Heute heißt es erst mal die letzte Rutsche Sachen aus dem Atelier holen. Schön zu Fuß mit dem Bollerwagen bzw. Fahrradanhänger mit einem Putzkittel gekleidet. Dort lasse ich gleich die Schlüssel da bzw. gebe sie beim Nachbarn ab und jetzt ist mein Schlüsselbund wieder schlanker. Es ist was Neues dazu gekommen durch das Handschellenschloss, aber jetzt durch die Schlüsselabgabe auch wieder eine Reduktion eingetreten. Gleichgewicht quasi. Es ist nach wie vor eine Erleichterung für mich, die ganze Auflösung des Ateliers.
Auf dem Weg dorthin amüsiere ich mich über die Zeitungsmeldungen. Hanebuth bleibt nach wie vor in Haft. Dann ist es ja bestimmt ähnlich gelaufen, wie bei meinem Haftprüfungstermin. Andere Überschriften regen zum Schmunzeln an.
Vorher noch mal Sachen vor die Tür stellen, Gasmaske der amerikanischen Armee, ABC-tauglich, aber unerprobt unsererseits. Der Korbsessel wird wieder seine Weg zurück finden in die Wohnung. Da konnten Gäste dann doch so praktisch darauf sitzen im Flur beim Schuhe aus und wieder an ziehen.
Heike hat mir eine riesige Freude gemacht und mir erneut einen goldenen Flügel geschickt, den ich verloren hatte. Ich mache ihn wieder ran an die Kette und zwar sorgfältiger und beschließe, dass er dieses Mal bei mir bleiben wird. Ist auch kein Elfenschmuck, sondern im Gegenteil. Elfen klatschen bzw. einer den Flügel rausgerissen. So sieht das nämlich aus.
Ich merke wie unrealistisch meine Idee des Nachbaus war. Ich hatte auf der Fahrt am Dienstag angehalten, weil ich aus den Augenwinkel etwas sah, was mich von der Form her an den Flügel erinnert hat. Es stellte sich als Schuhsohle heraus. Aus der wollte ich einen neuen Flügel basteln. Das wäre wohl doch nichts geworden, wie es ausschaut oder doch arg anders.
Nachmittags lege ich mich aufs Ohr und ruhe etwas. Ich werde von den Regengeräuschen wach. Während ich einen Kaffee mache, denke ich, dass Stephan vom Sport kommt und gerade die Tür aufschließt, bis ich schnalle, dass das Hagel ist. Lustige Bällchen springen auf dem Balkon kreuz und quer umher, prallen ab und springen weiter und ich mache mir etwas Sorgen um das Glasdach im Wintergarten. Nix passiert. Wir machen uns auf zu einem Event bei Weinweib. Ich kenne das nicht, habe aber viel Positives gehört. Meine Erwartungen werden übertroffen. Erst die coole Garage mit dem Werkstattcharme und dann dahinter die offene Küche mit einem Ofen für die kalte Jahreszeit und einem großen Tisch sowie der Wasserfritteuse für die Nudeln und dann kommt man in einen herrlichen, verwunschenen, romantischen Garten. Völlig unerwartet zwischen den Häuser am Lindener Marktplatz. Es ist mein „Revier“ aber ich fühle mich wie in einer anderen Stadt. Eine tolle Überraschung und Neuentdeckung. Die kleine Abkühlung mit den Eiswürfeln vom Himmel kam genau richtig und es ist einfach herrlich. Ich kriege mich nicht mehr ein vor Begeisterung und tatsächlich, hier ist auch der besagte Teich. Wo sollte der auf dem betonierten Innenhof auch sein? Es musste ein Mehr geben, aber ich konnte mir dieses nicht vorstellen und bin nun verzückt. Schön, dass man von seinem näheren Umfeld noch solche Überraschungen erwarten kann.
Die Gastgeberinnen sind charmant und aufmerksam und der Weinpunk ist zu Gast. Es gibt lauter leckere Häppchen und gute Weine aus Veneto. Tounge Pogo und Porseo Flying White Pig gehören zu den Weinen, die ausgeschenkt und getrunken werden. Ich lerne neue Dinge z.B., dass Barrique ein Holzfass mit einem Fassungsvermögen von 225 Litern meint (es sind einige vom Fach auch im Publikum) und von einem anderen Gast werde ich belehrt, dass ich nicht immer Sardellen sagen soll, wenn es Sardinen sind. Die gibt es z.B. gekocht und eingelegt mit Essig und Zucker und Zwiebeln und Rosinen und Zitrone in kleinen Weck-Gläsern – ganz köstlich. Ich sage nur: „May the Porc be with you.“
Dann gibt es Tagliatelle Vongole und gegrillte Salsiccia. Die Grissini sind auch selbst gemacht und ich versuche für ein lustiges Foto zu posieren. Anschließend ist mein Gesicht komplett abgepudert mit Mehl.
