17.04. Geträumt von einer schrägen Kreuzfahrt, irgendwas Nordisches sollte das sein, dunkler Kies, alte Frauen, die mich fragen, wo ihr Taschen sind, die ich ihnen wohl zuvor gereicht habe. „Ich habe sie nicht geklaut und die Verantwortung dafür abgegeben als ich sie angereicht habe“ lautet meine Antwort. Es wird anhand zweier Models an Bord die neuste 70er oder 80er Jahre Mode demonstriert. Wir essen schick und der Tisch steht auf Rollen und wir albern damit rum. An einer Stelle sind wir nicht schnell genug beim Essen (unrealistischer Traum bzw. kann nicht stimmen) und die Bedienung nimmt den gepulten Scampi und die Artischocke in Öl mit den Fingern von unserem jeweiligen Teller und legt sie auf einen benutzten Servierteller in der Mitte und räumt unsere Teller dafür ab. Ich bin fassungslos. Irgendwer war in Frankreich und hat neue gesüßte Kondensmilchsorten entdeckt und für sich mitgebracht mit anderen Verpackungen, aber nur 9 % fett, außerdem habe ich ja noch einen Vorrat. Dann bin ich offenbar in Wien am Naschmarkt und frage nach dem Bruder vom Urbanek, weil nur einer im Laden ist und es heißt, Thomas ist gestorben. Ich werde sofort wach. Es ist erst 6 Uhr, aber das ist normal (Reiseaufgeregtheit wie wir sie aus Grand Budapest kennen) und heute geht es los nach Potsdam.
Kurzes Frühstück. Wir haben die geilste Erdbeermarmelade aus dem Bühlertal für 2,- €. Die stand an der Straße an der Toreinfahrt zu einem Hof mit Selbstbedienung, d.h. ein Stand, die Ware und eine Kasse zum Reinlegen des Geldes. Da waren auch sehr leckere Schale mit Beeren und eben diese Marmelade, die irgendeine Marmeladengöttin eingekocht hat mit großen Erdbeerstücken und dem Wahnsinnsgeschmack.
Kurz nach 9 steht Sabine an der Bushaltestelle. Ich erkenne ihren Unterkörper. Sie hat kleines Gepäck dabei im Gegensatz zu uns und war am Abend vorher aus. Fösse 77. Sie sei etwas versackt, dafür hat sie den Harald Glöckler aus Hannover kennen gelernt, zumindest von aussehen her und dabei hat sie sich verquatscht. Er hat ein Bestattungsunternehmen, Larissa bedauert später, dass sie nicht gefragt hat welches. Im Zug setzen wir uns an einen Vierertisch zu einer Frau, die auch was Handgeschriebenes in ein Buch schreibt und Kopfhörer trägt. Aus ihrem Rucksack holt sie ein dickes Kopfkissen mit starken Gebrauchsspuren, wie Linus Deckchen. Immer wieder sind Quak-Geräusche zu hören. Ich vermute das ist eine Ente vom Maschsee, die auch mal einen Ausflug machen will zu ihren Freunden auf dem Tegeler See oder Wannsee. Meine Laune ist bestens. In Spandau und Charlottenburg steigen wir um. Die letzte S-Bahn ist sehr voll mit jungen Menschen, französischen Ausflugstouristen mit Rädern dabei sowie einem Alkoholiker, der einen Spazierstock hat und die Tasche voller Schluck und einem Sozialarbeiter „Tolerantes Brandenburg“, der die Fahrt zum arbeiten nutzt und immer wieder unterbrochen wird und dieselbe Adresse am Handy durchgibt, so dass der ganze Zug im Chor mitsprechen könnte. Stephan trägt seine coole Pornobrille, die Scherzartikel und kein UV-Schutz ist, wie ich immer betone und kann sich aber nirgends festhalten. Als der Zug bremst fällt er auf die Sitzenden vor ihm, so dass ihm von einem jungen Mann, der liest und ihn mit auffängt, einen Sitzplatz angeboten wird. So ist es eben kurz vor 50 mit der ungewohnten Faschings-Porno-Brille.
Wir warten an der falschen Seite, am Hinterausgang des Bahnhofs und alles ist auf Touristen eingestellt, Doppeldeckertouribusse mit Schlösserrundfahrten und viele Menschen, die hauptberuflich Flyer und Stadtpläne verteilen. Ich lehne dankend ab. Gibt es hier was zu sehen?
Wir fahren in die Innenstadt, wo es die kleinen, netten Geschäfte gibt. Holländisches Viertel.
