Wahrscheinlich machen wir alles falsch, wenn ich mir diese Franzosen auf 3Sat so anhöre, was das Geheimnis einer langfristigen Beziehung sei und wie man dafür sorgt, dass das Feuer nicht ausgeht. Es wird geschwafelt davon die Frau täglich aufs Neue zu erobern oder zu verführen. Genau hinhören was der andere sagt und Begrüßungsrituale, sich Zeit nehmen wenn der andere von der Arbeit nach Hause kommt. Wir sitzen auf dem Sofa und schütteln beide nur den Kopf. Humor hält die Beziehung zusammen, weil den anderen zum Lachen bringen beinhaltet per se einen Überraschungseffekt (mein Argument) und macht sexy, ansonsten eher mal weghören bzw. auf die Tonlage kommt es an, wie bei Tieren, der Text ist unwichtig. Stephan stupst mich immer an und sagt dazu vorwurfsvoll: „hast Du wieder zugehört?“, wenn er mich gerade anfasst und dazu irgendwas redet und ich dann „was?“ frage. Dann muss ich lachen. Die Geschlechtsteile sollten gut harmonieren. Das hatten die Franzosen ganz vergessen, die gerade beim Thema körperliche Liebe sehr verklausuliert sprachen. Ist ja auch egal bzw. vielleicht auch sehr verschieden, wie es funktionieren kann.
09.08. Nach 6 Tagen abends um 20 – 21 Uhr ins Bett gehen, geht mir langsam die Geduld aus. Ich hatte schon eine Weile kein Fieber mehr, kenne mich aber mit krank sein zur Genüge aus. Leider ist es bei mir auch nie so, dass eine Sache, die angefangen hat, einfach so wieder verschwindet, sondern es wird das ganze Programm durchgezogen, von Halsschmerzen über Schnupfen und dann Husten und literweise Schleim an die Oberfläche transportieren. Da ist mein Körper konsequent, nenne ich es mal so. Gestern am späten Nachmittag ist ein Junkie noch unangenehm aggressiv geworden am Telefon, weil er nicht kam und ich nicht mehr im Büro war. Ich hätte ihn nicht angerufen (habe ich doch, aber wäre das nicht sein Part gewesen, weil er doch nicht zur Verabredung kam?). Da muss heute erst mal klar Text gesprochen werden. Der darf ab jetzt seinen Scheck vom Sozialamt abholen oder selber Kontoführungsgebühren zahlen. Die Tour läuft nicht bei mir. Ich muss auch an die Kollegen und Mitarbeiter denken bei so was.
Der Fleischbilderschreibunterlagenblock auf meinem Schreibtisch geht langsam zur Neige. Die verschiedenen Schinken („Ganzjahresschinken“, „Die österreichischen Schinkenklassiker mit dem AMA-Gütesiegel“), die irgendwie alle gleich aussehen. Ich kann beim Telefonieren darauf herum malen und wenn es zu kricklig ausschaut abreißen und es ist wieder neu. Ich habe das Teil aus einer Vitrine im Café Prückl in Wien (da macht die Chefin Garage Sale) und es handelt sich um ein Werbegeschenk und es war schon recht angegrabbelt, aber die wollten dafür allen Ernstes 5,- € haben. Habe ich gezahlt und das hat sich mehr als gelohnt. Ich weiß gar nicht, was ich mache, wenn ich die letzte Seite abgerissen habe. Vermutlich einen Heulkrampf bekommen.
Der Sturm hat was ganz fieses mit unserem Zwetschenbaum gemacht und einen großen Ast abgebrochen. Der Baum hat sich aber auch irgendwie übernommen und zu viele Früchte daran versucht auszutragen und da war er wohl zu schwer. Obstbäume müssen nachgeschnitten werden, fällt meinem Mann dazu ein, aber das hilft jetzt auch nicht weiter.
Abends habe ich ein neues Hobby, mein Draußenhaustier. Die Spinne vor dem Küchenfenster kommt raus und setzt sich in ihr Netz und meistens hängen da auch schon ein paar kleine Fruchtfliegen drin. Hinter der Scheibe bin ich mutig und schaue mir das Tierchen an, wie Hannibal Lecter. Ich freue mich vor allem darauf, dass sie jeden Abend so zuverlässig erscheint und ich sie dann sehe. Schönes Ritual und da ich keinen Hund haben darf, ist das eben die Alternative, die sich mir derzeit bietet.
