Archiv für den Monat: August 2013

Reisetagebuch Zwitter 23.08.2013

Dieses mal umgekehrt, erst die Postkarten, dann der Bericht dazu.

Das Raten ist nicht schwer, es war ein Kurztrip an die Ostsee zu meiner Tante, ein Wochenende nach der Schweiz. Da einige Zeitungsausschnitte noch von der vergangenen Reise übrig geblieben waren, wurden sie mit verbastelt und so entstand das Reisetagebuch „Zwitter“. An der langweiligen Ostsee war viel Zeit zum Tuschen…

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die kurze Woche mit Gartengemüse

19.08. Überraschungen nach dem Urlaub. Der Perso von Stephan ist nicht in der Post, dafür 7 entwertete Titel der Telekom, auf die ich gewartet habe in einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren (insgesamt ca. 12 Gläubiger). Das war cool, dass das geklappt hat und für mich auch ein Novum, zumal eine bestimmte Vergleichssumme zur Verfügung stand und das Gericht die fehlende Zustimmung einer Minderheit der Gläubiger einfach ersetzt hat und dann konnte man sich das ganze jahrelange Insolvenzverfahren sparen und hat die Quote ausgezahlt und die Titel wieder zurück gefordert.

In einer anderen Betreuungssache hatte ich vor der Reise nach einem Widerspruch im Mahnverfahren und angesichts der Terminierung um 9 Uhr morgens beim Amtsgericht Stadthagen angekündigt, die Hauptforderung anzuerkennen. Hier wurde die Klage zurück genommen, so dass ich zum Termin nicht erscheinen muss. Auch gut.

Was manchmal als Beratungshilfesache daher kommt, entwickelt sich dann ganz anders. Mein Mandant kommt in Begleitung eines Sozialarbeiters der Wohnassistenz, der mich als Anwältin empfohlen hat. Seine Eltern sind nacheinander verstorben. Der Vater am 10.07. und die Mutter dann am 20.07. Der Bruder war Betreuer der Eltern und mein Mandant ist Alleinerbe geworden. Die Erbschaft beträgt ca. 60.000,- €. Ich soll ihm behilflich sein. Beratungshilfe können wir vergessen, es wird nach RVG abgerechnet.

Eine junge, intellegente Frau bewirbt sich als Betreute und will mich kennen lernen. Das Gespräch verläuft gut. Ich bin ihr von einem Schützling von mir empfohlen worden.  Ich denke, es waren wechselseitige Sympathien vorhanden.

Mittags gehe ich nach Hause um all die leckeren Schweizer Lebensmittel zu essen. Das ist toll. Wir müssen bestimmt 2 Wochen außer Milch und Brot und frisches Gemüse und Obst nichts einkaufen. Quark, Mandelblättchen, andere Leckereien aus Konditoreien und Bäckereien, 7 Kalbsbratwürste, Speck und Käse und andere Dinge sind im Kühlschrank und ich freue mich ohne Ende darüber.

Abends gehe ich nach Wochen mal wieder zum Sport und turne ausversehen auf einer Kindermatte, was ich aber nicht merke, bis die Studioleiterin mich darauf aufmerksam macht. Danach gibt es Käsenudeln. Der Schweizer Käse zieht feine Fäden, wie ein Spinnennest sieht es im Topf aus. Dazu Tomatensalat. Sehr leckere macaroni and cheese.

20.08. Endlich mal wieder ein toller Traum, den ich den ganzen Tag noch weiß und erst abends niederschreibe. Es handelt sich um eine juristische Prüfung, aber irgendwie sind die Fragestellungen weniger juristisch. Es sind insgesamt 4 Fragestellungen. Man soll aus zwei Buchstaben zwei Abkürzungen bilden. Ich nehme SB für Selbstbedienung und Suchtberatung und die anderen rätseln noch. Es gibt eine Aufsicht, wie bei den juristischen Klausuren und Examina. Dann soll man irgendwie Punkte verbinden und daraus ein Gebäude darstellen. Ich will aus Pelztaschen, die ich aus einem Magazin ausschneide Häuser malen mit dem Kuli und dann aus Alu-Folie Fenster ausschneiden wie Hundertwasser. Dann bin ich in einem Klamottenladen und sage der Inhaberin, dass sie schöne Sachen hat, aber schlecht präsentiert. Sie beauftragt mich mit der Gestaltung des Schaufensters und Ladens und das kann ich dann irgendwie als Prüfungsaufgabe machen. Ich sage viel weniger hinlegen und das dann beleuchten und irgendeinen roten Faden bei der Deko. Vielleicht irgendwas Buntes aus dem Supermarkt. Dann tut es mir leid, dass ich nicht so gut in so etwas bin wie meine Freundin Andrea, die ständig hier das Schaufenster des Hutladens umgestaltet und ich versuche mich daran zu erinnern, wie sie das macht. Dann bin ich wieder an meinem Platz und gebe die Arbeit ab. Ich habe lauter Fanpost bekommen, die ich durchlese von rothaarigen Männern, die mir Fotos schicken und Briefe und meine Sachen bewundern. Dann sehe ich mich selber von hinten. Der leichte Buckel stimmt bei der Figur, aber ich habe einen total großen und breiten Hintern. Erstens ungewöhnlich sich so von hinten zu sehen und dann weiß ich jetzt, auch wenn ich mir mehr Hintern wünsche, es passt nicht zu mir. Ich war mir ganz fremd von Hinten.

Beim Gericht sind mal wieder Einlasskontrollen. Im Trakt der Staatsanwaltschaft steht ein Typ im Flur, der mir von weitem auffällt wegen seines abartigen Hemdes bzw. des Musters. Es ist kurzärmelig und hat braune Flecken als Muster. Das sieht aus als hätte ihn jemand mit Scheiße beworfen. Dazu trägt er eine schlecht sitzende Jeans und ein Schild, was senkrecht an der Knopfleiste seines Hemdes hängt und auf dem steht: „Besucher“. Ein Bild für Götter.

Regionalexpress-Fahrt zu Herrn PM. Er ist auf der dritten Station mittlerweile. Er kam alkoholisiert aus dem Ausgang und ist wieder auf der geschlossenen. Ich warte mit einem sportlichen, grauhaarigen Mann, der auch mit seinem Rad in der Bahn hergefahren ist und den ich auf dem Klinikgelände wieder begegne. Er hat das Haus schneller gefunden und wartet schon vor der Tür zur Station als ich eintreffe. Es ist Gruppenvisite, d.h., dass die Patienten alle im Kreis sitzen und was erzählen, sich gegenseitig, ihre Befindlichkeiten. Ich höre nur meinen reden. Er ist erstaunt mich zu sehen und will mit mir in sein Zimmer. Dort liegen 6 Hüte auf einer Ablage und zwei Gitarren auf dem Bett. Ich frage nach dem erneuten Stationswechsel und er sagt, das sei eine Station für Depressive gewesen und die seien nicht so mit ihm zu Recht gekommen. Ich frage ihn, ob Alkohol im Ausgang was damit zu tun haben könnte. Er dementiert. Die zwei kleinen Biere, die er hatte, die wären längst wieder abgebaut gewesen. Ich gebe ihm seine Post. Teilweise habe ich die Briefe aufgemacht (von der Bank z.B.). Das regt ihn auf, die anderen öffnen wir dann zusammen bzw. ich soll es tun, weil er Werkzeug dafür braucht, aber bei mir der Finger reicht. Ich soll die Post auch beantworten und bearbeiten, sofern es sich nicht um Werbung handelt, was überwiegend der Fall ist. Als es um die Wohnungssuche geht, bei der ich Skepsis äußere, fängt er an rumzuschreien, dass ich ihm diesen Beschluss reingedrückt hätte. Irgendwann kommt jemand vom Personal und fragt, ob alles in Ordnung sei und sagt, dass ich nicht alleine mit ihm im Zimmer bleiben soll, lieber in den öffentlichen Tagesraum. Ich will gehen, weil ich mich nicht anschreien lassen will. Er sagt, dass er mir nichts tut. Ich enttäusche ihn vielleicht indem ich ihm auch sage, dass ich keine Angst vor ihm habe. Er will mir erzählen, wie es wirklich war. Eine Bande, die chemische Drogen herstellt und er hätte ein paar Mal Amphis genommen. Die hätten ihm aber LSD und Cristal Meth untergejubelt und sich amüsiert, wie er abgegangen sei. Deswegen sei er zum Soko und hätte die auffliegen lassen und die seien nun hinter ihm her. Wir kommen überein, dass ich ihn mal beim Wohnungsamt anmelden soll. Er sabbert vor lauter Erzähldrang auf meine Tasche und wischt es ab und entschuldigt sich, sei nur Speichel gewesen. Er sei aufgeregt. Als ich gehe, bestätigt er, dass ich ganz schön in Ordnung sei und entschuldigt sich. „Nichts für ungut, vertragen wir uns wieder, sind Sie mir nicht böse, ne?“ Ich sage, natürlich nicht, alles gut.

Abends gibt es Kalbsbratwurst  als Currywurst mit Paprikagemüse. Was wir alles aus diesen Schweizer Lebensmitteln machen. Das dürfen die Schweizer gar nicht wissen.

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21.09. Anhörung  zur Verlängerung einer Betreuung dauert 2 Minuten. Ich fahre dann zu einem Betreuten, den ich selten sehe und der sehr krank ist. Vorbei an herrlicher Streetart in Kleefeld.

