19.07. The real meaning of „flow“

Vor dem Yoga trinken wir einen Kaffee auf der Oranienstraße. Gegenüber ist ein Köfte-Laden, der 24 Stunden geöffnet hat. Da frage ich mich wirklich, ob sich das lohnt. Zwischen 4 Uhr morgens und 11 Uhr vormittags scheint mir die Köfte-Nachfrage sehr gering, so auch an diesem Vormittag um 10 Uhr. Im zur Straße hin offenen Café läuft im Hintergrund David Bowie, aber die Malen nach Zahlen Pony-Bilder an der Wand holen mich aus den 80ern zurück in die Gegenwart.

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Michi holt mich ab mit seinem Leihfahrrad. Der Yogakurs wird in Englisch unterrichtet und ist gut besucht. Ich finde es total aufgesetzt an welchen Stellen hier völlig automatisiert yogisch-philosophische Hinweise und Ratschläge erteilt werden von dem jungen Ding, die man im Übrigen auch alle schon mal gehört hat und die einfach aus dem Zusammenhang doziert werden. Erst macht man Yoga für den Körper, dann merkt man, dass der Geist ruhiger wird….. Du bist nicht Deine Gefühle und Gedanken und kannst Dich davon distanzieren, usw. usf.  Die junge Frau in schwarz, die aussieht wie die Sängerin der B-52s in jung und als Yogalehrerin, übrigens auch leicht von der Frisur her, zieht das Ashtanga-Programm durch. Das mag ich an dem Yoga nicht, dass es immer gleich läuft, wie Mc Donalds, egal wo Du auf der Welt hingehst, weißt Du was Dich erwartet, Sonnengruß A, Sonnengruß B usw. Sie will mit uns üben im Sitzen die Beine vom Boden zu heben um anschließend in den Liegestütz zu springen. Diese Bewegung ist mir unsympathisch und nicht für meinen Körper gemacht. Ich will sie auch gar nicht lernen. Dafür sagt sie nach den Rückbeugen, dass man die Knie nicht zur Brust ziehen darf,  „until the teacher tells you to“. Das ist unmündig für mich bzw. ja, wenn man noch im Kindergarten ist, dann muss man immer den Anweisungen der Lehrerin folgen, sonst kann man auch das ein oder andere selber entscheiden, wenn man seinen Körper kennt. Bei mir geht das z.B. prima, daher immer gleich ran mit den Beinen an die Brust und richtig kräftig ran pressen. Mein unterer Rücken verträgt es, mag es sogar.  Ich finde es auch cool, dass mein Körper gar nicht so Yogi aussieht, wenn die mir die anderen jungen Dinger so betrachte. Das ist noch cooler, wenn ich die Dehnungen und Drehungen richtig gut machen kann. Ich bin halt Kung-Fu Panda, dick, aber überraschend sportlich und man sieht es mir nicht an (extra gefährlich wegen Unterschätzung). Das gefällt nicht nur den Kindern im Kino, auch ich bin zufrieden. Ich schwitze ordentlich und bin nach dem Kurs gut gelaunt und freue mich, dass er 95 Minuten lang war. Es geht wieder zu dem Kaffee „Käffchen“ in die Sonne um einen Eistee zu trinken und die Klamotten am Körper trocknen zu lassen. Ich esse die sizilianischen Mandeln mit Tamarind, die 2,50 € für 50 Gramm gekostet haben. Auch Wucher. Ich mag Kreuzberg. Die vergangenen Male waren wir in Friedrichshain und da sind mir deutlich zu wenig Türken. Es ist als fehle Salz in der Suppe. Ich finde überhaupt, dass die Einwanderung aus der Türkei das beste ich was Deutschland seit dem 2. Weltkrieg passiert ist. Es macht uns deutlich interessanter und in London oder San Francisco fehlt es mir schon und ich denke, ja, gut, aber zu wenig Türken.

Berlin ist doch klar

Jetzt beginnt für mich fast der schönste Teil der Reise. Besuch bei meiner Freundin Heike und basteln. Wir fahren ans Ostkreuz.

Berlin Riesenmännchen

Sie und ihr Mann haben ein vegetarisches Vorspeisenprogramm vom feinsten gezaubert mit Gurken, Birnen mit Thymian und Ziegenkäse als Carpaccio, Linsensalat, Zitronenzucchini und vielem mehr. Sie verwöhnen uns nach Strich und Faden und ich versinke außerdem in die Welt des Bastelns mit meiner Freundin. Die Zeit vergeht wie im Flug und wir kreieren ein Hütchen nach dem anderen für mich. Sie macht ohne mich weiter und am Ende des Wochenendes werden 10 neue Hütchen für mich entstanden sein (auf dem nachfolgenden Foto ist eines nicht drauf):

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Dieses Basteln ist Yoga und mehr. Ein Flow, die Gedanken fließen vorbei wie Wolken, man ist im hier und jetzt, alles andere ist vergessen, nur die Konzentration auf das Schaffen und die Freiheit alles auszuprobieren und es ist auch eine ausgesprochene Liebeserklärung an mich, dass Heike mir Hütchen macht. Es gibt noch ein fettes Stück Torte und dann müssen wir leider fahren, weil wir zum Essen verabredet sind (:-).