Nächste Woche wird mein kleiner Bruder 40, d.h. ich war sehr lange Einzelkind. So ein Abstand von 6 Jahren fühlt sich im Erwachsenen Alter an wie ein langer Sommer, quasi 7 Hundejahre, 1 Menschenjahr oder so ähnlich. Früher lag ein ganzes Universum in dieser Zeit. Das liegt daran, wie mein Paps immer zu sagen pflegte, dass man mit 18 Jahren emotional schon die Hälfte seines Lebens hinter sich hat. Als meine Mutter entbunden hat, war ich bei der amerikanischen Verwandtschaft geparkt und dann kam der Anruf und ich wurde ans Telefon im Flur geholt: Du hast einen Bruder, sagte meine Mutter mir und weiß noch, dass ich als erstes gesagt habe: ich wollte aber lieber eine Schwester. Nach dem anfänglichen Drall ihn wieder los zu werden und auch dem immer wieder Verwundert sein darüber, warum bei ihm irgendwelche Dinge gelobt werden, die ich schon längst konnte, entwickelte sich eine innige Verbundenheit in der Kindheit und ich bin aufgegangen in der Rolle der großen Schwester, wie ich ihm immer die Welt erklärt habe. Wie die Tiere sind, wobei der große weiße Hai von allen Tieren die meiste Anziehungskraft auf ihn hatte. Die hat er auch sehr viel gemalt mit riesigen Mäulern und ganz großen, dreieckigen Zähnen. Das lag bestimmt an dem ganzen „Jaws“ Fieber der 70er Jahre in Kalifornien. Das ist als Kind auch nicht spurlos an einem vorbei gegangen. Alleine der Bucheinband mit diesem riesigen Hai 50-mal so groß wie die zierliche Frau, die an der Wasseroberfläche darüber krault. Wegen der Hai-Sache wollte ich zu seiner Feier ein Goldfisch-Hütchen tragen. Ich dachte, das passt irgendwie und mache mir nur Sorgen um nackte Arme, die Temperaturen in der Schweiz und mein Wärmeempfinden mit dieser Krankheit im Nacken. Mein Führertum hat meinen Bruder vielleicht unterdrückt, auf jeden Fall zu einer sprachlichen Hemmung bei ihm geführt. Er hat immer angefangen was zu erzählen und hat dann gesagt: erzähl Du Giga, Du kannst das besser. Lang hatten wir nicht zusammen, da ich mit 17 ausgezogen bin und da war er ja noch recht klein. Dann hatte er ein paar Jahre als Einzelkind, wenn man so will.
Heute kommt eine gute und alte Freundin aus Hamburg zu Besuch. Sie kennt mich gut und weiß, dass ich es hasse wenn man mich während der Arbeit anruft und dann noch auf dem Handy. Sie hat nur nachfragen wollen, ob sie mir was mitbringen kann. Losen Fencheltee aus dem Teegeschäft, was ich selber gar nicht kenne, aber den Tee literweise trinke. Heutzutage muss man ja bei Kräutertees mehr aufpassen als bei Rotwein, quasi gefährlicher. Ja, sie kennt mich gut und fragt auch vorsichtig, ob es mir nicht zu viel wird, ihr Besuch. Ich bin optimistisch, weil ich bei alten Freunden weniger das Höflichkeitsgesicht aufsetzen muss. Wenn Besuch kommt, den ich nicht so kenne, ist es anstrengender, weil ich mir selber mehr abverlange, d.h. aus Höflichkeit sich überfordern und dann doch mit Lungenentzündung in der Klinik landen statt einfach zu sagen, dass man keinen Bock mehr hat. Da bin ich bei diesem Besuch zuversichtlich, weil ich mir mehr Ehrlichkeit zutraue und denke, dann muss sie halt mit meinem Mann vorlieb nehmen. Ist ja auch nicht das Schlechteste. Vielleicht stellt es einen Widerspruch da, dass ich bei fast Fremden bereit bin mich zu verstellen und verbiegen und bei guten Freunden nicht, aber es ist ein Zeichen der Wertschätzung, dass die Maske auch mal fallen gelassen wird, auch wenn es vielleicht schöner gewesen wäre für denjenigen, wenn ich sie aufgelassen hätte….
Das Wochenende fordert noch sehr viel Geduld von mir ab und so richtig viel geht nicht. Freitag mache ich kurz wieder einen Essensgehausflug und sonst: Wohnung, Wohnung, Wohnung. Sonntag klappt das Basteln ganz gut und ich mache eine hübsche Kette für meine Mama.
