12.08. Ich noch leicht angeschlagen kommt mir keuchend und strahlend Frau C entgegen. Die Straßenbahn sei zu weit gefahren. So sei das immer und dann war Justiz ausgeschildert da hat sie gedacht, ohweia, hier ist sie ja ganz verkehrt und nicht, dass sie zu spät kommt und dann hat sie sich verknotet und ist hier einmal um die Pudding gelaufen und hoffentlich kein Giftdoktor. Da hat sie Angst, die haben so viel seelischen Schaden bei ihr schon angerichtet. Ich sage, es wird alles gut. Die eine Freundin in der Maßnahme hat ihr schon Angst gemacht, dass die ihr den Schwerbehindertenausweis gleich wegnehmen. Das dürfen die doch nicht, der? Sie hat den extra verlängern lassen bis Januar 2014. Die Freundin hat gesagt, sie nehmen ihr den weg, weil sie keine Psychologin mehr hat. Aber die Gute hat ja aufgehört und deswegen geht sie nicht mehr. Heute Nachmittag kommt die neue Frau vom ambulant betreuten Wohnen und fährt mit ihr einkaufen. Dann macht sie zwei Stunden. Das ist dann Notfall, Großeinkauf für den ganzen Monat. Das schafft sie nicht, die 35 Stufen hoch und dann wollen sie freizeitmäßig ins Grüne fahren, das was die andere Betreuerin ihr gezeigt hat. Da wo es nicht so gefährlich ist. Diese Scheißlastwagenfahrerarschlöcher die drängen sich auf den Radweg, obwohl sie das nicht dürfen. Das hat sie neulich gesehen, wie so einer mit einem Lastwagen und einem Anhänger so einen Kreis fährt (sie malt die Bewegung in der Luft) und sich dann mitten auf den Radweg stellt und den blockiert, wie Tier. Sie ist dann vom Rad abgestiegen und war voll enttäuscht und hat das Rad wieder nach Hause geschoben und hat den Ausflug abgebrochen. Schlimm ist das. Und die Ärztin in soundso (auf dem Land, damals), die wollte umbringen. Die gute Ärztin hat dann gesagt, das Tavor nicht nehmen, ist ganz gefährliches Zeug, lieber in der Apotheke abgehen und dann hat die ihr Zeldox verschrieben, die sie umbringen wollte und sie ist fast verhungert. Die ganzen Lebensmittel sind schlecht geworden im Kühlschank und sie immer dünner, Pappgeschmack im Mund. Das darf man den dicken Kranken verschreiben, aber nicht uns Dünnen, resümiert sie weiter. Hausärzte kann man auch vergessen, die haben alle nicht dieses wichtige Dings, mit dem man innen rein gucken kann in den Körper, was da los ist. Sie macht eine Rasierbewegung in Höhe der Schilddrüse. Ultraschall fällt ihr ein. Das ist ganz wichtig, wenn mal was ist, dann muss man reinschauen können, was da innen drin los ist, sonst kann man gar nichts machen.
