Ich hatte immer schon ein Faible für Gliederungen. In vielerlei Hinsicht ist meine Logik stark beeinträchtigt bis behindert, z.B. bei der Orientierung, aber für wissenschaftliche Arbeiten eine Gliederung zu machen von I. bis 1. a, aa, aaa oder 800 Fußnoten in einen Text hinein zu arbeiten, das hat mir immer viel Spaß gemacht.
Die Buchstaben oben hingegen sind meine neue Art die Arbeitswoche einzuteilen, A ist Montag, B ist Dienstag und F. ist Freitag. E gibt es nicht.
A.
22.07. Ich bin morgens gerädert und habe gleich einen Termin mit Herrn T. in der sozialpsychiatrischen Beratungsstelle in Linden zur Hilfeplanung. Vorher muss ich jedoch meine Kette in Ordnung bringen, die in Berlin gebrochen war. Da konnte ich nicht die eigentlich passende zum Outfit anziehen, sondern 2. Wahl. Die Lindt & Sprüngli und die gehäkelte mit den Bambusperlen aus Plastik.
Jetzt ist die Welt wieder outfittechnisch in Ordnung. Herr T. hat Architektur studiert und auch mal in Berlin gelebt. Ich nehme ihm übel, dass er mir das „Du“ aufgezwungen hat, was ich geradezu wiederwillig mit ihm praktiziere. Das ist auch das erste und letzte Mal, dass mir das beruflich passiert ist. Er ist auf eine gewisse Art und Weise sehr schlau, aber lebensuntüchtig. Er berechnet ganz komplizierte Dinge, aber mit dem Ergebnis kann keiner was anfangen. Immer wenn wir in der Vergangenheit z.B. beim Jobcenter zu einem Termin verabredet waren, kam er völlig verschwitzt an. Er ist leicht zwängig und Hypochonder und hat immer alle möglichen Erbkrankheiten, Muskelschwund usw. Er sagt selber, dass er ein Problem damit habe, einzuschätzen, was seine Mitmenschen denken, fühlen und von ihm erwarten. Er sei im Job immer angeeckt und es habe im mitmenschlichen Bereich Probleme gegeben. 2010 gab es einen stationären Aufenthalt. Da hat er den anderen Patienten beigebracht, wie man ordentlich die Tische wischt und eindeckt, die Aschenbecher ausleert usw. und es gab auch dort – wen wundert’s? – Konflikte.
Letzten Sommer hat es sich zugespitzt, dass er nach einem Umzug nach über einem Jahr immer noch keinen Telefonanschluss hatte und sich immer mehr zurück gezogen hat. Wenn ich dann auf Spontanbesuch vorbeigeschaut habe, machte er mit tiefen, dunklen Rändern unter den Augen die Tür auf und fragte wie spät es sei und erschrak dann, was schon wieder 16 Uhr? Er wollte sich dann um ganz viel kümmern und am Ende blieb alles liegen, Schlafstörungen, Kaffee trinken, schon wieder war ein Tag rum. Es musste sich was tun. Ich holte ärztliche Hilfe ins Haus durch o.g. Beratungsstelle und das endete dann Anfang des Jahres in einer Hilfeplanung. Da eine sog. fachärztliche Stellungnahme, die hierfür erforderlich ist nicht vorlag, weil nur Hausarzt vorhanden, musste das vor Ort gemacht werden und ich war anwesend, was recht aufschlussreich für mich war. Wie Fliege an der Wand bei einem Therapiegespräch. Er berichtete als Kind ständig umgezogen zu sein mit seinen Eltern. Der Vater war beim Militär. Die Mutter hat ihn und seinen kleinen Bruder ständig und grundlos verprügelt. Sie hätte ihnen gesagt, dass fremde Erwachsenen Kinder nicht schlagen dürften, Eltern hingegen schon bzw. hier sei es sogar Pflicht und erforderlich, damit die Eltern sich abreagiere könnten. Wenn Muttern einkaufen war, hätten sein kleiner Bruder und er sich viele Schichten Klamotten übereinander gezogen und Bücher unter die Pullover gestopft, damit sie etwas gepolstert waren gegen die Schläge, die es dann setzen würde, wenn sie wieder kam. Da war die Ärztin nun der Meinung, dass sich so etwas schon auf die Empathiefähigkeit auswirken könne.
Fazit war, das es nicht nur ambulant betreutes Wohnen gab, sondern ambulante psychiatrische Pflege, was über die Krankenkasse läuft (andere Kostenstelle) und viel intensiver ist, da die täglich kommen. Nach einer Woche war Telefon vorhanden und er hatte Glück, wie er sagte, weil sein Pfleger auch gelernter Tischler war und ihm so mit dem Möbelaufbau und dem Einrichten der Wohnung behilflich sein konnte. Alles sehr gut, aber diese Maßnahme läuft Anfang August ab und dann greift das abW mit 1-2 besuchskontakten und dafür war das erneute Treffen am 22. erforderlich. Als die Ärztin ihm Ergotherapie vorgeschlagen hat um die Konzentration zu steigern, weil er wieder ins Berufsleben einsteigen möchte und das als Ziel angibt, guckte er so was von angewidert. Das kenne er aus der stationären Therapie. Das sei nur basteln, Tonarbeiten, Papier falten und Buch binden. Schwachsinn für den Papierkorb. Man höre es ja immer wieder, dass Rentner, die zeitlebens Kunstmaler waren nun im Altersheim in irgendwelchen Malgruppen sitzen und für den Papierkorb zeichnen und 3 Wochen später tot sind. Das war sein Resümee, also liebe Heike, anders als bei uns gibt es auch die Einschätzung, dass Basteln sehr gefährlich ist und man damit die Gesundheit aufs Spiel setzt. Ich habe das natürlich verteidigt und ihm meine Meinung dazu gesagt, dass es bis hin zum Arbeitsleben ein weiter Weg sei. Er meinte jedoch, das Ziel nicht mit diesen Mitteln erreichen zu können. Im Wartezimmer hat er mir gesagt, dass er seinen Vermieter mal ansprechen wollte und die Regenrinne flicken. Sich quasi einen kleinen Auftrag an Land ziehen.
Den restlichen Tag verbringe ich mit Post, meinem Eilantrag vor dem Sozialgericht und anderen Dingen. Etwas länger beschäftigt mich ist ein 17-seitiges ärztliches Gutachten, was mir Stephan aus dem Gerichtsfach holt. Da geht es um die dauerhafte Unterbringung einer Betreuten und der externe Gutachter schlägt vor, entweder alle paar Wochen, Wohnung aufbrechen und einweisen und mit einer Spritze zwangsbehandeln oder geschlossenes Wohnheim, aber nur ein geeignetes, da gäbe es viel Pflegemissstand und das gewählte Behandlungsmodell hänge vom Gusto der Betreuerin ab. Da habe ich aber noch ein paar Nachfragen und versuche den Gutachter zu erreichen. Er antwortet auf meine mail, dass dies am bestens abends ab 18 Uhr möglich sein. Ich merke abends, um ca. 18 Uhr wie viel Extrazeit ich diese Woche habe, da mein Sportstudio zu hat. Nicht jeden Abend dort hinhetzen, sondern ich kann in Ruhe arbeiten und dann etwas schreiben.
