23.04. Paps freut sich über mein Buch. Dann ruft der Hausarzt von Frau Tod zurück. Ich hatte ihn Anfang letzter Woche ein Fax geschickt. Das ist ja jetzt schon ein halbes Jahr her bei dem was da alles passiert ist seither.
Heute kommt mir das duzen wieder unpassend vor. Habe ich so weniger Autorität? Ihr geht es „blendend“, sie ist noch voll manisch und alle auf Station brauchen einen Anwalt und wie viele schlechte Betreuer es gibt. Da muss sie an die Presse und ich kann ihren entsprechenden Kontakt in Garbsen schon mal anrufen. Ach nee, lass ma. Irgendwie bin ich heute ernüchtert. Ich merke, wie krank sie doch ist. Sie weiß nicht mehr genau wann und wie sie auf Station gekommen ist.
Auf dem Weg zum Termin sehe ich Norbert, den Drucker der Hanomag aus unserer Jugend. Es ist wie gestern, aber er ist grau und steht gebückt mit einem Rollator an der Bushaltestelle. Das darf alles nicht wahr sein.
Abends erfahre ich, dass der Yogalehrer an der Schulter operiert werden muss. Beide Apartment in SF sind möglich und ich beruhigt, will aber jetzt zuschlagen.
Neue Bürofotos. Wozu, ich bin anti. Wer will das und ist so eitel? So alt sind die noch nicht, haben wir nichts Besseres zu tun? Entschuldige mich beim Kollegen, will mir ihm Schluss machen weil die Zeit so rennt seit wir zusammen sind. Es sind 8 Jahre. Das darf gar nicht wahr sein.
24.06. Spontananruf. War mir beim Sport vom Vorabend eingefallen, dass ich mich einfach durchfrage im Krankenhaus, wie ich das beruflich auch tun würde. Dann habe ich sie am Telefon. Jugendfreundin, jetzt kein Kontakt. Die schwere Lage. Abweisung. Kann ich auch verstehen. Ich schreibe, sie soll lesen. Das ist die Rollenverteilung, die natürlich da her kommt. Sie hat mir Laurie Anderson und Frieda Kahlo gezeigt. Tomaten mit Meerrettichfrischkäse, den teuren von der Käsetheke bei Hertie. Eine Ofenheizung, Schafe auf dem Grundstück, eine laute Kirche hinter dem Haus. Eine Baumallee führte dort hin. Eines Tages waren alle Bäume um das obere drittel gekürzt und an jedes war ein Vogelhäuschen genagelt. Gruselige Szene war das. Ich denke an Fußbäder bei Hitze in der Küche, eine Reise die schon gebucht war und nicht stattfand. Das Zugticket verfiel. Zur Hochzeit gab es einen riesigen Kochtopf für Klöße und ein bayrisches Kochbuch.
Doch spontan zur Geburtstagfeier meines Paps fahren. Ab 76 sind die Geburtstage gezählt und die anderen Dinge mit Krankheit, Jugend und Vergänglichkeit beschäftigen mich. Familiär sind wir in einer Phase, in der wir uns offen unsere Liebe gestehen und angesichts des lauernden Endes sollte man einfach die Zeit nutzen. Was soll’s. Doch anreisen und Zeit miteinander verbringen. Außerdem finde ich es lustig wenn Rentner nachfeiern. Haben die nicht eh immer Urlaub?
Meine Schwägerin mag das günstigere und urigere Homeaway. Ich bin für schnell buchen.
Der Hund der Kollegin wird zunehmend nervig und jault, bellt, knurrt. Keiner korrigiert ihn. Das geht in eine ganz falsche Richtung. Ein Hund soll die Beliebtheit steigern und nicht umgekehrt. Betätscheln macht schlechten Charakter, alle diese Hunde, die wie Babies behandelt oder in den Mittelpunkt gestellt werden. Den Hund etwas wurschtig behandeln oder als selbstverständlich nebenbei laufen lassen und es wird der beste Hund, weil er sich an dem Rudelführer orientieren muss. Das Vertätscheln passiert aus Eigenliebe des Halters. Dem Hund wird lange vor seiner Ankunft eine Hundehütte gebastelt und ein riesiges Nobelbett und dann bekommt er Spielsachen und soll sich damit selber beschäftigen. Sie verwechseln Hund und Kind. Wo bleiben exercise und diciplin? Die haben so Angst den Hund zu sanktionieren, dabei ist das normal und der Hund erwartet es. „Pack leader doesn’t discuss, he doesn’t ask for a certain behavior, he expects it“. Schon, dass die Kollegin das mit dem Bellen gerechtfertigt hat als ich es thematisiert habe, „ich war nicht da, er wollte aufpassen, er kannte das und das nicht, fremde Geräusche“. Wen interessiert das? Jetzt begrüßt er jeden mit einem unfreundlichen Ankläffen und knurrt auch, wenn man sich klein macht und nein, das ist keine Angst und nein, dass ist kein Bürohund, wie wir ihn wollen, zumindest ich nicht. Cesars Zischgeräusch ist schon ganz abgenutzt und bleibt ohne Konsequenz. Ich sage nichts mehr und warte, wie sich das weiter entwickelt.
