Feinrippunterhemd und halber Mond

08.03. Samstag werde ich unheimlich früh wach und habe richtig Lust zu basteln. Ich nähe 2 Hütchen und backe einen Kuchen. Um 14:30 Uhr bin ich mit Steffi zum Nähen verabredet. Sie hilft mir einen Polyestermorgenmantel in einen „regulären“, straßentauglichen Mantel zu verwandeln. Neue Knöpfe waren eh klar, weil die weißen nach Bettwäsche aussahen, aber das weiße Futter des Kragens ist auch sehr hinderlich. Sie sieht immer, woran es stilmäßig hapert. Sie hilft mir etwas mexikanische Totenmusiker in die Nacken hinein zu basteln durch Bügeln und Feststecken. Der Stoff von Andrea reicht nicht ganz und ich nähe vorne noch zwei Früchte dran, Sternfrucht und rosa Grapefruit (auch Andrea). Ich will den Morgenmantel, der unheimlich nach Konfetti ausschaut in San Francisco tragen. Da werden sie staunen, selbst im Kitsch gewohnten Kalifornien!

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Polyestermorgenmäntel erinnern mich an Tante Mary, die Verwandte von uns aus der Schweiz, die so ca. 30 kg gewogen hat, 5 Töchter und unheimlich viele Enkel hatte und gerne in total krassen Polyestermorgenmänteln durchs Haus gelaufen ist. Die waren einfarbig mit Spitze oder auch mal einen Federrand. Ich sehe ihre dünnen Beinchen mit den Venen vor mir. Ich habe da ganz starken Erinnerungen daran, auch wie sie deutsch-englisches Mischmasch geredet hat und die amerikanischen Enkel sich drüber lustig gemacht haben. Der Mann dazu, Onkel Hans, hatte einen mächtigen Fernsehsessel und ein Hörgerät, was ganz laute Piepslaute von sich gegeben hat.

Steffi und ich tauschen Geschenke aus. Ich habe Zuckerpuppen aus Wien mitgebracht. Kleine Tüten mit weißem Zucker und Modezeichnungen darauf. Nicht so toll, aber vielleicht ganz amüsant für den Fundus. Ich bekomme einen Kühlschrankmagneten mit holländischen Holzschuhen. Steffi serviert Tee und wir sitzen auf ihrem Bett. Sie war auf einem Flusskreuzfahrtschiff im Nähbootkamp und schildert ihre Eindrücke. Die Uniformstreifen mussten immer einen Abstand von 4 mm haben. Da haben sie einen Kabelbinder als Abstandshalter benutzt. Ich frage, welches Publikum auf so einer Flusskreuzfahrt sei und vermute viele Rentner. Da fällt mir wieder die Doku ein, die neulich lief mit Full Metall Cruise und den Heavy Metall Spießern. Eine Bürotussi und der langhaarige Typ dazu, die mit French nails und roten Rosen und Doro Pesch als Trauzeugin an Bord heiraten. Schlimmer geht nimmer. Die beiden Kumpels, die 8 Stunden am Tag ihre Muckis trainieren, weil es wäre doch schade, wenn die Figur flöten geht und man feiert ja doch jeden Tag und trinkt Bier. Da muss man tagsüber an seiner äußeren Erscheinung arbeiten. Man kann sich umsonst das Kreuzfahrtlogo oder Wacken tätowieren lassen und die Jungs haben sich für Partnertatoos von Wacken auf den Fußrücken entschieden. Fremdschämen ist angesagt. So ein fertiges Abziehbildchen als Dauerschmuck. Werbeträger sein, wie Steffi zu Recht meinte. Dann der zweite Bericht, über eine normale Kreuzfahrt. Das Schiff legt in Barcelona am Hafen an. Ein Pärchen, die jünger sind als ich und feststellen, dass „man hier wisse, was man habe“ und daher den Cappuccino immer an Bord einnehmen würde und dafür dann jeden Tag vom Stadtausflug zurück kehren. Bitte erschießen wenn es soweit ist denke ich nur.