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Er hat einmal studiert und jetzt kann er kaum noch was. Wohnt in der Wohnung der Eltern, die in einem anderen Bundesland sind und nur teilweise zu Besuch da. Er bettelt die Nachbarn und Taxifahrer am Taxistand an. Ich hatte über den Vater einen Brief von einer Nachbarin bekommen, die sich Sorgen macht und helfen will. Ich klingele und er macht nicht auf, kommt dann aber um die Ecke. Wir gehen rein. Er ist total aufgeregt und kann auf keine Frage adäquat antworten. Er sucht seinen Ersatzschlüssel. Überall sind Kippen und leere H-Milch-Packungen. Er will Geld, den ambulanten Wohnbetreuer, der ihm das bringt, vor mir hat er Angst. Kann ich ihm einen Kaffee ausgeben. Ich denke, warum nicht, dann halte ich ihn noch etwas bei der Stange. Wir betreten den Kiosk, der voll ich mit Kunden, die Fachzeitschriften und Tabak kaufen wollen, sowie Lottoschein ausfüllen oder abgeben. Als der Inhaber meinen Betreuten sieht schreit er: raus hier. Sie haben hier nichts zu suchen und ich sage daraufhin. Ich wollte Herrn W. einen Kaffee ausgeben. Das ginge nicht, er dürfe auch nicht Leute anbetteln, sagen die Eltern. Ich sage, ich bin die gesetzliche Betreuerin und sei zu Besuch. Dann sei das wohl ein wenig anders. Ja dann wolle er sich entschuldigen bei mir und bei meinem Betreuten und den Kaffee wie immer mit Milch und Zucker. Meiner rennt sofort wieder los und verschüttet seinen 80 Cent Kaffee. Für mich ist es eindrucksvoll hautnah zu erleben, wie er vertrieben wird wie ein räudiger Straßenköter. Als ich gehen will spricht mich ein Mann an der Ecke an mit Kruzifix an einer Halskette und fragt, ob ich die Betreuerin sei. Das sei schlimm mit ihm, er würde alle anbetteln und die Eltern, die hätten doch Geld und warum sie ihn nicht zu sich nehmen würden. Er sei ja auch psychisch krank, aber nicht so doll, aber er bekomme auch Ergotherapie und demnächst Wohnbetreuung, 2 mal die Woche. Während meiner draußen herumtigert kommt er noch mal rüber und nutzt die Gelegenheit meinen Gesprächspartner nach einer Zigarette zu fragen, die er nach einem Augenaufschlag und einem kurze Protest des Angeschnorrten, ich habe auch nicht viel Kohle und habe Dir gestern schon eine gegeben, auch bekommt. Ich fahre im Anschluss noch zur MHH und besuche eine sehbehinderte, die sehr auf mich fixiert ist. Die ist über den Spontanbesuch ganz aus dem Häuschen. Unsere Frau A. ist da. Wie hübsch sie wieder aussieht. Unsere Betreuerin schwärmt sie allen auf Station vor.

Abends nach dem Sport kommen junge Verwandten meines Mannes, die uns Bücherregale, die einmal handgefertigt wurden und die man als Bilderrahmen nutzen kann abnehmen. Es gibt Suppe aus einer gelben Giftschlangenzucchini. Die sieht aus wie ein großer gebogener Buchstabe oder eine Kobra und passt nicht in das Waschbecken. Ich wollte sie eigentlich fotografieren, war dann aber zu schnell mit dem Schneiden, Kopf ab. Sie kommt aus einem Schrebergarten von Freunden und angeblich hätten wir die Samen gespendet. Ich bin skeptisch, weil es sehr gesund daher kommt, aber mit Schweizer Creme Fraiche verfeinert und Maggi-Kraut lecker und noch mehr Zucchini grün aus dem Garten gebraten mit Knoblauch und Majo aus der Schweiz und frische Brombeeren aus dem Garten in Joghurt gibt es auch. Alles muss weg, weil wir schon wieder eine Kurzreise vor uns haben. Ich mag die jungen Verwandten, die so schön unproblematisch sind und mit allem zufrieden und ich freue mich, dass sie die Maßmöbel mitnehmen.

Noch mehr Gartengemüse, die Peniskarotten:

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22.09. Arbeiten, Akte kopieren bei der Ausländerstelle. Wieder deprimierendes Kapitel in Sachen Ausländerrecht. Lustige Karikatur über dem Kopierer mit: Das ist Akteneinsicht, was meinen Sie warum die sonst da hinten ein Loch drin haben. Beim Kopieren vergeht einem die Lust.

Der Akteninhalt ist langwierig, aber ich will, dass er gelesen wird. Mein Betreuter ist ein supernetter junger Mann, der immer ganz leise sagt, das sind schöne Farben, Frau A. oder die Bluse gefällt mir. Einmal haben wir ihn am Samstag mit der Familie auf der Limmerstraße getroffen. Er hat eine Frau und 3 Kinder und grüßt mich auch immer von seiner Frau. Ich war mit dabei als er seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bekommen hat und habe ihm noch das Geld dafür geliehen. Die Vorgeschichte sehe ich heute anhand der Ausländerakte der Landeshauptstadt Hannover und finde den Inhalt skandalös:

geb. 12.09.1980

13.11.89 Einreise des Vaters (aus der Türkei)

24.11.89 Asylantrag des Vaters

21.03.90 Einreise der Mutter und den vier Geschwistern

28.03.90 Asylantrag der Restfamilie

09.05.90 Asylantrag abgelehnt

Begründung Anhänger der PKK 2 Strafverfahren, weil er (der Vater wohl) Freiheitskämpfern zur Flucht über Syrien verholfen haben soll, Ausweise gefälscht, Behörden bestochen. Hat sich 1985 gestellt nachdem seine Frau abgeholt worden sei. 14 Tage lang in Cizre festgehalten und anschließend 2 Monate und 20 Tage gefoltert. 4-jährigen Sohn wurde von türkischen Soldaten das Bein gebrochen, der Mutter die Zähne ausgeschlagen, weil ihr Mann auf der Flucht und sie ihn verraten sollte.

Aus dem Vorbringen der Antragsteller ergeben sich unter Berücksichtigung der Lage in der Türkei keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, daß sie sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatstaates aufhalten oder bei einer Rückkehr mit Verfolgungsmaßnahmen im Sinne der genannten Vorschrift rechnen müssen.“

Aus dem Urteil des Gerichts für schwere Strafen in Midyat geht hervor, dass der Antragsteller vom Vorwurf der Bestechung freigesprochen wurde. (Anm.: na, dann). „Der vom Antragsteller vorgelegte Beleg – Verhörprotokoll vom 08.07.1989 des Friedensgerichts Nusaybin wegen Unterstützung der PKK – ist ebenfalls nicht geeignet eine politisch motivierte Verfolgung des Antragstellers annehmen zu können.“….“Dieser Einschätzung wird durch die während des Strafverfahrens ca. 1985 erlittenen Folterungen nicht beeinträchtigt, die ohne Zweifel eine menschenunwürdige Behandlung darstellen, jedoch im Rahmen eines kriminellen Strafverfahrens standen und mit der im März 1989 erfolgten Ausreise nicht mehr im Zusammenhang gesehen werden können und bei einer Rückkehr erneute Folterungen aus diesem Grund auch nicht zu erwarten sind.“ (!!!!)

Der Vortrag der Antragstellerin zu 2), ihr seien die Zähne ausgeschlagen worden, weil ihr Mann auf der Flucht gewesen sei, ist asylrechtlich irrelevant. Sollte es tatsächlich dazu gekommen sein, ist der Antragsteller davon überzeugt, daß diese ihr widerfahrenen unmenschliche Behandlung im Rahmen der Strafverfolgung ihres Ehemannes 1985 passiert ist und weder politisch motoviert war, noch in einem kausalen Zusammenhang mit der jetzigen Ausreise steht.“ (!!!!)

26.06.90 Abschiebungsandrohung

26.07.90 Klage

21.01.91 Geburt der Schwester

13.01.92 Klage bzgl. des Vaters nach Rücknahme eingestellt

12.03.92 Asylfolgeantrag des Vaters

07.10.93 Verwaltungsgericht Oldenburg stellt fest dass bzgl. der Mutter und des ältesten Bruders die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, im Übrigen wird Klage abgewiesen.

Anwältin hat 08.09.2000 den Antrag für meinen Betreuten, damals 20 auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, zurückgenommen.

„Am 06.09.1994 wurde Ihnen als minderjährigem Kind nach §… erstmals eine bis zum 05.09.1996 befristete Aufenthaltsbefugnis zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft erteilt, die in der Folge, zuletzt befristet bis zum 09.12.2000 verlängert wurde. Vom Landkreis Cloppenburg wurde Ihnen am 25.02.1997 irrtümlich ein Internationaler Reiseausweis ausgestellt, in den eingetragen wurde, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.“

Am 26.10.1999 beantragte Sie die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.

Erstmals am 06.09.1994 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt, die fortlaufend bis 26.09.2002 verlängert wurde.

2002 wird die Ausweisung angeordnet.

Anwalt 2002: Mandant befindet sich seit 12 Jahren in der BRD und besitzt seit dem 06.09.1994 eine Aufenthaltsbefugnis.

13.01.2003 Antrag beim Verwaltungsgericht Hannover. Wird abgelehnt. Antrag beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht wird am 14.03.2003 abgelehnt.

Schreiben Stadt Hannover vom 05.05.2003, dass Abschiebung soll bis zum 15.05.2013 erfolgen soll. „Dabei bitten wir zu beachten, daß Sie höchstens 20 kg Gepäck mitführen dürfen“.

12.05.2003 Petition an den Niedersächsischen Landtag durch meinen Betreuten. In Oldenburg zur Grundschule gegangen. „Vor ca. 2 Jahren wurde ich von meinen Eltern mit meiner Cousine …zwangsverheiratet. Aus dieser Zwangsehe ging ein Kind hervor. Ich habe mich inzwischen scheiden lassen. Für den Unterhalt des Kindes komme ich auf. Wegen dieser Problematik habe ich die Beziehungen zu meinen Eltern und anderen Verwandte abgebrochen. In der Türkei könnte ich deshalb in der Heimatregion meiner Eltern nicht leben. Neben Deutsch spreche ich auch meine Muttersprache kurdisch. Die türkische Sprache ist für mich eine Fremdsprache. Ich fühle mich inzwischen ein Teil der deutschen Gesellschaft und habe in der Türkei keinerlei Lebensmöglichkeiten. Meine ganze Verwandtschaft (Brüder, Onkel) leben als anerkannte Flüchtlinge in Deutschland. Mir ist ursprünglich kein Asyl gewährt worden, weil die Meinung vertreten wurde, dass mir als Kind nichts drohe. Nur Erwachsene Mitglieder unserer Familie hätten mit politischer Verfolgung zu rechnen.“ Beigefügt war Kopie des Arbeitsvertrages. Handschriftlich an den Oberbürgermeister: “Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Bitte helfen Sie mir.

14.05.2003 ärztliche Bescheinigung über Reiseunfähigkeit wegen blutigem Urin und Fieber.

10.04.2003 Attest der Firma, dass mein Betreuter 35 % des Umsatzes der Firma generiert.

20.06.2003 Petition vom Landtag abgelehnt.

24.07.2003 Asylfolgeantrag durch Anwältin. Begründung diverse öffentliche Auftritte als Musiker mit PKK-nahen Gruppen und Musikern. 2002 Newroz-Fest in Hannover, 6 weitere Auftritte in Köln und im gesamten Bundesgebiet.

