Archiv für den Monat: Oktober 2013

Erlaubnisschein zum Sammeln von Leseholz

20.10. Ich brauchte eine Bastelpause und so bin ich mit Stephan zum Real-Parkplatz in Linden gefahren. Wieder Flohmarkt. Da dieser selber kein Interesse am Erwerb neuer Wohnungsfüller hat bzw. ich das bereits mehr als ausreichend für ihn mit übernehme, empfinde ich das Schlendern als semi-optimal. Er ist schneller, ich bin langsamer. Ich bewundere die Auslage. Letztes Abendmahl als Eisenplatte. Ja, kann ich kaufen, schon klar….

DSC01404

Auch die Klippersammlung sowie die Metallpferde gefallen mir gut.

DSC01405 DSC01406

Am tollsten bisher finde ich das Kinderteeservice. Die Löwenkanne, sowie Affentasse und Elefantenuntertasse, aber ich serviere keinen Teddies und Puppen mehr Tee und kenne auch sonst keine, die es tut.

DSC01407

Dann sehe was Skurriles nach meinem Geschmack. Einen Erlaubniszettel bzw. Schein zum Sammeln von Leseholz, den jeden mit alten, getrocknetem Zeug eingerahmt hat zu einer spitzenmäßigen Installation. Was das kosten soll, kann der Mann am Stand nicht sagen, sein Kumpel kommt gleich wieder. Ich kaufe von ihm einen Aschenbecher mit einem Expo-ähnlichen Maskottchen vom Jakobsweg in Galizien, eine Muschel aus Porzellan. Dann auf der Rückrunde ist der Kumpel da. Ein junger Alkoholiker. Was ich zahlen will? 2,- €. Er sagt 7,- €. Ich will schon gehen und später noch mal vorbeischauen. Noch mal die Frage, was ich zahlen will. Der Aschenbecherverkäufer vermittelt und schlägt 5 vor. Ich bin einverstanden und soll das Teil gleich mitnehmen. Tüte? Ja bitte. Es passt nicht in die Stofftasche. Dann nehme ich es unter den Arm. Er bedankt sich überschwänglich für das Geld, „vielen Dank, wirklich, vielen, vielen Dank“. Dann kommt er mit nachgesprungen und übergibt mir eine nach Qualm stinkende eingesaute Lidl-Tüte, in der schon sehr viele leere Bierflaschen transportiert wurden und drückt mir 50 Cent wieder in die Hand und zwinkert mir mehrfach zu. Jetzt steht das Teil in meiner Küche. Ich wollte es unserem Nachbarn über uns verleihen, der im Herbst immer viel Laubarbeit bei uns im Garten leistet, aber bin höchst unsicher, ob es seinen Geschmack trifft. Zu unserem Holzfußboden passt es jedenfalls sehr gut.

DSC01408DSC01414

Bei diesem Spiel werde ich abgemahnt vom jungen Verkäufer, dass ich ihn fragen müsse, ob ich seine Sachen fotografieren darf. Erstreckt sich das Recht am eigenen Bild auf die Flohmarktauslage? Spiele darf ich keine mehr kaufen, auch wenn sie toll ausschauen und das Spielebrett innen erst (Seufz).

DSC01409

Es sind etliche Händler da von letztem Sonntag bei Hornbach, der Araber mit den gelben, dicken und geknoteten Ketten sowie Jana aus der Movenyo-Anmeldung und der Mann mit dem Dackelmischling und den Maronen. Auch die Frischkäsecremes werden wirder feilgeboten. Ich kaufe Granatapfel und Walnuss. Der Teddy mit den irren Augen sitzt auch wieder rum, aber auch neue Dinge und Installationen erfreuen das Auge.

DSC01410 DSC01412

Dann geht es zu Rossi und ich mache ein Gesamtfoto. Ich bin sehr zufrieden. Leider habe ich den Schwänen (es sind Serviettenringe) empfindlich die Hälse verdreht durch meinen unsensiblen Transport. Das wird ein Hütchen!

DSC01415

Wir sitzen herrlich draußen und die Quiche mit Asiagemüse schmeckt schön nach Curry und Ei. Versaut wird es nur durch Männergespräche am Nachbartisch, die sich die ganze Zeit über Autos und/oder Motorräder unterhalten. Neue Lichtmaschine, war sauteuer. Handeln schlecht, wenn man mit dem Hänger schon angefahren kommt. Muss man vorher machen, sagen, wenn sie im guten Zustand ist, zahle ich höchstens das und das. Aber geht das überhaupt, bevor man die Karre gesehen hat. Oh Mann. Das kann einem alles versauen. Nachtisch gibt es in der Bar, wo ich den Hollandteller oben links und die Schürze, die frisch gebügelt ist, abgebe und das Zeitmagazin über FFM mitnehme.

Hafen, Kiefern, Hauskontrolle

Schöner Herbst. Anbei der Ausblick vom Arbeitszimmer meines Mannes:

DSC01392

18.10. „Hafen, Kiefern, Hauskontrolle“ stand in der Kochstraße bei uns im Durchgang. Unser Freund Klaus hatte das dort hin gesprüht anlässlich eines Besuchs bei uns. Das fand ich damals schon mehr als grenzwertig und wusste auch gar nicht was gemeint war. Die Kiefernstraße in Düsseldorf war mir kein Begriff.

Die Fensterputzer kommen eine halbe Stunde zu früh und vertreiben mich. Ich bin doch wie eine Spinne und sie machen mir alles kaputt und ich muss dann mühsam die Fenster wieder einspinnen mit meinem Nippes, wenn sie wieder weg sind. Im Badezimmer habe ich mich entschlossen den Nippes weg zu lassen. Wahnsinn wie das ausschaut, wenn der Vorsprung vor den Fenstern mit den kleinen Glaskacheln ganz leer ist. Irre. Ich weiß theoretisch wie gut einrichten funktioniert. Halt wenig hin machen. Nur eine Sache oder so, aber das ist nicht meins, d.h. ich habe einen innere Trieb alles schön voll zu stellen. Wisst ihr ja.

