Archiv für den Monat: Oktober 2013

99 Kilo und Untertemperatur – das passt doch nicht zusammen

30.09. Morgens der totale Alptraum. Bei uns bricht die komplette Wohnung auseinander. Ähnlich vom Gefühl her, wie diese Träume, bei denen einem die kompletten Zähne nach und nach aus dem Mund krümeln. Die Fenster samt der Fensterlaibungen fallen raus. Stephan versucht eines der Fenster, das außen an einem seidenen Faden hängt nach oben zu drücken, wo der Nachbar es in Empfang nehmen soll und schneidet sich an dem zerbrochenen Glas die Hand. Ich denke, der Depp hätte sich Handschuhe anziehen sollen. Alles ist auf einen Wasserschaden zurück zu führen. Die Decke besteht aus Holzbrettern, die nach und nach herausbrechen und den Blick auf die Wohnung darüber freigeben. Keine Versicherung zahlt, die Gewährleistung ist abgelaufen, die Ansprüche gegen den Architekten verjährt, nur unsere Wohnung ist betroffen und es kostet in etwa so viel wie seinerzeit die Sanierung. Meine Laune ist bestens als ich wach werde.

Wieder einmal Anhörung wegen Betreuungsverlängerung. Meine Betreute ist superschwer zu erreichen und ich sehe sie kaum. Sie attestiert dem Gericht, dass Frau A. sich den Arsch für sie aufreißen würde. Manchmal kann ich nur staunend daneben sitzen. Ich bekomme neu den Bereich Gesundheitssorge. Das wird schwierig und ich sage ihr, dass ich auf ihre Mitarbeit angewiesen sei. Noch bevor der Tag zu Ende geht, hat sie sich tatsächlich bei mir gemeldet und wir haben am 07.10 bei ihrem langjährigen Haus- und Substitutionsarzt ein gemeinsames Gespräch. Das hatte ich vorgeschlagen. Der Beginn einer neuen Zusammenarbeit? Ich bin gespannt. Den Richter duze ich und er war 2007 wie mein Kollege auf dem Police-Konzert in Hamburg. Das Plakat ziert sein Dienstzimmer.

Mittags treffe ich Stephan kurz in der Bar auf einen Toasti und Kaffee. Hier staune ich über einen Flyer der Infa, auf dem für Infalino geworben wird. Eine Hausfrauenbabymesse. Wie doof geht es noch?

Nachmittags kommt der Mann aus Ghana, den ich schon seit Jahren begleite und der sich ebenfalls gegen eine Aufhebung der Betreuung wehrt. Mit seiner neuen Wohnung hat geklappt. Wir sprechen durch an was bei der Übergabe zu denken ist.

Es sind nicht nur die Betreuten, die an mir hängen. Ich hänge auch an ihnen. Eine, die ich Jahrzehnte hatte, hat mir das Gericht „weg genommen“. Sie wohnt jetzt im Heim und da ist jetzt nichts mehr zu regeln (lustige Einweisungen, Finanzen etc. das gehört der Vergangenheit an) und das ist echt nichts für eine Berufsbetreuerin. Ich habe es eingesehen. Ich hatte nur Angst, dass sie dann trotzdem bei mir anrufen würde (was gerne mal 5 mal die Woche passierte) und ich das halt nicht abrechnen kann. Es macht jetzt eine Frau von einer Landesbehörde, die aber ganz fit zu sein scheint. Meine Betreute hatte immer einen siebten Sinn dafür, wenn ich im Ausland war. So sicher wie das Amen in der Kirche, sobald ich gelandet war oder in Oberitalien im Zug saß, kam der Anruf. Sie hat immer gerne obszöne Sachen am Telefon gesagt, dass ihr Leute an der Fotze herumprökeln würden und Ähnliches. Für mich hatte sie immer Tipps, dass ich mich mal richtig ausspannen soll mit meinem Mann, wenn mich die Arbeit überfordert, Urlaub machen oder wenn ich sie im Heim aufgesucht habe (sie saß immer rauchend auf ihrem Zimmer) kommentierte sie meist meine Frisur, die ihr nicht gefiel. Ich nehme an wegen der Filzanteile. Sonst sah ich immer „flott“ aus, aber die Haare gefielen ihr nicht. „Frau A. nehmen Sie mal eine Kräuterspülung“ riet sie mir dann. Sie schickte und schickt mir regelmäßig Post ohne Briefmarke. Komisch, bei mir klappt das nicht. Sie nimmt einen Schuhkarton und schneidet eine Postkarte daraus oder eine Umsonstpostkarte vom Heim mit einem deprimierenden Foto des Hauses und schreibt keinen Absender drauf und nur „bez. Empfänger“ und das Zeug kommt an und zwar 30 mal.

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Auch andere tolle Schriftstücke habe ich von ihr u.a. eine Kalenderblatt Oktober, wo sie jeden Tag notiert hat, was sie gegessen hat um es mir dann zu schicken. Ja, da werde ich ganz wehmütig, wenn ich daran denke.

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Unsere Freunde aus Kriftel sind auf dem Heimweg und holen ihr Auto in Hannover ab. Sie fragen um ca. 17 Uhr nach Mittagsschlaf und ich rechne fest damit, dass ich sie antreffen werde nach dem Sport. Das ist aber nicht der Fall.

01.10. Morgens bekomme ich eine MMS oder so was ähnliches vom Susann, einer Freundin aus Köln, die wir Freitag auf einen Kaffee treffen. Sie ist auf der Durchreise. Ich freue mich, dass wir uns wenigstens sehen und sie sich auch und schickt mir ein süßes Foto von sich, wie sie geguckt hätte, wenn wir uns nicht gesehen hätten.