Ich schmuse viel mit Suki, da entsteht gerade richtig Vertrauen, auch wenn er mir rosa Wollbommel geklaut und in sein Körbchen apportiert hat. Mit diesem Hund habe ich noch Großes vor. Modellmäßig auf jeden Fall und er nimmt seinen Auftrag ernst und macht richtig mit. Er weiß worauf es ankommt beim Posen. Ich werde ihm Hütchen nähen, wir werden im Partnerlook gehen. Vielleicht sogar eines mit den rosa Bommeln. Die hat er sich ja nun ausgesucht.

Steffi erzählt sehr lustig von einem 50sten Geburtstag eines Szenegängers in Braunschweig, bei dem sie vorher die Alkoholabbauwerte recherchiert hat und dann hingefahren ist und 0,1 Sekt getrunken hat und nach 2,5 Stunden zurück gefahren ist um nicht in die Verlegenheit zu kommen, dort übernachten zu müssen. Diese Systematik gefällt mir. Überhaupt genieße ich die Freundschaft und das Teilen gemeinsamer Hobbies. Apropos. Sie erzählt von einem neuen Sushi Laden neben Real. Es sei dort Pikobello, die Küche und alles ganz frisch zubereitet, auch warme Küche, Suppen usw. Die haben einen Bringdienst und sie den Flyer. Immer wieder sagt sie euphorisch: ich bestelle uns Sushi, aber das geht erst wieder um 17:30 und ich gehe mit Stephan essen. Der Wille zählt und ich denke, das machen wir mal ein andermal. Der Tipp ist schon mal super, weil das fehlte mir um die Ecke, ein guter asiatischer Imbiss.

Wie ein Hund jagt Stephan manchmal Autos, so nenne ich das, wenn ich das Gefühl habe, er legt sich als Radfahrer mit stärkeren Gegnern an. Ein SUV biegt in die Posthornstraße ab ohne zu Blinken und der Typ fährt davor schon halb auf dem Radweg und telefoniert und guckt nicht. Fast hätte er Stephan angefahren. Ich habe Angst um ihn. Ich sage: „nicht, die Autos jagen“.

Beckmanns Weinhaus ist heute voll. Erst kommen Fußballventilatoren, ein ganzer Tisch voll. Ein Typ sieht echt gut aus und hat die älteren Fußballfreunde aus Saarbrücken immerhin hier her gebracht. Er telefoniert mit seiner Familie und hat 2 Kinder. Die Vollprofis aus Saarbrücken erzählen von den ganzen Sternerestaurants die sie haben und lassen eine zweite Flasche Chianti Classico schon mal aufziehen. Sie würden immer nach Frankreich fahren. Metz wäre auch eine schöne Stadt. Ja, die spielen in der zweiten Liga. Immer geht es gleich wieder um das Thema, was sie alle verbindet. Ich bin echt intolerant. Der Typ wird gefragt von einem der Vaterfiguren aus Saarbrücken, ob er Pulpo kenne, die Vorspeise des Tages und er verneint. Der Typ hat zwei Kinder und noch nie Pulpo gegessen? Er bestellt Carpaccio und ein Rindersteak nur mit Kartoffel. Der Typ ist raus. So einfach ist bei mir die Rechnung. Unser leckeres Essen:

Beckmanns Ziegenkäse Beckmanns VongoleBeckmanns Lachs Kartoffelpü Beckmanns Tiramisu  Beckamnns Pannacotta Beckamnns Gorgonzola Nachtisch

Am anderen Tisch neben uns sind zwei ältere Menschen, Mann und Frau sowie zwei jüngere Männer. Ich denke erst, Familie, aber die Älteren sprechen mit bayerischem Dialekt und die Gespräche lassen schnell deutlich werden, dass sie nicht verwandt sind. „Was Sie kochen auch? Das ist ja toll. Ein Kochbuch von Jamie Oliver? Wir haben den Lafer und den Schubeck bei uns.“ Dann weiter, irgendwas mit, sie sind ja fast fertig geworden und die Arbeiten, die mit Dreck verbunden sind, sind erledigt. Ich überlege lange, was das zu bedeuten hat. Ein Hausbau und sie laden die Handwerker jetzt zum Essen ein. Später wird es mir klar, Messebau, Cebit is in the house. So viel ausländische Gäste ist man gar nicht gewohnt.