Abgelehnt, weil zu spät gestellt. Antrag scheitert bereits an den Zulässigkeitsvoraussetzungen.

23.07.2003 Klage auf Erteilung eines Aufenthaltserlaubnis, hilfsweise Aufenthaltsbefugnis.

16.02.2004 Anwaltsschreiben einer anderen Kanzlei an Landeshauptstadt, „unseren Mandanten weiterhin im Bundesgebiet zu dulden“.

17.11.2003 Verwaltungsgericht Hannover lehnt Antrag auf Aufenthaltserlaubnis ab.

09.12.2004 Festnahme zur Abschiebung.

Duldung wegen Asylverfahren. 22.11.2005 Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens wird abgelehnt. Zum Thema Musiker O-Ton des Gerichts: „Der Antragsteller hat in diesem Zusammenhang lediglich vorgetragen, dass er eine kurdische Musikgruppe seines Onkels bei einem kurdischen Festival begleitet und als Musiker im Fernsehen aufgetreten sei. Dass er hierbei an exponierter Stelle als ernst zu nehmender Kritiker an den Verhältnissen in der Türkei wahrgenommen werden konnten und daher bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgungsmaßnahmen i.S.d. Art 16 a Abs. 1 GG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthaltG ausgesetzt sein könnte, ist seinem Sachvortrag nicht zu entnehmen.“….“Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Behauptung des Antragstellers, wegen der Vorfälle, die sich nach seiner Rückkehr in die Türkei ereignet haben sollen, psychische Probleme zu haben. Unter Berücksichtigung der Angaben des Antragstellers ist nicht erkennbar, dass er an einer schwer wiegenden psychischen Erkrankung leidet…hat lediglich erwähnt, dass er Schlaftabletten einnehmen würde, weil er ansonsten nicht einschlafen könne“…

24.11.2005 Duldung erloschen, zur Ausreise verpflichtet. „Wir weisen ausdrücklich noch einmal darauf hin, dass eine Abschiebung zu einem unbefristeten Einreiseverbot führt“.

Niederschrift über eine Anhörung beim Flüchtlingsamt 02.11.2005 in Nürnberg.

F: Wie genau sind Sie eigentlich im August 2004 in die Türkei zurück gekehrt?

A: Es war so, dass mir gesagt wurde, dass ich freiwillig in die Türkei zurückkehren müsste. Man sagte mir, dass man mich ansonsten abschieben würde. Ich musste dann zum Generalkonsulat gehen. Dort bekam ist einen Zettel. Mit diesem Zettel konnte ich dann in die Türkei einreisen…

F: Auf welchem Weg sind Sie am 27.08.2004 in die Türkei zurückgekehrt?

A: Ich flog mit einer Maschine der Turkish Airlines von Hannover nach Istanbul.

Als ich in die Türkei zurückkehrte, wurde ich von Polizisten in Gewahrsam genommen, Ich wurde dort drei Tage in einem Gefängnis festgehalten. Man fragte mich warum ich in die Türkei zurückgekehrt sei. Man fragte mich nach dem, was ich hier gemacht hätte. Man fragte mich auch nach dem, was meine Eltern hier tun würden. Man fragte mich, warum ich in die Türkei zurückgekehrt sei, obwohl ich dort überhaupt keine Verwandten oder Bekannten hätte“…“Nach drei Tagen wurde ich zusammen mit anderen Gefangenen in einem Transport nach Cizre geschickt. Dort wurde ich zur Antiterrorabteilung gebracht. Sie stellten mir Fragen zu meiner Betätigung als Musiker. Es ist so, dass wir hier viel aufgetreten sind. Man hat uns oft im Fernsehen gesehen. Ich war oft mit bekannten Sängern, beispielsweise mit …., aufgetreten. …Der Beamte der Anti-Terrorabteilung, der mich befragte, fragte dann danach, ob ich Kurier der PKK sei. Als ich das verneinte, änderte sich sein Tonfall sofort. Er sagte, dass ich nie wieder die Freiheit erlangen würde. Er hielt mir eine Pistole an den Kopf. Ich war sehr eingeschüchtert. Ich hatte bis dahin nie etwas mit der Polizei zu tun….Er gab mir Bedenkzeit. Er ließ mich mit dem Dolmetscher allein. Ich weinte. Der Dolmetscher riet mir, die Fragen so zu beantworten, wie der Beamte es wollte. Er sagte mir, dass ist dann ein gutes Leben haben würde. Andernfalls würde es nur Probleme geben. Es war so, dass man bei meiner Festnahme mein Handy mit beschlagnahmt hatte. Die Sicherheitskräfte sichteten dann das Telefonbuch in dem Handy. In dem Telefonbuch befanden sich Telefonnummern verschiedener Unterstützer der HADEP. Unter anderem befand sich der Name des Bürgermeisters von Cizre darin. Dieser ist ein Patenkind meines Vaters. Mein Vater hatte mir die Telefonnummer dieser Leute gegeben, damit ich mich bei ihnen melden könnte… Ich musste meine Aussagen jeweils unterschreiben. Irgendwann kam dann die Frage nach der Kuriertätigkeit für die PKK. Als ich die Frage verneinte, änderte sich die Atmosphäre sofort. Sie schüchterten mich so sehr ein, dass ich schließlich die Frage nach der Kuriertätigkeit bejahte. Ich wurde dann freigelassen. Es war so, dass man mir vorwarf, dass ich jetzt kämpfen gehen solle. Man forderte mich daher auf, mich täglich bei ihnen zu melden.

F: Wurden Sie anlässlich Ihrer Festnahme misshandelt?

A: Ja.

F: Wurden Sie in  Istanbul oder in Cizre misshandelt?

A: Das war in Cizre.

F: Wie sage das konkret aus?

A: Ich möchte da nicht so gerne drüber reden.

F: Können Sie mir wenigstens ungefähr sagen, was dort geschah?

A: Das Ganze fing an, nachdem ich die Frage nach der Kuriertätigkeit verneint hatte und man mir Bedenkzeit gegeben hatte. Danach kam der Beamte wieder. Ich musste mich bis auf die Unterhose ausziehen. Der Beamte hatte einen Gummiknüppel, mit dem er mich schlug. Außerdem verbrannte er mir die Haut am rechten Handgelenk.

F: Gab es während Ihrer Haftzeit noch weitere ähnlich schwer wiegende Vorfälle?

A: Nachdem ich die Frage nach der Kuriertätigkeit beantwortet hatte, wurde ich ja freigelassen. Ich tauchte dann sofort unter.

F: Wissen Sie, ob, nachdem Sie sich nicht mehr bei der Anti-Terrorabteilung gemeldet hatte, nach Ihnen gesucht wird?

A: Ja, mir wurde berichtet, dass man nach mir sucht.

F: Wer hat Ihnen das berichtet?

A: Es war so, dass die Bekannten, deren Namen ich eben schon erwähnt habe, meinem Vater mitteilten, dass nach mir gesucht wird. Sie sagten ihm, dass er schleunigste dafür sorgen solle, dass ich das Land wieder verlasse.

F. Wie lange wurden Sie in Cizre insgesamt festgehalten?

A: Es war dort vielleicht ein oder zwei Tage. Ich kann dies nicht genauer sagen, weil ich zwischendurch auch eingeschlafen bin. Ich möchte noch sagen, dass es jetzt so ist, dass ich kaum allein in einem Zimmer sitzen kann. Ich muss dann unbedingt raus.

23.11.2005 Bestätigung Arbeitgeber, dass mein Betreuter voraussichtlich zum 15.12.2005 seine alte Stelle als Teamleiter wieder antreten wird.

14.12.2005 Fachärztliches Attest, dass er immer wieder auf das Ihmezentrum wollte um sich herab zu stürzen. Der Facharzt schreibt: Er gab an, 17 jg. in die BRD gelangt zu sein und sie vor einem Jahr wieder verlassen gemußt zu haben. Ein Jahr in der Türkei sei er als junger Einzelrückkehrer der Tätigkeit der PKK verdächtigt worden und hätte an sich in den für Kurden besonders unangenehmen Militärdienst gemußt. Auch hätte er sich mit Tuberkulose infiziert, die derzeit nicht infektiöse wäre, und hätte zur Ruhigstellung eines Lungenlappens operiert werden müssen.

In den Jahren in Deutschland wäre er 18 jg. zwangsverheiratet worden. Die Eltern seiner von ihm nicht akzeptierten Frau trachteten ihm nach dem Leben und hätten schon Rächer in die BRD geschickt, die aber gottseidank rechtzeitig wieder abgeschoben worden wären.

In Deutschland wieder mit einer Cousine verheiratet hätte diese ihn verlassen, als sie von seinem z.T. erzwungermaßen unruhigen und bzgl. des Hierbleibens ungesicherten Leben erfahren hätte.

Zurück in der Türkei würde er als Wehrdienstflüchtiger und noch dazu Kurde die schlimmsten Behandlungen befürchten müssen. Der Vergeltung seiner Schwiegereltern wäre er unentrinnbar ausgesetzt, da diese ihrerseits ihre Ehre wieder herstellen müßten.

In dieser Ausweglosigkeit drängten sich Selbsttötungsgedanken für ihn unabweisbar auf und drängten ihn, sein Leben zu beenden. Eigenartigerweise zöge es ihn oben auf das Ihmezentrum mit dem Wunsch, durch einen Sprung sein Leben zu beenden.

Diagnosen: Depression mit Suizidgedanken.

Erneute Eingabe beim Landtag. Landeshauptstadt in einem Schreiben vom 10.01.2006: „Es besteht kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und wir beabsichtigen, den Aufenthalt des Ausländers vorbehaltlich der noch in Klärung befindlichen Transport- und Reisefähigkeit zu beenden.

Auch Landtag lehnt ab, weil eine Integration nicht  zu erwarten ist. Hat 8. Klasse ohne Abschluss verlassen. Seit 2003 in ungekündigter Stellung, Arbeitsverhältnis scheint zwischenzeitlich beendet zu sein, bezieht Leistungen vom Staat. Erschwerend kommt hinzu, dass er wegen Körperverletzung zu 6 Monate auf Bewährung verurteilt wurde (Anm.: Jugendstrafe 26.04.2000). Fazit: Alle Angaben widersprüchlich. Tut offensichtlich alles um einen Aufenthaltstitel zu erlangen.

Ab 26.12.2005 in der psychiatrischen Klinik in stationärer Behandlung. Schwere depressive Episode mit Suizidalität. 21.03.2006 folgt weitere Diagnose posttraumatische Belastungsstörung. Keine Reise – und Transportfähigkeit.