Die Frau, deren Wohnung gekündigt werden soll, ruft mich aus dem Büro des Heims an, dass sie heute nach Hause geht. Ich telefoniere mit der Rechtspflegerin, die mir sagt, der Betreuer sei gerade bei ihr gewesen. Der soll sich um seine Betreute kümmern verdammt noch mal! Dieser Fall macht mich wütend. Ich versuche mit der AOK zu klären, wie das abgerechnet werden kann bei einem ruhenden Heimvertrag. Das wäre gar nicht meine Aufgabe. Dann erkläre ich der Rechtspflegerin, dass ich Beschwerde gegen den Einwilligungsvorbehalt eingelegt habe. Dafür sei ich nicht bestellt sagt sie. Das ist mir egal. Ich war mandatiert. Sie soll die Akte der Richterin vorlegen. Nachmittags ruft die Rechtspflegerin mich an, dass sie bei ihr zuhause war. Das sehe noch ganz manierlich aus. Es soll jetzt Essen auf Rädern geben und sie gebe ihr eine Karenzzeit von 2 Wochen und stimme der Wohnungskündigung erst mal nicht zu. Sie sei aber schon hirnorganisch eingeschränkt und viel Fassade. Sie kenne das von ihrem Vater. Ja, es spricht viel persönliche Betroffenheit aus dem was sie sagt. Ich sage, immerhin bekommt sie es gebacken mich anzurufen aus dem Büro des Heimes. Sie weiß, wer ich bin und kann sich ausreichend durchsetzen.  Für eine Wohnungskündigung gegen den Willen ist nach meinem Dafürhalten kein Spielraum.

Eine Hausärztin von Elisabeth ruft mich an, dass sie einen Asthmaanfall hatte und eine Bronchitis, weil sie im Baggersee baden war im Langenhagen um sich abzuhärten. Sie habe sie ins Nordstadtkrankenhaus eingewiesen, aber dort sei sie wieder gegangen. Heute ginge es ihr wohl wieder besser, aber sie kann aus psychiatrische Bild nicht richtig einschätzen und wann ich sie sehe. Ich sage: Morgen und, dass ich es mit ihr besprechen würde.

Die Kollegen sind jetzt zwei Wochen weg, da mache ich heute mal früher Feierabend und bastele den Jahreskalender für meine Freundin Susann. Leider vergesse ich beim Einkleben den Februar. Hier hatte ich ein Bild gewählt mit wenig Blättern an den Bäumen vor dem Neuen Rathaus. Dadurch ist meine Faschingscollage mit tollen Gerhard Polt und Gisela Schneeberger Bildern in schwarz-weiß aus Kehraus (als Taschenbuch) in den Februar und damit den falschen Monat geraten und in März habe ich meine Ostercollage reingeklebt, dabei ist das erst im April. Ich ärgere mich über den Bastelunfall. Zu doof zum Basteln. Da passt ja der Juli, „mein Monat“ mit der Demenz-Collage ganz gut.

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02.10. Kalenderbasteln macht mich manisch. Ich muss echt aufpassen. Werde um vor 7 Uhr wach. Es ist dunkel. Als ich Viertel vor 9 aus dem Haus gehe, steht eine Polizistin vor der Tür. Nicht erschrecken sagt sie als erstes und dass sie zu meinen Nachbarn wolle. Die hätten einen Bulli und da sei eine Scheibe halb herunter gekurbelt, so dass man den aufmachen und Sachen entwenden könne. Ich: ist das nicht deren Problem? Nein, wenn sie Kenntnis davon hätten, müssten sie das Fahrzeug bewachen und da das nicht geht dann teuer abschleppen lassen. Ich gehe in die Wohnung zurück und versuche meinen Mann mit den Worten, „es stehen zwei Bullen im Hausflur“ aus dem Bett zu treiben. Handynummer der Nachbarin. Sie will gleich in eine Besprechung und hat keine Zeit, ob ich den Wagen nicht einfach abschließen könne. Ähh. Wie soll das gehen, gebe den Hörer weiter. Ich bin überfordert mit dieser praktischen Lösung, auf die die Ordnungshüter offenbar auch nicht gekommen sind (nicht ausermittelt, nehme ich an). Sie verbleiben so, dass die Polizei das versucht, durch die Scheibe durch zu greifen, die Tür aufzumachen, die Scheibe hoch zu kurbeln und den Knopf nach unten zu drücken und die Tür wieder zu. Eigentlich ganz einfach.

Morgens Schreibkram und Telefonate. Mein Erbschaftsfall gestaltet sich schwieriger, weil der Typ nicht imstande ist das selber zu regeln und kurz vor der Klinikeinweisung, weil ihn das alles überfordert, nicht intellektuell, aber so halt. Telefonate mit der Sparkasse Recklinghausen, ob und wie wir das alles schriftlich machen können. Was die brauchen. Termin mit der Wohnbetreuung und dem Mandanten am Freitag. Wollte eh nicht den ganzen Tag frei machen. Telefonat mit dem Bruder, der enterbt wurde, aber die 4 Sparbücher hat ohne die wir nichts anfangen können. Er willigt ein, sie beim Sachberater abzugeben.

Ich fahre in die MHH. Das Fahrrad lasse ich am Kröpke stehen und steige in die Bahn. Es ist eindeutig zu windig und das nervt, gerade wenn man mit Hütchen fährt, was einem immer fast vom Kopf geweht wird.

Verfahrenspflegschaft für eine junge Frau, die fixiert ist und nach PsychKG untergebracht. Hatte gestern angerufen. Telefonieren geht nicht, muss ich mich hinbewegen. Auf dem Weg dorthin kaufe ich 2 weitere Kalender und neue Bettwäsche, die mich total glücklich macht. Mit der schweren Einkauftüte Einrichtung Bettenburg. Sie ist nicht nur fixiert, sie hat auch jemanden der am Bett sitzt und sie bewacht, ein indisch aussehender junger Mann, der Student ist. Sie hatte in der Fixierung, die nicht kurz genug war, die Klammern aus einer 20 cm langen Bauchnarbe entfernt und die wieder aufgemacht. Sie hat wohl auch versucht Feuer zu legen auf Station. Jetzt ist sie sediert. Im Bett liegt eine sehr kräftige junge Frau, persischer Abstammung. Der dralle Körper ist übersäht mit Narben, die sie sich selber zugefügt hat. Ihre Stimme ist sanft. Irgendwie sieht sie es ein, dass die Angst haben, sie loszubinden, aber Fixierung seit Freitag ist auch doof und die Betreuerin soll sich mal blicken lassen. Immer wieder nickt sie weg von den starken Beruhigungsmitteln. Sie wollte eine Traumatherapie machen und hier kam es zum Eklat. Das Personal spricht mit Respekt vor ihrer ungeheuren Kraft, die sie dann hat und dem unbedingten Zerstörungswillen, sie sei sehr rabiat gegen sich selber und blitzschnell. Jetzt wird sie für Klogänge defixiert, wenn ausreichend Personal da sei. Sie hätte heute Morgen auch rauchen dürfen, sie fragte danach, wollte sich dann aber von sich aus wieder ins Bett legen. Ich versuche ihr das zu erklären und, dass eine Beschwerde nichts bringt. Der Fixierungsbeschluss läuft bis zum 05.10. und ich melde mich Montag noch mal. Immerhin hat sie schön Bettwache und kann interessante Gespräche mit den Studenten führen, wenn sie nicht vor sich hin dämmert. Das rate ich ihr zumindest. Jetzt sitzt eine junge Frau an ihrem Bett. War wohl Wachablösung. Sie schläft wieder als ich gehe und sieht aus wie ein großer Engel mit weichem Gesicht und dunklen Haaren.