Unserer Freundin ist hier immer nur zum Arbeiten und kennt es nicht, bei geöffneten Geschäften tagsüber im Café zu lungern, aber das tun wir heute. Wir laufen etwas herum wie die Touristen. Potsdam hat ein Brandenburger Tor und auch andere Tore, eines mit Jagdmotiven. Der Essenplan ist durchorganisiert und wir kehren ein ins Lindner und hier gibt es Feinkost und vor allem sehr leckeren Edelsalate, die man einzeln abwiegen lassen kann. Zum Nachtisch gibt es Nougathase.
Über die riesigen, überdimensionierten Tortenstücke mache ich mich lustig. Später werde ich eine Filiale von dem Laden in Berlin am Prenzlauer Berg entdecken, allerdings geschlossen am Ostermontag. Bevor wir hier shoppen oder es versuchen, wollen wir lieber beim schönen Wetter eine Bootsfahrt unternehmen und Larissa fährt zur Uferpromenade. Hier wächst Hopfen an langen Seilen und dazwischen Tulpen. Das Schloss ist zu sehen, direkt neben einem sehr hässlichen Hotel, viel Plattenbau und dazwischen etwas Schloss und auf einer Verkehrsinsel haben sie eine Krimes aufgebaut, die sehr deprimierend aussieht. Larissa fragt die Butterfahrtsmatrosen und wir entscheiden uns für die Schlössertour für 13,- €. Wir sitzen an Deck und lauschen der Durchsage. Die englische Übersetzung ist peinlich schlecht und zum Teil auch richtig falsch und unverständlich. Es tauchen am Ufer oder weiter hinten zwischen den Bäumen immer wieder die tollsten Bauwerke auf und richtig viele davon. Der Akku unserer Kamera ist leer, was den Blog entlastet. Stephan macht Fotos mit Larissas Kamera, aber die habe ich nicht zur Verfügung. Zum Schluss sage ich, dass sich jeder ein Schloss aussuchen soll. Ich nehme das Pumpenhaus mit dem hohen Schornstein, der an Rapunzels Turm erinnert, direkt am Wasser gelegen, schön duster mit klitzekleinen Fenstern. Im Garten würde ich ein Rudel von Staffordshire Terriern halten. Larissa entscheidet sich für das Casino mit Billardzimmer und luftigen Arkaden im italienischen Stil. Sabine warnt sie noch, dass es zu klein sei, aber da gibt es wohl noch mehr Gebäude dahinter. Larissa kennt sich aus und Billardzimmer ist ja was für Sabine. Stephan entscheidet sich für die riesige Villa eines Windmühlefabrikanten mit Merkur auf dem Dach und über 2000 qm Wohnfläche. So hat dann jeder seine Residenz nach seiner Vorstellung in meiner Phantasie. An der Anlegestelle ist ein großer Brunnen mit Wagenfigur mit Wasserelementen, d.h. so eine Art Neptun und der wird von Wasserpferden gezogen, von dem kaum was übrig ist. Modern wurde es mit Drahtgestänge ergänzt. Das sieht schlimm aus, soll aber Dampf abgeben, aber der Automat, in den man das Geld einwirft für dieses Schauspiel hat einen Aufkleber mit „defekt“ und so probieren wir es gar nicht erst mit unserem Kleingeld, sondern gehen zurück zum Auto und fahren in die Ribbeckstraße. Wir schauen uns die Werkswohnung an mit großem Garten. Eine gemütliche Küche mit Blick in diesen. Eine ehemalige Scheue und eine leuchte gelb-orange blühende Hecke. Ländliche Idylle pur. Wir bauen unser Bett auf und während die Frauen etwas Mittagsruhe am frühen Abend halten, geht Stephan eine Runde laufen im Schlosspark Sanssouci. Er kommt total euphorisiert wieder und hat die Palmen gesehen und ist die 100 Treppenstufen zur Orangerie hochgelaufen wie in Rocky. Wir machen uns fertig für die Abendgestaltung. Da die Zeit knapp ist, lernen wir einen netten Taxifahrer kennen. Rechts sehen wir „Sangsusi“, wie die Einheimischen sagen. Wir haben einen Tisch bei Juliette. Nirgends in Potsdam gibt es Tafelwasser, weil der Chef das immer nicht so gerne sieht. Das Essen ist sehr lecker, foie gras und Kalbstartar mit Kapern und Sardellen, ein Paprikasüppchen mit Ochsenschwanzrsavioli, gerade der vegetarische Hauptgang mit Variationen vom Sellerie ist der Burner. Die Nachspeisen lassen etwas nach, dafür war der warme Käsegang jeweils sehr lecker.
Die Toiletten sind über den Hof, der Durchgang ist knallrot und Bach Musikschule gegenüber mit einem Porträt des Herrn Bach und seit der Expo weiß ich, wie selten das ist (leider kein Foto gemacht). Unser Freund fährt uns wieder nach Hause und wir gehen bald zu Bett, weil wir Morgen das Schlossprogramm vor uns haben.
