Schlaganfall Angie – die Woche vom 09. -13.09

09.09. Beim Zurückkommen aus Hamburg war mir wieder eingefallen einer der Hauptgründe warum ich meinen Atelierplatz gekündigt habe als ich die Zinnober-Plakate hängen sehe und wir mit der Stadtbahn vorbeifahren. Diese Veranstaltung war immer Horror für mich und sie hat an diesem Wochenende wieder stattgefunden und ich musste weder mitmachen bei einem Künstlerspeeddating (die reinste Zwangsprostitution für mich) noch mich herausreden (und damit asozial sein und die blöde Kuh, die nicht mit macht), aber dann wenigstens vorher meinen Platz schön aufräumen, damit sich die Lehrerinnen nicht für mich schämen müssen. Beides grauenhaft und überflüssig zugleich und dann die interessierten Landeier, die einen Fragen, was es bedeutet und wie man auf die Ideen kommt und ich fühlte mich immer penetriert und will mit diesen Menschen einfach nichts zu tun haben, wie ungebetene Gäste, die zuhause die Schränke aufmachen und sich alles erklären lassen wollen oder der Gorilla hinter der Glasscheibe im Zoo.

Ich wundere mich die Tage auf dem Weg zum Sport oder in die Stadt immer wieder über das Wahlplakat von Frau Merkel, auf dem ihr Mund schief verzerrt ist wie nach einem Schlaganfall und das bei all den technischen Bearbeitungsmöglichkeiten von Fotos heutzutage, dieses verkrampfte und asymmetrisch verzogene Lächeln, was keines ist.

Der teure Schokoladenkaviar aus Hamburg-Ottensen und: hat sich die Investition gelohnt?

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Doppeltermin in Langenhagen in der Psychiatrie. Die junge Frau neben mir stiert mir auf den Kopfschmuck und überlegt sich wegzusetzen. Ja, es ist das, wonach es aussieht und war früher mal im Klo. Ich bin so eine Sau. Beim ersten Termin mit Herrn A. ist ein Praktikant der Sozialarbeiter studiert, Bachelor heißt der Abschluss, mit dabei. Der Regen, ich muss mein Fahrrad zuhause lassen und sogar einen Schirm mitnehmen (!). Das passiert mir ganz selten und ich lehne dieses Hilfsmittel eigentlich ab. Der Herbst hat Einzug erhalten, ganz plötzlich. Ich sehe am CCL ein herrliches Plakat auf dem für ein Hamburgbesuch geworben wird. Die Plakate unterwegs mit Steuersucht statt Steuerflucht oder so ähnlich, auf denen für Steuerlehrgänge geworben wurde, konnte ich leider nicht ablichten.

Hamburg denken

Nachdem wir gestern den total langweiligen Bericht über Karl Lagerfeld, den Stephan für mich aufgezeichnet hat geguckt haben, bis ich abbrechen wollte wegen Langeweile mache ich mir Gedanken zu Thema Luxus. Was ist Luxus? Sauberes Wasser was aus dem Hahn kommt, aber eine Handtasche für 30.000,- € gegenüber einer für 30,-, die denselben Zweck erfüllt, kann ich nicht verstehen. B-Promis kommen nach Hannover, wohin auch sonst denke ich als wir am Wasserturm vorbeifahren. Marc Terenzi war neulich auf H 1, in einer ganz erbärmlichen Pro Gay-Sendung, die das Schützenzelt für Gays und das Maschseefest empfohlen haben. Pro Gay finde ich gut, aber nicht diesen Spießerkram. Das muss ich leider auch bei Gleichgeschlechtlichen konsequent sein. Marc war im Interview und sagte so was wie: Ich bin gemoved nach Hannover, because I have a Projekt hier. I work mit einem DJ together. Schlimmes Denglish spricht der Mann. Elisabeth Taylor kommt vorbei mit dem Gaszählerstand (sie hatte nur Strom richtig abgelesen beim ersten Anlauf). Sie trägt einen riesigen Wal (Stofftier) über der Schulter. Modell Orca. Das ist filmreif. Ich bleibe ganz ernst und lass mir nichts anmerken.