Arbeiten. Abweisend zu dem P-Monster als er kommt. Das wirkt anziehend auf ihn. Die australische Musikerin kam mit Freund und sie suchten nur einen Pennplatz. Das hätte ich ihm früher sagen können. Ihm tat es weh. Was auch weh tat war der Unfall mit dem E-bike. Irgendwie hatte die Frau schuld, aber es tut ihm halt wahnsinnig leid und er konnte nicht mehr bremsen und sie hat Schmerzen und er will sie im Krankenhaus besuchen und schreibt ihr lange SMS und sie meldet sich nicht. Wie soll ich da helfen? Rate zur Zurückhaltung. Er hat immer eine lange Liste dabei und ich erledige meine Aufgaben, was ist mit seinen? Ersatzschlüssel nachmachen lassen und irgendwo deponieren. Da muss ich darauf achten, dass hier nicht zu sehr einseitig gearbeitet wird.
Bei Frau Tod will ein Typ, der bei ihr gemeldet ist einziehen und sie will es auch. Er hat wohl im Garten gelebt und jetzt ist alles abgebrannt. Ich bin dagegen und spiele gerne die Spielverderberin. Das kann nur Probleme machen. Wenn der Typ vernünftig ist, versteht er das auch. Sie ist nicht da und anschließend fehlt irgendwas. Der Arzt hat bescheinigt, dass sie derzeit nicht geschäftsfähig ist, wer will das verantworten?
Sie gibt schöne Briefmarken mit dem Motiv „Musikinstrumente“. Da hätte ich gerne welche, aber das ist schwieriger als man denkt mit diesen Sondermarken der Post. Da werden nur wenige hunderte gedruckt oder die werden alle an Abonnenten verschickt, jedenfalls hat die Post am normalen Schalter nur die „Dauermarken“ oder am besten so hässliche Ausdrucke ohne Bild, auf denen nur der Preis steht. Die machen sie mir gerne auf meine Pakete und ich sage immer, was macht das für einen Eindruck von Deutschland und mir, wenn ich solche Pakete verschicke. Das sei doch das tolle an Post aus dem Ausland, die fremden Marken. Unverständnis auf der anderen Seite des Schalters.
Sport mit Berna. Mit ausgestrecktem Bein und gepointetem Fuß eine Acht in die Luft schreiben. Da brennt die Arschbacke und ich schlage vor, die IBAN-Nummer schreiben und zwar so, dass sie deutlich lesbar ist für eine 100.000,- € Überweisung.
Jetzt zur Spontanität stehen. Die Mittagsverabredung im Rossini absagen bzw. um eine Woche verschieben. Alle in Oberfranken gucken alte Tatorte. Die Bayreuther freuen sich. Mit Andreas treffen wir uns Freitag in seiner Galerie um 16 Uhr. und gucken seine aktuelle Ausstellung dort, dann weiter nach Bayreuth. Der Schlüssel liegt wie immer.
Nein, kein Lake Tahoe. Das ist die Berg- und Seenidylle der Schweiz. Die Wohnung in SF lässt sich nur 7 und nicht 8 Nächte buchen. Ich will endlich, dass das unter Dach und Fach ist.
25.06. Im Sprengel war Tischtennis der Lumix. Stephan ist verständlicherweise enttäuscht, dass wir das verpasst haben.
Wollte nicht weiter belästigen, aber es wird doch noch ein Brief ins Krankenhaus. Muss zumindest schreiben, dass wir am Wochenende da sein werden.
Bekomme ein Paket von einem befreundeten Verleger und denke „scheiß Büchersendung, was soll ich damit“, aber nein, der Mann hat verstanden, worum es mir geht. Ein Karton voller Plastiksache. Unzählige Hütchen sehe ich darin. Da mussten seine Kinder wohl ausmisten.
Die Sondermarken, die aus dem Monat Mai stammen, gibt es tatsächlich nicht. Immer nur kleines Kontingent. Das hätte stark nachgelassen mit der Philatelie. Es gibt nur Johann Strauß. Ich brauche mal andere Briefmarken für vielleicht ungewollte Krankenhauspost. Dann eben die.