Am 22.09.2006 Begutachtungstermin. Langes psychiatrischen Gutachten. Mein Betreuter berichtet immer wieder zusammen brechend unter Tränen, in welcher Weise genau er gefoltert wurde. Die Techniken sind so krass und demütigend, dass er dem Gutachter sagt, dass das niemand erfahren dürfe, sonst würde er sich umbringen. Der Gutachter bescheinigt ihm alle psychischen Störungen und noch mehr.  (Anm.:  Dieses 44-seitige Gutachten erhalte ich mit anderen Unterlagen über die Rentenversicherung am 07.09.2000).

25.04.2007 Stadt Hannover an RAe Klage hat keine aufschiebende Wirkung, vollziehbare Ausreispflicht besteht.

16.08.2007 zwei neue Diagnosen aus der Klinik: Dissoziative Störung und Depersonalisationssyndrom; beginnend andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung. Suizidalität bei Rückführung in das Herkunftsland.

10.01.2008 gemeinsame Sorgerechtserklärung für Kind, was voraussichtlich am 09.06.2008 geboren wird.

02.06.2010 meine Bestellung. Unbefristete EU-Rente seit dem 15.12.2009.

10.11.2011. Das kannte ich schon. Prüfung der familiären Bindung. Die Ehefrau und mittlerweile 3 Kinder haben die Deutschen Staatsbürgerschaft. Wie ist das Verhältnis zu seinen beiden Kindern. Könnte nicht besser geben. Enge Kontakte? Sehr sogar. Welcher Art sind die Kontakte? Alles was ein Vater und Kind haben. Die Kindesmutter schreibt: „Mein Mann ist der beste Mann der Welt. Jeder kann sich ein Beispiel von ihm nehmen er ist immer für uns da auf Religion sind wir schon verheiratet. Wir warten auf türkische Papiere, dann machen wir das amtlich ich bin wieder schwanger in 11. Woche u. am besten geben sie ihm gleich denn deutschen Pass weil er ein Teil Deutsch ist.

Jetzt geht es um die Einbürgerung. Die soll er nicht bekommen, da er erst seit dem 12.12.2008 eine Aufenthaltserlaubnis hat und davor nur eine Duldung hatte und der rechtmäßige Aufenthalt sei erst nach 8 Jahren am 12.12.2016 erfüllt.

Nach Einsicht in  diese Akte koche ich vor Wut und will eigentlich den Staat auf Schadensersatz verklagen. Hatten sie ihm nicht gesagt, dass ihm keine Gefahr droht bei einer Rückkehr und keiner sein Musizieren zur Kenntnis genommen hätte und das auch gar nichts mit politischer Kritik oder Betätigung zu tun hätte. Er ist jetzt lebenslang arbeitsunfähig durch Folter (Erwerbsunfähigkeitsrente bis zum Erreichen der Altersrente am 15.02.2050), weil hier entschieden wurde, der gehört hier nicht her und wird schon nichts Schlimmes passieren. Der Onkel ist behindert durch Folter. Das betrifft die ganze Familie und diese Leute leben unter uns und betreiben hier Imbisse und Kioske und wollen hier leben, obwohl man so hart versucht sie wegzubeißen.

Angef Akten

Wir fahren um ca. 16 Uhr Richtung Lübeck. An der Station vor unserem Haus spricht uns ein älterer russischer Typ an mit Bart und Expo-Pin. Ob er uns was fragen dürfe. Er wolle herausfinden, was die Hannoveraner über Leibniz wüssten. Was hätte der denn gemacht. Ich sage, der war Philosoph und Stephan sagt: Universalgenie und Mathe und dann die nächste Frage, was er denn erfunden hätte, wofür er berühmt war und Stephan antwortet: eine Rechenmaschine und der Typ dann: Haben Sie studiert? und Stephan: Ja, aber nicht Leibniz und ich bin auch etwas ungeduldig und erkläre ihm, dass die Uni damals noch nicht so hieß und er solle doch mal zu der Leibniz-Uni hinfahren. Vielleicht hätten die mehr Ahnung. Nein, sie wollten ja gerade wissen, was der durchschnittliche Bürger über Leibniz wisse. Er klärt uns dann auf. Das binäre System wäre die korrekte Antwort gewesen und dass er den Computer praktisch schon vorgedacht hat, deswegen nennen man ihn auch Vordenker des 21. Jahrhunderts. Ich drehe dann den Spieß um und frage ihn ob er wisse, dass es eine Leibniz-Apotheke in Hannover gibt. Ja, es gäbe alles Mögliche mit dem Namen (klar auch Backware). Ich hake nach, ob er die kennen würde. Er verneint. Da zieren ganz herrliche Zitate von Leibniz die Wände, dass er leider in keiner Weltstadt wie Paris oder London leben würde, sondern in Hannover, wo es kaum jemanden gäbe, mit dem er sich unterhalten könne. Jetzt fährt die Bahn ein und er will abschließend wissen, ob wir dafür seien, dass ein Kinofilm über Leibniz gedreht wird, wo dem Zuschauer in ca. 2 Stunden alles beigebracht wird und wir sagen selbstverständlich: ja, wir sind dafür.

Party und Heimreise

17.08. Heute werde ich um 6 Uhr wach und denke zuerst ich höre Geräusche von anderen und kann schon mal auf einen Kaffee runtergehen. Es sind aber nur die meiner Nichte und Neffe und Katalin begegnet mir im Flur und zeigt mir ein „Psssst“ durch Finger auf die Lippen legen. Ich verstehe und gehe wieder in unser Quartier, aber schlafen kann ich nicht mehr. Ich will mir Tuschwasser holen und wieder aufs Zimmer und sie fängt mich ab und fragt, ob wir zusammen was basteln können, was ich bejahe. Sie tuscht mit mir und der ältere Bruder will ihr immer erklären, wie man was nicht macht und mir am besten auch. Bei Pinseln knicken die Borsten ab, wenn man sie im Wasser stehen lässt. Aha, passiert aber nicht und das gilt insbesondere nicht, wenn man den Pinsel gerade in Gebrauch hat, aber danke für die Tipps reagiere ich auf die kluge Verbesserungsvorschläge der jüngeren Generation. Von Frederik habe ich was ausgeschnitten aus dem Altpapier, wo er ein Foto in der Zeitung mit Kuli modifiziert hat und es durch die Kugelschreiberstiftzeichnungen auf dem Foto wirklich ausschaut, als würde er Mann sich in der Nase bohren. Genial gemacht.

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Er sagt, „hey das ist von mir“, bietet dann aber an noch mehr für mich zu machen. Katalin erzählt mir auf Nachfrage, dass sie in der Schule (2. Klasse) gerade alles über Bienen lernen und einen Film geschaut haben mit Willi will’s wissen und die Drohnen, die sterben sobald sie die Königin begattet haben, das sei so traurig, erst finden sie die Frau und dann müssen sie sterben und sie glaubt ja, dass die Drohnen das vorher wissen und daher ganz traurig sind. Wir räumen dann auf, weil die Erwachsenen sagen, dass der Frühstücktisch gedeckt werden soll. Passend zum heutigen Tag erscheint am Himmel:

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Die letzten Vorbereitungen laufen auf Hochtouren:

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Mein Bruder hat den ganzen Tag über open house und es kommen Nachbarn und Freude z.T. mit Kindern und gehen dann auch wieder nach 2 Stunden. Ich kann nicht mit allen Gästen was anfangen und tusche noch eine Runde. 3 Schweizer Buben sind da und einer davon bleibt immer ca. 5 Meter von mir entfernt stehen und schaut sich das alles interessiert und ungläubig an als hätte er noch nie einen Menschen basteln sehen bis ich ihn frage, ob er sich die fertigen Postkarten einmal anschauen wolle. Er bejaht. Dann basteln die heimischen und die 2 Besucherjungs bei mir, während die Kinder sich von Frederik zeigen lassen, wie man die Fotos aus der Zeitung manipuliert. Er sucht eine Wettervorhersage und will das Granathagel und Tornados und so was einzeichnen. Katalin malt an einer Art Madonna herum. Weil es um die Volksabstimmung zu dem Bratwurstverkaufverbot geht, fragt sie: woran denkt die Frau? An lauter Bratwürste und was hat sie im Herzen auch lauter Bratwürste. Das Bild wird sehr schön. Ich nehme es mit für einen Bastelkalender, den die Familie Weihnachten von mir bekommt und dann wird es verwertet und quasi zurückgeschenkt. Dann bebastelt sie eine Postkarte für meine Collage Volksabstimmung, quasi als Hintergrund. Die konkurrierenden Würste schauen sich böse an.

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Frederik fragt mich, ob ich Mursi-Anhänger sei und ich frage mich, wie er da nun wieder drauf kommt. Später wird es mir klar.

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Ich mache noch eine Gemeinschaftsarbeit mit Frederik.

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Mitten im Basteln müssen die Jungs aufbrechen. Eine Frau aus der Nachbarschaft bringt einen leckeren Rahmkuchen mit getrocknetem Birnenmus drin noch lauwarm, den ich lobe. Für Smalltalk sage ich, wie nah Zürich sei und so gut erreichbar mit dem Nahverkehr. Ich merke an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie mir nicht zustimmen will und sie erklärt es mir auch. Für die Schweizer seien die kleinsten Wege schon weit und ich treffe den Nagel auf den Kopf als ich sage, außer beim Wandern. Hier kein Weg zu weit, richtig? In der Tat war sie gerade mit ihrem Mann nach Italien gelaufen zu Fuß. Bei mir sei es genau umgekehrt, dass beim Wandern der Wald hinten dem Haus schon zu weit sei. Der Mann zu der Frau kommt ein wenig später auch und bleibt an meinem Basteltisch stehen und guckt ungläubig und leicht angewidert, was ich hier machen würde bis er die Logos der Absinth-Werbung entdeckt. Mit den Kindern hatte ich mich noch darüber lustig gemacht über die Gebrauchsanweisung, dass man das Wasser sehr langsam (tropfenweise) und zwar sehr sauberes Wasser über den Zucker laufen lassen sollte und ich frage, was ist denn für die Schweizer sehr sauberes Wasser. Er ist wie ausgewechselt und will wissen, wo ich das her habe. Aus Zürich aus dem Welschland beantworte ich sein Frage und er daraufhin: den Mann (gemeint war der Inhaber), den kennt er und den Absinthbrunnen hat er zuhause genau wie die Flasche mit der Katze.