Um 9:30 Uhr schlage ich zu meinem Hausbesuch auf. Da die Wohnung im Vorderhaus, Erdgeschoss gelegen ist, kann ich mir von außen schon denken, wo ich gleich sein werde und so ist es auch. Die Wohnung besteht aus einem Wohnzimmer und gegenüber einer kleinen Küche, zusammen weniger als 40 qm, ich würde eher sagen etwas über 30. Der Fernseher läuft. Es ist eine Raucherwohnung, deshalb ist das Fenster offen, das Rollo schützt vor Blicken und die Heizung läuft auf Hochtouren, weil die Raucher ganz viel Frischluft brauchen, aber es auch warm mögen. Die Herren sind beim Frühstück und ein Brötchen wird geschmiert, mit ganz dünn Butter. Ich erkläre dem Vermieter, dass die Klinik misstrauisch sei ob so viel Gutmenschentum, weil er Herrn Maßregelvollzug hier in seiner kleinen Bude aufnimmt ohne Gegenleistung. Die denken sich dann: Gibt es diesen Vermieter überhaupt und wenn ja, was hat Herr Maßregelvollzug ihm angetan, um ihm den Untermietvertrag auf den Rippen zu leiern und wenn er ihn kennen lernt, wird er prompt wieder rausfliegen und auf der Straße landen. Ich sage, ich werde der Klinik berichten, dass er ein ganz gemütliches Nest gefunden hat, warm genug um eine Babyküken auszubrüten. Während Herr Maßregelvollzug guckt wie ein Auto, muss der Vermieter, ein ca. Ende 50-jähriger Mann, jetzt spätestens lachen. Er wird Herr Maßregelvollzug Montag zu den Ämtern begleiten. Er wolle mir Arbeit abnehmen. „Sie melden sich bei mir, wenn sie mich brauchen.“ Für diese Fälle sollte ich eine Nadel parat haben, die ich verleihen kann, quasi Hilfssheriff. An den Wänden sind Teppiche und Leuchtbilder, d.h. Städtemotive und viele Phantasiemotive mit bunter Beleuchtung (LED?) und davon eines neben dem anderen, als raumfüllende Tapete oder Installation. Es hat viel von einer Höhle. Gegen die Wohnungstür ist von innen in Sofa bzw. das Oberteil davon gedübelt. Marke Eigenbau. Irgendwie Dämmung. Ich will mich verabschieden und der Vermieter stellt fest, dass ich gar nicht gefragt hätte, warum er das macht. Er es mir aber auch nicht verraten hätte. Frau A. macht auf ganz cool und sagt, das Ergebnis sehe ich ja und die Motivation habe ich nicht zu hinterfragen, damit gehen tausend Fragen durch meinen Kopf. Was kann es für Gegenleistungen geben? Sexueller Natur und deswegen muss man die Tür so irre dämmen wegen dem ganzen Krach? Herr Maßregelvollzug kommt mir sehr hetero vor wie er immer von Weibern und Nutten spricht, aber vielleicht ist es einfach flexibel. Während meine Phantasie droht mit mir durchzugehen, glaube ich, dass man mir äußerlich nichts anmerkt und ich mache mich vom Acker.

Als ich im Büro ankomme sitzt mein Kollege mit einem Kaffee im Flur. Den habe ich seit 2 Wochen nicht gesehen. Ich sage, dass ich heute nur halb arbeite, weil eine Betreute, die geistig behindert ist, mich gebeten hat an einer Aufführung teilzunehmen. Es geht um einen Kurs bei der VHS mit dem Namen Musik erleben und da ich hier sonst wenig zu tun habe, ist das drin im Kontingent und Stephan habe ich ja auch in die Wagner Opern begleitet. Ich glaube, das wird tendenziell interessanter für mich und es geht um 14 – 16 Uhr, also auch nicht so lang wie Wagner, aber doch ordentlich. Habe schon angekündigt, dass ich nicht wüsste, ob ich die ganze Zeit bleiben könnte. Erst mal sehen, wie es mir gefällt. Theater mit Behinderten, genauso wie Kunst von denen, mag ich sehr.

Auf dem Weg halte ich bei der Frau, deren Wohnungskündigung durch den Betreuer jetzt von der Rechtspflegerin genehmigt wurde. Selbst die 14 Tage Probezeit hat sie nicht abgewartet. Wir besprechen die Beschwerde. Ich kann ihr allerdings nicht versprechen, dass es gut ausgehen wird.

Theodor Lessing als Mitgründer der VHS.

Bärtiger

Erst sind es weniger Zuschauer als Mitwirkende. Es kommt noch eine schnöseliger Vater und 2 junge Burschenschaftler in Wachsjacken sowie eine dreier Gruppe Mädchen und ein Techniker der Hauses dazu, so dass es sich dann doch in etwa die Waage hält. Immer wieder ergreift es mich Rentnermütter zu sehen, deren behinderte Kinder auch schon graue Haare haben. Ein Ehepaar vor mir macht viele Fotos. Die Tochter lässt sich leicht ablenken und steuert immer wieder auf die Eltern im Publikum zu und will denen was mitteilen oder ihren Haarreif geben, der sie stört. Frau K. freut sich und will mich der Leiterin des Kurses vorstellen auch wenn die Zuschauer noch gar nicht rein dürfen. Meine ist nicht musikalisch, aber sie tritt gerne auf. Insofern hat sie wieder Ähnlichkeiten mit mir. Erst gibt es Musik. „How many roads must a man walk down“ mit englischen und mit deutsche Texten und dazu Bändergymnastik, meine macht mit und verdrängt mit ihrem Eifer fast die beiden anderen, die so an den Rand gedrängt werden, dass sich ihre Bänder immer wieder verheddern und sie durch Blick die Kursleiterin um Hilfe rufen. Dann wird gesungen: „Allein, machen sie Dich klein“… Auch sehr schön. Es gibt ein männliches Gesangstalent, der mit Mikro arbeitet und so ansatzweise Leute aus dem Publikum ansingt bzw. Gesten in ihre Richtung macht: „ob Du Metzgermeister bist oder Medizin studierst, ob die Zugereister bist oder kommst Du aus Berlin“ und jetzt der Refrain: „Egal was Du machst, Hauptsache ist, es macht Dich glücklich“. Sehr schön und  sehr wahr. Frau K. gehört zur besseren Hälfte bei der Begabung bzw. Eignung für diesen Kurs, d.h. es gibt welche die können Gitarre spielen, einer sogar Klavier, aber es gibt auch eine Frau im Rollstuhl, die spastisch gelähmt ist und eine Begleitung sitzt neben ihr und führt ihr die Hand, weil sie das Instrument, bestehend aus Metallplättchen durch einen Holzstab zum Klingen bringen soll, was gerne vor den Stücken als Intro passiert. Dann gibt es mindestens 3 weitere Frauen, die kaum was machen, singen oder sagen und einen Mann, der Bass spielt, aber auch nicht richtig singt, wenn er soll und dessen Mutter im Publikum ist. „Hier gibt es jetzt Kultur“, wie der männliche Kursleiter sagt und „alle bitte die Operngläser rausholen“. Ein schwarzer Vorhang mit verdeckten Löchern. Da werden Socken als Handpuppen durchgeschoben und dazu läuft bekannte Opernmusik. Ich meine, es ist Carmen. Es ist ein bekanntes Stück bei dem sich eine Sängerin und der Chor abwechseln. Mit der Solisten in der Mitte (Socke mit Schleife im Haar) und dann kommen alle raus (Chor). Wenig aufwendig und macht viel her. Dann gibt es ein Märchenstück, bei dem mit einem Erzähler (dem männlichen Kursleiter) gearbeitet wird als Schattenspiel. Auch tolle Effekte. Die Prinzessinnen, eine davon die Frau im Rollstuhl sind mit ihrer Zofe (der Begleitung der Frau) im Wald unterwegs. Meine ist die Hexe, die einen Apfel kleiner und dann wieder größer zaubern kann.