Die Kunst ist allerdings schlimm. Ich sage, das schaut aus, wie harte WG, die Wände total vollgemalt hat, Hauptsache dunkle Farben, fies und schlimm und der Nachmieter hat angefangen zu renovieren und ist gerade bei Obi, weil der Farbeimer leer ist.

Beckmanns Kunst

Heute bin ich gedanklich und von den Klamotten her zwar noch im Grand Budapest Hotel, aber American Hustle steht auf dem Programm. Es zeigt das Amerika meiner Kindheit. Die Mode, die Frisuren mit Lockenstab á la Farah Facett Majors und auch die Musik. Nicht nur, dass Christian Bale das neue Sexsymbol ist, auch und gerade die Frauengestalten sind eins-A. Natürlich hätten Steffi und ich gerne so einen Kerl, der eine Reinigung betreibt oder mehrere und wir dürfen uns aus dem Fundus der Designerklamotten und Pelze aussuchen, was uns gefällt. Das wäre ein Traum. Diese Reinigungsbügel, die mit Papier bezogen sind, mit einer Rose drauf. Auch Kindheitserinnerung. Die durchgeknallte, blonde Borderline-Ehefrau hat ja Claudia besonders gut gefallen und es waren auch die Schlüsselszenen des Films. Kein Metall in diesen Ofen, den die Wissenschaft uns gebracht hat (eine Mikrowelle). Immer will der Typ ihr sagen, was sie tun soll, dann Stichflamme, schwarz verkohlte Stelle in der Einbauküche. Dann hat sie einen Artikel gelesen, dass das die Nähstoffen im Essen zerstört und sie zu ihm: „Du schleppst so ein Teil an, was die Nährstoffe in unserem Essen zerstört und fast die ganze Bude abfackelt? Gottseidank war ich da“.  Schön auch, wie ihn an die Mafia verrät und die ihm einen Sack über den Kopf ziehen und ihn bedrohen und da fällt ihm die Lösung ein und sie: da habe ich einen Artikel drüber gelesen. Das mit der Motivation ist so eine schwierige Sache. Tolle Logik, toll, toll.

Draußen vor dem Kino treffen wir Bini und Andreas, die durchgehalten haben und Grand Budapest Hotel im Original gucken wollen. Alle Achtung. Ich wollte in die Glocksee und tanzen und Steffi treffen, habe aber kalte Füße und keine Lust mehr. Morgen soll ja schön werden, lieber schnell schlafen. Stephan erklärt Bini und Andreas, dass wir gestern aus gewesen seien. Aus? Ich habe eine Limo getrunken und 10 Minuten im Gut e.V. herumgesessen und war vor 12 zuhause. Das ist nicht ausgehen!!! Er verwechselt da was, mein Mann. Das ist wie ein Fertigsandwich bei Rewe kaufen und erzählen, wir wäre Essen gewesen. Soll ich frustriert sein, dass ich kneife? Ich habe einfach keine Lust und die Vorstellung in die Glocksee zu gehen und das ohne Alk, reizt mich nicht. Es ist nicht mehr mein Revier. Lieber schnell nach Hause. Ich habe den Eindruck nichts zu verpassen. Es ist kalt und Morgen soll es warm werden. Dann lieber schnell schlafen und Morgen einen vollen Tag erleben.

Ein halber Mond steht am Himmel. Ich habe mein Armband verloren, wie ein Bettelarmband mit Wappen der österreichischen Bundesländer. Ich bin auch selber Schuld, weil ich wusste, dass der Magnetverschluss unzuverlässig ist, aber es habe darauf ankommen lassen. Jetzt ist es weg. Ich ärgere mich, suche es noch im Garten und rede mir dann ein, es sollte nicht zu mir gehören.

09.03. Morgens Telefonat mit Claudia, die doch nicht mitkommt nach Kalifornien. Ich finde es schade, kann aber ihre Motivation verstehen. Vor der Fahrt zu meinen Schwiegereltern will ich unbedingt auf den Flohmarkt. Sonniges Wetter. Richtig was los. Herrlich. Ich schaue oberflächlich und finde nur eine Sache, die allerdings großartig ist, eine lederbezogene Klammer, die jeder braucht.