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Ich sage: Wahnsinn und dann na ja, der eine hat einen Schokoladenbrunnen und der andere einen Schnapsbrunnen. Ich will dann aber wissen, wie oft man den verwendet und mein Tipp ist nicht so oft, ein Mal im Jahr und er widerspricht mir und sagt schon öfter, wenn Freunde zu Besuch seien auf einen Apero, oder. Dann spreche ich ihn noch auf die Piktogramme der Sex-Boxen in Zürich an, quasi Gebrauchsanweisung. Über 18 erlaubt, unter 18 verboten. Im Auto grünes Häkchen, Mofa und Fahrrad rot durchgestrichen. Ich frage den Nachbar, wie sportlich die Schweizer denn seien, ob es in der Schweiz üblich sei auf dem Fahrrad Sex zu haben. Gemeint ist aber das Einfahren in den Parcours. Das Paar verabschiedet sich und will noch zum Bodensee, schwimmen. Es ist nur ein Kollege meines Bruders eingeladen. Dieser hat eine sehr nette und hübsche Frau mit riesigen Augen. Als wir erzählen, dass wir Käse mögen und Stephan vergeblich in die Stadt gefahren ist um welchen auf dem Wochenmarkt zu kaufen, weil er zugunsten eines Stadtfestes ausgefallen ist, weil überall Bierbänke aufgestellt waren, gibt sie uns ein Tipp für einen Käseladen für das nächste Mal und ihre Familie sei in der Landwirtschaft tätig und sie könnte uns auch mal einen halben Laib Käse besorgen (am besten so groß wie auf der Wiget-Werbepstkarte). Die Tochter hat die großen Augen der Mutter, ist aber weißblond und sehr schüchtern. Sie redet nicht, hält nur den Stoffhund, der angeleint ist und für den sie Trockenfutter dabei hat. Auf Nachfrage zeige ich Mutter und Tochter meine Hütchenauswahl, die ich dabei habe. Von der Mutter erfahre ich, dass sie in Hannover zur Expo waren auf dem Weg nach Dänemark und dieses Jahr waren sie in Sylt. Ich denke, lustig, wir machen wechselseitig im Heimatland Urlaub und während wir mit dem Zug durch die Schweiz fahren, fahren sie regelmäßig nach Berlin und leihen dort auch Fahrräder. Auch diese Familie hat noch weitere Programmpunkte und verabschiedet sich nach ca. 2 Stunden. Eine Nachbarin kommt mit einem jungen Appenzeller-Sennenhund. Die haben einen Ringelschwanz und einen Emmentaler-Sennenhund gibt es auch. Neue Hunderassenkunde für mich. Der Nachbarshund ist schlecht erzogen und drangsaliert die Kinder und schnappt auch. So was wird ja gerne verharmlost von den Besitzern.

Irgendwann wird es voller, weil Gäste aus der alten Heimat angereist sind, die dann auch bleiben. Die alten Volleyballfreude meines Bruders, die jetzt zum Teil Väter sind und erst die Sau rauslassen können, wenn Frau und Kind abgezogen sind, vorher sollen sie immer sich um ein Getränk für die Gattin und die Bespaßung des Nachwuchses kümmern, diese modernen Väter. In der Nacht werden die sportlichen Heldentaten der Jugend noch mal nacherzählt. Ich finde das sehr süß. Abends kommen Schweizer Freunde, ein Ehepaar, die einen Mojito-Stand machen. Das war schon groß angekündigt worden und ich hatte in Erwartung Wasser statt Wein getrunken. Als der Mojito alle ist kommt der Nachbar noch mal vorbei mit seinem Absinthbrunnen und sagt: „jetzt wird Franziska ausflippen“ und er hat Recht.

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Es ist ein Glaskolben aus mundgeblasenem Glas mit einem Glasdeckel, der oben eine sehr filigrane Zwiebelturmform aufweist. Es wird mit Eiswasser gefüllt, dann muss die Nachbarin von zuhause noch mal Zuckerwürfel holen gehen, weil meine Schwägerin keine hat (wer hat das schon?). In die Gläser wird Schnaps mit 65 % aus der Katzenflasche, die ich aus dem Prospekt schon kenne gefüllt und dann die Löffel mit dem durchbrochenen Muster darauf gelegt und den Würfelzucker und dann die winzigen Hähne wie Spielzeug aufgedreht und so tropft das Eiswasser darauf. Ich trinke einen, den ich mir allerdings teile und der schmeckt extrem nach Anis und ist gewöhnungsbedürftig und macht betrunken, so dass ich denke davon einen Apero und die Gäste baden nackt im Gartenteich. Freunde aus Süddeutschland, sie betreibt einen Boutique und lässt sich Ware vom Lindener Marktplatz liefern, die Lieferantin hat sie neulich erst besucht. Er ist schmal und redet viel. Sie erzählen von dem Hotel, wo man alles aus Automaten ziehen kann gegen Geld, 7 Erdnüssen für 2,50 Franken oder ein winzige Toblerone. Ich sehe, wie er einer Teenagerin vermeintlich ein didoartiges Gerät, was er in seiner Hosentasche trägt zeigt und ihr sagt: wenn sie es noch mal brauche, solle sie Bescheid sagen. Ich frage was das war. Es sieht bei näherer Betrachtung aus wie eine elektrische Zahnbürste mit einem schmalen gebogenen Kopf. Man hält es sich auf die Haut und drückt einen Knopf, dann wird die Stelle, die so groß ist wie ein Centstück erhitzt und das soll die Struktur des Mückengiftes zerstören, so dass der Mückenstich nicht mehr juckt. Wir probieren das dann alle aus, auch ohne Stich um zu schauen, wie warm es wird und ob das weh tut oder nur unangenehm ist. Mein Bruder hat seine Boxen, die er 10 Jahre lang nicht mehr benutzt hat in den Wintergarten gestellt und tanzt irgendwann. Wir lassen ihn das nicht alleine machen und beteiligen uns am freien Ausdruckstanz. Die Kinder (2 eigenen, 2 Gastkinder) sollen im Garten zelten, weil die Kinderzimmer als Gästezimmer gebraucht werden. Die Mädchen streichen früh die Segel und gehen ins Haus. Dann um ca. 2 Uhr morgens gibt Frederik auf. Jetzt ist nur noch der eine Gastjunge im Zelt. Kann man den alleine draußen lassen, frage ich mich angetrunken, aber noch mit einem Restverantwortungsbewusstsein? Andererseits was hilft es wenn man einen betrunkenen mittelalten Volleyballspieler dazu legt. Morgens gratuliere ich dem Gastjungen zu seinem Heldentum und er hat es gar nicht gemerkt, weil Frederik morgens um 7 Uhr wach geworden war und sich dann wieder ins Zelt dazu gelegt hatte. Auch gut.

18.08. Es ist der Tag der Abreise. Morgens eine Runde mit die Spuren der vergangenen Nacht beseitigen. Die passende Schürze hatte ich schon vorher gefunden.

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18.08. Frühstücken, packen, weitere Gespräche. Ich will früh zum Flughafen. Stephan bedankt sich bei den Gastgebern, dass er ihre Joggingstrecke hat nutzen dürfen. Mein Mann hat das Laufen in freier Wildbahn und außerhalb des Laufbandes entdeckt und auch ich bin ganz begeistert. Drei Tage läuft er die Strecke um den See, die auch eine Steigung beinhaltet. Beim letzten Mal berichtet er, dass er auf den letzten Metern noch mal den Berg hoch laufen muss mit letzter Kraft und oben bei den Bahngleisen mit puterrotem Kopf ankommt und ihm drei Frauen entgegen kommen und eine davon ihre große weiße Handtasche an sich presst bei seinem Anblick und er denkt, nichts läge mir ferner als noch mehr Gewicht oder so von wegen, die interessiert mich nur, wenn da Wasser drin ist. Zuvor verabschieden wir andere Gäste an der Straße vor dem Haus stehend und auch die Busfahrerin lässt sich zu einem Zurückwinken hinreißen, was ich sehr lustig finde. Mein Bruder bringt uns zum Bahnhof in St. Gallen und hier kann man zu den Gleisen vor fahren als Kurzparker erzählt er uns auf dem Weg dorthin. Ich wundere mich trotzdem, warum er vermeintlich in die Tiefgarage fährt. Dort ist man hinten an den Gleisen, so dass man Gäste sogar bei Regen trocken zum Bahnhof fahren kann. Personenverladung nennt das der Schweizer. Genial.

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Wir fahren zum Flughafen begleitet von einem jungen Schweizer Satanistenpärchen, die man nicht versteht, die aber schon zwei Mal in Wacken waren, einmal 2013. Die gehen dann in den Handyladen am Flughafen etwas shoppen. Auch ein anderen Fahrgast, vermutlich ein Moslem mit gehäkelter weißer Mütze treffen bei Migros, der den Sonntag zum Einkaufen im Flughafen nutzt. Wir machen Großeinkauf dort, 6 Salate eingeschweißt, 6 Kalbsbratwürste, 3 Stücke Käse, Creme Fraiche, Gebäck, Schokolade, Schinken, Mostbröckli, eine großen Schokoladenjoghurt…. Das Nötigste für zuhause.

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Wir treffen meine Schwägerin zur Übergabe des Ladegerätes bzw. Gefangenenaustausch gegen Fahrtkarten der Stadtbahn Zürich.

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Davor werfe ich meine Postkarten ein. Die eine an meine Schwägerin in den Briefkasten direkt an der Stelle, wo wir sie gleich treffen werden, hihi heimlich. Auch eine für einen weiblichen Dave Gahan-Fan aus Hannover. Ein Beweisfoto, dass Dave in Wirklichkeit bei der Stadtpolizei in Zürich arbeitet.

Ich bin Polizist

Später wird hier allerdings die Ähnlichkeit von der Kartenempfängerin vehement bestritten. Wir trinken noch zu dritt einen Flughafenkaffee. Dazu essen wir ein letztes Birchermüsli von Sprüngli, ein weiteres Beerenmüsli wird nachgekauft vor lauter den Hals nicht voll kriegen und mit dem anderen Einkauf einfach in den Koffer gedonnert. Bei der Sicherheitskontrolle in Zürich bekomme ich Komplimente noch und nöcher, als würde man die Buskontrolle wieder ausgleichen wollen und doch um einen weiteren Besuch meinerseits werben. Der Haarschmuck, aber auch die Omatasche finden großen Gefallen.