Mittags kurz ein Honigbrot und einen Kaffee zuhause und die braune Bettwäsche mit leichten Retromustern Stephan vorführen, aber vor allem zuhause abladen. Irgendwie sieht es aus, als wäre die Eckkneipe, die aufwendig renoviert wurde und jetzt offenbar wieder eröffnet kurz davor. Es werden Gläser poliert. Auf den Schildern heißt es: Astra im Exil. Der Name ist geblieben, der Laden wurde offenbar in eine GmbH umgewandelt und aufgehübscht. Ich hatte ja auf was völlig Neues gehofft.

Nachmittags weitere Termine. Der letzte ist mit Elisabeth. Sie bekommt schwer Luft und stöhnt aber übertrieben bei mir im Zimmer herum. Dann, sie muss was trinken. Oh, ist das Safran-Tee? Lecker. Nein, Früchtetee. Bekomme ich eine Tasse? Ja, ausnahmsweise. Lecker. Sie zeigt mir einen Ausdruck von Erwin J. Dezernent für Soziale Infrastruktur bei der Region Hannover, ob ich ihr da einen Termin machen könne. Sie will was mit ihm besprechen von früher. Seine Söhne, die damals zusammen in der WG gewohnt haben und der Oliver, der weiße Adidas-Sachen getragen hat, auf den sie stand, ob sie von dem schwanger war. Ihr Haus soll verkauft werden, die beiden Männer die da waren, waren Makler. Sie will jetzt in eine Mädchen-WG. Ich will zu den gesundheitlichen Themen kommen. Die Hausärztin hat sie ins Nordstadtkrankenhaus eingewiesen und sie ist dort wieder gegangen. Was haben die denn mit ihr gemacht? Ja, gar nichts. Eine Frau, die sah aus wie eine Putzfrau wollte ihre Versichertenkarte. Sie hatte Streit mit der Oberärztin. Die hat sie drei Mal gefragt, ob die Hausärztin ihr Penicillin gegeben hat und dann wurde es ihr zu blöd und sie hat gesagt, das haben sie schon drei Mal gefragt, ich gehe jetzt und die hat sich aufgeregt: Ich bin hier Oberärztin. Insgeheim bin ich stolz auf meinen Schützling. Dieses arrogante Ärztepack. Ich sage nur: wenn alle Schizophrenen zusammen stehen, habe die Ingenieure keine Macht mehr über uns. Ich sage, Antibiotika soll sie nur nehmen, wenn sie einen bakteriellen Infekt hat. Das sei grün in ihrer Nase. Hatte sie denn Temperatur, frage ich. 34 °. Ich sage, das sei Untertemperatur. Das habe ihre Mutter auch gesagt. Wie kann sie 99 Kilo wiegen bei Untertemperatur? Das passe doch nicht zusammen. Im Laufe unseres erbaulichen Gesprächs merke ich, dass wir vereinbart hatten, dass sie in der ersten Woche immer kein Geld bekommt, weil die Vermieterin ihr da 100,- € gibt und damit eine Schuld bei ihr abzahlt. Ich entschuldige mich, dass ich sie umsonst herbestellt habe und frage, ob sie denn Geld hat. Sie sagt, 100,- € von der Mutter zum Geburtstag, davon soll sie sich eine Spüle kaufen und von der Vermieterin bekommt sie auch noch Geld und das macht doch nichts, sie komme gerne zu mir und unterhalte sich gerne mit mir.

Beim Sport fragt mich Luisa, ob ich einen Veranstaltungstipp für sie hätte. Ich sage, nein, weil wir Morgen zu meinen Schwiegereltern fahren und ich gar nicht geguckt habe. Kurz darauf stellt sich heraus, dass sie vom Tanz in den Mai ausgeht. Eine süße Verwechslung der Perserin, die allerdings hier sozialisiert wurde, die ich gerne unterstützen würde. Lieber 2 x im Jahr Tanz in den Mai und den Deutschen Feiertag dafür streichen. Auf dem Weg nach Hause vom Sport ist es dann so weit. Das Exil „neu“ ist in Betrieb.

Zuhause schauen wir Österreich Nachrichten. Erste Meldung ein Erdbeben, bei dem nichts passiert, keine Sachbeschädigung mit einem Experten im Studio, der Auskunft darüber geben soll, was denn bei so einem Beben passieren kann oder könnte. Was sind das für Nichtmeldungen? Ich sage zu Stephan, es kann eine Kaffeetasse zu Bruch gehen, die z.B. ziemlich auf der Tischkante steht bei so einem Ereignis. Dann geht es um die Wahlergebnisse in Österreich. Ein deprimierendes Thema. Stephan stellt die Theorie auf bzw. fragt, ob das bedeutet, dass Österreich jetzt ausstirbt, weil bei den Frauen unter 29 wählen 30 % grün und ca. 10 % FPÖ und bei den Männern sei es umgekehrt. Welche vernünftige gebärfähige Österreicherin lässt sich von einem Vollpfosten schwängern? Berechtigte Frage.

