Ein Freund, der gerade gesundheitliche Probleme hat und mich nach dem Arzt gefragt hat, der mir damals geholfen hat, löst ein Déjà-Vu bei mir aus. Ich hatte die Tage schon daran denken müssen, weil damals auch mein Geruchssinn abhanden gekommen war und auch ca. 2 Jahre weg blieb bis er zum Glück wieder kam. Die jetzige Erkältung hat bei mir alles so verstopft, dass ich panisch die Seife direkt unter meine Nase halte um zu prüfen, ob ich was feststellen kann und ja, ganz schwach merke ich was, also nicht ganz weg. Nicht wie damals, da habe ich Stuhlgang und Parfum nicht riechen können und zwar null und habe dann gemerkt, dass dieser Sinn sich wohl verabschiedet hat. Als Stephan mich mit Transpulmin einreibt und ich das irgendwie nicht richtig rieche, denke ich an damals.
Damals war ich in der Probezeit in einer Hamburger Großkanzlei. Ich fühlte mich wahnsinnig unfit und musste immer so schnell ich konnte laufen um mit den Kollegen mitzuhalten auf dem Weg in die Gruner und Jahr Kantine nebenan und hatte Wadenschmerzen. Ich dachte, Bürojob und jetzt bist Du so unfit…. Ich hatte eine Grippe und Fieber und habe nur an den Wochenenden krank gemacht und bin sonst zur Arbeit. Jede Nacht geschwitzt, immer abends um 8 Uhr ins Bett. Ich konnte dann die Strumpfhose morgens nicht mehr im Stehen anziehen, sonst musste mich auf die Bettkante setzen und musste an der Ampelschaltung Schlump z.B. warten, wenn die Ampelphase schon auf grün war, weil ich wusste, dass ich das nicht schaffen würde (das war deprimierend) und Treppen steigen konnte ich auch nicht mehr und habe mich an den Armen am Geländer hochzuzogen. Ganz schön traurig, aber viel Verdrängung war im Spiel. Ich war am Wochenende des 1. Mai in Hannover und konnte nicht mehr. Montag bin ich zum Hausarzt und der meinte gleich, es sei was Neurologisches. Es war eine Lähmung der großen Beinmuskeln, deswegen hatte ich auch Muskelkater in den Waden, weil die das mit übernehmen mussten beim Gehen. Es folgte Krankenhausaufenthalt und viel Diagnostik. Die Lumbalpunktion lief so ab, dass der erste Arzt es nicht hinbekommen hat und es sich anfühlte als würde einen jemand in den Rücken stechen (was ja auch passiert), aber eher so mit einem Dolch, wie im Krimi. Der setzte noch mal an ohne Ergebnis. Der jungen Frau ist es dann gleich gelungen. Es folgten Tage der Hölle, weil einem leider keiner sagt, was das für Kopfschmerzen macht. Man liegt flach auf der Matratze und beobachtet die eigenen Haare, wie sie auf dem Kopfkissen liegen. Ich habe anschließend Bilder gemalt, die aussehen sollten wie Komikbakterien mit Haaren unter der Abdeckplatte unter dem Mikroskop, wenn die so platt gedrückt werden, weil so fühlte sich das an. Sie sahen vielleicht ein bisschen so aus wie Babamama und Babapapa. Ich habe viel getuscht als die Kopfschmerzphase vorbei war und das haben die auch in meine Akte reingeschrieben. „Patientin geht es gut, sie bastelt“. Die Lähmung ging weg, weil ich an einen begnadeten Arzt geraten bin, der nach einer halben Stunde mit Infusionen begonnen hat, wo ich zuvor 2 Wochen im Nordstadtkrankenhaus gequält wurde. Ich sage nur Nervenleitgeschwindigkeit messen mit Nadeln in den Beinen, an denen gerührt wird während sie im Fleisch stecken. Die Räume sind im Keller, damit man die Schreie nicht hört. Ich bin gegangen, als man im Nordstadtkrankenhaus meine Blase spiegeln wollte (das Sammeln meines Urins und Untersuchung war ohne Befund), weil ich bemerkt