04.10. Etwas arbeiten musste ich, wollte ich auch, damit man den Brückentag voll spürt. Der Mann mit der Erbschaft im Ruhrgebiet und der Wohnbetreuer kommen vorbei und ich mache ganz viele Kopien und schreibe die Sparkasse an. Nachmittags kommt mein Betreuter aus dem Maßregelvollzug zu Besuch. Das ist mal was echt Neues. Nach 8 Jahren weggesperrt sein, gewähren sie ihm jetzt großzügig Ausgang und er ist mit Tageskarten viel unterwegs. Ich bin leicht angespannt, nicht wirklich. Ich informiere nur Stephan, dass er in Rufbereitschaft ist, falls was Komisches passiert, was ich nicht glaube, aber gehe davon aus, dass ich alleine sein werde im Büro, weil mein Kollege heute offiziell gar nicht arbeitet. Er ist aber da und macht sogar die Tür auf und sagt mir dann, dass Herr B. da sei und erst mal „Druck ablassen musste“. Er ist auf Toilette. Er hat Papiere dabei zur Klärung seines Rentenkontos und ich helfe dabei. Skurril ist, dass er noch nie auf Lohnsteuerkarte gearbeitet hat, also geben wir Schweißkurse in der JVA Meppen in den 80er Jahren an und wollen mal schauen, ob das Beiträge bringen kann. Er macht sich demonstrativ den Gürtel auf und ich denke erst, will er jetzt die Hose vor mir runter lassen, aber das dient dazu, die Stofftasche quasi durch den Gürtel zu fädeln und so besonders zu sichern. In einem Haus der Diakonie, einschlägig bekannt, will er sich eine Meldeadresse besorgen. Danach muss ich los, in die Innenstadt. Wir treffen wir eine Freundin, Susann, am Hauptbahnhof und wollen einen Kaffee trinken, damit wir uns wenigstens kurz sehen. Da es maximal nahe sein soll, landen wir in einem schlimmen Laden direkt im Bahnhof, sitzen aber vor der Tür. Die Grapefruit-Limonade besteht aus Eiswasser mit Zuckersirup, auch nicht weiter überraschend. Es ist eine alte Freundin, die in Köln wohnt. Sie kommt gerade aus Berlin, wo sie beruflich mit Promis und Semi-Promis zu tun hatte und mir einige Handy-Fotos zeigt mir ihr und den Menschen, die man aus dem Fernsehen kennt und sie will weiter zu ihrer Oma. Ich freue mich, sie zu sehen. Sie ist immer so unverändert und ich erinnere mich an die Zeiten als sie in Hannover gewohnt hat und für uns gekocht hat. Kohleintopf mit Bier gab es im Winter. Sie hat immer alles so perfekt dekoriert und hat gerne Mottoveranstaltungen gemacht, d.h. spanischen Abend z.B. Wir sind aber auch gerne Essen gegangen oder überhaupt ausgegangen. Sie hatte eine sehr beachtliche Feierkondition und als sie nach Köln gezogen ist, hat sie sich oft beschwert, wenn die Läden um 3 oder 4 Uhr morgens zu gemacht haben und auf Hannover verwiesen. Hier wurde es höchstens mal eng, wenn sie nach der Glocksee morgens um 6 dann bei Chéz Heinz weiter machen wollte, die aber keine Lust mehr hatten. Ich kaufe noch einen Satz neue Bettwäsche mit Stephan und 2 neue Spannbettlacken und freue mich wie verrückt. Dann noch mal ins Büro und dann zum Sport.
Es gibt zwei Arten von Menschen auf dem Fahrrad, welche mit Helm und welche ohne. Die sind nicht nur rein äußerlich voneinander zu unterscheiden, sondern auch charakterlich. Davon bin ich fest überzeugt. Ich bin von der Fraktion „lieber tot als Helm“. Dann gibt es wiederum die, die das neuerliche Helmtragen damit begründen, dass sie ihren Kindern ein gutes Vorbild sein müssen. Das kann ich nicht durchgehen lassen als Begründung bzw. das ist diese neumodische Erziehung, bei der Einiges schief läuft. Der Rudelführer bestimmt die Regeln und wenn er zum Grundschülerkind sagt, ich will, dass Du einen Helm trägst, weil Du noch nicht so gut fährst und im Straßenverkehr noch nicht so erfahren bist wie ein Erwachsener, dann müsste das doch auch so ausreichen. Punkt. Gleiche Regeln für alle? Darf der Vater dann auch keinen Alkohol trinken oder muss ggfls. dem Kind davon auch was abgeben? Verstehe ich nicht, verstehe ich nicht. Das Ganze hat auch gar nichts mit sonderlich autoritärer Erziehung zu tun, aber es ist nun mal so, dass es hier Unterschiede gibt und diese zu nivellieren bringt dem Kind auch nichts, meiner Meinung nach. Es führt zu einer Orientierungslosigkeit und einer Überforderung des Kindes, das denkt, es sei der Nabel der Welt und von ihm hingen die Dinge ab. Das will man als Kind gar nicht, sondern man will, dass eine Richtung vorgeben wird und man will folgen, dem nach laufen. Ganz normal. Wenn man erwachsen ist, kann man seine eigenen Regeln machen. So, Ende des Vortrages der Kinderlosen.
