30.05. Heute treffen wir uns mit unserem Stadtführer. Es geht zu einer Bäckerei, wo man total modern bezahlt und wir frühstücken im Park. Ich liebe tatsächlich das Gebäck was ich an diesem Morgen esse sehr. Es kommt aus der Heimat von Guillaume und heißt irgendwas mit Königin. Es ist jedenfalls leckerster Blätterteig.
Er führt uns etwas herum, hört aber auch sich selber gerne reden und wenn man nicht geduldig genug zuhört, ist er sauer. Er gibt Essenstipps, die wir diesmal gar nicht alle ausprobieren können und führt uns dankenswerter Weise in das Velib-System ein. Die Jahreskarte kostet nur 30,- € und man hat eine coole Plastikkarte und kann die einfach rauflegen und sich ein freies Fahrrad nehmen, während die Touristen ihre Nummer vom Ticket eintippen und dann leer ausgehen. Ein jüdischer Grill mitten im arabischen Viertel werde ich mir für nächstes Mal vormerken.
Wir landen in der Fernfahrerkneipe, die echt cool ist und ich lerne den Diavolo kennen, alkoholfrei mit Minze. Mein neuer Cocktail.
Am Kanal entlang fahren macht auch total Spaß und dann fahren wir zu kleinen Arbeiterhäuschen und gehen vietnamesisch Mittag essen. Ich habe Müll von der Straße aufgehoben, einen verwelkten Strauß und das hat ihm auch missfallen. Es ist zum Andenken an die Kämpfer der Resistance im 2. Weltkrieg. Er versteht meine Absicht dahinter nicht. Er zeigt uns eine russisch orthodoxe Kirche, die versteckt liegt. Die stillgelegten Bahngleise sollen in einen Radweg verwandelt werden. Da liegt auch lauter Müll, der mich interessiert, aber ich komme nicht ran.
Dann in einen bergigen Park mit Aussicht. Etwas auf dem Rasen sitzen und dem Treiben zusehen.
Ich bin fast froh als wir wieder unter uns sind. Er reagiert sauer als ich ihm berichte, dass meine Hütchen in der niedersächsischen Provinz gelassener aufgenommen werden als in der Hauptstadt der Mode. Hier bekomme ich schon hin und wieder einen Daumen nach oben von einem Mann beim Vorbeifahren mit dem Rad, aber überwiegend sehe ich die fassungslosen Blicke der Männer. Die kennen nur Frauen, die schön und sexy aussehen wollen und nicht solche, die einen humorvoll gemeintes Hütchen aufhaben. Das betrifft vor allem meine krasseren Modelle, die ich abends aufsetze.
Am Bahnhof vorbei mit Rädern ist stressig, dann kaufen wir Käse und ich Butter und wir trinken in Ruhe einen Kaffee bzw. Tee.
Abends sind wir im Chateaubriand und ich bin total anti, noch mehr als wir ausschließlich unter amerikanischen Touristen sind, aber ich lass mich überzeugen. Das Essen an diesem Abend ist Hammer und die gepiercte weibliche Bedingung ist auch super, die den Amerikanerinnen mit der Hand vor den Augen winkt und dazu so guckt wie „hallo“, als sie Essen serviert und was dazu erklären will und die einfach stumpf weiter auf ihren iphones herumspielen. Ich will nicht alles beschreiben nur eines. Die kleinen Garnelen waren knusprig und mit Himbeerpulver bestreut und die Hammerkirschen waren mit Essig und Kapern und das wirkt als Geschmacksverstärker. Es war hammerlecker. Mein Hütchen sitzt offenbar besonders gut, weil sich zufällig eine Haarsträhne bei dem Vogel im Schnabel verfangen hat.
Anschließend fahren wir mit den Rädern am Kanal entlang und es sitzen Hunderte von Franzosen draußen, aber auf der Stange, der Metallbegrenzung zum Wasser. Gemütlich sieht trotzdem irgendwie aus und ich muss an den Film von Jim Jarmusch denken, „Night on Earth“ mit der Pariser Taxigeschichte.