Zuhause völlig übermüdet bekommen wir die Quittung. Das Müsli ist im Koffer explodiert und hat sich über das Innenfutter des selbigen sowie die Wäsche u.a. das weiße Leinenhemd von Stephan ergossen. Der Crevettensalat sowie der Siedfleischsalat, die zumindest eingeschweißt waren, haben den Druckunterschied auch nicht vertragen und sind aufgeplatzt, aber mit weniger Schaden. Den Crevettensalat mit Majo esse ich sofort ohne Brot. Beim Birchermüsli komme ich mir recht dämlich vor, dass ich den Becher, der einfach primitiv mit einem Deckel verschlossen ist so achtlos in den Koffer verfrachtet habe, ziemlich gedankenlos. Die Lektion sitzt allerdings.

Umrechnungsfaktor Espresso 14.-16.08.2013

14.08. Werde leider ca. 2 Stunden vor den anderen wach. Vertreibe mir die Zeit u.a. damit, dass ich beobachte, wie auf einem großen Parkplatz hinter dem Mietshaus meiner Schwägerin ein Auto nach dem nächsten abgeschleppt wird. Wegen des Robbie Williams Konzerts am Freitag wie sich später herausstellt. Ich liebe die lustigen Schweizer Mitteilungen der Hausverwaltung. Die stehen unseren Aushängen in nichts nach…

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Dann werden meine Spielgefährte auch wach und wir planen den Tag. Heute ist Weiterfahrt nach St. Gallen angesagt, wo mein kleiner Bruder heute 40 Jahre alt wird, deswegen überhaupt die Anreise so unchristlich Mitte während der Woche. Ich will zu dem Anlass noch was besorgen zum Überreichen (neben dem großartigen Hai-Fotobuch was ich im Koffer habe) und zwar etwas für die Hausbar bzw. die Party, die Samstag ansteht. Meine Schwägerin weiß wie immer Rat und schlägt Paul Ullrich AG vor. Ein Schnaps Jahrgang 1973 ist mir zu teuer (400 Franken) und den Gag nicht wert, aber ansonsten lasse ich mich von den Werbebroschüren des Ladens, die meine Schwägerin per Post erhält ganz schön einlullen. Zuerst will ich einen guten Gin und vor allem guten Tonic besorgen für die Party. Auf einmal will ich Agavenschnaps einkaufen, weil hier in einer aufwendig gemachten Broschüre zur Tequilla-Degustation eingeladen wird. In den Prospekten wird für bestimmt alkoholische Produkte geworben mit Foto der Flasche und dahinter heißt es immer in Klammern (Achtung, billig!!!!). Das wirkt anbiedernd hat aber was mit einem Schweizer Rabattwerbeverbot für Hart-Alk zu tun, wie wir später erfahren. Auf dem Weg in den wahnsinnig gut sortieren Spirituosen und Weinladen komme ich erst mal an einem Bernina-Geschäft vorbei, an dem ich nicht vorbeigehen kann. Aufnäher oder Applikationen im Schaufenster ziehen mich magisch an. Es sind halbierte Tiere, die man auch falsch zusammen setzen kann, z.B. Katzenvorderteil und Hundehinterteil oder Zebrahinterteil und Löwenvorderteil. Ich betrete den Laden und die Verkäuferin kommt sofort auf mich zu und fragt, ob sie mir etwas zeigen kann. Man hat allgemein das Gefühl, dass die Oprah Winfrey Sache den Verkäufern ganz schön nachhängt und überall wird man superschnell gefragt und sie wollen mir alles zeigen, vielleicht auch Handtasche für 35.000 Franken, die ich aber gar nicht sehen will. Ich beantworte die Frage mit: ja, die halbierten Tiere, bitte. Ich kaufe für meinen Bruder einen Hai, den er auf seinen Ärztedienstkittel nähen soll, wenn es nach mir ginge, von wegen frisch operiert mit dem Schnitt genau in der Mitte, der den Rumpf durchtrennt. Dann gibt es in dem Laden eine unglaubliche Auswahl von Bändern und Gummis und das ist das reinste Bastel-Happy-go-lucky für mich. Die brave Bernina-Demonstrations-Maschine stickt fleißig einen Elefanten vor sich hin. Meine Schwägerin macht mich auf die bereits fertige Eule aufmerksam, die nur 5 Franken kosten soll (zum Vergleich ein Espresso bei Sprüngli kostet 5,50). Ich finde in der Schweiz muss man wirklich viel mit Schweiz-internen Preisvergleichen arbeiten, mit Euro und so kommt man da echt nicht weiter. Ich frage an der Kasse noch, wie viele Tiere kann die Maschine denn? Die Antwort: alle. Ich lege nach: kann die auch Dackel? Kann die auch alle Hunde? Stephan hat schon Bange, dass ich mich für die Maschine interessiere, dabei ist das nur Smalltalk. Ich habe am Ende des Einkaufs den Eindruck nicht mehr als in Deutschland gezahlt zu haben und das bei der Auswahl, die es bei uns schlichtweg nicht gibt, also alle Bastelfrauen, die dies lesen, es handelt sich um einen Tipp in der Schweiz ein Bernina-Fachgeschäft aufzusuchen.

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Danach gibt es noch eine Flasche Tequila und zwei Flaschen Weißwein nach den Erfahrungen des Vorabends rein nach Etikett ausgesucht. Der Laden hat sogar eine Bastelecke für Kinder. Die denken an alles. Wir ziehen weiter Frühstücken zu Sprüngli. Hier gibt es oberhalb des Shops (Fruchtgelees für 18 Franken), in dem sich Touristen durchschieben ein respektables Café mit lauter gut angezogenen Schweizer Omis, die das Bircher Müsli aus dünnwandigen, weißen Porzellantassen löffeln. Sehr gediegen. Herrlich. Ich bin schon wieder bester Laune und sage, hey, die haben ihren Namen auf meinen Cappuccino geschrieben. Es gibt Kanapées und kleine Leckereien aus der Konditorei (St. Honoraire mit Kirsch ist meine Wahl). Das ist mit Schnaps werde ich überflüssigerweise gewarnt.

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Nach der Stärkung und ein paar Pralinen zum Mitnehmen und einer Verkäuferin, die sich nicht ablenken und immer wieder nach der Bedeutung meines Hütchens fragt, geht es zum Bahnhof. Die Profi-Organisatorin macht alles am Automaten klar für uns, unser Zug fährt in wenigen Minuten um 13:09.

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Wir müssen nach St. Gallen Bruggen. Dann wird auf dem Telefon nach der Verbindung geschaut und es geht nach Gossau mit dem Zug und dann umsteigen in den NFB (Niederflurbus) und aussteigen an einer Station, die ich mir aufgeschrieben habe. Am Ziel sind wir dann um 14:30 Uhr. Genau parallel zu meinen Eltern. Alles mehr als perfekt. Nicht ankündigen, einfach auftauchen. Alles läuft gut und ich erfreue mich an den alten Holzhäusern, die außen Holzschindeln dran haben wie Fischschuppen bis die Kontrolleure im Bus auftauchen und uns erklären wollen, dass die Fahrtkarte nur für die Bahn gültig sei. Wir hätten von Gossau weiterfahren müssen nach St. Gallen HBH und von dort S-Bahn. Ich habe leider ausgeprägtes Tourett und bin absolut nicht hilfreich. Während Stephan sich erklären lässt, welche Fahrkarte er an dem Automaten im Bus nachlösen muss, schimpfe ich vor mich hin und die Koffer rollen unkontrolliert durch die Gegend. Da trägt man schon sein ganzes, sauer verdientes Geld zu Sprüngli und Co. und sie können den Hals einfach nicht voll kriegen. Ich zahle nicht und will in einer Haftzelle enden am 40. Geburtstag meines Bruders. Ich fordere 160 Peitschenhiebe. Ich bin so auf Krawall gebürstet, dass ich von dem Kontrolleur mit dem Hörgerät noch wissen will, wie er heißt für meinen Beschwerdebrief an die Schweizer Bahn und das Schweizer Tourismusbüro, dass weitere Schweizreisen gestrichen sind von meiner Seite, wie man hier behandelt wird, so unkulant. Er hingegen hat Gefallen gefunden an meinem Geschimpfe und er und sein Kollege bleiben neben uns, steigen mit uns zusammen aus und der Hiwi hilft Stephan noch ungefragt bei seinem Koffer, fasst mit am Griff an beim Herausheben aus dem Bus. Als Stephan die beiden nach dem Weg fragt, flippe ich erneut aus und sage, sind das Deine neuen Freunde oder was? Der Aufstieg ist steil, immer wieder Treppen und ich schimpfe weiter vor mich hin über verpopperte Schweizer, die ständig was an ihrem Garten verbessern.

Bei meinem Bruder ist Familienidylle mit Seerosen im Teich und es ist erst mal Kuchen angesagt und ich versuche meine Laune wieder in den Griff zu bekommen.

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Dann heißt es, Sekt gibt es erst später. Er muss noch ins Spital fahren. Wir begleiten ihn, weil das interessanter ist als zuhause herum hocken. Es gibt eine italienische Espresso-Bar und das will ich für jedes Deutsche Krankenhaus fordern, weil Koffein ist für Kranke so wichtig (ich spreche aus Erfahrung) und es macht so einen Unterschied, ob man Schrottkaffee aus dem Vollautoamten bekommt oder einen leckeren Kaffee aus einer coolen Gastro-Maschine wo von Hand aufgeschäumt wird. Außerdem ist es selbstredend auch besser um Besucher anzulocken, Alleine die Blumenbeete würden meiner Schwiegermutter, die mich am treusten im Krankenhaus besucht eine Freude machen und dem Schwiegervater auch.

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Mein Bruder ist bald fertig und hat nur Geschenke abholen sollen u.a. einen Blumenstrauß bei dem er uns erklärt, dass sie dafür tief in die Tasche gegriffen hätten.

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Er nennt uns einen Schätzpreis und ich schaue danach z.B. auf dem Wochenmarkt am Freitag in Zürich auf die Blumenpreise und kann Gabi nur raten mit ihrem Laden in die Schweiz umzusiedeln. Da wird man Millionär mit Floristik. Ein Wiesenstrauß mit 2 Sonnenblumen und Unkraut, der im Eimer steht, bei dem ich erst denke, geht ja bei dem Preis von 15 Franken, soll 45 kosten. Ich hatte die 1 falsch gelesen und das auf dem Wochenmarkt! Wir vertreiben uns den weiteren Tag mit Sekt, Abend essen und etwas Doppelkopf.