10.09. Der Herbst grätscht sich fest, statt noch mal auf Altweibersommer zurück zu stellen. Psychiatrische Praxis Nordstadt, Versichertenkarte einlesen lassen. Mein Betreuter hat die Fachärztin nicht reingelassen. Dann Amtsgericht. Frau hat über das ambulant betreute Wohnen eine Betreuung angeregt wegen u.a. Schulden. Erscheint nicht. Zuständig ist ein ganz junger Richter, der mich bei der Gelegenheit als Verfahrenspflegerin bestellt. Es geht wieder einmal um einen Alkoholiker, der Korsakov hat und gerade im Nordstadtkrankenhaus ist und nach Langenhagen soll. Die Anhörung findet am selben Nachmittag um 17 Uhr statt. Es ist genau die Infektionsstation auf der ich auch mal gelegen habe mit meiner Lähmung. Alte Erinnerungen werden wach. Der Mann hat doch erhebliche Gedächtnislücken beim Kurzzeitgedächtnis und erzählt lieber von früher, als er bis zu 16 Lkw samstags gewaschen hat. Er weiß nicht, wo er wohnt, aber was er weiß ist, dass es in Langenhagen schwarz gekleidete Jungnazis gibt, die die Alkis grundlos verprügeln und dann einfach weiter gehen, als sei nichts gewesen. Eiskalt seien die und da sei es besser, wenn man in einer Gruppe von Trinkern sei. Da trauen sie sich nicht so ran oder man muss sich in den Rewe flüchten und einen Verkäufer bitten, die Polizei zu rufen. Bis die dann kommen, seien die in alle Himmelsrichtungen verschwunden.

Ich liebe den schönen Friedhof gegenüber dem Krankenhaus. Das Efeu auf der Mauer hat eine schöne Frisur. Auf dem Weg in die Nordstadt treffe ich einen Bekannten, der mit seinem schwarzen Königspudel durch den Park joggt. Ich war mittags noch mal zuhause und habe mit einer Wollmütze nachgerüstet. Nach dem Termin flüchte ich mich beim immer stärker werdenden Regen zu Edeka und dann nach Hause und nehme ein Vollbad mit dem Gartengebräu, was man eigentlich sofort hätte verwenden sollen. Es riecht auch nicht mehr so super, aber ist ja nur äußerliche Anwendung. Den ganzen Tag denke ich an Tom ka gai, vietnamesisch mit dem knackigen Blumenkohl. Das war superlecker und hat mich glücklicher gemacht als das teure Haus an der Alster. Ich bin halt einfach gestrickt. Kaufe vor lauter Sehnsucht einen Blumenkohl auf dem Markt, Suppe muss ich selber machen und das wird eine pürierte. Lieber wäre mir die andere, aber die bekomme ich so nicht hin. Dazwischen ruft Elisabeth Taylor an, die mich fragt, ob ihre Üstramonatskarte ungültig sei, wenn sie sie einschweißen lässt. Das habe sie getan und das sei ihr dann erzählt worden. Warum hat sie das machen lassen frage ich. Wegen Flecken und Knickerei. Sie war übrigens „da“, sagt sie mir. Da? Frage ich. Sie nennt mir den Namen des Psychiaters, also bei der Spritze. Das ist gut, auch wenn man es nicht so merkt. Wie wäre es wohl ohne?