Männer in Freizeitdress

29.09. Wir werden sehr früh wach, aber ich fühle mich ausgeschlafen, weil ich wirklich so tief und fest geschlafen habe. Zuerst höre ich den älteren Sohn (den ich für diesen Text einmal Qualle nenne, weil er immer stundenlang Quallen gerettet hat an der Ostsee durch wieder ins Meer werfen) und dann Marc, wie er sehr laut mit einem Tennisvater telefoniert (wir schlafen in einem Spitzboden, der offen ist, so dass der Schall uns ohne Barriere erreichen kann). Am Vorabend war vergeblich versucht worden den Vater des Mitspielers zu kontaktieren um es so zu organisieren, dass dieser Jürgen (?) Qualle mit abholt und dann mit beiden Jungs zu dem Turnier fährt und Marc zuhause bei uns bleiben kann, aber irgendwie hat der Vater und alte Tennisspieler auch Hummeln im Hinten. Ja, „die Jungs sind weiter gekommen“ und nicht ausgeschieden und er wird Qualle zum Turnier fahren, „alles klar“, wird immer wieder laut gesagt und „ja gut, bis dann“. Ich gehe eine Treppe tiefer, wo die Familie in trauter Einheit im elterlichen Bett versammelt ist und kuschelt. Ein herrlicher Anblick von Säugetieren im Rudel und so richtig gemütlich mit Körperkontakt, dass man sich dazu legen will. Häh stellt fest, dass er auch mit will, aber nur wenn Franziska auch mit fährt. Wer kann da schon nein sagen und wach bin ich eh und Lust auf einen Ausflug habe ich auch. Dann will Häh wissen, ob Steffi wach ist. Er will ihm nur sagen, dass wir mit fahren zum Tennis. Ich sage, den lassen wir noch schlafen. Als oben vom Dachboden Stephans Stimme zu hören ist mit den Worten „pupsen kann ich auch im Auto“, gibt es kein Halten mehr für Häh, der leicht hysterisch wird schon beim Klang der Stimme und sofort oben ist beim Chef. Beim Tollen am Vortag als er oben auf dem Bär geritten ist, hat Häh festgestellt, „Du hast wenig Haare hier“ und er streichelt zärtlich die Stelle oben an seinem Kopf. Stephans Antwort: Räude.

Die Gastgeberin weiß was ich am meisten liebe, kennt mich lange und gut und immer steht eine Kanne mit kaltem Kräutertee für mich in der Küche bereit. Herrlich. Andere schütten den alten Tee weg. Das ist ganz böse. Ich fülle meine Sigg-Flasche und bin reisebereit. Jasmin und Stephan lassen wir zurück. Stephan schläft sogar noch eine Runde. Marc und die Jungs und ich fahren an der Ruhr entlang nach Mühlheim und sind bald in dem Sport- und Tenniscenter angekommen. Auf dem Weg dorthin passieren wir die Mühltalautobahnbrücke. Sehr eindrucksvoll.  Viele Pfeiler, sehr hoch. Das Wetter ist sonnig und wir fahren unten hin durch. In Mühlheim angekommen sehe ich, dass heute Trödelmarkt ist, zum einen anhand der Plakate und dann sieht man auch schon den Konvoi mit Fahrzeugen mit Kartons hinten drin und bin noch freudiger gestimmt. Die Jungs spielen in der Halle, die farblich ausgesprochen gut zu meinem Outfit passt, zumindest der Teppichboden zu meinem Kleid und meiner Strumpfhose und in Strümpfe bewegen wir uns darauf. Mit Handschlag begrüße ich Jürgen, den anderen Vater und wir nehmen auf den Zuschauersesseln Platz. Ich gehe in das angrenzende Café auf der Suche nach mehr Koffein. Der Bordcomputer der vollautomatischen Maschine spinnt und verlangt immer „Trester ausleeren“ obwohl die Schublade bereits entleert wurde. Dann werden die Shops eröffnet und Tennis- und Sportklamotten vor die Tür gestellt in eine kleine Passage wie im Arosa-Hotel in Travemünde. Soll ich mir eine Dunlop-Hose kaufen für Yoga? Das muss nicht sein. Dafür gehe ich um 10:15 Uhr zu dem Trödelmarkt und sage Marc, dass ich in einer Stunde wieder da bin. Jürgen hatte mir zwar die falsche Richtung erklärt, aber ich folge einfach dem Strom der Menschen. Erst bin ich irritiert über die Neuware, Billigklamotten aus China und Lebensmittel und stelle dann fest, dass der Trödel in der zweiten Reihe verkauft wird, also ein gemischter Markt irgendwie, mit teilweise Trödel. Der Markt hat laut Plakat Öffnungszeiten von 11 bis 17 Uhr. Natürlich ist es schon knallvoll bei dem herrlichen Wetter, aber irgendwie eine komische Stimmung. Zwischendrin überall Autos, die noch einparken und ausladen und aufbauen und die rangierenden Autos zwischen den Trödelsuchenden. Das nervt. Dann heißt es, offiziell dürften sie erst ab 11 Uhr verkaufen. Das hätte letztes Jahr richtig Ärger gegeben und es wären welche rausgeflogen. Wo gibt es denn so was, frage ich mich. Ich binde mir gleich einen sauschweren roten Blumenübertopf ans Bein. Zum Glück finde ich später die passende rote Reisetasche für 3,- €. 5 sehr schöne farbige Eierbecher und eine Butterdose kommen hinzu. An diesem Stand sehe ich auch die dekorativen Sammelteller aus Baden-Baden und denke an unsere Freundin dort, aber die sammelt keinen Kitsch. Ein Foto muss genügen.

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Alles findet vor der Kulisse eines alten Förderturms statt. Man merkt doch, dass man im Pott ist. Auch das will ich fotografieren, den Gesamteindruck, die Stimmung auf dem Trödelmarkt in Mühlheim festhalten, aber die Batterie ist leer. Ich schaffe nicht alles, d.h. laufe nicht über den gesamten Markt, der zum Fluss hin sich erstreckt (Auen) und kehre um wieder zurück an den Hockey spielenden Frauen vorbei.