2 Prinzessinnen 8 2 Prinzessinnen 6 2 Prinzessinnen 5

Die Königin, die ihrem Mann eine Krawatte häkelt piekst sich mit einer Häkelnadel und schläft ein. Der Hofstab holt den Jahrhundertwecker. Das ist ein Ballon, der aufgeblasen wird bis er platzt. Auch ich erschrecke mich, wie zu erwarten war.

2 Prinzessinnen 4

Abends nach dem Sport erwartet mich eine Einladung zum fünfzigsten Geburtstag unseres Freundes Markus. Sehr toll gemacht und mit ganz viel nettem uns sympathischen Text. Ich freue mich auf das Ereignis nächsten Monat. Als wir neulich bei uns in der Küche zusammen saßen mit dem Mann aus Hamburg, der in Frottee macht sowie den Fürther Jungs und jeder hatte einen Jahrgang von 1963 bis 1969 war Markus der älteste und nächstes Jahr kommt Stephan dran. Dann steht da ein unscheinbares, braunes Paket, aber Stephan ist ganz aufgeregt. Das sei für mich. Ich mache es auf und bin wahrhaftig überrascht. Er hat mir See’s Candies aus den USA bestellt. Toffee-ettes, meine Lieblingssorte mit Butterkaramel mit leichter Salznote und vielen kalifornischen Mandeln, köstlich und mit so vielen süßen Erinnerungen belegt. Er hatte die Bestellung losgeschickt, als ich an meinem Geburtstag bzw. dem Tag danach meine Bastelsachen samt der See’s Candies Tasche in Berlin-Kreuzberg an einem Zaun hängen ließ; (das Abschiedsfoto davon gibt es noch) und musste so lange Dicht halten. Er ist ein Held. Eine Tasche hat er mir auch mit bestellt. Die kann meine kleine, schwarze aus Tokio nicht ersetzen und ist ästhetisch fragwürdig, aber der Willen zählt. Mein Mann ist toll.

DSC01396 DSC01397 DSC01398

Weil wir italienisch Essen fahren, bleibt die Packung zu, aber einer wird im Laufe des Samstags aufgefuttert unter vielen Stöhnlauten von uns beiden. Beim Italiener sagen wir Benny, es gibt was zu Feiern. See’s Candies, amerikanische Süßigkeiten sind heute angekommen. Er kennt sich aus und will diese auch kennen. Jedenfalls sagt er Twinkies, Trashfood, was wir er zu Recht sagt nach Diabetes schmeckt. Er schlägt „Flasche Schampus?“. Wir halten uns an den Wein. Ich esse Vorspeise und zwei Pasta-Gänge, mal wieder die Lasagnette mit Zicklein und Salsiccia (köstlich). Zum Nachtisch gibt es eine Parfait mit Kürbiskernen. Sehr lecker.

DSC01393 DSC01395

Samstag verlasse ich das Haus nicht. Ich bastele erneut Kalender. Jetzt, wo ich entschlossen habe kleinere Modelle für eigene Verwandte, u.a. meine Tante in Travemünde und die amerikanische Verwandtschaft zu machen, werden es dieses Jahr doch eher 15 Stück und die Produktion läuft auf Hochtouren. Die kleinen sind nur ca. 1,50 € günstiger und der Bastelaufwand ist auch ähnlich, aber sie nehmen nicht so viel Platz weg, sind nicht so dominant und lassen sich besser verschicken. Stephan trifft sich mit meinem Kollegen auf einen Kaffee. Die Sonne scheint. Beide Spinnen haben die Fensterputzer überlebt. Die Dicke vor der Terrassentür hat Stephan noch gesehen danach, aber ich sehe sie nicht mehr. Sie sucht sich vielleicht ein anderes Plätzchen, wenn sie jetzt von Null anfangen muss. Die vor dem Küchenfenster bleibt und macht dort wieder weiter. Mein Kollege wird nächstes Jahr 4 x beruflich in Stuttgart sein, so dass wir dort mal ein gemeinsames Treffen planen können. Dann können wir auch meine Tante besuchen. Nach dem Basteln wird gekocht und eine Runde gebügelt. Den Bügelwäscheberg schafft man nicht auf einmal. Das dauert mehrere Stunden den abzuarbeiten, so habe ich den anwachsen lassen. Am späten Abend bastele ich noch ein Hütchen für die Dürerausstellung mit einem Nashorn vom Flohmarkt letzte Woche. Dazu läuft eine Doku über Lemmy von Motorhead. Der Typ ist schon cool. Er sammelt „Stuff“ und mag’s auch gerne voll bei sich. Der Typ muss sich fühlen wie ein lebendiger Jesus. Junge Mütter, die sich erst das Dekoltee von ihm signieren lassen um das Autogramm dann anschließend genau an der Stelle eintätowieren zu lassen und ihm vorher bezeugen, wie sehr seine Musik ihr Leben verändert hat. Die sind im Ausnahmezustand, weil sie ihn getroffen haben und würden ohne mit der Wimper zu zucken auch ihr Baby tätowieren lassen, wenn Lemmy den Befehl dazu erteilt und das geht die ganze Zeit so für ihn. Das ist viel Verantwortung, dabei macht er doch nur Musik. Dafür, dass er dazu noch richtig kräftig Drogen nimmt und das seit Jahrzehnten, kann der Typ sich zu sich selber beglückwünschen, d.h., er hat das physisch und psychisch gut überstanden. Er wurde geprägt von seiner Mutter und seiner Oma, wie es auf Nachfrage nach wichtigen Personen angibt. Der Vater hat sie im Stich gelassen, aber ihm fehlte auch keine übermächtige Vaterfigur. Das weiß ich psychologisch nicht, jedenfalls macht er seinen Sohn glücklich als er auf die Frage nach dem wertvollsten in dem Raum und es eigentlich um seine Sammlungen geht antwortet: „my son“. Dem hat er gesagt, kein Koks nehmen, lass die Finger davon, Speed ist viel besser für Dich. Süß.