11.09. Vormittags ein Telefonat mit einem Kollegen bei dem ich mal in der Ausbildung war im Referendariat. Wir kommen ins quatschen und ich frage ihn, ob er auch Samstag Karten für die Opernpremiere habe. Ja, Premierenabo und auch fürs Schauspielhaus. Fleißig. Ich sage ihm, dass es für mich eher eine Pflichtveranstaltung sei und er macht mir Mut, das wäre eine schöne Oper, der Maskenball und die Veranstaltungen der Musikhochschule seien auch immer ein guter Tipp. Die experimentieren mehr, die jungen Leute. Ich fahre nachmittags nach Neustadt. Große Holzkrawatten in rot, gelb und blau hängen in den Bäumen. Blöder geht es nicht. Das will ich noch nicht einmal fotografieren. Mey ist es hässlich hier, denke ich immer wieder. Meine Betreute ist schüchtern und wartet schon ca. 1 Stunde. Die Anhörung dauert nur Minuten. Der Richter hat verwackelte Farbfotos an den Wänden, die bunten Lichter bilden Striche, sehr originell und ein Dartspiel hängt auch. Ob ich einen Ausschlag im Gesicht hätte, fragt sie mich anschließend. Was soll ich darauf sagen, die Hormone haben meine Haut versaut, was andere in der Pubertät hatten, ereilt mich im Alter, aber darüber reden will ich nicht. Ich hatte Jahrzehnte tolle Haut und habe nie Probleme gehabt, jetzt habe ich sie und denke, es gibt Schlimmeres, z.B. Krebs. Der Zug ist voll mit Schülern und die Stadtbahnlinien 3, 7 und 9 sind durch einen Unfall beeinträchtigt. Ich habe ein Buch: „Zum Glück gab es Punk“ dabei und bin bemüht, es abzuarbeiten. Den Anfang fand ich spannend, aber jetzt ist es mehr Pflicht und Ehrgeiz es zu Ende zu bringen als alles andere. Die Demo für die Abholzung der Eilenriede zugunsten einer Rollschuhbahn mit Plastikbäumen umsäumt finde ich lustig. Der saure Regen tötet die Natur, dann lieber gleich kurzen Prozess und Plastikbäume aufstellen, die der Modernen gewachsen sind. Sahra Wagenknecht macht auf Frieda Kahlo. Wollen die mir alles verderben? Ihr alter Knacker, Macker aus dem Saarland ist dann der Freskenmaler oder was? Mir ist schlecht. Abends die Doppelyogastunde tut gut. Beim Kundalini merke ich, dass meine Kräfte noch nicht bei 100 % sind. Ich habe Schwindel und Kreislaufprobleme. Gottseidank findet alles heute im Sitzen und Liegen statt. Ein tolles, energetisches Set. Ich bin nach den Klopfübungen und der Selbstmassage und den Mantren wie weggebeamt und sage: Stehen wird überbewertet und ist beim Yoga echt nur eine Option. In der normalen Yogastunde ist noch etwas Körperarbeit angesagt und Mikael demonstriert etwas an mir, was er für „schon fast pervers“ hält. Das sorgt für Heiterkeit. Abends gibt es die zweite Portion Pasta an diesem Tag. Die Tochter meiner Cousine verkauft Doc Martens in London. Die wollen wir aufsuchen auf der Hochzeitsreise Anfang Dezember. Das ist eine lustige Erfahrung, wenn die Kinder der anderen auf einmal erwachsen sind und man kann etwas partizipieren, auch wenn es nicht die eigenen sind. Meiner Lieblingsyogalehrerin, die bei Triyoga unterrichtet kommt doch nicht nach Hannover, weil keiner außer mir ihren Workshop buchen wollte. Das finde ich natürlich total schade, weil ich das initiiert habe und die richtig gut unterrichtet, aber offenbar gehen die Yogaschülerinnen nur zu dem Yogastars, die sie von Youtube kennen. Ist halt wie überall und ich werde einfach in London wieder einen Klasse von Mimi besuchen, die mir ihrem tollen, fordernden und interessanten Yogaunterricht mit Qigong-Elementen neue Anregungen gibt und einen voran bringt mit der eigenen Praxis.

12.09. Traum. Wir sind in New York und passen auf den Säugling meiner Kollegin auf. Ein hellblondes Mädchen, ganz klein. Ich bin noch müde und frage mich, ob ich neben der im Bett einfach schlafen darf oder sie dann aus Versehen zerdrücke. Dann sind wir im Park. Eine Frau kommt mit ihrer Tochter zu uns heran und will den Namen des Babys wissen. Den haben wir uns leider nicht gemerkt. Das kommt komisch an. Ehepaar mit Säugling und sie wissen den Namen nicht. Wir erklären ihr dann,  dass sei die Tochter der Kollegin und die ältere Tochter (ca. 8 Jahre, so alt wie Du, sage ich zu dem Mädchen) von der hätten wir uns den Namen schon gemerkt, aber leider nicht von der Kleinen und sie kann auch nicht helfen, weil sie noch nicht bestätigend auf ihren Namen reagieren kann. Sie heißt Claire, wie sich später herausstellt, komischer Name denke ich mir und einen kleine Chihuahua-Mix haben die beiden auch, meine Kollegin und ihr Mann, der ist lieb und schnappt gar nicht, im Gegensatz zu den Problemhunden bei Cesar Millan (tatsächlich hatte die Kollegin sich einen Bürohund anschaffen wollen, den ich dann streckenweise auch genommen hätte, aber dazu kam es nicht) und ich mache mir im Traum Gedanken um den Langstreckenflug im Säuglingsalter und halte das irgendwie für unverantwortlich, aber jetzt erst mal einen leckeren Kaffee. Wir gehen im Hotel die Treppe hoch, dicker Teppich liegt auf den Stufen. Der Wecker klingelt.