Ich konnte nachts das Klo nicht finden bzw. den Zimmerausgang. Rollläden dichten den Raum ab und ich taste mich entlang der Wand und fühle nur Schrank und nicht Tür, werde wütend, Stephan wach. Das Klo ist im Treppenhaus, aber wir sind alleine. Beim zweiten Mal sehe ich schon besser, weil es wohl dämmerig ist, lasse dafür die Spülung ausversehen laufen. Es ist 9:20 als ich wach werde und mich ausgeschlafen fühle.
18.04. Larissa hat liebevoll Frühstück gemacht und Sabine spült immer ab, so dass die Küche makellos ausschaut. Da wir ja paar Apfelstücke übrig haben, will ich die Pferde gegenüber füttern. Die habe ich durch die Fenster, die eine lustige verschwommen Sicht machen durch altes Glas hindurch gesehen. Ich darf sie aber nur bei dem humorlosen Ossistallbursen um die 60 mit der lustigen, selbstgehäkelten Strickmütze mit Bommeln abgeben und er wirft sie auf seine Schubkarre und erzählt uns, dass er den Pferden nur das lange Gras geben darf, weil sie beim kurzen zu viel Luft schlucken beim Fressen und dann Koliken bekommen. Sind auch so empfindlich dieser Viecher. Wir laufen wenige Meter und sind schon auf dem Gelände des Schlosses. Das ist ganz toll!!
Alles was nicht Barockgarten ist und zufällig aussieht, ist englischer Landschaftsgarten. Das weiß ich seit der Führung neulich in Herrenhausen und es wird heute wieder bestätigt. Auch hier viel Urwald, ein Parkplatz mit Reisebussen aus Tschechien und Polen.
Der Himmel ist bewölkt, die Außenanlage beeindruckend. Eine holländische Windmühle gab es auch, aber Stephan meint ohnehin, dass ich zu viele Fotos veröffentliche…
Sanssouci selbst ist echt schön, die 11 Räume. Sehr beeindruckend.
Der Stuck mit dem Spinnennetz mit drei dicken Spinnen drin ist mein Favorit! Ja, Sanssouci hat was mit Lebenslust zu tun und Sinnenfreuden und Natur.
Auch das Gästezimmer von Voltaire hat es mir angetan, über und über voll mit gemalten Holzblüten, Ranken und Vögeln. Herrlich und ganz nach meinem Geschmack.
Hier kann man ihn nur schwach erkennen, aber ich habe Beweisfotos, hier habe ich meinen Button mit dem Mund und der grünen Olive darin noch. Den habe ist später in Berlin nicht mehr. Ein bisschen Schwund ist immer. Schade ist es trotzdem. Es war ein Barcelona-Button für mich.
Auch die Bibliothek ist wahnsinnig schön. Die Stimme im Ohr erzählt uns von dem bösen Vater, der die Bücher seines Sohnes einfach verkauft hat. Der Sohn, der König von Preußen, der Flöte spielte und nur sein Lehrer durfte ihn kritisieren durch leichtes Räuspern. Der König, der lieber Künstler oder Architekt werden wollte. Hartes Schicksal. Alle wollen immer was anderes werden, stelle ich mit Stephan fest. Der König Künstler, der Künstler König usw. Wir machen einen kurzen Abstecher in den Giftshop während eines Regenschauers und ich kaufe Postkarten und Samen für die Kleingärtner zuhause. Die sehen zu hübsch aus mit den Schlössern auf der Packung. Da fällt man leicht drauf rein. Dann gehen wir zur Orangerie und ich gebe mich gleich geschlagen. Ich habe ja gelernt, dass je mehr Orangenbäume, desto mehr Wohlstand und hier gibt es Palmen, groß wie Bäume und hey, da kann Herrenhausen nicht mithalten. Das ist mal ganz klar.
Auch hier gibt es was zu besichtigen, aber trotz unserer Universaleintrittskarte ist das nicht so einfach. Immer wieder Kasse und sich einer Führung zuordnen lassen. Umständliches Procedere. Auf Filzschuhen folgen wir der ambitionierten Führerin, die besonders die Kinder animiert. Hier gibt es ein Bernsteinzimmer
und verschiedene Edelsteinzimmer, Lapislazuli und Malachit.
Die 4 Elemente in Porzellan, die typisch Meißen ausschauen für meinen Geschmack, aber durchaus charmant sind.
Der König mochte gerne Seide und Porzellan. Die Gemäldegalerie ist nicht 100% meins, aber bestimmt auch nicht zu verachten. Ich stehe offenbar auch auf die kitschigen weißen Figuren, nackte, putzige Kinder mit Weinreben oder Hunden. Kategorie II Darstellungen auf jeden Fall.