Ich sehe das letzte Spiel von Qualle. Er kann richtig gut spielen und ist talentiert und die Kinder entscheiden selber ohne Schiedsrichter, ob ein Ball im Aus ist. Qualle macht zusätzlich zu seinem anstrengenden Spiel die Ansage des Spielstandes und das bewundere ich schon. 15 zu 40, usw. muss er sich merken und richtig ansagen. Marc, der nebenbei mit Häh Tennis spielt, der einen Schläger mit sehr kurzem Griff hat, passt auf. Der blonde Junge ist kräftiger, aber Qualle spielt sehr elegant und macht immer Tricks mit dem Schläger und dem Ball, sehr gekonnt. Die Jungs sind sehr höflich und fair und einmal entschuldigt sich V. für einen „Netzroller“, wie man das wohl nennt und ich denke, warum, hat er nicht absichtlich gemacht, kann er nichts dafür, aber das mache man so, erklärt mir Marc. Die Väter sind schon auch ehrgeizig und sagen ihren Kindern, dass sie sich auf ihr Spiel konzentrieren sollen. Ich frage hingegen in einer Pause, ob sie nicht mal was trinken sollten. Nach dem zweiten Tie-Break scheidet Qualle aus. Ich lobe ihn, dass er toll gespielt hat, aber wir ihn auch so mögen, egal wie er spielt und sage als erstes: Jetzt ist endlich Frühstück angesagt. Die Jungs können nicht genug kriegen und wollen am liebsten weiter spielen, was sie auch noch eine Runde tun bis ich als treibende Kraft ermahne, dass wir uns angesagt haben zuhause.

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Qualle lobt meine rote Tasche und nur 3,- € habe die gekostet. Die würde seine Mutter für 60 kaufen.

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Zuhause hat die Gastgeberin die tollste Frühstückstafel aufgebaut mit Rührei, das einem schon entgegen duftet und kleinen Salaten (Humus, Tabouleh) bis hin zu einer beträchtlichen Käseauswahl, frischem Obst und Gemüse, geschnitten und selbstgemachten Marmeladen sowie einer Brot- und Brötchenauswahl. Sie hat sogar liebevoll eingedeckt mit dem Sonntagsgeschirr mit Goldrand, was dann von ihr von Hand gespült werden muss. Sie tut alles für ihre Gäste, das merkt man und fühlt sich sehr umsorgt und wohl. Da bleibt kein Wunsch offen. Doch: Häh wünscht sich nach dem Frühstück eine Runde Memory und die spielen wir auch. Mitten im Spiel stellt er fest: „Steffi liebe ich am meisten“ und ab da betätigt er sich als Hofsänger für Stephan und singt Lieder, die er spontan betextet und klatscht dazu: „Stephan ist ein schlauer Mann, der so gut Memory spielen kann“. Er ist eine richtige Rampensau und wenn ich mitgehe und auch klatsche oder Tanzbewegungen mache, dreht er noch mal extra auf. Häh hilft gerne im Haushalt und beim Kochen. Da sehe ich großes Potential. Während dessen macht die Tante lustige Fotos mit seinen kleinen Putzutensilien.

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Stephan und ich packen die Koffer und dann wollen wir noch mal einen Spaziergang machen. Erst geht es durch die Wohnsiedlung. Hier will ich für künftige Kalender eine Serie von Nachbarhäusern machen. Im Kalender 2014 gibt es ein Foto von mir auf einem weißen Elefanten vor einem geklinkerten Haus sitzend. Dieses Haus ist 3 Häuser neben dem unserer Freunde. Ich denke, ich mache mal eine lustige Yogastellung vor dem Haus auf dem Bürgersteig, auf den Rasen traue ich mich nicht und wer macht gleich mit? Unser kleiner Freund Häh.

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Dann geht es in den Wald, der richtig schön ist, auch wenn diese Fotos es nicht wiedergeben.

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Hier wird man immer wieder von Downhill fahrenden Männern überholt, die in ihrer Freizeit die gelbe Radlerhose anziehen und entweder mitten auf der Straße fahren wie Jan Ullrich und mit dem Auto überholt werden müssen (das hatte wir ständig auf dem Weg nach Mühlheim, wahnsinnig gefährlich und es gibt doch Radwege) oder eben durch den Wald pesen ohne Rücksicht auf Verluste. Immer wieder Zeichen der Industriekultur. Auf dem großen roten Förderrad machen wir einige Fotos. Die schöneren kann ich aus Datenschutzgründen hier leider nicht zeigen, sondern nur die von mir alleine (langweilig).

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Zwei ältere Männer haben sich verfahren mit ihren Rädern. Sie suchen die Ruhrquelle oder so. Ich sage Marc, er hätte die fragen müssen, wie viel sie heute schon getrunken haben. Die wirkten leicht verwirrt. Je näher wir an den Balderney-See kommen, desto voller. Immer wieder lärmende Motorräder trotz der Schilder: Naherholungsgebiet, Lärm vermeiden. Ich sage den Gastgebern, die sich lustig machen über die Hobbyradfahrer, die das Fahrrad oben auf dem Auto zum See fahren um dann dort um den See zu fahren, was ich noch peinlicher finde als die sind mittelalte dicke Männer, die sich gegenseitig ihre Motorräder zeigen und davon gibt es am See hunderte. Die Motorräder sind ca. 500 Meter aufgestellt in Reihe, alle auf dem Ständer, leicht in Schräglage und ich sage mehrfach laut „Domino-Day“ und habe die tollsten Phantasien dazu. Wenn ich jetzt eines anstoße, wann wird die Fallkette unterbrochen? An der nächsten Kurve? Ich bin für Sozialismus. Verbot von Motorrädern, Zwangsverkauf der Harley und mit dem Erlös eine Verhaltens- und Sexualtherapie finanzieren, damit diese Männer lernen sich sinnvoll zu beschäftigen in ihrer Freizeit. Allein die Freiheits-Biker-echter-Kerl-Uniformen, die sie tragen finde ich lachhaft. Marc sieht es ähnlich, sagt mir aber, dass dann hier die Revolution ausbrechen würde, weil der Rubi und sein Auto, verstehe ich zuerst und denke Abkürzung für Ruhrgebietler, aber es heißt Ruri. Im Kindergarten hätten sie was für die Umwelt tun wollen und das wäre dann eine Initiative für mehr Parkplätze in Essen-Werden gewesen. Unsere Gastgeber wollten dabei lobenswerterweise nicht mitmachen. Die Jungs haben Kickboards dabei und der Tante tun langsam die Füße weh. Häh will sich an den Händen von uns nach vorne schwingen lassen. Das tun wir einige Male und wieder brechen seine Lobgesänge aus ihm hervor.“ Stephan ist ein schlauer Mann“ usw. Klatschen dazu oder er greift Stephans Hand und küsst sie einfach spontan. Ich finde das so süß und sage zu Stephan, das sei Päderastentum in umgekehrt. Der kleine Junge wird körperlich und aufdringlich. Er ist verknallt in Steffi. Aber wir auch in ihn. Wir kehren ein im Haus am See. Hier ist der Blick frei auf den See und die Segelboote, Villa Hügel gegenüber nicht verstellt von den spießigen Campingplätzen und ein DJ legt loungige Musik auf. Man steht lange an für sein Getränk und hört immer wieder: Kuchen? Das dauert ½ Stunde und man denkt, warum, da stehen doch die Bleche mit dem Kuchen, aber Auflösung: der muss noch auftauen. Nicht nur TK-Kuchen, sondern es auch nicht schnallen wann man welche rausholen muss, weil dass bei dem T-Shirt Wetter am Sonntag Gäste kommen würden, war nicht vorherzusehen.  Das ist peinlich. Die Kinder wollen zu Mohammed. Das ist ein kleinerer Stand mit Kaffee und er macht Crêpes selber, aber heute auch nicht und das Haus am See musste sich bei ihm schon Kaffeebohnen leihen.