Heute 80er Jahre Delight-Outfit und ich fühle mich etwas wie aus Denver Clan. Ich weiß gar nicht, ob ich diesen Look mit Schulterpolstern so gut finde, aber bei den jungen Mädchen, die sämtliche Geschmacksflauten der 80er abfeiern wird der Look gut ankommen, außerdem hat das Kleid eine tolle Verarbeitung, einen ganz tollen Wollstoff und einen langen Schlitz, so dass man bequem aufs Fahrrad kommt. Alle fahren weg in den Herbstferien, nur wir nicht. Gut, wir waren echt genug weg dieses Jahr. Ich habe keinen Grund mich zu beschweren. Trotzdem denke ich sehnsüchtig an Istanbul, Wien und New York habe etwas Fernweh. Da ich mit Stephan schon über 25 Jahre zusammen bin, ist mein Leben beim Thema Partner von einer großen Liebe geprägt. Bei den Städten gab es viele große Lieben an die ich mich sehr gerne erinnere. Vor allem das erste Mal Barcelona ist mir sehr präsent, aber auch Istanbul und Wien.

Mittags gehen wir in einen neuen vegetarischen Imbiss in der Deisterstraße. Viel Fertigsoße (die süße Chili-Soße aus den großen Flaschen). Mehr frisch und knackig wäre mir lieber. Allerdings freue ich mich sehr über die Nachbarläden. Hier wird vom Prittstift, bis 10 Gebote auf Gummilappen, head and shoulders, ambulant betreutes Wohnen, zumindest der Prospekt, Teelichter bis Staub und Stempeln alles Mögliche feilgeboten. Auf der anderen Seite gibt es hochwertige Etuis, die zwar schwarze Flecken haben, aber dafür herabgesetzt sind.

10 Gebote ABW Pritt Head und shoulders Qualität Etui

13.09. Morgens ruft meine Mutter an, sie kommen gerade von einer Dienstreise mit Hotelübernachtung in einem Schloss und Restaurantbesuch wieder, mein Vater wird Morgen in einer Woche an der Schulter operiert und heute Nachmittag sind sie wieder unterwegs und werden abgeholt. Sie will mir aber sagen, dass ich kürzer treten soll. In Wirklichkeit wird es ihr zu viel und deswegen wohl der Hinweis an mich und/oder wegen Muttersorge. Mich macht das allerdings bockig. Ich lass mir doch von meinen Rentnereltern, die ständig unterwegs sind nicht vorschreiben, dass ich kürzer treten soll!

Am Nachbarhaus sind ganz liebevolle Maler zugange. Der eine junge Bursche liegt auf dem Rücken auf einer Leiter und streicht den Giebel über sich. Die leisten gute Arbeit und ich lobe sie gegenüber unserem Nachbarn. Wir hatten seinerzeit eine Malerfirma Flecks, die den für teures Geld frischsanierten Sandstein nicht abgeklebt und mit Farbklecksen versehen hat und einfach überall Farbe hingeschmiert hat. Wenn man aus dem Haus ging, wurde man selber getroffen, ein gelber Handschuh mit passendem Farbabdruck landete auf dem Dach unseres Nachbarn usw. Unglaublich schlecht waren die und diese sind unglaublich gut. Auch bei Handwerkern gibt es beides. Ich sage nur Better call, Saul. Saul Goodman aus breaking bad bekommt eine eigene Sendung.

