Einheimischen waren verwundert und haben den Wettbewerb seit dem nicht mehr abgehalten.

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Wir fahren zu den Jungen, Annette und Jörg und ich lerne die Zwillinge kennen, Johanna und Paul. Paul hat eine Badewanne voller Spielautos und kennt alle Marken, vor allem natürlich Daimler. Ich spiele am liebsten mit dem Unimog, den ich heute kennen gelernt habe und spiele damit so, wie es die Kinder nicht dürften. Stephan nennt mich beim Hochladen der Bilder eine Sau.

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Johanna lernt Ballett. Wir gehen nach Kaffee und Kuchen am Friedhof vorbei zum Collegium Baden-Württemberg.

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Das Sunset Wine Tasting ist auch für Nicht-Trinker und Kinder eine herrliche Veranstaltung und junge Wein-Stewardessen (Wine Guides, die aus Winzerfamilien stammen) führen einen durch die Weinberge. Es ist so schön dort. Sie haben ein paar Reihen Reben zur Bewirtschaftung übertragen bekommen, damit sie üben (Tamagottchi-Prinzip). Wir sollen raten, wie oft man die im Jahr aufsuchen muss. 2 mal am Tag ist mein Tipp zur Erheiterung. Sie haben einen sehr leckeren Silvana daraus gemacht. Beim Riechen tut es mir leid, dass ich den nicht probiere. Mein Paps und ein anderer älterer Typ halten die Guides mit Fragen auf Trab, aber dafür haben sie einen jungen Mann als Spezialbetreuer um diese Kundschaft etwas auf Abstand zu halten. Wir machen ein Fotoshooting mit den Zwillingen. Sie sind zu süß!

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Der Spaziergang an den Steinmauern entlang, aus denen auch die verschiedensten Pflanzen wachsen ist sehr schön. An der einen Stelle zeigt uns der Guide ein Versteck. Eine Plastikdose ist unter Steinen platziert. Da werden Schnitzeljagden veranstaltet. Ich verstehe das Prinzip nicht, aber tue das Pflaster hinein, was mir meine Mama für meine Blase gegeben hat und was ich nicht mehr gebrauchen werde.

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Ich sage den jungen Frauen, die die fachkundige Weinführung machen, dass sie bestimmt beide nur Weinköniginnen werden wollen und sich dafür wechselseitig die Knie brechen werden. Das gibt einen Lacher. Es ist schon klar, dass die beiden vom Fach sind und es hier um Fortbildung geht bzw. die Kultur zu vermitteln und die Tradition weiter zu geben. Wie war doch noch mal das schöne Zitat. Tradition bedeutet das Feuer weiterzugeben und nicht die Asche zu hüten oder so ähnlich.

Dann kommt Gerhard, der älteste Bruder unseres Gastgebers mit seinem Hobler den Hang hinauf gefahren. Den Namen hatte ich heute schon mal gehört. Er ist der kleine Bruder des Unimog. Er macht Tacker an Schnüre, die zwischen die Reben gezogen werden. Auch hier werden Fotos gemacht, außerdem ist Johanna mit einem Weinkranz unsere Königin. Gerhard hatte einen Trieb entfernt, den ich gleich im frischen Zustand geflochten habe.

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Die Männer machen ihre 5er Stempelkarte noch voll und kaufen Wein. Wir gehen am schönen Spielplatz hinter dem Haus nach Hause. Annette muss kurz darauf die Männer abholen und ich sage Johanna, dass sie jetzt die Verantwortung für uns alle hat und froh sein darf, wenn wir keinen Blödsinn machen. Arnhild und ich sind da. Sie ist sichtlich irritiert und will immer wissen, wer jetzt auf Paul und sie aufpasst. Es wird gegrillt und die Kinder haben mich als Reittiger (sie nennen sie mich so) entdeckt und springen immer beide auf mich drauf. Ich mache Katze –Kuh aus dem Yoga und dehne meinen Rücken schön durch. Da müssen sie sich gut festhalten. Am liebsten mögen sie den pinkelnden Hund. Hier ist das Festhalten eine besondere Herausforderung. Es gibt leckere Grillware (Scampi und Fleisch) und Sunset.

