Archiv für den Monat: Dezember 2018

Weihnachtsresümee 2018

Mitten beim Doppelkopf spielen am letzten Abend zerreiße ich einen Schmierzettel und fordere alle auf, die besten Dinge dieses Weihnachten aufzuschreiben und alle machen mit – wie toll ist das denn, muss eigentlich auch auf die Liste.

Ich denke, vielleicht 3-5, aber es sprudelt nur so aus mir heraus.

  1. Wallnüsse verarbeitet und 2 riesige Kuchen von über 2 kg daraus gemacht.
  2. Kleine Haarnadel, sogar 2 Stück für ganz wenig Haare, genau passend, halten gut (hatte mal riesige, dann große, dann kleine und jetzt ganz kleine. Der Gang der Dinge in Sachen meiner Haare).
  3. Schöne Krippe gesehen, wie meine mit Fasan auf dem Stahl.
  4. Gelernt, dass Elisabeth die Cousine von Maria ist und mit Johannes dem Täufer schwanger. Auch eine unwahrscheinlich Schwangerschaft, weil man sie für unfruchtbar hielt und schon zu alt.
  5. Post erledigt.
  6. Uhr geht wieder und war nicht kaputt. Lerne, wie man die Zeiger nachzieht mit dem Schrauberzieher, dem kleinen, den ich mitbekommen habe. Er will sie nicht so bald wiedersehen, da sie das zweite Mal umsonst zur Reparatur mitgebracht wird. Die Uhr fährt viel Zug.
  7. Hühner gefüttert, dabei ist mit aufgefallen, dass sie ausschauen wie Dinosaurier.
  8. Geilen Karpfen blau gegessen mit allen Beilagen. Wie in Belgien, nichts verstehen außer Kaltfront, davor und dazu Bier getrunken. Gute Gespräche mit Roland und geile Gesellschaft im Fuchs, wo am Stammtisch, an dem wir nicht sitzen dürfen, Bier in einem Messbecher gewärmt wird.
  9. Heroldsberg und das Sosein.
  10. Geiler Lebkuchen und Nußzopfeinkauf in Nürnberg mit Harald Glöckle-Verschnitt (Goldmedaille) und Hanelore.
  11. Die Rollos waren auf manuell gestellt.
  12. Einige Nächte durchgeschlafen (mindestens 2 und davon eine auch lang, d.h. nicht nur bis 4, sondern bis 7).
  13. Laufenten gefüttert, aber vor allem gesehen, identische Zeichnung, aber der andere Körperbau im Vergleich zu den normalen Enten.
  14. Rote Katze in Heroldsberg und bei meinen Eltern, 2 mal ran gelockt und gestreichelt.
  15. Nadine und Familie getroffen.
  16. 2 Komponentenkleber von Paps benutzt und einen mitgenommen.
  17. Cremant- und Sektprobe an Heiligabend mit viel wegschütten.
  18. TKMaxx Kleid mit Tulpen für Mama.
  19. Lustiger Warentausch mit ihr. Sich ehrlich Sachen wieder geben oder zurück nehmen, total problemlos. Langweilige Ketten zum Umbauen mitgeben.
  20. Sehr leckere Gänseklein-Suppe und kein Stress damit, weil Stephan noch in der Stadt ist und wir zu dritt essen, nur welche da sind, die es abfeiern. An der Gans schmeckt alles nach Gans, auch das innere, also der Magen und so.
  21. Nicht in der Stadt gewesen.
  22. Wachskunst von Pya Hung oder wie die heißt hängt am Baum, sie haben an mich gedacht und wollen noch ein großes von ihr kaufen (unter einem Glassturz) und haben das reservieren lassen.
  23. Volker hat total nett angerufen. Das wird prima in der Schweiz und seinem Hotel.
  24. Stephans Telefonat mit dem älteren Bruder meiner Mutter. Dieser hält ihn für Arnhild und das obwohl er sich mit einem falschen Nachnamen mit „S“ daran meldet und er fragt ihn stattdessen, ob er in Travemünde sei und hält ihn für den jüngeren Bruder.
  25. 32 Jahre ist Stephan schon dabei. Das beeindruckt uns alle und macht etwas schlechtes Gewissen (leider vor allem meiner Mutter, so lange den Sohn seiner Mutter entzogen). Bei mir stößt es vor allem an, über Dinge nachzudenken i.S.v. die vielleicht öfter besuchen, aber Weihnachten ohne Gans und mit Sportschau ist schwer vorstellbar, da prägen die 32 Jahre schon.
  26. Kamerabatterie hat gereicht, hatten kein Aufladegerät dabei.
  27. 2-3 mal anziehen mit anderem Zubehör hat gut geklappt. Noch zu viele Klamotten, Rock, 2 Blusen, viele Strumpfhosen. Gelohnt haben sich Hausschuhe und Morgenmantel.
  28. Leckeren Earl Grey Tee dabei gehabt.
  29. Passend das Recycling Huhn aus dem Dritte Welt Laden in Köln geschenkt, jetzt wo der Nachbar baut und wegziehen will mit seinen Hühnern. Letztes Jahr mit Hühnern?
  30. 2 Feilen und einen Siegel mit Kompaß und Siegellack mitgenommen.
  31. Lustige Kalendersprüche. Zu Recht zählt ein Braten zu den guten Taten (Wilhelm Busch) und Geldgeschenke sind phantasielos, vor allem kleine.
  32. Den blauen Nadelrollbeutel von Tante Hanna (Schwester meiner Oma) geleert und mitgenommen für Häkelnadeln. Total geil.
  33. Die Jahreslosung: Jage dem Frieden nach!
  34. Stephan entdeckt Cookie Monster Version von 12 Days of Christmas mit „and a chocolate chipie cookie..“. Viel gesungen.