Pöbel bzw. JVA für Anfänger

16.10. Frau J. will mich weitergeben. Ich spreche nicht mit Bettnachbarn und sonstigen mir unbekannten Personen und lege auf. Sie ist arschfreundlich. Ich soll sie in ihre Wohnung begleiten und ein paar Stunden dort alleine lassen, damit sie sich was kochen kann und sich ausruhen. Ich spreche mit ihr und Bevollmächtigten, wie der Anwältin, die sie beauftragt hat oder ihren Verwandten und nicht mit Bettnachbarn oder Pöbel. Da sie mit Suizid gedroht hat, wird der Hausbesuch in unbeaufsichtigt seitens der Klinik nicht genehmigt werden.

Eine türkische Betreute kommt vorbei. Das ist die mit der Tochter, die vom Jobcenter aufgefordert wird, sich zu bewerben. Da gibt es am 28.10. Strafverhandlung gegen einen Typen, der die Tochter und den Freund beim Sex und danach in einer Gartenlaube gefilmt hat. Das war damals eine ganz schwere Krise, weil die sind konservativ eingestellt und von daher war das richtig Weltuntergang und zwar wegen Ehre und unehrenhaft und weniger wegen der verletzten Gefühle des Mädchens. Ich war damals mit der Mutter beim Jugendamt, die sich Sorgen machten, weil meine ihrer Tochter einfach die Haare abgeschnitten hatte, um sie zu verletzen und zu treffen, wie sie zugab. Die Tochter habe ihr nicht zugehört und sie habe daraufhin gesagt, „Du sprichst nicht mit mir, dann spreche ich mit Deinen Haaren“ und habe eine Schere genommen und sie abgeschnitten, weil sie wusste, dass die Tochter daran hängt und stolz darauf sei. Das war natürlich nicht ganz unproblematisch so eine Haltung gegenüber einer Jugendlichen. Jetzt wurde die Tat offenbar zur Anzeige gebracht und der junge Mann,  der mit seinem blauen Handy den Film gemacht und veröffentlicht hat, darf sich vor dem Jugendstrafrichter verantworten. Ich werde sie hinbegleiten, weil die Nebenklage nicht zugelassen wurde (dafür ist die Tat nicht doll genug) und das sonst Kosten verursacht, wie eine Kollegin ihr geschrieben hat. Das kann sie nicht zahlen und wozu hat sie mich. Ich melde mich bei Violetta, die haben auch jemanden der ehrenamtlich mitkommt und dann ich. Das muss reichen. Meine Betreute teilt mir mit, dass ihre Wohnbetreuung, die im Mutterschutz ist, eine Tochter bekommen hat. Ich gratuliere per email. Sie soll sich in Gedanken vorstellen, wie Frau K und ihr 7 jähriger Sohn, beide mit Krone auf dem Kopf sowie ich, schwarz geschminkt vor ihr knien und allerlei Geschenke wie Weihrauch und Gewürze sowie Goldbarren übergeben.

Weil das mit dem Betteln nach Stoffresten per Blog so gut geklappt hat, habe ich noch einen Anschlag auf meine Leser vor und vor allem die sehr aufmerksamen in Wien. Ich habe einen Schreibtischunterlage von „Wiesbauer Österreichische Wurstspezialitäten GmbH“ mit lauter fiesen Schinkenspezialitäten darauf und da krickele ich immer darauf herum, wenn ich telefoniere und reiße das Blatt, wenn ich es für zu unansehnlich befinde ab und habe ein frisches. Den Block habe ich second hand, im Café Prückel im Keller neben den Toiletten war eine Vitrine mit Flohmarkt, erstanden. Das macht die Sache natürlich besonders wertvoll, aber der geht bald zur Neige und ich brauche dringend Ersatz. Ich würde auch was kaufen, aber das trifft nicht meinen trashigen Geschmack. Es sollte ein möglichst fieses Werbegeschenk sein. Das würde mein Herz erfreuen. Also alle Leser, die in Firmen beschäftigt sind, bitte Ausschau halten. Vielleicht gibt es was Passendes, was bei euch ins Haus oder in die Firma flattert und ihr denkt an mich.

Frau P. bekommt Telefon ans Bett. Letztes Mal im Heim hatte sie das moniert und gleich habe ich bei der Pflegedienstleitung angerufen. Da hieß es Telefone nur für Kurzzeitpflegebewohner und ich muss über die Telekom einen Anschluss beauftragen. Das habe ich gleich getan und jetzt ist Anschlusstermin am 24.10. zwischen 12 und 18:30 Uhr, geht nur bis 14:30, weil die Mitarbeiter, die einen Schlüssel für den Technikraum haben, dann Feierabend machen. Wie danach ist da keiner mehr im Heim? Werde ich von dem Telekom-Heini gefragt. Zumindest keiner der einen Schlüssel hat zum Technikraum hat. Herr K. der Lebensgefährte, dessen Wohnungskündigung durch die neue Betreuerin beantragt ist rufe ich an um ihm die Nummer mitzuteilen, die sie ab nächster Woche haben wird. Er ist Auserwählte, es wird eine neue Zeit anbrechen und da wird er eine entscheidende Rolle spielen, ob ich noch weiß, was er mir über die Kornkreise erzählt hat. Er will sie wieder zu sich nehmen und pflegen. Hier ist der Zustand offenbar gleich geblieben. Er mag seine Betreuerin nicht. Die sei schlicht gestrickt, so dass man von der nichts erwarten könne. Ob ich ihn anwaltlich vertreten könne. Das geht nicht wegen des Interessenkonflikts sage ich ihm, weil ich für Frau P. da sei.