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Jörg holt die Schatztruhe aus dem Keller, das Tagebuch seines Vaters mit allem Einträgen zum Wetter und auch sonst. Er notiert, dass er seinen mittleren Sohn an die Industrie verloren hat und bedauert, dass nicht alle drei Söhne zuhause auf dem Hof bleiben können. Es gibt total schöne alte Fotoalben in kleinem quadratischen Format. Die Schutzhüllen, wie die Bücher für Singles (kleine Platten mit einem Song drauf, die es früher gab). Sie haben oft Blumenmotive und enthalten Fotos von Frau und Söhnen. Annette erzählt, dass er sich in Arbeitspausen in den Wagen gesetzt hat und die Fotos seiner Familie angeschaut hat. Es ist fast 12 Uhr und wir fahren wieder. Ich bin beeindruckt von dem Partybus, der auf den Rotenberg fährt. Kaum ein Stehplatz ist frei und an der nächsten Haltestelle steht noch eine Menschtraube, die zuvor Weintrauben getestet hat. So muss es sein, schön öffentlicher Nahverkehr bis 1 Uhr. Die Grabkapelle ist bunt beleuchtet und erinnert an die Expo. Schön ist es.

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Meine Knie tun nicht weh, sehen aber aus wie nach einem Sexunfall.

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15.06. Heute schlafen wir gut. Vor allem die anderen. Ich habe ausgeschlafen um 7 Uhr und überlege, dass ich mich beim Gerhard vielleicht als Erntehelferinnen bewerben werde. Ich bin ja hart im Nehmen und habe mittlerweile sogar sportliche Qualitäten. Wir genießen noch mal die Dachterrasse, die mit einer Hydraulik aufgeht (wenn ich das gewusst hätte, dass das so leicht aufspringt). Der Himmel ist toll, die Wolken sind atemberaubend.

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Ich schlage nach dem Frühstück einen auswärtigen Flohmarkt vor in Filderstadt. Das Wetter ist zu schön und meine Eltern wollen auch nicht ins Museum. Das wäre die Alternative. Ich merke, wie eingeschränkt mein Paps ist und wie beschissen es ist, wenn man seinen rechten Arm nicht zur Verfügung hat. Nach dem Frühstück hatte ich vorgeschlagen sich gleich zu trennen, weil die Stimmung gut ist und dann soll man Tschüss sagen. Die Polin will das Kuchenrezept nicht verraten und sagt was von „mit Liebe gebacken“ und Bio-Mehl. Stephan muss es meinen Eltern erklären, dass es ein Berufsgeheimnis ist und auf unsere Freundin Claudia verweisen, die auch hartnäckig ihre Brownierezepte hütet. Er hat an ihre Maultaschen im Kühlschrank der Ferienwohnung gedacht und sie sind ihm nun ewig zu Dank verpflichtet. Davor hieß es, wir dürften alles behalten was sie zurück gelassen haben. Vorbei an der Methadonszene. Das Parkhaus ist gegenüber und man darf sich nur mit Parkticket in dem überdachten Bereich aufhalten. Scheiß Nazis. Wir finden den Volvo, weil es total leer ist.

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GPS und Stephan finden das Ziel gleichermaßen, aber einmal mit viel weniger schlechter Laune und Stress. Der Flohmarkt ist die Dorfstraße entlang, auch hier vermengen sich gut durchtrainierte Türken und ältere dazwischen und es passt. Plastiksonnenschirme werden vor den Häusern gehisst. Ein schlecht gelaunter Typ will 5,- € für seine gebrauchten Flaschenbürsten, die aussehen wie tote Mäuse. Ich hatte gar nicht nach dem Preis gefragt, sondern mich etwas darüber lustig gemacht. Das war wohl zu viel. Das sei deutsche Wertarbeit und nicht „made in Schina“. Ja, ich habe eine schwäbische Oma und bin selber Millionärin. Ich habe die Hälfte der Flaschenbürstensammlung geerbt. Ich kann mir bald ein Haus in Stuttgart davon kaufen. Arnhild kauft Mädchen ein Armband aus Gummibändern ab. Ich finde es gut, das zu unterstützen, selbst gemachte Sachen von Kindern. Deutschland aus Gummi kostet nur 80 Cent und steht ihr gut.

