22.02.2014 Jesus statt Alkohol

22.02. 8:40 Uhr bin ausgeschlafen, aber es dauert noch bis die anderen wach werden. Kein Problem: hier kann man immer schön zum Fenster rausglotzen.

DSC02999

Sunla will auf den Bauernmarkt am Reumannplatz und Schmorgurken kaufen, Stephan will lieber zum Kutschkermarkt in Währing oder einen neuen Wochenmarkt mit mir entdecken. Nach dem Kaffee mit Schoko-Soja-Milch ziehen wir los und fahren zum Rochusmarkt. Schon ganz unter dem Einfluss der herannahenden Gemeindebaufeier heute Abend freuen wir uns über die ganzen Verbotsschilder.

DSC03000 DSC03001 DSC03002 DSC03003 DSC03006

Gut gefällt uns das Motto: „kiss, kiss, peng, peng“. Die Laune ist bestens, der Markt ist an einem schönen Platz gelegen mit der Rochuskirche angrenzend. Hier auch wieder sehenswerte Schilder, die das Leben leichter machen.

DSC03008 DSC03009

Ich kaufe bei einem superkleinen Stand Wurstwaren, Dauerwurst, Krustenbraten und Brekies für Erwachsene, das sind Speckstücke. Das kalte Fett in knusprig finde ich nicht so prickelnd wie erwartet. Außerdem gibt es cremigen Honig aus Österreich.

DSC03108

Das Tresnjewski hat hier eine Filiale und wir kehren kurz ein. Es ist Mittag und eine Frau bestellt ¼ und einen 1/8 zu ihren Brötchen. Sind das die Spiegeltrinker oder macht sie eine Weinprobe mit sich selber? Es scheint jedenfalls normal zu sein.

DSC03010DSC03037

Ich kaufe mir eine Werbetasse von dem Laden und nachdem mein Exemplar entstaubt und eingepackt wurde, gebe ich es zurück und entschließe mich dasjenige mitzunehmen, was ich gerade in Benutzung habe und in dem er heiße Apfelsaft mit Gewürzen drin ist, den ich dann mitnehmen kann. Wir schauen in die prunkvolle Kirche und die Zeitschriftenauswahl hätte Wenzel Storch viel Freude bereitet, vor allem die Jugendblätter. Ich sage nur „Jesus statt Alkohol“. Das ist ja auch mein Motto bei dieser Reise. Dieses Magazin nehme ich mit für Collagen und lese es morgens, wenn alle noch schlafen und die Artikel sind der Hammer. Einmal geht es um Tipps der katholischen Jugend, wie man sich die Zeit in der Schlange am Skilift vertreiben kann. Die reichen von Ave Maria beten bis hin zu dem Vordermann auf die Schulter tippen und dann wegschauen, als sei man es nicht gewesen, Das sei immer für einen Lacher gut. Wahnsinn. Auch gut ist die Horoskop-Seite auf der verschieden Heilige vorgestellt werden, die in dem jeweiligen Monat Geburtstag haben und auch der Artikel über „dirty talk“, dass wir schon ahnen, dass es nicht in Ordnung ist, auch wenn es vermeintlich beide wollen und das schon durch den Begriff instinktiv zum Ausdruck bringen. Welch ein Fundus. Ich hätte zwei Exemplare mitnehmen und eines ganz lassen und nach Hildesheim schicken sollen. Neben der Kirche finden wir einen second hand Radladen, der schöne, alte Fahrräder hat und auch welche vermietet. Genauer gesagt handelt es sich um „Kinder-Spiel und Sportartikel“ in der Sechskrügelgasse 2. Wir halten einen Plausch mit dem Inhaber und ich nehme eine Karte mit, weil ein neues Wienrad muss her, gerade im Sommer, will ich durch die Stadt fahren und mich beschimpfen lassen von militanten Autofahrern und Pensionisten. Ich habe so gute Laune, dass ich auch Hüpfe, d.h. statt normal zu gehen, fassen wir uns an den Händen und „skippen“, wie man auf Englisch sagt und offenbar strahle ich auch, so dass mich viele Menschen zurück anstrahlen. So einfach geht das. Wir freuen uns weiter über die „freiwillig“ eröffneten Durchgänge der Stadt,.

DSC03011 DSC03012 DSC03013 DSC03014 DSC03015

Ganz befriedigt von dem Markt sind wir allerdings nicht und können noch. Wir fahren an der Burgenvinothek vorbei weiter zum Kutschkermarkt. In dem Weinladen ging es um eine kurze Reklamation, weil eine Flasche Rotwein auf dem Weg zu uns kaputt gegangen war und die restliche Sendung verschönert hat mit originellen Flecken. Sie hatten das Paket darauf hin mit so viel Verpackungsmaterial eingewickelt, dass es aussah, als sei ein Babyelefant geliefert worden.