Dann bekomme ich einen Rückruf vom Jobcenter mit einer Vorwahl aus NRW. Ja, es geht um einen Mann, der gerade aus dem Maßregelvollzug entlassen wird. Dort hatte er nur einen Taschengeldanspruch, weil ja Vollverpflegung war und jetzt haben die ihm 9,- € ausgezahlt bis Montag und der Mann ist Raucher und hat schlechte Laune. Habe gestern schon meinen Betreuerausweis und den formlosen Antrag ans Jobcenter gefaxt. Er hat kein Konto und ich wollte anbieten ihn zum Termin zu begleiten. Nein, Termin bei einer Sachbearbeiterin gibt es nicht, er muss Nummer ziehen und „er soll ja nach und nach Dinge wieder selber übernehmen“, meint Frau Callcenter zu mir. Danke für den Tipp. Ich dann: der ist 8 Jahre lang weggesperrt worden und recht eigenwillig, ob sie sich das vorstellen könne und wie sie schon gesagt habe, nach und nach. Ich begleite auch sonst einen Schützling zum Amt und gerade in diesem Fall habe ich es im Interesse aller Beteiligten für ratsam gehalten, aber wenn sie anderer Meinung ist, mache ich mir dazu gerne einen Telefonvermerk, dass wir darüber gesprochen habe und es trotz meiner Bedenken abgelehnt wurde (blöde Kuh, werden schon sehen, was sie davon haben).

Abends beim Kundalini-Yoga kündigt Nadine an, dass es ein hartes Set wird und sie sei Sadistin, wie jede Yogalehrerin das ein bisschen sein müsse. Ich mache Befehlsverweigerung, weil ich mit 46 weiß, was meinem Körper gut tut und zwar an meinen Fingern herumpuhle, sonst aber wenig Selbstzerstörung kenne und schon die Übungen, bei denen man mit den Ellbogen kräftig nach unten klappt gegen die Körperseiten haut recht brutal finde und dann Dinge, die meinem Körper nicht gefallen, nicht mache, weil ich mag ihn und er ist auch gut zu mir. Beim anderen Yoga spreche ich die Frauen in der Umkleide an und wir wollen mit Mikael was trinken gehen nach dem Yoga. Das hatte er sich früher bereits gewünscht, als er in der Faust unterrichtet hat und die Weihnachtszeit vor der Tür stand.

17.10. Mein Tag beginnt mit einer Email von Andrea aus der Nähe von San Francisco. Ich habe angekündigt, dass wir 2014 im Herbst 2 Wochen nach Kalifornien wollen und ihre Tochter hat heute Geburtstag und wird 14 und sie habe schon an mich denken müssen, weil Halloween vor der Tür stehe. Wir waren bereits 2 x zu der Zeit dort. Die Euphorie steigt in mir auf und ich suche Klamotten danach aus mit Sammelbehältnissen von Goodwill und freue mich auf 2014.

Das Baumbeschneiden in unserem Garten soll 3.000,- € kosten. Das ist halt Luxus: Frauen mit langen Beinen zu unterhalten und Bäume mit langen Stämmen.

Dann ist es wieder Frau J. Wenn ich ihre Zimmernachbarin im Hintergrund höre, flippe ich aus, so dass meine Betreute den vernünftigen Part übernehmen muss und sagt, sie könne da doch nichts dafür und sich distanziert von der Dame.  So funktioniert das mit Betreuten. Die Betreuerin ist noch verrückter und das macht Eindruck. Ich telefoniere mit der Oberärztin. Biete nächsten Mittwoch an, sie in die Wohnung zu begleiten (soll 1 Stunde dauern) um Winterklamotten zu holen. Pflegepersonal soll mich begleiten wegen Zumutbarkeit. Für mich ist das eine halbtägige Beschäftigung. Das betone ich auch mehrfach.

Ich bereite meinen Besuch in JVA vor. Ich habe eine Eidesstattliche Versicherung vorbereitet, weil ihm bis Jahresende kein Taschengeld gezahlt werden soll von der Stadt Hannover mit der Begründung, dass er irgendwann im August mal 118,- € bekommen hat und das ausreichen muss. Leider sind auf dem Taschengeldkonto schon seit Wochen nur noch 0,94 €. Er hat das Geld verbraucht und die sollen monatlich zahlen. Der „Besuchsgutschein“ des Amtsgerichts berechtigt für einen Besuch, 30 Minuten in Begleitung eines Mitarbeiters der JVA. Ich fahre etwas früher los, weil ich mir einen neuen Taschenrechner kaufen muss. Meiner aus 1999, der die verschiedenen Währungen in Euro umrechnet, hat den Geist aufgegeben, d.h. die Ziffern erscheinen unvollständig und ich hatte mir den der Steuerberaterin aus dem Besprechungszimmer geborgt sehr zum Missfallen von ihr und der Mitarbeiterin (hier wird es eher als Diebstahl angesehen).  Ich frage die Mitarbeiterin noch, was man mitnimmt zum Besuch in die JVA. Blumen seien eher Krankenhaus und dann fällt mir Kuchen ein. Ich will ihm einen leckeren Apfelkuchen aus der Bar spendieren. Er isst gerne. Erst halte ich bei Menzel. Schon zwei Mal hatte ich es versucht dort das Gerät zu erwerben, aber immer war der Laden zu (Mittagspause bis 14:30) und ich hatte mein Vorhaben aufgeschoben und mir geschworen, nicht in die Innenstadt. Schön den lokalen Handel unterstützen. Ende des Liedes ist, Menzel hat keine Taschenrechner. Begründung: da gäbe es ja Modelle von einfach bis sonstwo hin und die müssten sie dann alle vorrätig haben. Es gäbe welche, die könnten nur addieren. Ich sage, und nicht mal nehmen. Das wäre ja doof und dann sage ich noch beim Gehen: Solarblumen aus Plastik, die mit den Blättern wackeln, dafür reicht der Vorrat. Das ganze Schaufenster ist voll von dem Plastikdekokram.

Im Georgengarten muss ich mal den Hals verrenken und glotzen. Mitten auf der Wiese ein älterer Typ mit Knappstuhl hinter sich, der Angel auswerfen übt (?). Es sieht jedenfalls noch viel lustiger, skurriler aus als die Frauensportgruppen, wahlweise mit Kinderwagen, die Stretching-Übungen auf der Wiese machen.

Am Wochenende wo wir in Frankfurt sein werden, ist Hochzeitsmesse in Hannover. So was Überflüssiges.