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Da ich quengele wie 5 Kinder, dürfen Marc und die Jungs und ich Frozen Yoghurt mit Toppings essen, während Stephan und Jasmin unser Gepäck holen. Die Waffeln am Stiel sehen aus wie Fischfilets…

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Dann geht alles schnell. Damit wir den Zug um 18:23 Uhr bekommen fährt uns Marc zum Bahnhof. Als Marc anhält vor dem Bahnhof, fährt ein Auto vor uns rückwärts und etwas in Marcs Auto hinein. Marc steigt aus und sagt gleich zu dem Fahrer: „nichts passiert“ und zwar so, wie man einem 3 oder 4-jährigen, der hingefallen ist erklärt, dass er keine schwerwiegenden Verletzungen hat und jetzt nicht wegen der Überraschung des Falles oder der Aufmerksamkeit anfangen muss zu weinen. Solche Anwälte liebe ich. Tatsächlich ist an Marcs Auto auch nichts zu sehen, es wird ohnehin als Gebrauchsgegenstand betrachtet, bei dem anderen, der reingefahren ist, ist ein deutlicher Riss vorhanden. Wir bedanken uns für die schöne Zeit bei unserem alten Freund.

Im der Bahn die Nachrichten. Da haben wir den Salat. Die Bahntickets werden teurer, nur weil einige Querulanten Erstattung bei Verspätung haben wollen. Ist doch klar, dass die Bahn sich das von den anderen Kunden zahlen lässt. Danke europäisches Gericht dafür! Dafür bietet der Sonnenuntergang einen herrlichen Blick.

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Stephan hatte die Eltern gefragt, ob er seine rote Trinkflasche aus der Fitnessstadt für Häh da lassen könne (das muss man die Eltern vorher fragen). Immer wieder hatte er danach gefragt, ob er die haben dürfe. Jasmin hat uns dann im Nachgang geschrieben, dass Häh mit der Flasche geschlafen hat und sie ganz stolz in den Kindergarten mitgenommen hat am nächsten Tag. Das muss Liebe sein. Von unserer Seite auf jeden Fall auch und auch zu Qualle, der in diesem Text vielleicht zu kurz kommt, aber von den Gefühlen her nicht. Beide sind gleichwertig, wie das bei Eltern oder in diesem Fall Möchtegern-Ersatz-Eltern halt sein muss. Es ist toll, wenn man keine eigenen Kinder hat, aber zumindest alte Freunde, Marc ist unser Trauzeuge, deren Kindern einem so sympathisch sind und auch so nah stehen und mit denen man sich so innig verbunden fühlt. Das intensiviert auch die Freundschaft. Hier tendiert man ja eher dazu sich auseinander zu leben, gerade wenn der Alltag in verschiedenen Städten stattfindet, aber das schafft ein neues Band und einen intensiven Zusammenhalt und es wird ein Mehr durch die nächste Generation, eine Bereicherung der Freundschaft durch die Kinder, statt dass die stören. Ich bin ganz glücklich. Wir wollen 2015 zusammen wieder verreisen und ein Haus in Italien mieten. Da hat Tante Franziska schon mal was zum Drauf freuen.

Essen und Essen

Bei herrlichstem Sonnenschein machen wir unseren Büroausflug nach Köln. Am Vierertisch nebenan sitzen 2 ältere Pärchen, die auch daher kommen wie ein Büroausflug, spaßfrei trotz Lachbonbons, die verzehrt werden von den rüstigen Rentnern. Ich rege mich auf über das Bahnurteil. Mein Rechtsverständnis ist damit wieder einmal nicht kompatibel. Die Bahn muss entschädigen bei höherer Gewalt? Und wer zahlt denn den Autofahrern Schmerzensgeld, wenn sie vor lauter Baustellen Stunden später als geplant ankommen? Ich kann es nicht begreifen.

Wie immer staunen wir über den Kölner Dom, steigen dann aber ins Taxi. Der Fahrer versprüht keine Kölner Unterhaltsamkeit, sondern hat ausgesprochen schlechte Laune. Mein Kollege fragt, wie das Fenster hinten zu öffnen geht. Erst ignoniert er die Anfrage und sagt dann auf eine erneute Nachfrage kurz angebunden und grantig: „wir sind gleich da“. Das muss reichen und es ist sein Fahrzeug. Das Chelsea Hotel

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sieht uns nur kurz, denn wir haben eine Mission. Das Le Moissonnier, eines unserer (d.h. Stephans und meiner) Lieblingsrestaurants in ganz Deutschland.