Auf den Turm steigen wir nicht mehr, sondern gehen ins Drachenhaus, wo wir einen Tisch bestellt haben.
Auch hier gibt es Leitungswasser auf Anweisung des Chefs nur zum Kaffee. Wir essen das Spargelmenü. Der Spargelnachtisch mit Glibber ist leider ungenießbar. Ich esse ihn trotzdem. Als ich mir keinen grünen Tee (1 Kännchen) mit Larissa teilen darf, weil die Kännchen nur mit einer Tasse serviert werden, wird sie sauer. Ein andere Gast kommt ganz nah an mich ran und sagt sehr laut, dass er so eine Uniform noch nie gesehen habe, „Italien, interessant“. Ich sage irgendwann, dass ich seine Uniform „Funktionskleidung, Jack Wolfskin“ hingegen leider schon sehr oft gesehen hätte. Dann laufen wir zum Neuen Palais.
Wir haben den Bemsel für die Fotoerlaubnis leider verloren, weil das schlecht gemacht ist und das Papier einfach abgeht vom Handgelenk und der Verschluss nicht taugt. In jedem Raum wird man angesprochen. Mir reißt die Hutschnur und ich sage, dass ich es dann lasse mit dem Fotografieren, wenn es so kompliziert sei und man wirklich in jedem Raum sich rechtfertigen muss. Eine Angestellte verspricht Abhilfe. Statt, dass sie uns einen neuen Bemsel bringt (das geht nicht), tackert sie den Bon mit dem Zahlungsnachweis an Stephan Brust, an das Sweatshirt. Es gibt wieder weiße Nackte und tolle Standuhren, mein Papa würde echt auf die abfahren.
In jedem Raum ein Kamin mit königlichen Fliesen.
Außerdem tolle Holzböden und immer wieder Hunde.
Die Schlafnische. Ich kenne mich langsam aus.
Tolles Porzellan. Der Greifvogel ist mein Liebling!
Eine schöne Abdeckung aus Metall:
und sogar eine Badewanne, weil die englische Königin für Hygiene war. Sehr schickes Teil, eingebaut in eine Ecke und man konnte durchbrochene Türen zumachen und dann rausschauen, aber nicht rein.
Es gibt diverse Klingelknöpfe an der Wand, die Zugehfrau, die Zimmerfrau, die Ankleidehilfe und 5 weitere. Man weiß gar nicht, was die im Einzelnen alles machen sollten (außer Ankleidefrau natürlich). Sabine hat mich darauf aufmerksam gemacht. Das stammt wohl aus einer späteren Zeit nach der Elektrifizierung.
Die Gruppe ist gespalten, erkläre ich einem der Aufpasser. Ich bin strenger Befürworter des Rococo, aber Larissa ist Anhängerin des Klassizismus…. Draußen an der Fassade große Monsterengel, riesige Köpfe und fast verzerrte Gesichter.
Im Neuen Palais gibt es silbernen Stuck an den Decken, das schafft eine ganz andere Atmo als der goldene. Ich kann irgendwann keine Prachträume mehr sehen.
Wir laufen durch den Park zum Chinesischen Haus, was ich nicht so doll finde, aber die Fotos davon sind schön. Da sieht man mal was Wetter und Licht ausmachen.
Auch hier wieder Schnitzeljagd. Mit den Generalkarten zu einem Bauwagen und Nullkarten holen (!?). Das ist alles unlustige Schikane. Larissa erledigt es für uns, aber überflüssig ist es trotzdem. Ein Mann will nur einen Blick werfen, das geht auch nicht. Innen ist es mäßig schön, der Kitsch hier ist nicht so meines. Auf den Fotos gefällt es mir wiederum besser.
Vor Ort gut gefallen haben mir allerdings die Teller mit Phantasietieren.
Der Fußboden ordinärer Marmor. Nicht alles was alt ist muss als Museum behandelt werden. Hier könnte man eine Gastronomie rein machen, ein flottes Café oder ein Yogastudio. Früher sind die Räume doch auch benutzt worden. Dafür sollten sie da sein. Stattdessen steht man in dem hohen ungemütlichen Raum und fragt sich was das soll.
Wir gehen zurück, die Sonne scheint auf die Parkanlage.
Mit Brunnen hatte es der König nicht so, stellt Sabine zu Recht fest. Für den Turm reicht es nicht, zeitlich. Wir schließen die großen Koffer und Larissa fährt uns zum Bahnhof und wir nehmen um 18:09 Uhr die S-Bahn nach Berlin. Vorher bedanken wir uns bei unseren lieben Freundinnen für die herrlichen Tage. Mein Kopf ist voller Eindrücke.