Die Kastanien erwischt es doch als Erstes. Braunorange geflammte Blätter, die Früchte sind noch grün, die Blätter schon voller Herbst. Ich habe einen Scheidungstermin und die Mandantin hat ihre volljährige Tochter mitgebracht, die dabei sein soll und auf einem Zuschauerplatz sitzt. Immer wieder freut sie sich demonstrativ, dass sie den Typen los ist. Danach gemeinsam zu Oma und dann zum Tätowierer schlägt die Mutter vor. Er kommt und ich denke, dass ist noch eine erwachsene Tochter, die vor der Tür auf ihn wartet, aber es ist wohl seine Neue. Meine trinkt unter vor der Tür des Amtsgerichts Rotkäppchensekt aus der Flasche und freut sich, dass sie „den Schmarotzer endlich los“ ist. Es wirkt aber ganz anders, so als würde sie mit allem dem sehr schlecht fertig werden und zitternd ihre Überlegenheit beteuern und demonstrativ zur Schau stellen, während sie sich aufregt, wie er mit seiner Neuen Arm in Arm läuft und dabei braucht sie noch die Unterstützung der Tochter, die herhalten muss und sich vermutlich mitfreuen über die Scheidung der Eltern (das ist pervers) und auf einmal blutet sie und weiß nicht woher. Sie ist panisch: ist es im Gesicht, ist es im Gesicht? Es ist ein Schnitt am Finger. Die Tochter sagt: „ohh Mama, chill doch mal ein bisschen“ und dann muss ich noch mit einem Taschentuch aushelfen. Was für eine peinliche und erbärmliche Vorstellung. Das ist die Bilanz einer 18 jährigen Ehe. Ich weiß warum ich diesen Anwaltskram am liebsten gar nicht mehr machen will nur noch schön mit meinen Verrückten. Da habe ich mehr Draht dazu.

Nachmittags ist Demo am Lindner Marktplatz angesagt. Die Polizisten tragen seit neustem hinten Nummern. 7213 und so. Leider sind die Nachwuchspolizisten alle nicht schussfest und haben ein dünnes Nervenkostüm, d.h. so eine Veranstaltung ist schon eine Zumutung für sie und wenn dann noch was dazu kommt, gibt es Burnout und Dienstunfähigkeit.

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Während sich die Gegendemonstranten einfinden, kann ich den Feind nicht richtig ausfindig machen. Sind das diese armseligen Hanseln? Der eine dick mit weißer Regenjacke (see through) durch die was Rotes durchscheint, was aussieht wie eine rosa Wurst, der andere auch dick mit Blaumannhose, der vor dem Rathaus ein paar prollige Gesten macht. Beide Daumen nach oben oder unten, Becken nach vorne. Ich verstehe diese Veranstaltung nicht und weiß auch nicht, ob man diesen peinlichen Gestalten, offensichtlich lernbehindert nicht mehr Aufmerksamkeit zukommen lässt, als sie verdient haben. Anhänger haben sie keine. Es sind nur die Gegendemonstranten und die Polizei da. So richtige Nazis, die Obdachlose und Alkis verprügeln und denen man auf die Klappe geben will sind sie einfach nicht, sondern so peinliche Opfer, die sicher in der Schule viel gehänselt wurden und nicht richtig lesen und schreiben können. Sie scheinen die ganze negative Aufmerksamkeit zu genießen, sie baden im Geräuschmeer der Pfiffe und Buhrufe und jetzt wird eine Runde Deutschlandflagge geschwenkt. Oh mein Gott. Bald ist der Spuk vorbei und die packen das Klappplakat wieder ein und rollen die Fahne auf und steigen wieder in ihren Tourbus.

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Mein Betreuter, der um 14 Uhr einen Termin hat, taucht nicht auf. Ein ungünstiges Timing, zumal Herr T Anti-Aggressionstraining machen soll (laut seiner Bewährungshelferin, die für Oktober mit mir einen gemeinsamen Termin vereinbart hat) und ein Problem mit Bullen hat er auch und das bei den Aussichten am Lindener Marktplatz. Ist er nicht durchgekommen? Gab es Probleme unterwegs?  Mir hat die letzte Strafverhandlung gut gefallen. Es war mal kein Drogendelikt, sondern er hatte seinen Nachbarn vertrimmt, der zuvor seine Freundin geschlagen hatte, die dann bei meinem Schutz gesucht hat. „Der Typ schlägt Frauen, der soll nicht heulen, der soll selber leiden“, war sein Fazit. Guter Junge, dachte ich mir damals. Die Frau war dann wieder zu dem Schläger zurück gegangen. Auch eine fiese Erfahrung für ihren Helfer, aber leider typisch nach meinen Erfahrungen.