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Daher auch mein heutiges Outfit. Ganz klar: ich will mich einschleimen, auch wenn es eher die belgische Flagge ist, die ich in Herzform als Hütchen trage. Ich bin zuversichtlich, dass die Botschaft verstanden wird. Der Laden ist schön, locker und lecker. Wir laufen zu Fuß dort hin und schauen uns auf dem Weg Köln an. Es gibt viel Fitness und Piercing im Belgischen Viertel. Der Laden „Body Consult“ mit drei muskelbepackten Kerlen davor gefällt mir besonders, aber auch in anderen Läden kann man durch Schaufenster sehen wie Männer, die total verkabelt sind irgendwelche körperlichen Übungen machen und das offenbar gemessen und aufgezeichnet wird (Fitnessanalyse?).

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Es werden auch Fotos gemacht vor Häusern, die ich als typisch Köln empfinde und deklariere (Klinker, halt)

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und immer wieder der Dom am Ende der Straßenschlucht als Kulisse.

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Nach kurzem Blick in die Karte, zuerst in die Aperitifkarte, die ich so liebe, dann in die andere, entscheiden wir uns für das Menü. Ich bekomme zu meinem Aperitif so eine lustige Gabel, damit ich die Kirschen im Champagner harpunieren kann. Ich frage nach um zu erfahren, dass es sich um eine Austerngabel handelt.

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Wir werden nicht enttäuscht und das Essen hat sich sogar noch gesteigert gegenüber den Vorbesuchen. In der Vergangenheit waren die in drei Teilen servierten Gänge z.T. sehr klein und fast kalt und man hatte etwas den Eindruck lauter Grüße aus der Küche zu essen und ich weiß, wie toll hier Fisch zubereitet wird und wollte daher eigentlich eine Fischvorspeise in á la Carte Größe und ein Fischtagesgericht, so richtig viel und befriedigend, aber das Menü lockt doch und die Entscheidung muss tischweise gefällt werden. Kalbsleber mit Minzöl, Senfeis, Rohkost u.a. mit rote Beete und Zwiebelringen, die Vorspeise ist schon mal köstlich und mein Bedauern, dass es keine Gänsestopfleber gibt, ist sofort verflogen.

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Dann geht es weiter mit Thunfisch, Sashimi-Style mit Meerrettich und Kokosflocken, gratinierte Muscheln und einer lackierten Sardine bei der der Schwanz hinten nur angelegt ist zur Deko (easy eat, wie der Japaner sagt). Ich bin aus dem Häuschen vor Freude.

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Der St. Petersfisch, ganz glasig ist der Hammer und auch der Zwischengang, eine moderne Interpretation einer Paella mit Puffreis und einer kleinen Sangria im Schnapsglas (irgendein Alkohol mit Mango oben drauf) dazu ist sehr gelungen. Ich bin durch den Alkohol gelockert und halte mir vor Überschwung das Buttermesser an die Pulsadern. Es hat einen dicken Holzgriff auf dem es sogar prima stehen kann und keinen Teller benötigt.

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Dann gibt es Kaninchen mit orientalischen Gewürzen und Auberginenmus und Couscous. Wir teilen uns einen Käsegang (Kümmelgelee zum Neutralisieren) und dann gibt es Nachtisch. Walnussbrownie und Cheese Cake als Nachspeise, ohne Kuchenteig, sowie die üblichen Leckereien aus der Küche zum Kaffee.

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Auch die Weinbegleitung ist gut und wir sind erneut überzeugt von dem Laden. Der Inhaber fragt mich beim Gehen was eine Berufsbetreuerin sei und schaut mitfühlend und sagt was davon, dass ihm immer die Familien leid tun würden.

Ich und noch mehr mein Kollege sind in Tanzstimmung. Der Student, der uns an diesem Abend begleitet, weiß aber auch nicht, wo hin mit uns. Diverse Läden mit Schlangen vor der Tür, grässliches Jugendvolk, Tussis mit French Nails und „Damen umsonst“ schrecken uns ab und so landen wir im Hallmackenreuther, wo man zwar nicht tanzen kann, aber die Musik gut ist.

Ich schlafe nicht so gut und brauche dringend einen Kräutertee. Den bestelle ich unten im Café und schütte ihn zu dem Leitungswasser in meine Sigg-Flasche. Wir frühstücken bei Schmitz, einer ehemaligen Metzgerei, in der es viele Quiche und Kuchen gibt. Ich sitze im Schaufenster und die Sonne wärmt meinen Rücken.

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Der Metzger-Laden gehört zu dem Café nebenan, welches viel größer ist und ganz nostalgische Toiletten hat.

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Gegenüber ist ein toller Ballonladen, aber die Ware ist leider zu unpraktisch für Reisende. So gerne hätte ich mir einen kleinen Corgie-artigen Hund gekauft….

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Nach einem Besuch im Magazin, einem Möbelladen, für mich etwa genauso spannend wie Ikea, müssen mir alle zum Uni-Viertel auf einen Flohmarkt folgen.

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Auf dem Weg dorthin wird ein Straßenfest aufgebaut. Ich kaufe ein Buch aus den 50er oder 60er Jahren über Haustierhaltung für Kinder. Die Aquarien und Terrarien sind winzig klein und darin soll man Feuersalamander halten?  Papageien kommen darin genauso vor wie diverse Äffchen und eine griechische Landschildkröte, jeweils mit Haltungstipps. Es gibt zwar noch Zoos, aber die Zeiten haben sich doch etwas geändert, stelle ich fest. Nicht einmal Rihanna darf so was noch!

Auf dem Flohmarkt gibt es Karnevaldevotionalien und Vieles mehr, auch einen tollen Blick.

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Vor der Abfahrt zieht es die Gruppe in den Dom. Ich warte mit dem Gepäck vor der Tür. Ja, es muss wirklich ziemlich nach einem Wunder oder einer religiösen Erscheinung innen ausgesehen haben, aber mir reichen die Bilder auf dem Bildschirm der Kamera. Ich bin faul, auch wenn der Zauber wirklich gut ausschaut. Es sind die Glasfenster von Gerhard Richter, wenn ich es richtig verstanden habe.