Stephans Liste:

  1. Bratwurstgutschein (war ein Spaß, so billig ist er nicht zu haben, 1 € Gutschein bis 31.01. einzulösen, macht er nicht).
  2. I-Pod (von Paps, den er gekauft hat oder sich hat andrehen lassen und von dem er nach der tagelangen technischen Beratung wegen der neuen Anlage weiß, dass er ihn nicht brauchen wird, geschenkt am 2. Weihnachtstag).
  3. 2 Engadiner.
  4. Rollos unten.
  5. Käse aus der Schweiz, den meine Eltern ihm mitgebracht haben.

Man müsste jedes Jahr eine kurze Liste machen, um die einzelnen der dann 32 Jahre von einander unterscheiden zu können.

Die RAF und ich

Es war wieder jener Grünkohlgeburtstag und wir mussten uns alle beschimpfen lassen von der großen Frau, die Hannover hasst und alles scheiße findet, „die wissen gar nicht, wie man Mode schreibt“, selber aber immer in so eine Art Pyjama auftaucht. Weihnachtsmarkt, auch scheiße und die mehrfach mahnenden Worte: „schaut euch an, wo sie die Gläser spülen und dann könnt ihr euch überlegen, ob ihr da einen Glühwein trinken wollt“. Da gilt es – wie bei einem aggressiven Tier – kein Augenkontakt und dezent ignorieren, damit man es nicht noch schlimmer macht.

Ich bin bekennender Hannover-Fan so als Zugereiste und wollte das alle wissen lassen, als Gegengewicht quasi den Gästinnen sagen, wie toll ich ihre Stadt finde.

In diesem Milieu habe ich meine Hütchenmode entwickeln können. Während man im vermeintlich coolen Norden in Hamburg z.B. Glotztourette bekommt und in Stuttgart sogar anfassen will, lässt man mich hier einfach machen. Wie mein Kollege meinte, das hätte schon die RAF festgestellt, dass man in Hannover jeden einfach machen lässt. Was für eine Wohltat und es ist nicht nur das. Zum Beweis eine Liste der schönen Dinge meiner Stadt und dabei ist es nicht so, dass ich wenig Vergleichsmöglichkeiten habe. Ich bin ständig unterwegs und kenne die anderen Städte, weil gut weg kommen tut man hier auch und auch das wusste die RAF schon zu schätzen und wir ebenso. Der Bahnhof in der Mitte, von dem aus man um 18:30 noch mit dem ICE wegfahren kann, der Flughafen, von dem mein Vater sagte, der einzige, den er kennt mit Kühen neben der Landebahn, nie eine Schlange in Sicht, die von der Sicherheit kennen mich schon und immer ein dezentes High Five.