Irgendwann kommt ein körperbehinderter Arzt und wir folgen ihm den Gang entlang. Es sieht aus wie zu Zeiten der Bezirksregierung. Ich sage, die reinste Gemäldegalerie als wir an den verschiedenen gerahmten Hafeneinfahrten und Blumen in der Vase vorbei laufen. Er bittet mich vor der Tür Platz zu nehmen und will mit meinem Schützling alleine reden. Da freue ich mich schon darauf und lese etwas in einer Modezeitschrift und höre nur Frau C. reden durch die geschlossene Tür ohne Punkt und Komma. Igrendwann nach ein paar Minuten geht die Tür auf, sie strahlt mich an, dass ich jetzt auch rein kommen darf. Dann geht es um ein paar Zahlen und Daten. Ich mache den Briefkram, lauter Fremdwörter, da füllt sie sonst was falsch aus. Er fragt nach Therapie und ich sage, ich mache nicht die Gesundheitssorge und habe das Gefühl, dass es mit der Tagesstruktur durch die Tagesstätte und dem ambulant betreuten Wohnen ganz gut klappt. Erst geht es um die Nachbarn. Alles Assoziale, ganz Empelde voll davon. Haben das Motoarrad angezündet um die Versicherungssumme zu kassieren und sie hat die Stichflammen gesehen und davon hat sie das Trauma, alles Alkis und das ganze Drogentheater. Sie kennt das von zuhause. Er sagt, dass der Versicherungsbetrug per se nichts mit der sozialen Schicht zu tun habe. Er verwehrt sich sehr gegen die Anschuldigungen Empelde gegenüber, so dass ich vermuten muss, dass er auch dort wohnt. Dann geht es um Hobbies, Tischtennis spielen auf einer öffentlichen Platte (das kennt der Behördenarzt auch nicht und fragt, wo) oder Tennisfußball, aber jetzt haben sie die Krökelanlage abgebaut. Leider, schade. Da hat sie mal gegen den Chef von der Beratungsstele gespielt 7 zu 10. Sie hat 7 Tore geschafft und der andere 10, war aber schwer so mit beiden Händen (sie zeigt es uns in der Bewegung) oder sie spielt mit der Betreuerin Tennis auf der Wiese mit dem Schaumstoffball. Tennisball ist viel zu gefährlich. Der Schaumstoffball ist weich und nicht so schwer. Sie zeigt ihren Schwerbehindertenausweis vor und den neuen Perso. Der ist toll. Ich bin ja so ne Glittertante und der hat ganz toll Glitzer drauf und der schöne rote Adler und hinten das kleine Bild. Da fallen ihr die Lichterketten ein, die sie im Winter immer an die Tür klebt, weil Wohnung zu klein für Weihnachtsbaum und, dass sie die Glühbirnen bemalt gegen die Winterdepression. Da holt sie Farben, Tauchlack, 6 Stücke. Ein Kumpel hat ihr jetzt auch eine Birne vorbeigebracht zum Bemalen. Der kannte das gar nicht. Schnell nach Hause, Zeitung drunter und dann bemalen. Das ist Lichtherapie. Der Gutachter ist erstaunt, dass sie überhaupt noch Glühbirnen hat und korrigiert sie, dass es keine Lichttherapie sei. Oder wenn sie einen Panikanfall bekommt, dann T-Pumpe rausgeholt und den Ding-Ball, wie im Büro, da wo sie drauf sitzen müssen, aufpumpen und darauf hüpfen, bis es weg geht. Nein, das ist nicht laut, der ist weich. Er hat genug und will uns nun endgültig aus seinem Büro raus haben. Ich sage, jetzt wisse er ja Bescheid, dass sie Glühbirnen bemalt, auch als Auftragsarbeit, wenn da mal Bedarf sei so im tristen Büro. Vorher frage ich ihn, ob er eine Therapieidee habe, weil er es ins Spiel brachte. Die Tagesstuktur und der Sozialpychiatrische Dienst (also das was läuft), mehr würde ihm auch nicht einfallen. Wir ziehen von dannen und Frau C. schaut sich noch mal mein Fahrrad an. Da können wir mal alle zusammen (also zu dritt mit der Wohnbereuung) eine Radtour machen ins Grünzeug, da wo es nicht gefährlich ist und keine Lastwagenfahrerarschlöcher sind. Ja, klar. Machen wir mal. Sie ist glücklich, er war nett und vielleicht bekommt sie einen unbefristeten Ausweis und dann kann sie ermäßigt ins Freibad. Sie strahlt und winkt mit ausgestreckten Armen und sagt, dass ich ihr immer helfe. Ich fahre mit ganz wenig Lungenvolumen wie Oma wieder ins Büro und freue mich über so viel Euphorie.