Trau Dich

In der JVA betrete ich die Schleuse mit einem Vertreter, der viele Materialproben damit hat und mit dem Auto rein muss. Ob wir zusammen gehören würden. Nein. Während er abgefertigt wird mache ich ein Foto von dem Parkautomaten. Seit 2010 ist das Parken auf dem Gelände der JVA kostenpflichtig und auf dem Automaten gibt es anschauliche Piktogramme, was passieren wird, wenn man die entsprechenden Scheine einwirft.

Parkmünzenwechselgelderklärung

Ich überreiche die Unterlagen und bekomme von dem Linkshänder zu hören, dass er keinen Termin finden könne. Ich sage: „sehen Sie und damit hatte ich irgendwie gerechnet und mir deswegen den Namen geben lassen von dem Mann, mit dem ich den Termin vereinbart habe und der heiß Cool“ (Name von der Redaktion geändert) oder so ähnlich, leider kann ich meine Handschrift nicht lesen, aber ich habe seine Durchwahl auch und irgendwie wird man ihn ausfindig machen können. Ich habe mir schon gedacht, dass ich mit dem Rad herradele und so einen Vortrag zu hören kriege, er solle mich nicht zwingen wütend zu werden. Er darauf: „Ich habe keine Angst. Da ist eine Scheibe dazwischen“ und klopft dagegen und ja, die ich aus Panzerglas. Ob er sich den Mitarbeiter sich mal richtig vorknöpfen solle (er macht eine Halsumdreh Geste). Ich sage, klar und auch in meinem Auftrag. Dann tausche ich meinen Anwaltsausweis gegen eine goldene Besucherkarte und eine Karte, die er zuvor ausgefüllt hat mit Uhrzeit und gehe in den Wartebereich. Dort mache ich alles was ich nicht brauche ins Schließfach gemäß der schriftlichen und mündlichen Anweisung und warte mit den Frauen und Kindern.

Uhren einschließen

Es läuft wie im Hotel arosa ein Werbefilm auf einem Flachbildschirm mit computeranimierten Bildern der JVA-Gebäude. So was von nicht trostlos, dass es an Folter grenzt sich das anschauen zu müssen. Als die Frau aus der Vorkontrolle mich anspricht, ob ich Besuch sei, sage ich, ja ich will ihn sehen, aber ich bin nicht privat da. Ja, Rechtsanwältin oder was. Ja, das auch. Dann muss ich das goldene Schild anheften, sonst könne sie das nicht sehen. Beim Reingehen: habe ich vorne bei der Pforte Bescheid gesagt, dass ich Kuchen dabei habe.- Nein. Er wird gescannt. Die durchsichtige Feile findet man nicht.

Am nächsten Tresen sitzt der Mann mit dem ich telefoniert habe. Coolie heißt er. Auf einmal kann ich meine Schrift auch wieder entziffern und erkenne den Namen wieder. Ich sage, der Termin sei nicht eingetragen gewesen. Er schaut nach und sagt, doch, „die vorne an der Pforte spinnen“. Ich warte in Raum 3 der Trostlosigkeit. Ein sehr kleines Zimmer, grau mit dicken Türen mit einem Glasschlitz in der Mitte und einem winzigen Rollo, welches man zuziehen kann und einem Mülleimer in der Ecke. Hinter dem vergitterten Fenster nach draußen rauchen die JVA-Mitarbeiter. Was sonst? An der Wand gibt es zwei Steckdosen. Warum das? Mobiltelefone muss man abgeben. Ich versuche mir auszumalen, was hier einmal eingesteckt wurde und komme nicht darauf. Was für einen medizinischen Notfall? Dafür ist die Türöffnung eindeutig nicht groß genug. Herr I. begrüßt mich überschwänglich. Er isst den Karottenkuchen (Apfel gab es nicht). Tabak wäre ihm lieber gewesen. Der hätte auch keinen Fettfleck auf der Eidesstattlichen Versicherung hinterlassen. Er erzählt mir, wie er sein Subotex einnehmen muss, weil man das nicht schlucken kann, sondern es sich im Mund auflöst. Muss er sich hinsetzen und darf die Arme nicht bewegen und es sitzen zwei Mitarbeiter neben ihm bis der Sanitäter grünes Licht gibt. Dann zu der Tat (sein Mittäter ist wohl Araber) betont er, dass er nichts mit Arabern zu tun hätte seit dem 11. September. Er habe Angst vor denen und die würden ihn für einen Juden halten, weil er aus Israel kommt. Er will, dass ich Kontakt auf nehme zu der JVA-Mitarbeiterin, die die Suchtgruppe leitet. Da gibt es immer Kekse, den Namen weiß er nicht. Herr Coolie (Marke unsympathisch) weiß den Namen natürlich auch nicht. Vorne am Eingang sage ich dem Mitarbeiter mit Humor von vorhin, dass der Fall aufgeklärt werden konnte. Coolie habe den Termin gefunden und es bringe nichts, hier Druck zu machen, das gäbe nur Gegendruck. Er könne es mir glauben. Die Kontrollfrau, die aus ihrem Kontrollraum nach vorne gekommen ist, schaut mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank und ich verlasse das Gebäude durch die Schleuse mit der Stacheldrahtkrone Richtung Fahrradparkplätze.

Email aus der Psychiatrie in Sachen J. Besuch nach Hause nächsten Mittwoch wird gerade mit ihr verhandelt. Sie soll Medikamente nehmen. Ob das klappt, wird sich erst Anfang der Woche zeigen. Der Stationsarzt.

Im Büro rufe ich noch mal die Kollegin aus Braunschweig an. Die Klage vom Mieterschutzbund gegen meine Betreute wird zurück genommen. Termin war anberaumt für nächsten Donnerstag. Jetzt will ich mir einen Kaffee und ein Törtchen gönnen. Auf dem Weg zu Luis halte ich beim Kiosk und kaufe 1 x Liebesmarken. Der Typ ist total lustig. Ich sage, ich will zu den Liebesmarken und weiß  wo die sind, deswegen stürze ich so in den Laden. Nicht stürzen sagt er. Es gibt mir Glitter und ohne. Ich will. Der Glitter verteilt sich bis in die Hautporen. Hier ist schlecht sortiert, aber ich erledige das kostenfrei für ihn. Das sei gut, er möge Ordnung. Vor der Tür ist eine junge Frau, die sehr gut aussieht und auffällt dadurch, dass sie zwei sehr unterschiedliche Kleinkinder hat. Eines ist dunkelhäutig mit schwarzen Locken und das andere weißblond. Sie strahlt mich an und ich denke, jetzt kommt ein Kommentar zu meinem Outfit. Stattdessen überrascht sie mich mit: „Ich schreibe ständig Gutachten für Sie. Leute, die von Ihnen betreut werden wollen“ und dann stellt sie sich mit Namen vor.