Es sind einige der üblichen Verdächtigen aus Linden dort, aber auch Gesichter, die ich schon lange nicht gesehen habe. Die frühere Inhaberin vom Marktcafé, die glaubt, dass sie mal eine weiße Katze von mir aufgenommen hat, aber es waren die Miteigentümer, aus ihrer Sicht also richtig. Die kocht für die Veranstaltung und lebt nicht mehr in Hannover. Dann gibt es auch neue Begegnungen. Ein Mann aus Detroit, der seit 18 Jahren in Hannover lebt z.B. In den Gesprächen geht es zunächst u.a. um den Austausch von Restaurantempfehlungen (das Seven Swans klingt sehr interessant für die nächste Reise nach Frankfurt oder Weinsinn). Dann geht es aber auch um Vaginaabdrücke aus Gips, die ein Gast fertigt. Ist das Pornographie und wieder verdient ein Mann daran? Ich sehe das nicht so, will aber lieber ein Foto von mir und Stephan in eingeschweißt (mittels einer Vakuumpumpe wird die Luft herausgesaugt aus einem durchsichtigen Beutel, in dem man zusammen drin liegt, das macht ein Japaner) als so einen Vaginalabdruck übers Bett hängen, aber die Vorlieben sind verschieden und wenn einer sich für dieses Thema interessiert, habe ich erst mal nichts dagegen. In dieser Diskussion werde ich von dem Künstler angesprochen auf das älter werden, sich nicht mehr attraktiv finden, der Zerfall und das hadern damit. Ich sage, das ist mir wurscht, wie faltig ist noch werde, Krankheit und Sterben sind die Probleme aus meiner Sicht. Irgendwann sitzen wir auf den Hollywoodschaukel und schauen auf den Birnbaum. Eine herrliche Kulisse. Um 2 Uhr morgens torkeln wir nach Hause.
Nach zu wenig Schlaf stehe ich auf. Statt Flohmarkt, muss aufgeräumt werden. Das Wohnzimmer hat deutlich zu viele Tische. Der Neue aus dem Atelier ist aber nun wirklich sehr geeignet zum Mahjong spielen.
Es sind streng genommen nicht nur zu viele Tische, auch zu viele Stühle und Sessel. Von meinen lieben Schwiegereltern haben wir zwei Cocktailsessel geschenkt bekommen in grün und rot. Sie sind wunderschön und ich liebe sie und der Umstand, dass sie sie für uns geborgen haben, vom Sperrmüll gerettet ist eine Liebeserklärung der besonderen Art. So wie ich überhaupt die besten Schwiegereltern der Welt habe. Das musste an dieser Stelle einmal gesagt werden. Sie lassen einen machen und akzeptieren das und unterstützen immer. Zum Geburtstag gibt es selbst gemachtes und Geld. Was will man mehr. Die Wohnung platzt aus allen Nähten, die Koffer aus Berlin müssen ausgepackt werden. Die Putzfrau war den Juli über nicht da und kommt erst nächste Woche und unsere Wohnung tendiert stark Richtung unschönem Chaos. Dies gilt es etwas einzudämmen. Basteln ist auch angesagt mit Sprüchen, die mir meine Freundin Heike laminiert hat wird ein Hütchen gemacht in der Bastelsauna, dem Wintergarten. Es herrschen unmenschliche Temperaturen. So viele Hütchen. So viele Bastelsachen. So viele Möbel. Ich hätte gerne zwei Zauberstäbe. Mit dem einen könnte ich mich und andere von A nach B beamen, d.h. man könnte in San Francisco zu Abend essen im Delfina und sich dort mit Bill und Andrea treffen und anschließend sich wieder ins heimische Wohnzimmer zurück versetzen ohne Jetlag und morgens wieder zur Arbeit erscheinen. Für diese Zauberkraft würde ich sogar bis zu 5 Lebensjahren opfern. Dann hätte ich gerne einen zweiten Stab mit dem man Sachen schrumpfen kann. Meine ganzen Sammlungen könnte ich klein schrumpfen, so dass sie in eine Schublade oder sogar eine Streichholzschachtel hineinpassen, das reisen wäre herrlich, die Wohnung übersichtlich und dann bei Bedarf könnte ich alles wieder zu Normalgröße erwecken.
Damit könnte ich auch Herrn PM helfen, der für seine 90 Kubikmeter Sachen einen Schrebergarten kaufen sollte.
Vagina war gestern. Die Kastanien im Garten sehen aus wie grüne Hoden und leuchten mir entgegen.