13.08. Vor der Abreise

13 Uhr. Der ganz schwierige wöchentliche Besuch ist am Telefon. Eine Mischung aus Elisabeth Taylor, aber in alt und Dieter Degowksi. Sie ist heute um 15 Uhr bei mir angemeldet. Es ist 13 Uhr. Das Telefon klingelt und sie sagt: „Frau Arnhold ich bin hier gerade bei der Spritze, der I N J E K T I O N und da sagt man mir, dass ich eine halbe oder Dreiviertelstunde warten muss. Dann heißt es eine Stunde. Was soll ich tun?“ Meine Antwort: warten. Sie: „O.k. dann bis nachher um 3“. Boah, das war knapp, aber Furchtlosigkeit ist das einzige was hilft.

Sie sieht den Mitarbeiter und will schon abdrehen im Treppenhaus und schaut ganz grimmig. Dann komme ich an die Tür und sie strahlt und läuft auf mich zu. Ich frage nach der Spritze und sie zeigt mir ihr Pflaster am Oberarm. Sie ist jetzt bei der Bethlehemkirche in Herrenhausen. Die sind alle voll nett. Sie war heute ihre geschenkte Tasse abholen aus dem Spint und hat den Schlüssel zurück gegeben und sich das Pfand geben lassen, weil sie da nicht mehr hin gehen will, weil da sind lauter „iranische Powerfrauen, die kochen lernen wollen“ (gemeint war einer der Sozialläden für Frauen). Der Bruder hat neue Freundin mit dünnen Beinen, der macht zu viel Bodybuilding und sieht ganz aufgebläht aus. Das gefällt ihr nicht. Außerdem hat er ihre Kette, die 300,- € gekostet hat und will sie nicht wieder rausgeben. Sie schaut jetzt immer schon, ob „sie“ die Kette umhat und fragt sich, was sie Weihnachten machen wird, geht sie dort hin d.h. zu ihrer Familie, wird sie vielleicht die Freundin anmachen, die wird heulen und ihr „leiblicher Vater wird ihr eine knallen oder sie rausschmeißen“. Er will sie an die Volksmudschaheddin geben. Die Freundin vom Bruder hat ein Fahrrad mit dem gleichen roten Rahmen wie ihres, an die gleiche Laterne gestellt, sie will sie nachmachen. Sie will die Mutter Weihnachten nicht allein lassen oder die Katze nicht. Der könnte sie einen Fisch kaufen. Sie will zur Massage und sich die Beine locken lassen. Sie war jetzt bei der Kopfmassage für 6,- € bei den Trionauten hat sie das machen lassen. Erst war das Wasser ganz heiß, das war nicht so schön. Sie will heute den 50,- € Schein, der hält länger, da muss sie nicht zu ihrer Mutter und nach Geld fragen und die Farbe gefällt ihr besser. Vor blau hat sie eher Angst. Sie bekommt mit, wie ich mit einer Kollegin telefoniere und der sage, dass wir keine Rechtsstreitigkeiten vor dem Amtsgericht Braunschweig führen bei einem Streitwert von 50,- € wegen Mitgliedsbeiträge für den Mieterschutzbund und meine ist nicht prozessfähig und wenn sie da jetzt eine utopische Widerklage einreicht mit einem Wahnsinnstreitwert und ihr Geld nicht bekommt, dann habe ich kein Mitleid, weil die Betreuung war bekannt bei ihr im Hause und da muss man überlegen, was für Mandate man annimmt. Apropos Mieterschutzbund meine hat ein Werbeprospekt in DIN-A4 von genau denen dabei und zeigt mir den im Anschluss an mein Gespräch und will wissen, ob sie da Mitglied werden soll. Ich sage, bloß nicht, haben sie doch gerade gehört. Sie haben doch mich. Ja, das hätten die vom Mieterschutzbund ihr auch gesagt. Bevor sie geht drückt sie mir eine Plastiktüte in die Hand. Das sei ein Geschenk, was ich hinstellen kann. Ich sage, ich will es nicht, der Mutter schenken, wieder mitnehmen. Keine Chance. Es ist ein kleines Plastikgebäude, wie für ein Aquarium oder Spielzeugeisenbahndeko, schlecht gearbeitet ohne Ende. Man soll es aber offenkundig nicht im Aquarium versunken, sondern tatsächlich aufstellen, weil es einen Untergrund aus grünem Filz hat. Sie fragt mich: haben Sie es nicht erkannt? Es ist das Opernhaus, aber in hässlich, aber wie. Hannover steht davor auf den Sockel geschrieben.

Hannovers Plastik Oper

Bevor ich mein Büro schließe darf ich noch einen sehr wütenden Türken am Telefon besänftigen, dem ich ein Fax geschickt habe auf meinem Briefpapier, weil der Ausweis von Stephan nicht an Land kommt und der Typ telefonisch nicht mehr zu erreichen war und auch nicht – wie zugesagt – zurück gerufen hat und ich sagte: der verarscht Dich. Der aufgebrachte Türke: Mein Mandant (Stephan) wäre ein 46-jähriges Kind, was seinen Ausweis unter der Werbung auf dem Tresen liegen gelassen habe (Anm.: das schließe ich aus und ich kenn das Kind seit über 25 Jahren) und sage, eher im Kopierer oder und jetzt wäre er so nett gewesen, den zu schicken und jetzt hat das nicht geklappt und er hat die Post zurück bekommen, aber Fehler hat er auch keinen gemacht und jetzt ist er sauer, weil er ein Drohfax bekommt und Kundschaft hat und bringt den Ausweis zur Polizeidienststelle, welche weiß er noch nicht. Ständig werden Ausweise dort liegen gelassen (!!??) und die kommen sogar in Korea an und man bedankt sich und jetzt der anwaltliche Drohbrief. Eine Frechheit. So nett hat man sich über das Abnehmen unterhalten. Er erinnert sich noch. Ich sage, das klingt nun auch nicht sonderlich erwachsen, seine Reaktion und was haben deutschen Ordnungsbehörden damit zu tun, wenn er seinen Bürokram nicht auf die Reihe kriegt und nicht zusieht, dass er Ausweise wieder zurück gibt nach dem Kopieren, wenn das ständig passiert würde ich mir da an seiner Stelle Gedanken drüber machen. Ich einige mich darauf, dass ich ihm jetzt einen frankierten Rückumschlag schicke und er ihn nur noch rein machen muss. Uuh, da können wir die Fahrradleihe wohl vergessen wenn wir mal wieder in der Hauptstadt sind. Zum Glück gibt es noch mehr Spätkäufe von denen man Drahtesel leihen kann. Stephan hat ohnehin Knieschmerzen, weil der Sattel falsch eingestellt war.

Mal sehen, ob nach der Reise der Ausweis wieder in unserer Obhut ist. Zum Glück hat das Kind noch einen Pass.

Schreibe einen Kommentar