Beide Dosen habe ich in Berlin gekauft. Die Kleine in einem gut sortierten Trödelladen und gleich daran gedacht sie für meine Mama zu einer Kette zu verwandeln. Das ist nämlich ein Insiderwitz zwischen uns mit den Salmiakpastillen. Als Kind waren wir in Travemünde bei meiner Großmutti, ihrer Mutter zu Besuch, die dort 3 Drogerien geführt hat. Da gab es in Gläsern diese schwarzen Raute als lose Ware und sie gab mir welche und aus Höflichkeit habe ich gesagt: mhhh, lecker. Die schmecken mir gut, dabei mochte ich sie überhaupt nicht. Die Rache der Unehrlichkeit (es war ja ein Höflichkeitslügen) folgte prompt. Zu Weihnachten gab es ein großes Paket aus Travemünde mit allerlei lustigen Seifenprodukten aus der Drogerie. Rosafarbenen Schweine aus Seife an einer Kordel (das war wohl in den 70ern der letzte Schrei hier in Deutschland) und einen weißen Schwan, der eine Seifenschale war (das war dann kurz vor Teenager). Den Schwan benutzen wir heute als Aschenbecher. Für die ganze Familie gab es Niederegger Marzipan (was ich geliebt habe) und für das Franzele die Salmiak-Pastillen, die sie so mag. Meine Mutter hat mit mir getauscht und es irgendwann man ihrer Mutter gesteckt, dass ich das Zeug nicht mag. Dann habe ich in Berlin in dem Lakritzfachgeschäft noch Salmiak-Ware passend zu dem Anhänger gefunden. Ich bringe es meiner Mama mit. Auf Geburtstag warten war noch nie mein Ding. Sehe ich keinen Sinn drin. Dann bringe ich ihr ein Wollkleid von meiner Tante Käthe, der unverheirateten Schwester von Großmutti. Hier haben die Motten riesige Stücke heraus gefressen. Ich habe dann Fallen von Rossmann von Stephan besorgen lassen und die sind einigermaßen voll geworden, so dass ich wohl richtig ein Problem mit den Tierchen hatte. Das ist ärgerlich, aber meine lebenslanger Stopf- und Flickgutschein kommt mir zugute. Salmiak-Pastillen waren offenbar DDR-Ware, wie ich jetzt feststellen musste VEB Pharmazeutische Erzeugnisse Halle. Das hätte ich nicht gedacht.
Claudia erlebt mich ziemlich unfit und der Unterhaltungswert ist ausreichend bis ungenügend, aber was soll ich machen. Leide ja am meistens selber unter der Grippe und überlege langsam, ob das noch was wird mit mir und ich das hinbekomme und jemals wieder fit sein werde und ich nicht vielleicht doch ein Antibiotikum hätte einnehmen sollen. Claudia sagt, warmes Getreide frühstücken. Das macht Wärme in den Unterleib, sagt der TCM-Chinese. Nicht so Brötchen, eher Porridge. Ich esse warme Haferflocken mit frischen Beeren und Joghurt aus der Schweiz. Meine Schwägerin hat uns Freitag schon lauter Produkte von der Migros mitgebracht und uns damit verwöhnt. Ein Joghurtsortiment, Majo mit Senf und Thunfischcreme. Das ist herrlich und stimmt mich ein auf die Reise. Das ist auch Liebe. Immer leckeres Futter geben.
12.08. Ich stehe um 6 Uhr morgens auf und bin euphorisch. Ich glaube, ich bin wieder gesund. Ich habe keine Kopfschmerzen und fühle mich normal. Abends war ich doch immer noch mit 37,3 ° und so was geschlagen und es fühlte sich halt auch noch nicht gut an. Die Euphorie verfliegt etwas als ich merke, dass der Kaffee immer noch nicht schmeckt und ich noch Husten habe und nach zwei Male im Büro Altpapier runter bringen total nass geschwitzt bin. Die Tendenz stimmt aber jetzt zumindest und die Richtung ist klar erkennbar. Ich bin mal gespannt, wie die Woche und die Reise sich entwickeln. Es gibt dort einen See, aber Badesachen werde ich nicht mitnehmen. Bin eh nicht so der Freibadtyp und wenn es nicht knallheiß ist tue ich mir das nicht an. Verzichte schon aufs Haare waschen wegen der Erkältung. Außerdem Solidarität mit den Asylbewerbern, oder? Habe schon zu meiner Schwägerin gesagt, ob sie nicht mal dafür Sorgen könne, dass einer von denen mit ins Freibad darf. Jetzt wo sie Urlaub habe. Die Schweizer sind schon putzig. Das Thema Asylanten ist dort ein Dauerthema und die Umsonstzeitung 20 Minuten oder so heißt die berichtet garantiert über ein Asylantenheim, was in einem Urlaubsort gebaut werden soll und das Dorf und die Hoteliers wehren sich. Dann sind die Mister und Misswettbewerbe dort beliebt wie in den 50ern und ständig wird ein Mr. Ostschweiz oder so gewählt. Das kann man sich gar nicht vorstellen, wie sehr die sich für so etwas interessieren. Außerdem beliebt auch andere reaktionäre Themen, Mütter sollen nicht arbeiten, das schadet dem Kind, wenn „das Mama schaffen“ geht. Auf das Birchermüsli von Sprüngli freue ich mich trotzdem und teure Handtaschen will ich auch keine kaufen.