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Ich will meinen Eltern eine Freude machen und verkünde, dass ich Nürnberg mehr mag als Stuttgart. Stuttgart ist teuer wie München und weniger schick, bietet weniger. Viel Autolärm und ich habe das Gefühl, dass es mit Humor schwierig ist, wobei das allgemein für Süddeutschland gilt, Oberfranken ist noch besser als Bayern und Bayern besser als Schwaben. Humor ist hier ein schwieriges Thema und es gibt viele Leute, die humorlos sind oder auf norddeutschen Dialekt mit Ablehnung reagieren und sehr schlecht gelaunt einen Flohmarktstand machen. Wahnsinn. Das sind richtige Stimmungsbomben im Vergleich dazu bei uns. Die Köche hier mag ich auch lieber, z.B. die Jungköche im Boca oder der Typ im Beckmanns.

Wir trinken noch einen Abschiedskaffee in Degerloch beim Italiener. Beliebig hässlich, Plastikstühle an der Straße „WM-Menüs“ werden beworben, aber eine ambitionierte Espressomaschine, die uns hat einkehren lassen. Verabschiedung, wir zurück. Wohnungsübergabe. Noch mal Fotos von der Partyterrasse at Daytime.

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Wir hätten den Müll runter bringen sollen, aber wie wollte sie dann 3 Stunden mit Putzen voll kriegen? Wir lassen die Koffer zurück und fahren in die Staatsgalerie. Erst mal gibt es noch ein Eis bei Pinguin. Am leckersten ist das Mercedes-Eis Mandel mit Schokostücken. Auch wieder typisch, dass das beste Eis danach benannt wird. Am Platz gegenüber gibt es einen Ausblick und Brunnen usw. Die Ausstellung zum Thema Textil haut mich nicht um. Natürlich hat einer Teppiche und Stoffe zu bestimmten Bildern ausgewählt und Jackson Pollack gefällt mir, aber das hätte man sich auch sparen können. Wir hätten lieber zu Klaiber fahren sollen und weitere Essenssachen einholt für die Höhle zu Hause, Hefekranz, Schokolade, Brezeln….

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Letzte Station Koffer holen und zur Weinstube Fröhlich. Der Innenhof ist idyllisch, aber wenn die Taubennetze die Atmo etwas kaputt machen. Wozu ein Brunnen, wenn man ihn verhängt, das bringt dann nichts. Die gratinierten Maultaschen auf Pastinaken-Bohnen-Gemüse sind die leckersten die ich je hatte. Das andere Essen ist auch sehr, sehr gut. Geeistes Gurkensüppchen mit Sauermilch usw. Wir sind ganz alleine und arbeiten uns zügig durch das Menü, was wir von der Karte gewählt haben. Es gibt Hightech-Teelichter, die flackern wie die echten.

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Ich mag den Chiquita-Stand im Hauptbahnhof. Cremige Milchschakes, die seit neustem verschweißt werden, was eh praktischer ist.

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Fulda hatte mal ein Emaillierwerk, ist jetzt aber eh eine Shoppingmall mit DM und Deichmann. Die roten Sonnenuntergänge sind einfach zu schön Ich kann mich gar nicht satt sehen. Ein junges Ding und eine ältere Junggebliebene freunden sich an. Sie erklärt der Mitreisenden alles über Eurorail oder wie das heutzutage heißt. Die Ältere kommt aus Oberfranken und will weiter nach Berlin und gibt ihr Reise- und Städtetipps. Langsam bei einer Packung Toffifee gehen sie vom Sie über zum Du.

Ich hoffe mein Hütchen wird nicht missverstanden als Fahne bzw. Fahne ist es, aber jede Fahne hat derzeit Fußballhintergrund. Jungs in Stuttgart haben wohl Scheißholland zu mir gesagt auf einer Rolltreppe und in Hannover wurde der holländische Pavillon angezündet. Dann habe ich wenigstens die richtige Fahne gewählt.

Taxi in Hannover. Ich lobe die Uhr in der Konsole, sie sieht so retro aus. Ist von Mercedes und erst 4 Monate alt, sein Taxi. Was sonst. Irgendwie mag ich die Türken hier, jedenfalls passen sie super zu den Norddeutschen, lakonischer Humor und sie lernen das bessere Deutsch. Ich falle umgehend ins Bett. Das ist zuhause wohl mal besser, auch ohne Dachterrasse.