31.05. Der morgendliche Aufbruch wie immer.
Wir wollen zu „unserem“ Croissant-Laden RDT 134 und dann etwas im Marais in den Park und die Markthalle der roten Engel. Im Park sind viele Kinder und Familien, aber auch eine Frau, die einen total kaputten Koffer hat, schwarzer ehemals Rollkoffer mit großen Löchern, den sie über den staubigen Boden schleift und auf eine Park legt und dann irgendwie versucht zu flicken. Man kann sie schlecht einschätzen, ist sie obdachlos oder nur so total überfordert? Ich mag jedenfalls die Werbung. Ich sage nur „Jaune avec un grand „R“!“.
Dann wollen wir ins Grand Palais. Da ist eine Mapplethorpe-Ausstellung. Der Mann mochte echt gerne Schwarze, vor allem Männer und da die Geschlechtsteile und die stehen echt auf so Stahlkonstruktionsgeschichten hier und es sieht auch geil aus, d.h. nicht nur am Eifelturm.
Im Garten des Petit Palais (wir haben uns an der Schlange und den Securities vorbei gemogelt, ganz geschickt und zielstrebig) nehmen Kathrin und ich den Kaffee Gourmand und ich hoffe auf Creme Chantilly und sie auf Schnaps und wir bekommen Supermarktkekse dazu. Ich stelle fest, guck mal Deutsche, erst mal die Handtücher ausgelegt und alle Plätze reservieren. Sie schauen pikiert.
Wir fahren ins Lafayette und mein Mann, dessen Fünfzigsten wir mit der Reise auch nachfeiern, kauft sich in der Sockenabteilung glücklich. Ich nehme einen Prospekt der Männerabteilung mit (schön Hochglanz) und verbastele den und wundere mich, dass man zum „Festival du Glastonbury“ als Jugendlicher mit einem gebatikten T-Shirt von Calvin Klein für 320,- € fahren soll.
Anschließend noch schnell in eine Modestraße, die uns Guillaume gezeigt hat mit Nachwuchsdesignern, die den interessanten Stadtteil jenseits des Champs Elysée bevorzugen. Ich mag „Chaussettes Orphelin“, die einzelne Socke, praktisch Stephans Lebensmotto. Dahinter verbirgt sich eine Frau, die aus alten Socken Klamotten näht und nähen lässt von Jugendlichen, die sie anleitet. Am besten gefällt mir ein Oberteil aus unvorteilhaften verwaschenen weißen Sportsocken. Es sieht aus wie Quilt, aber in seiner ursprünglichen Form. Hier haben Sklavinnen die alte Arbeitskleidung aufgebraucht und daraus Muster und Bilder genäht abends zur Beschäftigung, wenn sie sich unterhalten haben. Die Oberteile sind mir zu unförmig, aber die Idee ist top und Orphelin verstehe ich auch wegen Orphan, Waise, auf Englisch.
Abends hat Guillaume seine Party und wir übergeben ihm unsere Geschenke und stehen etwas herum wie Falschgeld. Das gute sind die französischen Limonaden, vor allem die Sorte Feige ist hammerlecker. Leider hat der Gastgeber nur Alkohol umsonst im Programm.
Ich überrede meine Reisegefährten in das Fernfahrerresto einzukehren und es ist echt urig da. Stephan isst ein Steak so groß wie ein Ziegelstein und es gibt Kartoffel mit Munsterkäse und ich esse einen Schwertfisch á la nicoise und denke der ist mit Salat, aber statt dessen ist er mit einem Haufen gekochten Gemüse, vor allem grüne Paprika und Auberginen habe ich noch in Erinnerung und Fromage Blanc zum Nachtisch. Wir lernen unseren Nachbartisch kennen. Große Kerle, der eine gibt mir einen Nachtisch aus, Baba au Rhum mit Vanillecreme. Es sind 3 Typen und eine sehr nette und gesprächige Frau. Der Teller mit den Froschschenkeln als Chips gehört unseren Nachbarn und ich bin eher etwas gegruselt davon. Frösche und Schildkröten will ich nicht essen.
Zum Abschied sagt Kathrin zu der Frau: „Bonne chance avec les autres“ und sie fügt „et avec Francoise Hollande“ hinzu. Das scheint ein Runing Gag zu sein.
Jeden Abend schauen wir vom Balkon aus auf das nächtliche Paris. Man kann sich nicht satt sehen.

















































