Wir fahren mit dem Taxi ins Tropeano, weil wir beide Lust haben auf die Lasagnette mit Zicklein. Es gibt auch noch eine leckere Vorspeise: Kalbsleber, zum Hinknien und einen deftigen Wirsingeintopf.
Wir kommen mit dem neuen Azubi ins Gespräch, der immer mehr auftaut und uns von Anfang an sympathisch war. Ich überlege zum zweiten Nachtisch noch mal die Leber und eine Kugel Schokoladeneis zu bestellen und er meldet mir, dass die Küche noch besetzt und meine Bestellung daher möglich sei. Es stellt sich heraus, dass er erst 16 ist. Das kann ich kaum glauben. Ich mache heute oft die Erfahrung, dass 23-Jährige noch ganz klein (also nicht körperlich, da sind sie groß und haben viele Muskeln, aber geistig) und unreif sind und nichts von der Welt wissen. Dieser junge Mann wirkt hingegen viel älter und erst recht älter als 16! ich frage, warum er sich das antut und sich in dem zarten Alter ins Erwachsenenleben stürzt. Mit Studium bis Ende 30 könnte man doch die Schonzeit noch so lange hinziehen und sich vor der Erwachsenenwelt drücken. Er sagt, Schule war nicht so seins, als Legastheniker. Ihm liegt das Praktische. Er sei früher mit seinen Eltern hier essen gewesen (die nehmen auch immer Zicklein, so dass Stephan schon fragt, ob wir die kennen lernen sollten) und die hätten ihm gesagt, dass Herr Tropeano jemanden sucht und das wäre doch was für ihn und dann hatte er am nächsten Tag, Sonntag das Vorstellungsgespräch und hat Dienstag angefangen. Wenn er hier fertig sei, stünde ihm die ganze Welt offen wegen des guten Rufes des Ladens. Dann könne er auf Sylt arbeiten. Ich frage ihn, was er da wolle. Die seien verpoppert. Das muss ich ihm dann allerdings erklären. Männer in rosa Polo-Hemden, sich schnöselig seien. Seine Eltern haben da ein Haus. Trotzdem war es vielleicht gut, dass ich ihn vorwarne.
Auf dem Hinweg haben wir einen Rentnertaxifahrer, der sehr schlecht deutsch und fährt wie ein Rentner, umständlich, versteht den Straßennamen nicht, weiß nicht, wie man ihn schreibt, versteht die Buchstaben sind. Diskussion zwecklos, weil man sich wechselseitig nicht versteht. Er hat auch vergessen die Uhr anzumachen, wie ihm am Aegi auffällt. Zum Glück sind wir keine Arschlöcher und wissen was die Strecke kostet und er bekommt seinen Lohn. Er hat was (abgesehen von den sprachlichen Einschränkungen) von Marcel Reich-Ranitzki, als wäre es aus dem Grab auferstanden. Das tut mir wirklich leid, dass der gestorben ist. So ein cooler Typ. Neulich habe ich erst Jugendfotos von dem gesehen. Echt süß. Auf dem Rückweg haben wir auch einen sehr speziellen Fahrer, der seit 3 Tagen in Rente ist, wie er uns gleich beim Einsteigen mitteilt und viel klagt, d.h. prozessiert und dann auch die jeweiligen Anwälte namentlich nennt und bewertet, die ihn vertreten haben. Derzeit ginge es um den Rentenbescheid (viel zu wenig, nur knapp über 200,- €). Stephan erzählt, dass er einen Termin bei der Rentenversicherung zur Klärung des Kontos habe. „Das können Sie vergessen“, ist seine spontane Reaktion und „Musterklage einreichen“ und dann klagt er vor dem Verwaltungsgericht auf Erteilung eines Jagderlaubnis für eine bestimmte Gegend, Gifhorn oder was weiß ich. Der Anwalt hat das Mandat niedergelegt, weil er sich so lange nicht gemeldet habe. Das könne er verstehen. Er war Niedersachsens erster Wehrdienstverweigerer, der eine jagdliche Ausbildung mit diversen Waffenscheinen und einem Jagdschein gemacht hat. Er richtiges Hannoveraner Original der Typ.
