Isabelle

Eine echt alte Freundin der Familie ist in Kalifornien gestorben und man hat ihr Asche in der Bay verstreut

Sie war Leiterin der Behinderteneinrichtung für Frühförderung (als man Behinderte hier noch in Schränken versteckt hat)

Sie war so eine coole, humorvolle und weise Frau. Sie hat viele Menschen geprägt und beeinflußt, ganze Familien und mich auch

1981 war ich im Urlaub bei ihr und wir haben abends in ihrem Wasserbett gelegen und M*A*S*H geschaut und morgens hat ein dicker Hippie-Nachbar Tai Chi Übungen in der Küche gemacht vor dem Regal mit den ganzen Vitaminen und Nahrungsergänzungsmittel, ohne die damals nichts ging

und ich war total verblüfft und hatte so was noch nie gesehen, diese langsamen Bewegungen, ein Tanz bei dem man die Luft wegschiebt

Ihre Zitate sind übrig geblieben. Sie sagte so was wie: „Subtle as a Blowtorch“ und zu meinem Vater: „Don’t touch me, if you don’t mean it, Dietrick“, wenn er den Arm um ihre Schulter legte um sie zu manipulieren.

Sie hatte 4 Kinder und war in den 60ern mit einem Künstler verheiratet und hat nicht nur eine gute Zeit zum Sterben vor allem eine gute Zeit zum Leben herausgesucht. Das alte Amerika wie in einem Wes Anderson oder Tarentino-Film

Ich kann mich da auch nicht beschweren, was die Lebenssparte anbelangt. Wer will heutzutage schwanger sein oder ein Kind bekommen oder eines haben oder 3 und die im Auto warten lassen, weil man meint, dass man noch ins Büro muss und die dort aber keiner haben will…

Dann ist sie 1980 als wir nach Deutschland gezogen sind in Rente gegangen. Die war 40 Jahre In Rente. Das beeindruckt mich schon auch sehr und ich habe es mir schon 2000 vorgerechnet, bei einem Besuch als sie nach Oregon gezogen war zu einer Tochter auf denen Grundstück sie in einem Trailer gewohnt hat und in einer Kunstgalerie ehrenamtlich gearbeitet hat, wie lange sie schon in Rente ist und was da nach einem sehr engagierten Arbeitsleben alles noch geht

2014 als wir sie das letzte Mal gesehen haben, hat sie mir das braune Einsteck-Fotoalbum ihrer Deutschlandreise aus den 80ern geschenkt mit qualitativ schlechten alten Fotos meiner Familie, auch meiner Oma, die sie in Stuttgart besucht hat und dazwischen Postkarten von oberfränkischen Wallfahrtsorten – Vierzehn Heiligen und so. Das Haus meiner Eltern und die Landschaften, die Städte und Mode, alles sehr rückständig und trostlos – 80er eben. Sie meinte, sie müsse schon mal was loswerden und es sei besser bei mir aufgehoben

Nedlin 19.03.20