Da gibt es zum Glück nur ein 3-Gänge vegetarisches Menü, was ich noch schaffe. Es ist sehr lecker und ambitioniert. Die Vorspeise Brioche mit Wachtelei und dann gibt es Pfannenschlag vegetarisch mit einer säuerlichen Tartarsoße und Parmesanknödeln mit Artischocken und andere leckere Dinge, die alle getauscht werden. Wir sind heute zu dritt.

Coockies Wachtelei Coockies Schmorgurke Coockies Selleriecanelloni Coockies Essigmöhre Coookies Parmesanknödel

Die Location ist cool, man läuft vorbei an Taubenkacke und allerlei gelagertem Zeug und dann blinkt der Eingang und es hängt ein großer Kronleuchter einige Meter davor. Die Raucherbar ist dunkel, die Flaschen beleuchtet, eine große Flamingo-Figur steht in der Ecke, oben eine schicke weiße Fabriketage mit Ausblick auf die russische Botschaft.

Coockies Blick nach draussen

Die Mädels wie Models, die Kunst ist ebenfalls cool, die Besucher international, Holländer sitzen am Nebentisch, der Weg zu den Toiletten ist nicht behindertengerecht und wie eine Geisterbahn und ich kreische unfreiwillig auf und amüsiere ein junges Pärchen.

Wir gehen nach dem Essen in den Festsaal nach Kreuzberg um uns KRS one anzuschauen. Es ist supervoll und stickig. Der Raum sieht aus wie eine Country- und Westernbühne auf dem Land. Auf der Tribüne ist die Balustrade gedrechselt, der Raum ist klein. Es sieht irgendwie eher aus wie ein Versammlungssaal in Minden/Westfalen. Es ist supervoll und darf geraucht werden. Es ist nicht Sauna, sondern Räucherkammer und der Star des Abends kommt und kommt nicht, während ich mir die Beine in den Bauch stehe, sondern ein prolliger Nachwuchsrapper nach dem anderen. Diese versuchen die Stimmung anzuheizen und immer wieder wissen wollen, ob wir den Teacher jetzt sehen wollen und wir sollen „some noise“ machen.  Jetzt kommt KRS one wird ein ums andere Mal angekündigt und dann doch noch mal ein anderer Aufwärmer oder der von davor, bis ich nicht mehr will und die Frage, ob er kommen soll mit nein beantworten möchte. Er kommt dann nach 2 Stunden doch und erklärt den Jugendlichen wie Hip Hop entstanden ist und wer James Brown war und was 1986 los war. Ich bin auf der falschen Veranstaltung. Ein selbstgewählter, aber unwürdiger Beginn meines 46sten Geburtstages. Ja, ich kenne die Platte Criminal Minded , die er 1986 herausgebracht hat und habe sie 1987 hoch und runter gehört. Die T-shirts finde ich noch ganz cool, weil das Wort Flow für „follow life’s outgoing willingly“ steht. Das ist auch Yoga, aber ich brauche das nicht in großen Lettern in s/w auf der Brust. Meine Hannoveraner Freunde lassen mich nicht im Stich und wir treffen uns noch bei uns im Biergarten. Davor stehen wir am Kotti, wo über dem Kaisers ein cooler Club sein soll, nur wo. An verschiedenen Stellen gibt es Aufgänge und die jungen Menschen kommen und gehen. Mir gefällt die Pfandsammlerin mit dem spröden Charme, die von einem kleinen Schäferhundmischling begleitet wird, der quadratisch und alt ist, aber seine Aufgabe noch ernst nimmt. Er läuft steif wie ein aufgezogenes Blechspielzeug und sein Gesicht erinnert an einem untoten Hund von Tim Burton. Der folgt ihr überall hin ohne Leine und beobachtet jede ihrer Bewegungen und passt sich an, folgt. Sie sind unterwegs und jagen. Sie weist ihn mit einer abweisenden Handbewegung zum Warten an und durchschreitet das Gitter die Treppe hoch in den Club. Er wartet unten aufmerksam und ungeduldig und versperrt den Gästen den Ausgang. Es hat nur keiner Angst vor ihm, weil er wenig bedrohlich wirkt mit seiner grauen Schnauzen und auch weicht, wenn man zügig auf ihn zu geht.

Auch an diesem Abend habe ich schon herrliche Geschenke. Ein lebenslanger Gutschein meiner Mutter meine Sachen zu flicken und das ist von unschätzbarem Wert für mich. Die macht Kunststopfen an Strumpfhosen, die zwanzig Jahre alt sind und stellt es nicht in Frage, dass ich 200 Paar habe. Sie kommen dann gefaltet und mit einer Schleife versehen wie die schönsten Reizwäsche per Post wieder zu mir. Mein Paps schreibt meinen Geburtstag immer in binären Zahlen 101110. Meine Freundin Andrea hat mir weit im Vorfeld ein tolles Paket geschickt mit dem geilsten Outfit 20.07.2013.

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So treffend, auch der Inhalt. Müde und glücklich sinke ich ins Bett.

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