Nach dem Kaffee ruft eine Frau an, die Messie ist und mit einem Beratungsschein schon mehrfach bei mir war. Zuletzt hatte der Vermieter sie abgemahnt, weil sie die Waschküche mit ihren Sachen gelagert hat. Ich habe das bestritten, dass es eine Abmahnung rechtfertigt. Sie hat aber im Nachgang zu meinem Schreiben selber der Anwältin geschrieben, dass die Abmahnung völlig gerechtfertigt sei und auf mein Schreiben Bezug genommen und dieses „verbessert“. Jetzt schickt die ihr eine Rechnung über 80,- € und ob sie die bezahlen muss. Ich suche den alten Fall heraus und stelle fest, dass ich selber noch nicht abgerechnet habe und schreibe der Kollegin, dass ein Anwalt nicht notwendig war und sie sich deswegen an ihren Auftraggeber halten soll. Eine Wohnungsgenossenschaft hätte das ohne anwaltliche Hilfe tun können (Abmahnen wegen Waschküche). Ich schreibe ihr aber, dass der Fall unsicher ist, weil ein Gericht durchaus zu dem Schluss kommen kann, dass ein Anwalt notwendig war oder beauftragt werden durfte und dann muss sie zahlen. Ich mache so tolle Arbeit, sie wünschte sich, sie hätte so eine Betreuerin, die nicht immer erst 3 Monate später reagieren würde. Ich würde so toll schreiben und alles immer sofort und so toll erledigen. Sie sei sehr zufrieden und wollte mir das nur sagen. ich sage ihr, Hauptsache sie hält sich hier mal selber zurück mit ihren Einlassungen und das ist es keineswegs schon erledigt hätte. Das sei nur ein Versuch. Sie lässt sich nicht beirren. So wie ich das geschrieben hätte, wäre das schon quasi ein Sieg und Erledigung für sie. Na ja, da hilft Widerspruch wohl nicht und bei dem Lob mache ich mal Feierabend für heute.

Leidenschaftslos gibt’s bei mir nicht

14.10. Als ich neulich zu meiner Tante sagte, da sei ich ganz leidenschaftslos, lachte die und sagte: Du und leidenschaftslos. Das gibt es gar nicht und irgendwie hat sie Recht.

Am Wochenende habe ich schon reichlich Wutanfälle bekommen wegen Herrn Maßregelvollzug, der mich wegen einer Monatskarte auf dem Handy tyrannisiert und es nicht versteht, dass ich am Wochenende nicht arbeite und es kein Notfall ist, wenn er zu einem Elektronik-Markt in Wunstorf möchte und die Klinik ihn darauf verweist, dass er dort zu Fuß hingehen kann. Seit Freitag und übers Wochenende bekomme ich bestimmt 5 SMS mit Dingen, die sofort von mir zu erledigen sind. Meine Reaktion? Vor dem Essen gehen zu Frau Hoppe am Samstag schalte ich mein Handy in Flugmodus und hoffe so, dass ich weder Sprachnachrichten noch SMS empfangen kann. Wohl ein technischer Irrglaube, aber es ist zumindest ruhig. Montagmorgen mache ich mich daran, dass alles abzuarbeiten und die ersten Anrufe erreichen mich vor 8 Uhr zuhause über die Rufweiterleitung. Ran gehen tue ich erst um 9 Uhr. Konditionierung ist alles.

Ich trage mein silbernes Taschenhütchen, was sehr gut ankommt und mehrfach gelobt wird. Auch mit selbstgenähtem Band aus dem schlimmen Stoffladen neben dem Nähmaschinenladen. Ich habe den Lurexstoffrest für 1,- € gekauft, aber es wird mein letzter Kauf dort gewesen sein. Die Stimmung ist sehr schlecht und die Mitarbeiter werden nicht gut behandelt und daher will ich den Laden nicht unterstützen, zumal mir mein Querulantentum an anderer Stelle Stoffreste per Spende meiner Freundin Andrea einbringen wird. Also Konzept voll aufgegangen. Ich werde höchstens im Fairkaufhaus zukünftig schauen,

Am Wochenende habe ich auch aus der Tischdeko meiner Schwiegermutter ein Hütchen gebastelt. „Stachelige Marone als Nadelkissen“, heißt die Arbeit.

DSC01383

Ich fahre in die MHH und der Mann hat keine Demenz, aber dafür eine organische Psychose bei Primärem Parkinsonsyndrom, Zustand nach Implantation eines Tiefenhirnsimulators. Das klingt nicht gut und sieht auch nicht gut aus. Er ist nicht auf einer geschlossenen Station, hat aber dafür eine Bettwache, die allerdings nicht zugegen ist. Begründung, er schläft und ist tatsächlich kaum bzw. nicht ansprechbar. Das sind die sedierenden Medikamente. Lustig ist dieser Termin nicht.

Auf dem Rückweg brauche ich Schokolade und kann meiner Schwägerin melden, dass die Kokos offenbar doch das Rennen gewonnen hat und am besten beim Verbraucher ankam, zumal sie hier schon im Handel zu kaufen ist.

Noix de Coco Noix de Coco 100g

Auch ja, Kinokarten für die Perlen kaufe ich auch. 3 Filme, wenn schon die Party ausfällt, ins Kino können wir vorher trotzdem. Leider bin ich unaufmerksam und lasse mir Karten für die 11. Reihe andrehen. Als Stephan dann noch für einen 4. Film über Divine nachkauft und umtauschen will gegen die 3. Reihe, behauptet der Typ vom Kartenverkauf (der über das Vornesitzen sagt: „Tennis“ wäre das) das ging nicht und sei mit mir abgesprochen gewesen. Hallo. Ich war zu bräsig und mein Mann weiß schon, was mir gefällt. Außerdem Tennis? In dem kleinen Kino im Künstlerhaus? Ähhh?