In der Sache, in der ich Verfahrenspflegerin bin und der Wohnungskündigung nach 39 Jahren nicht zugestimmt hatte, beschwert sich der Betreuer beim Gericht über mich. „Frau A., war aus meiner Sicht in ihrer lauten, dominanten, autoritären, selbstherrlichen und unsensiblen Art dermaßen voreingenommen, voreilig kritisierend und anklagend, unangebracht belehrend und unfähig zu einer konstruktiven Kommunikation, daß ich hiermit Beschwerde gegen diese Verfahrenspflegerin einlege“. Lesen wie anderen einen sehen ist doch immer wieder herrlich. Ja, so bin ich. Was ich inhaltlich falsch gemacht haben soll, konnte ich dem Text von lauter beschreibenden Charaktereigenschaften leider nicht entnehmen. Er tauscht das Schloss aus von seiner Betreuten als sie im Krankenhaus ist und kassiert das Sparbuch und versucht sie – aus meiner Sicht – ohne hinreichenden Grund wohnungslos zu machen gegen ihren Willen. Ja, das habe ich kritisiert und auch wie er seine Rolle als Betreuer wahrnimmt, weil hier der Willen des Betreuten gilt und dann erst mal kilometerlang nichts. Jetzt mag er mich wohl nicht mehr, aber meine Klientin ist wieder in ihrer Wohnung und hat einen Pflegedienst und ich habe regelmäßigen Kontakt zu ihr und dem Helfersystem, also ich bin da ganz gelassen, dass ich doch ihre Interessen wahrnehme und halt nicht die Interessen ihres gerichtlich bestellten Vertreters, der offenbar alle Alkoholiker, die sich ja latent selber gefährden in Heimen unterbringen will und deren Meinung dazu ihn reichlich wenig interessiert.

Wir bekommen Post aus Hamburg von Normann. Eine süße Lockengans von Greenpeace.

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Ich rufe die prollige Verwandtschaft meines Mandanten an, die im Ruhrpott lebt. Es geht um das Testament und meiner ist Alleinerbe. Die Schwägerin will das nicht einsehen und schimpft die ganze Zeit, meiner (der im Übrigen schwerbehindert ist und in einer beschützen Werkstatt arbeitet sowie eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht) der hätte seine Lehre zu Ende machen sollen damals, was soll die Scheiße. Sie wollen Halbe/Halbe und nichts anderes. Ihr Mann kann auch anders, dann geht es halt auch zum Anwalt und wenn das ganze Erbe dann für den Rechtsstreit drauf geht das ist ihnen auch scheißegal. Das mit der Mutter und dem Testament, da sei nur Scheiße gelaufen und sie hätten sich immer gekümmert und jetzt wird noch ihre Tochter eingeschult und ihr Mann würde arbeiten und sie würden es nicht einsehen. Eine supersympathische Frau. Ich bin geradezu dankbar als der Mann mich noch mal zurück ruft, mit dem man etwas vernünftiger reden kann, auch wenn sie im Hintergrund die ganze Zeit zetert was mich sehr aggressiv macht. Ich erkläre ihm, dass wir eine Lösung finden wollen und keinen Streit, aber an den letzten Willen seiner Eltern gebunden sind und sein Bruder da vor allem nichts dafür kann. Schwierige Sache.

Abends fahren wir zum Abschluss der Woche zu Biagio. Ich habe total Lust auf die Pasta mit geschmortem und gebratenem Zickleinragu, eine Lasagnette. Der Hammer. Das kann keiner so wie er. Auch die lackierte Wachtelbrust ist sehr gut und die Wirsingsuppe mit einem dicken Parmesanflatschen unten drin. Köstlich. Es gibt eine halbe Portion Pasta mit Meeresfrüchten und Steinpilzen und Stephan isst Wels mit sehr leckerem geschmortem Salat als Gemüse, knackig und Safranrisotto.

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Wir nehmen den großen Nachtischteller für 2 und ich verleihe der einen Stammbedienung (Benny) einen antiken Weintraubenknopf als Somelierzeichen zum Annähen. Auch dem Chef gefällt der Knopf, aber er ist anderweitig schon seinem Mitarbeiter versprochen gewesen. Ein runder Abend. Schade, dass der Laden am anderen Ende von Hannover ist.

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Ein Gedanke zu „Schlaganfall Angie – die Woche vom 09. -13.09

  1. anne

    Die Fotos vom Topeano und Deine wunderbaren Beschreibungen machen mal wiede Lust auf einen Besuch dort…und obwohl das Tropeano für mich am „richtigen Ende der Stadt“ liegt, gehe ich zu Fuß 30 min dorthin. Mit dem Fahrrad sind es 7 Minuten ;-)). Ich werde Benjamin auf jeden Fall beim nächsten Besuch nach dem „Weinknopf“ fragen …da wird er sich wundern.
    Sonntägliche Grüße nach Linden, Anne

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