hatte, dass ich immer aufs Klo muss, wenn ich mich hinlege, auch nur kurze Zeit z.B. beim Mittagschlaf. Mein Bruder studierte damals noch Medizin und sagte, wenn die Beine gelähmt sind, wird die Flüssigkeit nicht richtig abtransportiert und wenn man liegt, fließt sie in den Körper und dann in die Blase und man muss aufs Klo. Das leuchtete ein und ich dachte, wenn die geballte Krankenhauskompetenz da nicht drauf kommt, dann können die mich mal. Der niedergelassene Arzt hatte modernere Geräte als das Krankenhaus (was mir sehr zu denken gab) und musste lachen als ich beim Wort Nervenleitgeschwindigkeit messen panisch guckte, weil das hier schmerzfrei mit Elektroden von statten ging. Jede Infusion hat so viel gekostet wie ein Kleinwagen und es war eine durchsichtige, klebrige Flüssigkeit, die aus Blutspenden, ich meine dem Plasma gewonnen wird. Man hat sich total fit gefühlt danach und brauchte nur 3 Stunden Schlaf. Die allerbeste Droge, die ich je genommen habe. Ich konnte auch bald wieder alles, z.B. den Fuß heben und auch wieder gehen und Radfahren und nicht nur auf dem Rad geschoben werden (cooler als Rollstuhl).
Ohne Geruch war das auch ganz schön doof, weil ich nicht feststellen konnte, dass ich die Heißklebepistole noch eingesteckt war (das riecht man sonst). Ich hätte immer ganz schön viel vorgetäuscht beim Essen gehen, wie meine Freundin Claudia meinte, weil die Aromen sind ja alle weg, d.h. ob Zimteis oder Vanille, das schmeckt man nicht, nur süß. Ich habe gesagt, war nicht vorgetäuscht, ich bin halt so schlicht gestrickt, dass mir das Essen trotz der Einschränkungen so gefällt und das ist auch heute noch so, d.h. ich kann mich in Essen reinsteigern und es macht mir Spaß, ohne dass ich nun dieser begnadete Schmecker wäre, der alles raus schmecken und riechen kann. Darauf kommt es offenbar beim Vergnügen nur zum Teil an. Dass die Aromen zurück gekommen sind, zumindest so wie das bei mir halt ist, dafür bin ich unendlich dankbar, weil ich mag Vanillegeschmack viel mehr als nur süß. Ich hatte Glück, weil die Prognose eher negativ war, dass es meistens dann ganz weg bleibt.
So Kinder und nächstes Mal erzählt die Mutti eine andere Kriegsgeschichte vom perforierten Blinddarm und den Komplikationen und dem echten Krankenhaushorror, der sich über einen Monat hinzog. Hier hätten sie mich fast um die Ecke gebracht. Immer wieder aus der Notaufnahme weggeschickt und dann Not-OP. Das hat auch Schmerzensgeld gebracht und ich weiß seitdem, dass ich ganz schön hart im Nehmen bin. Nach der zweiten Notfalloperation sagte der Chefarzt, „ein Normaler wäre auf der Intensivstation gelandet“ und ich habe mir noch vorgeworfen, dass mir leicht übel war nachts nach der Narkose. Wie ein Stück Vieh wurde man von einem Metallbett aufs andere verladen, schemenhafte Wahrnehmung, weil noch halb in der Narkose. Da haben sie damals den Herzkatheter überprüft durch Röntgen, ob der richtig sitzt. Dass der so lang ist und wirklich bis zum Vorhof des Herzens geschoben wird, wusste ich erst, als ich beim Ziehen sagte, dass ich den gerne mitnehmen würde und die Schwester meinte, dass sie nicht wisse, ob sie so eine große Tüte da hätte!!?? Panik, aber dann war es ja auch schon vorbei, aber das ist eine andere Geschichte.
Ich fühle mich auf jeden Fall schon besser, wenn ich mir vor Augen führe, was alles schon war und was ich überstanden habe, dann ist so eine kleine Sommergrippe, doch nur lästig, wie ein Mückenstich.