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Dann schnell zum Fischerhof. Leider fährt unsere S-Bahn sonntags nicht. Ich bin total genervt. Wir fahren mit den Rädern in der vollen Bahn zum Hauptbahnhof. Hier werden wir den Zug nach Neustadt nehmen und dann etwas Radfahren an dem neuen Radweg an der B 6 bei dem herrlichen Wetter. Stephan kauft mir einen Kaffee bei Segafredo und Florentiner mit weißer und dunkler Schokolade. Die Laune bessert sich mit dem Zucker. Im Zug ein Mädchen, was herum zickt und die leeren Drohungen der Eltern, wenn das nicht sofort aufhöre, würden sie in Wunstorf sofort zurück fahren. Sie steigen aus und es heißt immer wieder, nein Zoe, weg vom Gleis, lass es, kommt Zoe, nur zurück gefahren wird nicht. Stephan sagt, eigentlich müssten sie gleich wieder einsteigen, aber es sind doch nur leere Worte. Das weiß auch Zoe nur zu gut, die weiter tobt.

Der neue Radweg ist gut zu fahren, etwas laut. Viele Radkappen. Man würde müllmäßig richtig fündig werden, aber dafür ist keine Zeit. Auf den letzten Metern biegen wir ab und fahren den alten Radweg ins Dorf. Wir kommen mit leichter Verspätung an. Es wird doch nicht gegrillt, sondern es gibt Hühnerfrikassee. Ich war darauf reingefallen. Dafür weihen wir die neue Terrasse ein und braten in der Sonne. Es geht um eine bevorstehende Konfirmation sowie die Goldene Hochzeit meiner Schwiegereltern. Die können sich nicht einigen und die Kinder sollen es nun in die Hand nehmen mit der Planung. Rollentausch und die Eltern sind die Kinder und die Kinder bestimmen, wo es lang geht. Ausflug nach Hamburg, Hafenrundfahrt, Fisch essen wird überlegt, aber dann doch verworfen zugunsten eines kleineren Programms. Auswärtig übernachten ist eine Qual für meine Schwiegermutter. Es hat sich ein Freund angeboten eine Führung der Herrenhäuser Gärten zu machen und das wird ganz schön. Vorher gehen wir essen.

Ein entspannter Tag, keiner von uns kann so viel Sonne ab, wie mein Mann. Mein Schwiegervater fährt seine Tochter abholen im Feinrippunterhemd und die wundert sich, ob er nackt im Auto sitzen würde. Ich finde es cool. Ja, auch mein Mann sieht sehr gut aus. Ich sage ihm, schöner Oberkörper. Ich bin wie Agatha aus Grand Budapest Hotel, aber ich kann nicht backen und Du bist meine Liebe, aber eher Harvey Keitel, mit weniger Tattoos und einer anderen Profession, aber eigentlich solltest Du auch immer in Unterwäsche herumlaufen um die anderen Männer zu deprimieren. Ich pose etwas auf der frisch gestalteten Terrasse meiner Schwiegereltern. Alles wurde genau nach Plan eingepflanzt und der ist sehr streng!

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Als wir zurück fahren ist es für Kino zu spät. Ich hatte auch keine Lust. Wir fahren zum Siloah mit den Fahrrädern in der Bahn und ich habe Lust auf Sushi nach dem Landausflug habe ich noch ein kleines Hüngerchen. Auf zu der Phamy Sushi. Ich sage nur Hannover Maki mit Frischkäse und Rucola. Das ist gut gemacht. 15 % gibt es für das abholen. Der Laden ist surreal. Es ist megahässlich in der Gegend und dann diese Hütte mit dem total korrekt, japanisch gekleideten Mann, der einen Wickelumhang als Sakko trägt mit traditionellem Muster. Die Männer rollen das Sushi und die Frauen kochen in der Küche. Das einziges was fehlt ist die typische Stoffgardine bestehend aus Stoffstücken, die an einander hängen am Eingang des Ladens und vielleicht noch einen Lampion draußen. Das Telefon klingelt kontinuierlich. Sonntagabend ist Hauptkampftag. Es ist eine gute Alternative zu Joeys bzw. echt eine andere Liga. So viel steht fest. Hier gibt es was Frisches und Kimchisalat statt trash food und Haagen daaz. Das ist bekömmlicher vor dem Fernseher.

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