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Meine Eltern haben mir brav See’s Candies aus Kalifornien mitgebracht, ein Mitbringsel von Verwandten und ein Dankeschön. Die profane Schokolade wird von den Schweizern verschmäht, aber ich liebe sie. Das hat schon nostalgische Gründe.

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Wir gehen alle früh ins Bett, d.h. halten nur bis ca. halb 1 durch und dann ist mein Bruder sich selbst überlassen. Der Egoismus der größeren Schwester schlägt voll durch und daran ändert sich auch 40 Jahre danach nichts. Ich mache mir leicht Vorwürfe am nächsten Morgen. Nachts schlafe ich nicht so gut und muss ein Schmerzmittel finde und bin völlig orientierungslos und muss ganz lange überlegen, wo ist die Tür und wie komme ich dorthin, an der Wand entlangtasten, dann beim Wiedereinstieg in das Bett, in welcher Richtung liegen wir, vorsichtig nach Stephan tasten bevor ist mich irgendwo raufsetze oder raufplumpsen lasse. Das kenne ich schon von fremden Betten. Am krassesten ist es nach einem Langstreckenflug bei unseren Verwandten in Los Gatos Kalifornien, da habe ich einmal nachts die Wände einmal rings herum abgetastet bis ich die Tür fand. Ausgerechnet die haben allerdings kleine Lichter, die den Flur säumen und die Weg zum Klo beleuchten wie im Flugzeug zum Notausgang.

15.08. Ich schlafe bis 10 Uhr mit Schlafbrille, wie ich es zuvor angesagt hatte. Ich bin leider immer noch nicht fit und überlege meinen Mann alleine zum Ausflug zu schicken, aber kann dann doch nicht davon lassen. Zu verlockend ist das Ziel und auch die Reise dorthin. Zugreisen in der Schweiz liebe ich und dann noch lecker Essen mit meiner Schwägerin beim Koch der Jahres 2012 und dann die Aussicht noch mal ins coole Zürich zu fahren und hier einen halben Tag zu verbringen lassen mit die letzten Kräfte mobilisieren. Stephan schneidet meinem Vater die Haare. Ich wasche mir meine nach ca. 4 Wochen, so dass der Kopf weniger juckt, dann kleines Gepäck packen und mit meinen Eltern in die Stadt. Mein Bruder macht einen kleinen Mittagsschlaf als wir um ca. 14 Uhr gehen. In der Stadt werden die üblichen Ziele abgeklappert. Olma-Bratwurst-Stand und das Kaffee Schwarzer Engel mit dem schönen Garten und den alten Gartenmöbeln, liebevoll zusammengestellt, eine Art autonomes Zentrum in St. Gallen, was wir von Festivalübernachtungen im Gästezimmer her kennen. Die Szene ist hier sehr klein und wir sind neben einem anderen Gast die einzigen. Ich freue mich über 2 Flyer einmal über Fuck Wirtschaftsfaktor oder Wirtschaftsfucktor Winterthur – wir tanzen drauf und eine Dark Eighties Party mit DJ Jesus 66 in Tsüri- „Aufbrezeln!! Und daran denken, wahre Schönheit kommt von unten“. Wir fragen uns, wo das sein soll, Tsüri bis irgendwann der Groschen fällt.

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Daneben entdecke ich die Konditorei Gschwend, die leckerere Amaretti mit Kirschwasser machen als Sprüngli. Ich sage zu Stephan, siehst Du, Sprüngli ist Mc Donalds, aber die anderen können das auch, manche sogar besser außerdem besuche ich einen Allerweltsladen, den ich schon kenne und kaufe 2 Ringe und eine Kette aus Glasringen für meine Schwägerin. Die Verkäuferin ist zäh, weil sie mir immer Ringe und Ketten aus einer harten Naturnuss zeigen will, die ich aber ganz grauenhaft finde, Öko-Schmuck. Während ich sie konsequent ignoriere und mir einen Messingring mit Einlegearbeiten kaufe, der ausschaut wir ein Nierentisch, aber leider auch nach dem zweiten Tragen eine schlimme Allergie bei mir auslöst sowie einen rosa Glasring, hält sie die ganze Zeit einen Vortrag über die Vorzüge dieser Nuss, wie hart sie sei und wie sie sich bearbeiten liesse usw. Kurz davor ruft mich Herr PM aus der Klinik an um nach seiner Post zu fragen. Ich kriege einen Schlechtelauneanfall erster Güte und bloß schnell wieder das Handy in Flugmodus stellen.

Um kurz nach 5 fährt der Zug und meine Schwägerin holt uns ab und ist aus Zürich angereist, weil auch ihr das Zugreisen in der Schweiz Freude macht. Ich freue mich riesig als ist sie am Bahnsteig sehe. Ein junger Mann, der mit uns ein Viererabteil teilt, hört ganz schlimme elektronische Musik wahnsinnig laut über Kopfhörer und schläft dazu. Ich genieße wieder einmal die herrliche Schweizer Landschaft. Wir fahren am Zürichsee entlang und ich erkenne bald Rapperswil mit dem Steg ins Wasser. Toggenburg, Tunnel, Rapperswil. Immer wieder See und Berge.

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Stephan will sich umziehen und kommt mit weißem Hemd und Lederschuhen, aber kurzer Hose zurück. Er hat vergessen seine lange Hose einzupacken und sieht aus wie Angus Young, aber irgendwie sehr süß.

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Irgendwann wechseln wir vom Zug in den Bus und denken, der Busfahrer steht draußen und unterhält sich mit einer Reisegruppe, es ist aber eine toughe Busfahrerin mit schwarzer Sonnenbrille und die sitzt schon innen am Platz. Der Typ kommt anschließend und will noch mal die Fahrkarten sehen und fragt wo wir herkommen und notiert das elektronisch. Wir haben alle nicht verstanden, was das soll. Datenerhebung? Ohne Spaß, genau in dem Moment, wo ich das schreibe (22.08. 18:00 Uhr), findet in dem Zug von Lüneburg nach Lübeck eine Fahrgastbefragung statt. Wir sind die einzigen die Auskunft verweigern über wo kommen wir her und was ist Ziel der Reise sowie Zweck.

Dann ist man wieder gefangen von dem herrlichen Ausblick an den sauber geputzten Scheiben.

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Wir steigen aus und Restaurant ist nur ca. 30-50 Meter entfernt. Erst mal zieht es uns zur Aussichtsplattform und wir staunen über den alpinen Anblick, lauter verschiedenen Berge, die bestimmt alle einen Namen haben und unten ein See.

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Dann lockt mich eine Glocke Richtung einer abschüssigen Wiese. Hier grast eine Kuh und bimmelt vor sich hin. Ich versuche die Kuh mit: „komm mal hier her, Mäuschen“ zu mir zu locken. Das wirkt aber null.

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Dann ist es auch schon fast 19 Uhr und wir treten ein.

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Ich gehe zur Toilette und nehme mir 2 Binden mit, die kann man immer gebrauchen und treffe Stephan und meiner Schwägerin auf einer herrlichen Terrasse mit genau diesem spektakulären Ausblick.

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Die aufmerksame Bedienung, die den Wein ausschenkt bietet uns von sich aus eine Gruppenfoto an und es ist ein tolles Andenken, was zufällig an die Dreifaltigkeit erinnert, wobei ich zufällig Gottvater bin und meine Schwägerin der heilige Geist und Stephan Jesus.

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Diese Frau, die aus dem Spreewald kommt ist lustig. Ich bin dankbar für das Deutsche Personal an diesem Abend. Bei ihr darf ich bezogen auf die Fotoanfrage auch sagen: Ja, bitte vor dem Matterhorn. Ein Schweizer könnte darüber wohl weniger lachen. Meine Schwägerin klärt uns auf, dass der eine Berg ganz rechts der berühmte Rütliberg sei und wir uns in der Schwyz befinden würden, der Urschweiz. Auf diesem Berg haben die 4 Ur-Kantone geschworen zusammen zu halten und er spielt beim Schweizer Nationalfeiertag eine große Rolle. Ich sage, die Schweizer, die schwören doch bei jeder Gelegenheit einen Eid.

Das Essen ist sehr lecker. Alleine das riesige, eckige Brot mit einer feuchten schwammartigen Konsistenz ist herrlich. Das Ritual des Anschneidens mit Pantomimehandschuhen und wie die drei Stücke positioniert werden ist überkandidelt. Dazu gibt es Zweierlei Butter sowie ein zweites Brot. Später machen wir uns etwas lustig über die große Werbepostkarte des Inhaberehepaares mit Terrier, wobei das Verhältnis Käse zu Brot durchaus sympathisch ist….

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Wir nehmen das Menü. Jeder Gang wird von einer absolut spaßfreien und bierernsten Schweizerin, die null Ausstrahlung hat angesagt, heruntergebetet, dass man sich freut, wenn sie fertig ist mit ihrem Text. Der Gänselebergang ist sehr gut und ich habe hier einige Vergleichsmöglichkeiten. Mit Pfeffer und Kirsche und das tollste wurde nicht fotografisch festgehalten eine fettige Gänselebersuppe in einer kleinen Tasse. Toll.

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Der Wolfsbarsch mit Meeresfrüchten kann auch richtig was und der Kaisergranat oder was da oben drauf ist, ist zart und geht nicht gleich in eine Zahnlücke. Ich frage, die Spreewaldfrau und sage gleich dazu, dass es mich nicht stört, wann denn so eine Kuh Feierabend machen würde. Sie könne das beurteilen. Nie, kommt die Antwort und, dass das dort unten eine Mutterkuh mit zwei Jungtieren sei. Dann gibt es superdünne Pasta (von mir aus hätte der Teig gar nicht so dünn sein müssen) gefüllt mit Ricotta (?) und mit frisch gehobeltem Sbrinz, einem Käse. Dem Hauptgang, das Kalb mit dem Kartoffelpüree mit dem unaussprechlichen Namen, in einem Extratöpfertässchen, finde ich ziemlich langweilig, aber die Portion ist so klein, dass ich auch nichts abgeben mag.

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Dann kommt die junge Schweizer Gouvernante und fragt, ob wir Käse oder Dessert wollen, als müsse man sich entscheiden. Stephan entscheidet sich für beides und ich sage, auf jeden Fall esse ich hier Käse, dann eher keinen Nachtisch. Es gibt ohnehin noch einen sehr leckeren Eiskaffee-Espuma. Der Käseteller besteht aus verschiedenen Hartkäsesorten mit jeweils einer „Beilage“, getrocknete Aprikosen, Wallnüsse (hier genannt Baumnüsse) in Honig, Feigensenf sowie Oliventampenade und Früchtebrot. Der Nachtisch ist eher langweilig und wenig spektakulär. Das kann Dieter Grubert besser oder der Mann aus der Ole Deele.