05.10. Ich kann Cocooning. Ich bastele an diesem Samstag 14 Stunden lang non-stop und das im Nachthemd und Morgenmantel. Den ganzen Tag in der Nachtgarderobe und dann abends gleich wieder damit ins Bett. Herrlich. In der ganzen Wohnung verstreut die Bastelmaterialien und kleine Haufen mit sortierten Unterlagen. Es sieht aus wie nach einer Katastrophe. Am Ende des Wochenendes bedanke ich mich bei meinem Rücken, der sogar die Bastelsession des nächsten Tages, die sich nahtlos anschließt unbeschadet übersteht, d.h. ich fühle mich etwas steif, aber andere müssten zur manuellen Therapie, wenn sie so abartig über einen Tisch gebeugt über 20 Stunden gestanden hätten. Brav ist mein Körper.
Stephan bringt mir einen Brief von Sunla aus Wien, über den ich mich so freue. Schon der Umschlag ist die reinste Freude und beeinflusst gleich mein Basteln, zumal ich bei einem Schäferhund, bei dem das Bild am Ohr etwas zerstört ist (Papier ausgerissen) auch mit rot Blutstropfen ran male und mich über den Effekt freue.
Der Inhalt und Text dann auch. Ich lache über den Traum, den sie mir beschreibt und denke zurück an die Zeit als sie mir gezeigt hat, wie man ein Atelier macht und wir einfach losgelegt haben in unserer jetzigen Wohnung, weil die Sanierung erst durch das Amtsgericht geklärt werden musste und wir leider querulatorische Miteigentümer hatten, die sich an mündliche Absprachen und beschlossenes Vorgehen nicht erinnern wollten und einfach eingezogen sind auf die Baustelle und alles blockiert haben. Wenn wir anderen Miteigentümer 2 mal im Jahr im Garten gegrillt haben, haben sie die Polizei gerufen, derart eskaliert war das in vielerlei Hinsicht mit einem entsprechenden Frust, auch auf unserer Seite. Constantin, Stephans Patenkind hatten wir auf unsere Baustelle einziehen lassen und er bewohnte die Gartenseite der Wohnung. Geheizt wurde mit Bauöffen aus dem Baumarkt. Hier war Sunls Idee, wir machen ein Sommeratelier in den anderen Räume, zur Straße hin, Stephans jetzigem Arbeitszimmer und das haben wir dann getan und auch Wochenendweise wie manisch gebastelt und gemalt und damals war schon die Feststellung von Sunla, dass es unglaublich sei, in was für abartigen Haltungen ich tagelang basteln könnte. Wir haben nicht die ganze Zeit gequatscht, sondern nebeneinander her gearbeitet und Musik gehört, aber unsere wechselseitige Gesellschaft genossen und uns gegenseitig angeregt. Constantin fing dann auch an zu Basteln oder er hat sich inspirieren lassen und es war eine willkommene Abwechslung, wenn er uns besucht hat. Dann hatten mal wir einen Stift, mit dem man auf abwischbar Glas schreiben konnte und Sunla hat „Zsycho“ in großen Lettern die Scheibe zur Straße geschrieben in weißer Schrift. Wir haben sehr gelacht und waren richtig befreit. Unsere Geschichte ging auch weiter nach ihrem Wegzug und jetzt besuchen wir sie in Wien und feiern Fasching zusammen und stehen nachts betrunken am Würstelstand, wie sich das gehört. Sie hat mit ihrem Freund eine herrliche Wohnung im Bezirk Favoriten am Antonsplatz und morgens kann ich in den Park vor der Kirche hinüber schauen und die Gassigeher beobachten. Da gibt es immer was zu sehen. Dann steht Sunla morgens auf, macht Kaffee und wir gehen vielleicht zusammen zum Yoga. Hier ist allerdings immer wenig Zeit zum Basteln, was mich wehmütig stimmt, weil die Kaffeehäuser und die anderen Attraktionen der Stadt Wien mich untreu werden lassen. Trotzdem sind alle diese Dinge in meinem Herzen.
