Ich tue nicht nur lästern über medizinische Einrichtungen, quasi Sauerrahmbutter, nein. Heute, am 03.07.2013 war ich mit meinem Schützling in der Radiologie am Raschplatz verabredet und es dauerte zwar auch von 11:15 Uhr bis ca. 13:00 Uhr für mich und bis ca. 16:20 Uhr für Herrn W., aber das lag nicht an der schlechten Organisation, sondern an der Untersuchung selber, Knochenszyntigraphie stand auf dem Programm. Die Praxen (sie waren mal zusammen und haben sich getrennt, wie man mich telefonisch informierte) sich geräumig und mit dekorativer Kunst eingerichtet und die Frauen die dort arbeiten sind auf Zack. An der Wand hängen Zertifizierungen für Mammographie und so was in Peterburger Hängung. Herr W. und ich auf dem Fahrrad kommen fast zeitgleich an unter hässlichen der Brücke zum Ärztehaus, die an Autobahnunterführung erinnert und ich parke meinen Drahtesel auf dem Mittelstreifen. Oben in der 3. Etage haben wir einen Extraraum zum Warten als Seuchenstation. Dort hocken wir zwar ¾ Stunde, aber das passiert ja in jeder Hausarztpraxis. Er erzählt mir, dass er gerade was Kitschiges im ZDF geguckt hätte als er abgeholt wurde. Eine Arztpraxis, es seien Schwestern oder Ärzte gewesen, vermutlich Schwestern, wie er dann resümiert und die eine Frau hatte Tränen in den Augen gehabt und dann ging es um einen Lottoschein, der in der Mitte durchgeschnitten wurde und das war dann der Hauptgewinn. 4 Millionen. „Tippgemeinschaft“ war sein Kommentar. Ich will später Smalltalk machen und zeige auf das Standfahrrad und sage, hier wird EKG gemacht und frage ihn, ob er weiß, was das ist. Seine Antwort: „eisernes Kreuz in Gold“. Das hätte es bei Hitler gegeben für die Höhergedienten, aber es sei auch bei Hitler nicht aus Gold gewesen, Kupfer oder Messing, er ist sich in dieser Frage unsicher und so am schwarz-rot- goldenen Band, erzählt er mir und zeigt auf seine Hals. Ich sage ihm, dass ich diesen Monat seine Wohnung auflösen muss. Er kann sich kaum noch an sie erinnern. Er wird nächste Woche 55 Jahre alt und hat zwei Söhne, aber keinen Kontakt und kein Interesse. Dann wird ihm die schwach radioaktive Substanz gespritzt für die erste Ausnahme (das dauert 6 Minuten, wie wir vorher erfahren). Danach, es ist ca. 12 Uhr heißt es, wir hätten bis 13 Uhr Zeit und könnten „Erledigungen machen“. Der Mann mit den Masken über Hals und Gesicht kann sich nur an der Wand entlang balancierend fortbewegen und würde auch nicht zurück finde, wenn er das Gebäude verlässt. Welche Erledigungen? Herr W. will eine Rauchen. Das Rauchen lasse er sich nicht nehmen oder „solange er noch rauchen könne“ in Bezug auf seinen Gesundheit bzw. die Krebserkrankung und er rauche alles, wie er mir glaubwürdig angibt. Wir fahren mit dem Fahrstuhl nach unten. Er raucht dunkle Zigarillos für 1,90 € 17 Stück. Die „Stühle“ bestehen aus Betonpollern und ich muss mir eine Zeitung unter den Hintern legen um eine Blasenverkühlung zu vermeiden. Ich lasse die Zeitung liegen, aber zum Glück ist in diesem Punkt mein Begleiter aufmerksamer als ich. Wir scheinen ein gutes Team zu sein. Anschließend begleite ich ihn nach oben wieder in den Extraraum und nehme schon mal die Wasserflasche mit. Ab 13 Uhr muss er innerhalb einer Stunde diese leeren und dann folgt der zweite Teil der Untersuchung. Ich gehe nach nebenan. Dort hat er am 19.07. einen Termin und ich bin in Berlin. Schön alles vorbereiten, Krankenhausberichte kopieren lassen,Einwilligung vorsorglich unterschreiben, Versichertenkarte einscannen, Visitenkarte da lassen. 5 nach 1 schaue ich noch mal kurz bei ihm rein und halte ihn zum Trinken an und verabschiede mich. Er bedankt sich. Am 01.07. erhielt ich vom Pflegeheim ein Fax mit dem Inhalt: „bei Herrn W. hat sich eine Wucherung an der Trachealöffnung gebildet, die wir gern auch fotografisch dokumentieren würden. Dazu benötigen wir Ihr Einverständnis“. Aber nicht für facebook, sage ich zu der Mitarbeiterin, weil ein blöder Spruch irgendwie helfen soll.