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Die Spreewaldfrau erinnert uns an den Bus, den wir kriegen müssen, was ich sehr aufmerksam finde und sagt, dass die manchmal etwa vor der Zeit fahren würden. Wir nehmen den letzten Bus, der fährt um 22:11 und als dann die Chefin noch was sagt von Licht am Handy anmachen,  weil man sonst auch gerne übersehen wird bin ich vollends verunsichert und eile zur Station. Hier steht man im Dunkeln an einer Steinmauer aus großen Steinen, die noch Wärme abstrahlt und hört die Glocken der Kühe, die man nicht sieht, nur hört. Ich finde es leicht unheimlich und lasse die Straße nicht aus dem Auge und beim Anblick des Buses springe ich auf die Fahrbahn und mache große Jumping-Jack-Bewegungen m.a.W. ich will hier nicht zurück gelassen werden. Wir sind die einzigen Gäste und lösen die Fahrkarten bis nach Tsüri. Wir müssen 4 mal umsteigen und haben jeweils zwischen 1 bis 3 Minuten dazu. Alles klappt reibungslos, wir sind in der Schweiz. Im Nachhinein frage ich mich, warum macht man der Kuh eine Glocke um. Auf der Alm ist klar, aber auf einem kleinen umgrenzten Grundstück finde ich meine Kuh wohl auch ohne Glocke. Die ist bestimmt genervt vom eigenen Gebimmel beim Grasen. Kühe haben ein gutes Gehör. Man macht es wohl nur für die Touristen, oder? Und wenn man es schon für die Menschen macht warum dann nicht den Kühen Armbanduhren um die Fesseln machen. Das wäre doch auch noch was. In Zürich ist wieder mehr Großstadtflair in der Bahn, Junkies und große Hunde ohne Leine und unsere Fahrkarten gehen sogar durch bei der Kontrolle. Was für ein schöner Tag!

16.08. Heute habe ich herrlich geschlafen und geträumt und werde erst kurz vor 10 Uhr wach. Heute ist es meine Schwägerin, die schon seit Stunden auf die Spielgefährten wartet. Wir wollten zum Wochenmarkt, der beim Volkshaus ist und unsere Gastgeberin meint, das sei etwas spät angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit und weil der nur bis 11 Uhr geht. Wir sagen beide Quatsch, was meinst Du, wie lange wir brauchen. Eine Viertelstunde später stehen wir gepackt an der Haltestelle Letzigrund (leider habe ich das Aufladegerät für die Zahnbürste vergessen, was aber erst später und nicht einmal von uns bemerkt wird). Dafür finde ich ein Fahrrad meines Geschmacks gleich auf dem Weg zum Markt…

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Der Wochenmarkt ist herrlich und es gibt das schönste Gemüse. Ich kaufe eine Schale mit riesigen Brombeeren zum Sofortverzehr. In der Schweiz war schon immer meine Rede, dass man sich auf Märkten verkommt als würde man in der DDR wohnen angesichts der Qualitätsunterschiede bei den Produkten.

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Wir ziehen weiter zu einem Café, welches auch Zimmer vermietet (falls es mal eng wird bei meiner Schwägerin habe ich ihr schon angedeutet ohne Probleme in eines der lustigen Pensionen absteigen zu wollen mit den individuell eingerichteten Zimmern, die sie mal als Liste für auswärtige Besucher zusammengestellt und wir an eine Bekannte Kaffeebarinhaberin aus Hannover weitergegeben haben). Die Bedienung hier ist sehr lahmarschig und wir ziehen nach etwas Koffeineinnahme weiter, vorbei am Schweizerblindenverband und einen Retroladen Sixteen Tons, der leider erst eine halbe Stunde später aufmacht, die haben Klamotten, Platten und Möbel.

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Meine Schwägerin führt uns zu einem second hand Laden an einem kleinen Platz, den ich auch schon kenne. Dann stehen wir wie zufällig vor dem Laden meines Lieblingsdesigner Ponicanova, die umgezogen sind. Ich erfreue die Inhaberin, die sich von ihrer Partnerin getrennt hat und jetzt alleine ist mit einer Modenschau mit umziehen direkt im Laden auf einer erhöhten Ebene und sie lobt meine Kombinationsgabe. Ich habe die Boxerschürze von Heike aus Berlin mit dem von Heike dazu genähten Tirolerhütchen an. Ich mag die Sachen dieser Designerin sehr gerne und kaufe seit Jahren nur noch gebrauchte Klamotten oder dann so etwas. Ich muss ihr allerdings gestehen, dass ich von den insgesamt 6 Teilen nur die 2 Röcke und einen Hosenrock viel trage und die Oberteile leider gar nicht. Sie sagt, das Geschäft sei sehr schwer und konsequenterweise kaufe ich mir einen Cordrock in dezent metallic-blau, der leicht steif fällt solange ich noch die Gelegenheit habe. In dem Laden nehme ich lustige Flyer mit u.a. vom Welschland, einem Laden, der Wurst und Käse aus der französischen Schweiz verkauft.

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Der ist zum Glück gleich um die Ecke und wir statten einen Besuch ab. Es sind zwei Männer im Laden, einer davon ist korpulent und hat ein rundes Gesicht geziert mit einem Bart. Er verzieht keine Miene und ich habe den Eindruck er versteht mein schnelles Hochdeutsch nicht. Dann wiederum lacht er ganz affektiert an komischen Stellen und Stephan und ich müssen beide an Men in Black Teil 1 den Alien an der mexikanischen Grenze denken, der wirklich ein Alien ist und keine mexikanischer Einwanderer und daher die Anmachen der MIB-Ermittler wie: „Deine Mutter ist aber auch ne fette Kuh“ immer mit einem lakonischen hahaha beantwortet und so entlarvt werden kann. Der andere macht ganz tolle Wurstkunst u.a. Wurst, Schinken und Salamiplatten aus Papier, die auf Porzellanteller dekoriert die Wände zieren und gleiche Orden aus Wurst sowie eine quasi Flagge, die auch einem Stück Stoff besteht, was superrealistisch wie ein Stück Speck ausschaut mit allem Schichten und Fett. Wir teilen uns eine Baguette des Tages und Mr. Alien ist enttäuscht, dass wir uns nur eins nehmen obgleich wir zu dritt sind. Wir kompensieren das mit Eiskonsum, weil er ganz tolles, eckiges Eis am Stiel in der Tiefkühltruhe hat mit metallic Retro Verpackungen und innen ist es zweigeteilt, z.B. Himbeer und Vanille und es schmeckt köstlich. Gleich nehme ich mir das als Hütchenobjekt vor. Wie sein Freund, der die Eispackungen ausgestopft und mit dem Holzstiel versehen gerahmt hat. 5 Stück essen wir insgesamt und immer muss die Verpackung schön ordentlich ausgeleckt werden. Ich muss mir den Schaumstoff zuschneiden lassen überlege ich später.

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Ich nehme noch mehrere Flyer mit in denen für Absinth geworben wird. Es gibt Geschenksets mit Schnaps und Löffeln sowie eine Absinthzapfstation mit 4 Hähnen und ein herrliches Logo auf dem eine schwarze Katze das trübe Schnapswasser wie Milch leckt, außerdem ist offenbar den Inhaber der Fabrik zu sehen, der reichlich durchgeknallt und skurril ausschaut, wie er mit seinen riesigen Händen vor den 20er Jahre Plakaten das Getränk einschüttet. Auf der Rückseite sieht man Feldarbeiter bei der Ernte von hohen Gräsern, die dann zu Hexenbesen gebunden und in einer Höhle aufgehängt werden. Es ist das Wermuthkraut. Daneben ist wieder ein Retroladen mit Platten, der tolle alte Quartettspiele in einem Ständer in der Auslage hat. Ich muss meine Begleiter wieder aufhalten und gehe rein und kaufe Autos 1976 für 10 Franken und dann noch 2 Aufnäher, einen englischen Hund „Old English Sheep Dog“, den ich meiner Cousine in Liverpool, die Tierärztin ist schicken will und einen kleinen mit dem Jungfernjoch für mich, als der Typ dafür wieder 10 Franken haben will handele ich und sage, der mit dem Jungfernjoch ist ganz klein und ich bin wie Tina Turner, ich kann mir auch nicht alles leisten und er gibt 2 nach und ich sage, das ist wieder ein halber Espresso bei Sprüngli, den ich gespart habe. Er sagt, dass die Japaner den Berg lieben würden bezogen auf meinen kleinen altmodischen Aufnäher und ich frage: ich dachte das Matterhorn? und er: da müsse man wandern, beim Jungfernjoch sei eine Gondel. Ich bekenne mich sofort zu den Japanern und sage, dass ich Berge auch wahnsinnig anstrengend finde. Das leckere Eis von nebenan kennt er schon. Dann gibt es noch mal einen Koffeinzwischenstopp bei einem Portugiesen, den wir schon kennen. Leckeren Kaffee und tolle Zuckerverpackungen mit Schweizer Städten darauf und hinten immer Karte mit dem Standort, dem Kanton und der Flagge usw. Essen mag keiner was. Gegenüber bei der Elektrohandlung gibt es alte Kaffeetassen und Kannen als Lampen umfunktioniert mit Stoffkabel und selbstgebaute Etageren mit verschiedenen Tellern.

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Da ist langsam schon deutlich nachmittags ist und meine arme Schwägerin den ganzen Tag ihre Markteinkäufe mit sich herumtragen muss und Stephan das Gepäck gehen wir wiederum zum Bahnhof und fahren erneut nach St. Gallen, diesmal Bruggen.

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Im Zug macht Stephan ein Nickerchen. Gegenüber sitzt eine junge Schweizerin, die Neon liest und sich die Fingernägel lackiert, was ganz schön stinkt. Als die Fahrscheinkontrolle kommt, spricht die Frau französisch. Der Zug kommt aus Lausanne. So ist das hier. Beim Haus meines Bruders sind mittlerweile anderen Gäste angekommen, Schwiegereltern im Wohnmobil und Schwager und Freundin, sowie Freude, die aus Wien angereist sind, die Frau ist schwanger. Es gibt um 19 Uhr Spagetti Bolognese und ich werde nicht alt an diesem Abend und ziehe mich gegen 22 Uhr zurück.