06.10. Es ist wieder Wahlsonntag und ich bin wieder zum Nähen bei Steffi verabredet. Erst mal klingelt der Wecker um 7:30 Uhr und während Stephan ohne Kaffee mit Verspätung ins Wahlbüro geht, mache ich mich weiter ans Kalenderbasteln wie am Vortag und ziehe mich gar nicht erst an. Dann das große Aufräumen und selber zur Wahl gehen (das würde sonst auffallen). Ich hatte zwar vorher gesagt, es wird doch eh der Schostok, weil wir einen SPD-OB bekommen, wie sonst auch. Kann man sich die Wahl dann nicht sparen? Aber geht wohl nicht. Stephan fragt sich andere Dinge, ob man theoretisch das Wahlbüro früher schließen kann, wenn alle Wahlberechtigten ihre Stimme bereits abgegeben haben und auf dem Zettel abgehackt sind (eher eine theoretische Frage). Auf dem Weg ins Wahlbüro sehe ich einen Typen, der mir sympathisch ist, nicht nur, weil er gut aussieht in graumeliert. Es ist was anderes und einmal mehr hat es was mit Cesar Millan zu tun. Der hat manchmal Fälle, in denen das Tier (ein kleiner Mischlingshund) keinen Respekt vor dem Besitzer hat, weil dieser es nicht geschafft hat, sich diesen zu verschaffen, u.a. dadurch, dass keine Regeln aufgestellt wurden und der Hund daher geglaubt hat,er müsse sich um die Dinge kümmern, was dann zu unerwünschtem Verhalten des Tieres führt (durch Ankläffen von Besuchern einer Galerie, diese versuchen zu vertreiben um damit die Räumlichkeiten zu verteidigen in diesem Fall). Cesar holte dann seine Pack-Members, d.h. wohlerzogene Hunde, die ihm gehören u.a. Junior, einen Pitbull und 2-3 andere große Hunde und forderte die Galeristin auf, diese an der Leine zu führen so nach dem Motto, wenn ihr Hund das sieht, dann nimmt er sie mehr ernst, hat Respekt vor ihr, es macht Eindruck auf ihn, dass diese großen Hunde ihr folgen und sie sie führen kann. Zurück zu dem Typen. Der hatte 2-3 Mädchen bei sich zwischen 7-12 Jahren, die sich auch interessiert nach mir umgedreht haben und die den Eindruck machen, dass sie ihm gerne folgen und gerne mit ihm sind und das wiederum wirkt vertrauenserweckend auf mich, das ich denke, der ist Frauen- und Mädchenversteher und den mag ich dann auch und will ihn kennen lernen und vertraue ihm jetzt schon nur durch das was ich sehe.
Ich fahre jedoch weiter mit zwei großen Beuteln zum Nähen. Steffi will Reparturarbeiten machen an einer braunen Lebertasche, die sie samt Gebämsel aus meiner Sammlung übernommen hat.
Wir schenken uns wechselseitig Sachen, da wir beide eine ausgeprägte Vorliebe für Retro-Sachen haben und original alte Dinge zu schätzen wissen. Eine Eigenschaft, die sich nicht häufig finden lässt. Ich habe ein weinrotes Kleid aus San Francisco mit einem Reißverschluss und zwei großen Taschen vorne, was ich nie trage, weil es mir nicht steht, was ich lange nicht einsehen wollte. Ich bin glücklich, dass es hier gewertschätzt wird und ein neues Zuhause findet. Steffi kommt an diesem Tag kaum zu ihren Handnäharbeiten, weil sie eine Näharbeit nach der anderen für mich erledigen muss. Es geht um zwei Polyesterkleider, die zu weit sind und nicht sitzen. Früher hätte ich sie einfach so getragen, aber Steffi hat mir gezeigt, dass man sich damit nicht abfinden muss und sie passt jedes Kleidungsstück minutiös ihrer Figur an und seitdem mag ich die Säcke auch nicht mehr tragen und bin hier kritischer geworden. Sie steckt die Kleider liebevoll und gewissenhaft vor dem Spiegel ab und näht sie dann an der Maschine für mich und bügelt sie noch aus. Ich kann in der Zeit was anderes für mich machen und so wird doppelt für mich gearbeitet. Dann geht sie auch kurz wählen, berichtet mir, dass sie meinen Kollegen betroffen hat, den ich im Urlaub wähnte und wir beschließen eine Fortsetzung und da habe ich mir fest vorgenommen, sie mehr in Ruhe zu lassen. Beschwerden gab es allerdings keine.
Freitag bis Sonntag, jeden Tag eine Freundin und alle drei gutaussehend. Ich muss an die Serie Charlies Angels denken (3 Engel für Charlie auf Deutsch), die ich wahnsinnig gerne geguckt habe Ende der 70er Jahre in den USA und es passt auch, weil die Hoch-Zeit der Serie war die mit Farrah Fawcett-Majors, Kate Jackson und Jaclyn Smith, also zwei dunkelhaarigen Engeln und einem blonden und so ist das auch bei meinen Freundinnen und alle haben lange Haare. Das Bild gefällt mir. Ich bin Charlie, ne eher Bosley, weil ich sie ja in Echt sehe nur, dass meine Engel viel szeniger und cooler sind und nicht so spießig wie die Originale, aber ich würde sie gerne mal so zurecht machen für ein Gruppenfotos á la Charlies Angels. In meinem Kopf geht das schon mal prima.