Die szenige Szene. Café Glocksee, Wohnzimmer meine Jugendzeit, geilster Indieschuppen der Republik mit so viel Tanzen. Hier arbeiteten Dada-Künstler um die 60 im Jugendzentrum. Heute gibt es Ruby Tuesday und viel live Musik ohne Eintritt und andere haben ihren Spaß. Immer noch schönster Disko-Innenhof mit japanischer Kirsche und Dinoskeletten und auch wenn die Korn nur noch Info-Café und Reggaebastion ist, auch das und die Silke und alle Nachfolger, schöne Raucherkneipen mit Musik und man fühlt sich wie früher. Der Cuba Libre kostet 3 €. Trinken in guter Gesellschaft und billiger als zuhause. Meine Freunde sind immer zum Tanzen bereit. Für später gibt es Tanzen im Sitzen. Ich bin bereit, wenn das mal so weit ist. Am Klagesmarkt, wo jahrelang das geilste 1. Mai Fest der Republik stattgefunden hat mit der geilsten Mischung aus Arbeitern im Anzug mit roter Nelke, kleinen Spaniern mit noch kleinerer Familie, Töchter in Flamenco, Zelte mit Lüttje Lage meterweise, in denen die Arbeiter mit den Punkern T-Shirts tauschen.

Geilstes Clubpersonal. Die XXL Hiphopper-Türkin-Türsteherin, die mit mir ein Krankenhauszimmer teilen wollte, weil ich „Kollegin“ sei, wie sie dem Personal erklärte und ihr Arm lastete schwer auf meiner Schulter und ich fühlte mich klein und zierlich und es riecht hier nach Haschisch feststellte angesichts der Exotenblumen, die Stephan mir täglich brachte. Jimmi, der beim Stempeln gerne von seinen bevorzugten Sexpraktiken erzählt hat und wie er früher als Dunkelhäutiger statt Süßigkeiten eine Banane bekommen hat und jeden Wiwi-Studenten erkennen konnte vor lauter Menschenkenntnis. Mich sollte er mal mit einem Wort beschreiben und es kam prompt: überkandidelt.

Die tollsten Second Hand Läden, früher im Mimmi-Fuhlrott-Gang und beim Apollokino, aber immer noch Fairkaufhaus und Dittmars, Obi und Hornbach in Linden-Süd nicht zu vergessen.

Die Fahrradwege, die Berlin oder Wien auch verdient hätten. Hier werden Fahrspuren weggemacht und Radwege breiter und die Kennzeichnung ständig noch röter und die Piktogramme handgemalt und die monatliche Raddemo mit coolen jungen Fahrradkurieren, die uns Schutz bieten und nicht Wutbürger in Schutzwesten und peinliche Polizeieskorte, wie unlängt in Köln.

Eilenriede, früher wusste ich nicht, was das sein soll und wäre auch fürs Zubetonieren gewesen, jetzt die reinste Eyeball-Massage, der Tunnel aus Grüntönen. Sprengel, das einzige Kino mit Pudel, daneben Anzeigerhochhaus, Apollo und jetzt Lodderbast, was man mieten kann und die sollen Stullen selber machen.

Die Gastro, die Menschen aus anderen Städten blass werden lässt vor Neid. Dieter Grubert, der alleine in der Küche geschmackliche Meisterwerke vollbringt, wie der reinste Sternekoch und dabei einfach liefert ohne viel Aufsehen um seine Person oder irgendwas. Lino vom Roma, genauso schön unaufgeregt, wie er das angeht, wenn er nach Beilagen fragt: bisschen Brokkoli oder Bohnen? Schlabaione (das beste ever, inklusive Italien und man hört, wie seine Schwester den Mixer anschmeißt und das gibt es mit Einlage aus Erdbeeren und Vanille-Eis) und wie er seine Averna-Blöcke sparsamst vollschreibt, wenn er die Rechnung macht und dann nur die Ecke knickt und abreißt. Ihm ist egal, welcher Promi da gerade isst und auch die einsamen Herzen können unter der Woche noch um 22 Uhr eine Seezunge bestellen. Samstag ist Ruhetag. Wie geil ist der denn!?

Notarsgattinnen, die gerne zugeben, dass sie wie ich, angetrunken auf Parties fremde Getränke leeren und es ist ihnen dabei völlig egal, wer aus dem Glas getrunken hat (so viel zum Thema, wo die Glühweingläser auf dem Weihnachtsmarkt gespült werden).