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Andererseits sieht es auch zu niedlich aus, wie ich auf der Domplatte warte mit dem Gepäck. Dabei lese ich mein neues Haustierbuch….

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Mit einem Regionalzug geht es nach Düsseldorf und dann nach Essen. Im Zug ist es voll. Auf einem Viererplatz sitzt eine Frau mit dunklen Haaren, die einen Werbeballon trägt und Dienstbekleidung mit Werbung hinten auf dem Rücken und denke sofort: die kenne ich von Shopping Queen. Das ist peinlich, aber wahr. Manchmal wenn ich am Basteln war am Wochenende lief das und es war auch die Sendung aus Düsseldorf mit dem Thema „Traumhochzeit“ und sie war als erste dran und hat sich ein ganz spießigen, weißes Kleid ausgesucht und an den Outfits der anderen immer viel rumkritisiert (sie hat aber Gott sei dank nicht gewonnen, sondern ist zweite geworden). Sie hat Hasen als Haustiere und lebt mit ihrem Freund zusammen in einer kleinen, hässlichen Wohnung. Ich sage Stephan nichts, aber als die Frau aussteigt, sagt Stephan zu mir, guckt man cool, die kann japanisch. Auf ihrem Namensschild steht Franziska mit einer japanischen Flagge als Zeichen, dass sie diese Sprache spricht und ich erinnere mich daran, dass es in der Sendung auch Thema war, dass sie japanisch spricht und einen Satz auf japanisch sagen sollte und der Vorname stimmt auch. Die Bestätigung meines Verdachts, quasi.

Die Freundin und der jüngere Sohn holen uns vom Bahnhof ab. Wir wollen keine Eisdiele, sondern lieber gleich mit dem Gepäck mit dem Taxi zu unserer Gastfamilie. Der Taxifahrer überholt einen Bus, der gerade nach Blinken ausschert, nachdem er an einer Haltestelle gehalten hatte, aber wir überleben knapp. Die Freunde wohnen steil am Hang, es gibt dort einen schönen Blick vom Balkon und auch leckeren Kaffee. Die Gastgeberin nimmt zwei Blazer aus meiner Sammlung und ich bin glücklich, dass sie ihr so gut stehen. Ich nenne den jüngeren Sohn mal „Häh?“, weil das fragt er gerne und ich habe diese Eigenschaft von ihm übernommen. Häh will Star Wars Quartett spielen und sagt die Zahlen 6 und 7. Das sind dann Siebenundsechzig Abwehrpunkte von dem Jedi-Ritter.

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Beim Autoquartett (Autos 1976, mein Gastgeschenk neben Manschettenknöpfen für den Vater, dessen Sammlung ich bei jeder Gelegenheit auffülle und einem Schlüsselbundanhänger aus Paris mit Tennisschläger und Perle als Ball, seit frühster Jugend schenke ich dem Vater Tenniskitsch)

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können wir nur oben, d.h. Zylinder (geht wohl bis 8) oder unten Türen(geht bis 4) als Kategorien nehmen. Dazwischen will Häh mit Stephan tollen. Er nennt ihn Steffi und Steffi ist der Bär, auf dem er kreischend herum klettert. Die beiden sind herrlich zusammen und es gibt eine tolle Fotoserie, die ich allerdings leider nicht verwenden darf an dieser Stelle. Daher mache ich Übersprungsfotos im Kinderzimmer…

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Vater und der ältere Sohn V. kommen am späten Nachmittag von einem Tennisturnier des Sohnes wieder. Ich sage, was den ganzen Tag Tennis gespielt und Morgen vielleicht noch mal? Das lässt sich doch vermeiden durch Bälle ins Aus schießen und dann kann man das Elend schneller beenden. Der junge Spieler hat Ehrgeiz und würde das nie tun. Seine Freunde klingeln und wollen noch in den Wald. Das geht nicht, weil der Babysitter erwartet wird. Der tapfere Babysitter wird tatsächlich noch einen kurzen Spaziergang mit den Jungs und dem Freund in den Wald machen an diesem Abend.

Wir fahren zu der Lesung eines Freundes. Dieser liest in einem putzigen kleinen Laden, der wie eine Wohnstube eingerichtet ist.

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Die Wirtin hat kein Bier kalt gestellt. Außer uns ist noch ein weiteres befreundetes Pärchen anwesend. Unser Gastgeber sagt seinem Freund, dass wir einen Tisch vorbestellt haben und nur ca. 1 Stunde Zeit. Dieser scheint schwer enttäuscht und muss jetzt seinen ganzen Plan ändern. Erst mal isst er Bratkartoffeln, die nach 10 Minuten angeblich noch zu heiß zum Verzehr sind. Dann kommt die Poetry Slam-artige Geschichte, die davon handelt, dass der Autor immer wieder Frauen rettet, die den Drogen und dem Alkohol verfallen sind vor diesen Substanzen und ihrem fiesen Ex-Freunden und ihnen dann die Wohnung einrichtet mit schönen Retro-Möbeln. Statt ihm das zu danken, verlassen sie ihn dann bald und flüchten zurück in ihr altes Leben, der Hölle, aus der er sie errettet hatte. Er bleibt zurück und wundert sich. Stephan und ich teilen uns ein Schnittchen, d.h. eine Luxusknifte und trinken Weißwein.

Wir hatten im Vorfeld mit einem Japaner in Düsseldorf geliebäugelt, aber das ließ sich so spontan nicht umsetzen. Wir gehen noch mal französisch essen und das Menü für 56,- € muss gelobt werden. Rotisserie heißt der Laden. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt und ich esse gegrillten Ziegenkäse mit warmem Ratatouille-Salat (große Stücke), Ingwersorbet mit Vodka als Zwischengang. Kalbfleisch, rosa und zart 3 kleine Stücke auf Trüffelnudeln und dann entscheide ich mich statt für das Creme Brulée für Ziegenkäse mit Asche und dazu einer überbackenen Feige. (Ich habe mich hier gegen erneute Essensfotos entschieden).

Zuhause gehen wir bald ins Bett, nachdem der Babysitter ausgelöst wurde. Sie schaut Sportschau und 11,- € müssen vom letzten Mal verrechnet werden.