DSC03016 DSC03018

Auf dem Markt gibt es so tolle Dinge, wie Gemüse für die Suppe. Warum denkt da bei uns keiner dran und so appetitlich.

DSC03020

Außerdem Mohnbrötchen, die den Namen verdient haben. Nicht wenige Mohnkrümmel oben auf dem trockenen Brötchen drauf, sondern eine satte und saftige Mohnfüllung, die durch einen dünnen Teig gehalten wird. Der Wahnsinn. Jeden Tag will ich so was essen.

DSC03056

Ich fühle mich an diesem Tag, wie eine Frau mit einem sehr tiefen Dekolleté auf dem Kopf. Es sind gerade die Männer, die mich entgegen kommen und es nicht schaffen mir ins Gesicht zu schauen, weil sie zu abgelenkt sind.

DSC03019

Außerdem kaufe ich ein Stück Maronibrot (dachte zwar es wären dicke Haselnüsse, die an der Schnittstelle zu sehen sind, aber so ist es noch spannender) und einen selbstgemachten Aufstrich dazu. Ein Engländer führt einen schönen second hand Möbelladen, der auch als Café dient und hat tolle alte Wollstoffe auf Sofas, aber leider mit Holzarmlehnen dazu und auch hellblau ohne Muster. Das ist eh zu empfindlich für unseren Haushalt.

DSC03021 DSC03023 DSC03024 DSC03025DSC03032 DSC03033

Dann Café Schoppenhauer. Die Butterkipferl sehen wirklich unscheinbar aus, aber der Buttergeruch verschlägt einem fast den Atem wenn man das Teil zum Mund führt. Ich nehme wieder mein Müsli. Statt spanische Konversationskurse, wird jetzt für eine Frauenschachgruppe geworben, „Frau Schach – alle Niveaus willkommen“ oder so ähnlich. Ich trinke einen English Breakfast Tee und fühle mich vom Teingehalt her an meinen ersten High Tea im Balmoral in Edinburgh erinnert. Die Pumpe schlägt.

DSC03026 DSC03028 DSC03030 DSC03031

Der Laden meines Vertrauens in dem ich letztes Mal zwei paar Handschuhe aus Stoff erstanden habe.

DSC03034 DSC03035 DSC03036

Wir fahren etwas Bus, erst die Linie 40 und dann 41 (Bim). Es gibt Villen und den ein oder anderen Gemeindebau, den wir passieren.

DSC03038 DSC03040 DSC03042DSC03051 DSC03053 DSC03054

Außerdem gibt es tolle Gespräche in der Bim über eine Inszenierung von „Warten auf Godot“. Die hätte „keine Aussage gehabt, aber Tiefgang“, was auch immer das bedeuten soll. Im Café Mayer an der Endhaltestelle Pötzleinsdorfer Straße machen wir wieder Station und kehren ein.

DSC03043 DSC03044 DSC03045 DSC03049 DSC03050

Als wir zurück fahren wollen, verpassen wir gerade eine Bim und Stephan kommt auf die Idee, dass sie um die Ecke fahren wird und gleich in der Parallelstraße auftauchen und wir rennen, weil wir die Geräusche der Tram schon hören. Die dünne Tramfahrerin mit den French Nails macht erst mal eine Runde Pause und checkt ihren WhatApp account und raucht eine dazu. In der Bahn unterhalten sich junge Erwachsene. Die eine ist Rädelsführerin und weiß: „man kann auch Jus studieren und nicht Juristin werden“. Sie kenne eine, die sei jetzt Goldschmiedin. Ich überlege, ob ich sagen soll, dass man auch gut Germanistik studieren und dann kellnern oder Taxi fahren kann. Das sei auch sehr beliebt und geht gut. Wir fahren zu Humana in der Alserstraße, mein neuer Lieblingsladen, der allerdings samstags nur bis 13 Uhr offen hat. Das verstehe ich nicht das typische Publikum schläft doch samstags mindestens bis 11 Uhr. Weiter mit dem Bus 1 A und ins Schwarze Kameel. Daneben kaufe ich ein schönes Geschirrhandtuch mit Insekten drauf.

Im Kameel ist es supervoll und wir quetschen uns dazwischen. Mein Hütchen kommt gut an und ich werde auf der Toilette darauf angesprochen. Am Stehtisch gegenüber unterhält sich die übliche, operierte Blondine mit dem älteren Kerl bei einem Glas Schampus über die Grillparty, die sie veranstalten wollen und welcher Fisch gekauft werden soll.

DSC03057 DSC03058 DSC03059 DSC03062

Ich will bei Meinl noch Madelaines kaufen. Beim Reingehen kommen einem schon die frisch Nasenoperierten entgegen. An de Kasse ist eine ganz schlimme magersüchtige Tussi mit Pelz, die total hysterisch ist und behauptet mit einem hunderter bezahlt zu haben. Sie verlässt wütend den Laden und die 7-jährige Tochter, die dickere Beine hat als ihre Mutter darf die Tüte vom Schwarzen Kameel tragen. Wahnsinn, ich konnte nicht widerstehen ein Foto zu machen.