15.10. Im Büro angekommen ruft die Hausärztin von Herrn W. an und wir besprechen den Einsatz eines palliativen Dienstes, die dann qualifizierteres Personal haben als das recht überforderte und schlechte Heim. Er hat zunehmend Luftnot durch den Tumor und das wird nicht besser und es geht darum, ihm Angst und Schmerzen zu nehmen. Wohl wahr, aber alles nicht leicht. Schön ist es nicht, Hals- und Gesichtstumore und der Weg des Sterbens an sich und in so einem Fall besonders. Manchmal denke ich, dass schon der Gedanke des Todes mich trauern lässt, auch wenn die Personen, z.B. Eltern noch leben. Das geht mir beim Meditieren oft so, es sind vielleicht Gefühle, die ich sonst wegdrücke oder nicht zulasse. Es ist die Vorstellung, dass wir alle Staub sind, mit der ich meine Probleme habe, aber wenn das alles gut so und der Gang der Dinge sein soll, blah, blah, sage ich nur. Scheiße ich das, wenn man mich fragt.

Ich bekomme einen Brief vom Vermieter für eine Betreute „zur Kenntnis“:  „Beschwerde über Ihr Wohnverhalten“. Sehr geehrte Frau W., uns ist mitgeteilt worden, dass Sie andere Mieter im Haus belästigen. Sie beleidigen andere Mieter im Vorbeigehen und haben sogar gegen deren Wohnungstür gespuckt. Auch sollen Sie desöfteren bei Ihren Nachbarn grundlos sturmgeklingelt haben. Die übrigen Mieter des Hauses fühlen sich dadurch zu Recht sehr gestört. Wir fordern Sie auf, dieses Verhalten umgehend zu unterlassen und sich dem Zusammenleben in Mehrfamilienhaus entsprechend zu verhalten. Sollten Sie dieses Schreiben unbeachtet lassen, werden wir mietrechtlichen Maßnahmen ergreifen! MfG

Ich rufe sie an. Sie hat mit den Nachbarn unter ihr einen Konflikt, weil diese 2008 gedroht hatten, sie einweisen zu lassen und sie sagt manchmal „ihr taugt nichts“, wenn sie dort an der Tür im Treppenhaus vorbei geht. Das hört aber keiner. Sturmklingeln waren wohl die Kinder von unten. Sie wird sich noch mehr zusammen reißen müssen ist ihr Fazit. Ich biete auch Aussprache an, aber sie befürchtet, dass es dadurch noch mehr eskaliert.

Elisabeth geht das Geld aus und sie ist schlecht drauf. Alles klappt nicht, selbst beim Straßenbahnfahren bekommt sie immer Probleme und, dass ihr alter Arzt sie nicht wieder haben will als Patientin und ihr das nicht direkt gesagt hat, beleidigt sie zusätzlich. Als sie gegangen ist, rufe ich an und erfahre, dass sie nicht bei der Spritze war, sondern zuletzt am 10.09. Sie hatte noch gesagt, dass sie die nicht nehmen müsse, sondern freiwillig nehme. Das hatte mich hellhörig gemacht.

Bettnachbarin von Frau J., die ins Wohnheim (geschlossene Unterbringung) soll ruft an und wollte mir nur mitteilen, dass sie jetzt ein Schreiben an das Bundesverfassungsgericht eingereicht haben und dass ich meine Kompetenzen überschreite und auf welcher Rechtsgrundlage ich die Wohnung „wegschießen“ wolle und dass ich „um meine Zulassung bangen“ und mit einem fetten Schadensersatzprozess rechnen soll. Sehr charmant. Ich sage nur: „alles klar“.

Ich habe von unseren Freundinnen so tolle Geschenke bekommen, nämlich die gesüßte Kondensmilch aus Frankreich, die ich mir so gewünscht habe. Vor lauter Suchtdruck, wollte ich Samstag Stephan schon zu Edeka schicken und rückfällig werden mit Nestle und ein lustiges Buch über Stilblüten.

DSC01381DSC01382

Nachmittags kommt Herr Maßregelvollzug mit einem großen, unvorteilhaften Koffer. Ich bin diesmal alleine mit ihm. Er breitet alle möglichen Schriftstücke und Joghurtdrinks auf meinem Schreibtisch aus und entschuldigt sich zugleich mit den Worten. „Sie glauben gar nicht, wie schnell ich das wieder eingepackt habe“. Er wurde zur Erprobung entlassen und wenn alles gut geht, darf er sich Montag ummelden. Er will keinen Hausbesuch durch die Klinik, das lehnt er strickt ab, wenn dann durch mich, habe er denen gesagt. So darf ich Freitag zu dem Kumpel in dessen 1-Zimmer-Wohnung und mir einen Eindruck davon verschaffen, wie Herr Maßregelvollzug in dessen Küche schläft. Den Kumpel muss ich am Telefon noch überzeugen und ihm sagen, dass es nicht meine Idee ist und ich nicht die Wohnungsnanny bin, die Staubschichten kontrolliert, sondern es mache um meinem Schützling einen Gefallen zu tun und der Klinik zu bestätigen, dass alles in Ordnung ist, damit er dann ins Probewohnen entlassen werden kann. Ich komme mir irgendwie vor wie ein Held des Tages, dass ich mich in die Höhle des Maßregelvollzuges traue, quasi Vorstufe zu Hannibal Lector. Wenn ich Angst hätte, dürfte ich den Job nicht machen. Cesar Millan hat auch keine Hundephobie. Meiner ist ein Maulheld, d.h. er provoziert gerne und sagt auch in diesem Nachmittag Dinge wie „die müsste auch schon den Arsch zugekniffen haben. Diese Rumäninnen sind ja immer schnell verbraucht“, aber hier gilt der alte Kinderreim: „sticks and stones may break my bones, but names will never hurt me“. Er hat eine stark eingeschränkte Lungenfunktion und keucht sich die Lunge aus dem Hals, wenn er sich zu mir in den zweiten Stock hoch kämpft mit seinem Koffer mit den Habseiligkeiten. Alles ist Steintor, auch das Bürgeramt in der Leinstraße, weil auf dem Parkplatz die ganzen Luder parken, wenn man ihn fragt und wenn ich mir überlege, wer mir nah ist, dann natürlich meine Familie, aber z.B. mein Bruder führt sein eigenes Leben und die Berührungspunkte sind nur vereinzelt. Es sind schon diese Randgestalten, um die ich mich kümmere, die mir auch sehr nah sind, weil ich tagtäglich mein Leben mit ihnen teile und das überwiegend gerne und freiwillig. Vielleicht sind sie Kinderersatz. Keine Ahnung.