Frau Tod schwankt zwischen Freunden, die sie besuchen zu befehlen ihr Geld mitzubringen und 1 Jahr im Krankenhaus bleiben zu wollen. Mir wird klar, dass nur psychisch stabile Menschen Chaos aushalten können. Ich habe noch vor Augen, wie sie versucht hat Ordnung zu machen in ihrer Tasche und das war nur Pseudoordnung und der Versuch Ordnung herzustellen, aber man merkte im Kopf war ganz viel Chaos. Das ist auch die alte Theorie meiner Freundin Sunla, wenn es ihr schlecht ging, musste alles an Ort und Stelle sein und die Ordnung besonders rigide. Da schafft man im Äußeren etwas, was innerlich gerade fehlt.
Abends essen wir die Clotted Cream aus Stuttgart und dicke Scones aus dem Bioladen. Es schmeckt sogar authentisch. Ich schlage der amerikanischen Verwandtschaft einen Deal vor für die letzte Nacht, Essen gegen Übernachtung. Das Appartement konnten wir nur bis Donnerstag buchen und müssen eine Nacht überbrücken. Die wohnen im Haus von Tante Marie und Onkel Hans in Burlingame und das liegt eh in Flughafennähe. Ich freue mich total auf Andrea und Bill und durch meinen selbstgebastelten Kalender habe ich sie auch ausreichend auf unseren Besuch eingestimmt, weil sie jeden Monat sich heranarbeiten.
Ein Spieler spielt mit einer weißen Haube, wie das Netz eines Küchenspülers. Der Aufschneider mit Hader ist leider unlustig wie ein Tatort.
26.06. Sie will alles was sie bestellt hat inklusive der Klamotten von vor 2 Jahren für deren Vertragsabwicklung wir seit dem vor dem Landgericht kämpfen. O.k. so verrückt ist sie. Ich bin wieder ins Sie übergegangen, sage ihr aber, dass ich sie trotzdem lieb habe. Ich entscheide jetzt und sie kann dann wieder mitreden, wenn es ihr besser geht und das sei nicht böse gemeint. Sie kann das akzeptieren. Sagt sogar, dass ich es tun soll.
Telefoniere mit dem Arzt von Herrn Yoga und sage, dass ich ihn schwer einschätzen kann. Er hat mir email mit folgendem Inhalt geschickt:
„Liebe Frau A.,
Dr. K. hat wohl den Eindruck, daß es mir ganz stabil geht in Hinsicht auf Antrieb. Die Untergangsstimmung kommt in mir auf durch Perspektivlosigkeit in der Erwerbstätigkeit. Das sind äußere Umstände. Ich werde in letzter Zeit regelmäßig von Mädchen besucht, die bei mir Fußball schauen. Das vertreibt mir so ein bißchen diese schlechte Stimmung. Aber ich halte das Gefühl für Illusion. Nachher kommen sie wieder. Dr. K. sagte mir, es ist verboten, mich mit Minderjährigen zu treffen, aber ich denke, ab 16 ist alles erlaubt, sogar Heirat, oder nicht?
Die Kommunikation mit Ihnen verleiht mir auch Auftrieb und Freiheit für so etwas wie Fußball gucken und mich unterhalten, was vorher durch die ganzen Angelegenheiten, die Sie jetzt bearbeiten, überschattet war.
Eigentlich geht es mir bestens. Es ist nur eine Frage der Position des Betrachters, die entscheidet wie als was man sich fühlt.
Ich danke Ihnen sehr…“
Weiß nicht, ob ich diese Rolle überhaupt spielen will.
Die Deutschlandfarben als Stifte sind giftig. Recht so. Irgendwie kann ich das nicht bedauern, sonst finde es nur konsequent. Ich denke, das schmieren sich die Richtigen ins Gesicht.
Stelli, ein mittlerweile 14-jährigen Terriermischling wartet brav ohne Leine vor der Metzgerei. Das war ja früher auch ganz anders. Auch Hunde lernen eben nie aus. Ich kann nicht anders und gehe hin. Anschließend gibt es Ärger, weil sie mit mir mit will und mir ins Haus folgt. Das war auch nicht Sinn der Übung.
Auf dem Weg zum Sport, Auswahl durch Sport einmal anders. Ich sagte ja, alle mit St. Pauli oder 96 oder einem anderen Fanbekenner T-Shirt scheiden als Sexualpartner aus. Jetzt will ich Sex mit allen Menschen, die sich freiwillig dem Public Viewing entziehen. Das ist so eine Elite, dass ich nicht einmal unter herum wund werden würde wenn ich das in die Tat umsetzen würde.
Auf dem Rückweg haben etliche Vollpfosten eine Hup-Latte, anders kann ich es nicht bezeichnen. Auch in leeren Straßen und nur ich bin unschuldig mit meinem Fahrrad unterwegs werde ich geräuschmäßig aufgeschreckt.