DSC03064

Der 1. Bezirk ist Wahnsinn. Nur schnell wieder weg hier. In den Steffl will ich auch nicht rein. Begründung, ich bin noch ganz erfüllt vom Dom in Straßburg, der schönsten Kirche der Welt und wenn ich jetzt in den Steffl hineingehe, macht mir das nur alles kaputt.

DSC03065

Etwas chillen und basteln. Sunla druckt Verbotsschilder aus für ihr Kostüm. Zwei Hupen, die durchgestrichen sind auf den Brüsten macht sich sehr gut. Andras ist im Krochalook mit Evva-Schüsselbund um den Oberschenkel gebunden und Palästinensertuch und Neonkappe als deutsche Exportschlager. Ich trinke zur Feier des Tages einen Red Bull Cranberry, das österreichische Nationalgetränk aus dem Vorrat des Gastgebers. Dann auf zum Café Europa. Im hinteren Raum treffen sich die Gäste von der Gemeindebauparty und es sind wieder tolle Kostüme dabei. Ein Ganzkörperrasenanzug mit Hundescheiße, die aus Baisergebäck mit Kürbiskernen besteht und Sackerl fürs Gackerl. Da einige Frauen Handtaschenhunde dabei haben, stelle ich Szenen von Divine nach. Verbotsschilder sind gut vertreten, eine Frau steckt in einem hautengen Backsteinkostüm. Das Muster hat sie auf der Haut weitergezeichnet. Auch sehr schön. Prolls, eine Frau als Typ mit Feinripp und gemalten Brusthaaren, die heraussprießen sowie einer Vokuhila-Perücke. Ihr Begleiter ist ein Briefkasten „wenn’s wichtig ist, dann mit der Post“ oder wie war das? Eine ganz wundervolle Peggy Bundy, mit toupierter Frisur, Haarreif, Strickjacke, Gürtel darüber, Steghose und Riemchensandale, von der Körpersprache her auch sehr überzeugend.  Ihr Mann ist eine Katze. Ein zweiter Krocha mit Glitzer-T-Shirt. Andras geht als Kevin und beherrscht die Tanzmoves dazu. Eine Gemeindebautranse mit Cowboyhut und High Heels. Dagmar und eine Freundin kommen mit einer Wäscheleine um den Hals gebunden und zwischen ihnen aufgespannt mit Unterhöschen, Socken und BHs, die daran baumeln. Gut, aber auch anstrengend zu tragen. Die Gastgeberin kommt als Selbstbedienungszeitungsständer daher mit meinen Lieblingscollageblättern der dortigen Presse. Sie freut sich über das für sie gebastelte Buch.

DSC03066 DSC03068  DSC03073 DSC03075 DSC03076 DSC03085 DSC03086 DSC03072 DSC03089 DSC03092 DSC03093 DSC03095 DSC03096 DSC03097

Ich amüsiere mich prächtig. Musik immer wieder grenzständig mit Falco und deutschsprachigem Kram, d.h. Ösi-deutsch, was wir nicht verstehen. Ich trinke Pfirsich-Schorlen bzw. -spritzer, die teurer sind als Bier. Es gibt einen Live-Auftritt von einer Freundin, die im 50er Jahre Stil angezogen ist singt bzw. als „Blume des Gemeindebaus“ Männer wie Frauen aus dem Publikum den Kopf verdreht. Zum Schluss gehen alle ab zu Rage against the Machine. „Some of those who want forces are the same that want crosses“ passt natürlich sehr gut hier her. Auch dieses Jahr brauche ich nach dem Pogo Sportsalbe am nächsten Tag für mein Knie. Rentnerpunk halt. Sunla geht gleich nach Hause und auch ich zögere kurz, weil mir die Füße weh tun und die Verdauung gerade kritisch ist, trotzdem ist der Drang zur Würstlbude stärker. Wir steigen noch mal aus am Südtiroler Platz mit dem Ziel Würstl-Stand Südtiroler Platz. Da ist morgens um halb 3 eine Schlange!! Das finde ich beachtlich. Ein Typ, der etwas aussieht wie ein Sandler hat die letzte Waldviertler Wurst bekommen. Die wollte ich probieren, mal was anderes. Soll ich ihn einen 10er bieten um mal abzubeißen? Da bleibt nur Käsekrainer nach Art des Hauses mit Ketchup, Curry und einem Berg frisch geschnittene Zwiebeln.

DSC03102

Ich habe etwas Angst wegen der angeschlagenen Verdauung, aber auch wenn es mich zerreißt. Die Sache war es mir wert. Ich schlafe gut, aber nicht so lange wie die anderen. Da bleibt nur basteln, was ja weiß Gott nicht schlecht ist.

Schreibe einen Kommentar