Absichtlich Arbeitslose auf Sporträdern, die toll Dorade grillen und sich auskennen. Geilste Schrebergärten mit lecker Grillfleisch, Trauben und Äpfel, die ich ausnahmsweise mag, ganz ohne Spießigkeiten. Künstler der HBK-Braunschweig verwandeln ihren Garten in Kunst. Vereinsheime zum Feiern in einem Universum der Landesgartenschauen. Mutter Schuster, der besetzte Garten, verwildert und unwirklich, die verlassenen Kaninchenstähle und der Brombeertsumani. Der Windnomade und Jesus meiner Mottoparties. Die Kantinen der Stadt. Gerade im Alten Rathaus. Die geile Mischung aus städtischen Mitarbeitern, Underdogs und Rentnern mit Tupper. Bei den Einbürgerungsfeierlichkeiten oben gibt es Jazz-Musik, denn das hat hier Tradition. Im rot lackierte Keller am Lindener Berg, in dem sie gerne spielen und die Blumen sind mit Liebe gewählt und nicht wahllose Einzelstiele statt Mikro, damit man irgendwas übergeben kann, was dann im nächsten Mülleimer landet.

Meine Freundin, die „Psychologie heute“ mit dem Willen zum Exzess á la Iggy vereint und dabei die modischste Frau ist, die ich kenne. Total das Verständnis für Mode, Stil und Textilpflege.

Die Freundin, die ihren Vater pflegt und daneben die Fußböden der Schlösser der Republik verlegt, mich Silvester mit einem spontanen Besuch und einer Flasche Champagner dem Fernseher entreißt und mit nimmt zu auf Abenteuer und noch zu entdeckende Parties. Die Partnerin legt Platten auf bis mittags; sie kochen Ottolenghi und geben mir ein Stofftiervogel mit ins Krankenhaus, der mich bei Unterleibs-OPs begleiten soll.

Debbie Harry-artige Stilikonen, die sich aber nichts daraus machen. Von Punk bis Harz und sich über die eigene Punkerfriese von früher und die kaputten Haare lustig machen und mir geile 60er und 70er 2-Teiler ins Haus liefern.

Ein sensibler Tanzfreund, mit der allerschönsten Schrift um Postkarten zu schicken oder Cocktailrezepte abzuschreiben und mit Zeichnungen zu versehen, der uns alle mit Mix-CD für zuhause versorgt und das textile Erbe seiner Mutter total ernst nimmt und mit mir teilt und ich zehre jahrelang davon und es treibt immer neue Hütchen.

Die Eltern von Freundinnen aus Wien und Nizza ziehen nach Hannover und fühle sich hier pudelwohl. Finden Anschluss und erkunden in Reisegruppen die Mosel oder können einfach mit ihren Eichhörchenchenstreifenfrisuren in schwarz und grau ins Fitnessstudio gehen und auch hier tut Hannover seinen Dienst und lässt sie in Ruhe.

Perlen, das geilste Filmfest der Republik mit der Frau, die Blumen kann. 2er, das Skateboard Eldorado, mit dem man europaweit angeben kann.

Sie tragen das Geile hinaus in die Welt durch die Energie ihrer Person. So die Exilhannoveranerin, die alles kann, von Kette rauchen über Handarbeiten aller Art bis Fernsehen machen, auch spontan Noten lesen lernen und sich mit anderen Ausgewanderten zum Grünkohl kochen und Bregenwurst essen trifft. Ich kann es nach 30 Jahren endlich verstehen.

Ramen im Ihmezentrum und zwar richtig und die Stadt liegt einem zu Füßen. Woanders gab es nur Fußgängerzonen und jetzt Shoppingmalls, aber wir hatte Pasarelle und Huma. Hafven, der Breakfastclub und die Frau, die end geil Frühstück und belgische Waffeln macht, auch herzhaft, das Appartement mit all den schönen Zimmerpflanzen, alles, alles.

Danke Hannover, Du bist nicht schöner als ich, aber auch nicht hässlicher. Hier duzt man sich leichter und natürlich kann eine Leggings schick sein, auf jeden Fall eher als eine Stoffschlabberhose. Wir passen zusammen und Ich würde Dich immer wieder nehmen. Du bist mir emotionale Heimat. Deine Bewohner erfreuen mich täglich und auch richtig schöne Städte lassen mich dankbar zu Dir zurückkehren. Irgendwas fehlte mir dann doch immer. Oft sind es die Freaks, das Radfahren oder meine Beilagen, ohne die ich auch nur ein Stück Fleisch wäre.