Archiv für den Monat: Mai 2014
Die Menschenkette der Ampelmännchen
01.05. Der erste Mal 1. Mai mit Regen, zumindest in meiner Erinnerung. Nach Kopfschmerzen am Vorabend bis 11 Uhr geschlafen. Tee trinken und basteln. Hütchen aus dem Metallhaarspangen vom Flohmarkt Revaler Straße. Ich habe bunte Wollreste, wiederum vom Käte auf die Wickler gewickelt. O.k. das wird ein Hingucker, aber nicht so doll wie die Metallbonbondose, die ich mir heute zum Ziel genommen habe. Ich habe sie auf dem Flohmarkt am Wasserturm geschenkt bekommen, aber ob der Schenker es so gewollt hat…Stephan ist zum Tramplatz und trifft dort Detlef, Karin und Stella und ich sitze im Wintergarten und nähe. Ich denke, vielleicht kein Hütchen, weil Claudia das nicht so mag und das ist das Ergebnis. Setze mich in der Bahn zu 3 Jungs, die sich nicht mehr einkriegen vor Lachen. Was das Outfit zu bedeuten hat, will der kleine, dünne wissen. Was hat denn Dein Outfit zu bedeuten, lautet meine nicht so originelle Gegenfrage. Seines sei „normal“, aber ich hätte eine Dose auf dem Kopf und Schneebesen an den Ohren. Er würde sich schämen so in die Bahn zu steigen und dann auch noch in die Innenstadt zu fahren. Was der Junge nicht weiß, ich will damit sogar nach Hamburg fahren und frage mich, ob ich das nicht noch bereuen werde und überlege das Hütchen abzusetzen, Stephan, der mich in der Bahn nicht gegen die Kinder verteidigt hat, ist aber dagegen und meint , es würde wohl wirklich vehemente Reaktionen auslösen, so wie die Leute sich im Bahnhof umdrehen und der ganzen Clique Bescheid sagen, geil, aber er finde es nicht so auffällig. Doch, irgendwie schon. ich habe deutlich das Gefühl, dass ich es diesmal übertrieben habe und bequem ist es auch nicht. Schon statisch ist es nicht abnahmefähig. Da sitze ich nun auf der Bahnsteigkante und der Zug hat 15 Minuten Verspätung.
Ein Halstuch, ein Mantel, selbstgestrickte Socken und Ersatzunterwäsche habe ich vergessen. Das kommt davon, wenn man mit kleinem Gepäck reist….Heute Abend werden wir mit den Jungs Mahjong spielen. Da bin ich sicher vor Spot und Kälte.
Stephan hat den Liebessong aus Blue Valentin aufgenommen und wir hören ihn auch im Zug.
Es gibt Steinpilzrisotto und Pizza mit Steinpilzen, die roh eingefroren wurden.
Stephan zeigt Yunfeng die Bilder aus Potsdam und er: und das sollen Chinesen sein? Jetzt fällt mir wieder ein, dass mir auch vor Ort aufgefallen war, dass die Figuren im Chinesischen Haus nicht wie Chinesen ausschauen. Wie jemand, der noch keine Asiaten in echt gesehen hat, quasi Phantasieelefant oder in diesem Fall weniger phantasievoll: Europäer mit etwas länglichen Augen.
Wir hören laut Musik und beobachten die Straßensperrung der Polizei am Schlump und das Durchfahren von ca. 40 Fahrzeugen. Ich sage, cool, Krawalltourismus und wir sind im gesperrten Gefahrengebiet, aber alles bleibt ruhig. Ist zu kalt und kein Demo-Wetter.
Dann spielen wir Mahjong mit den schönen roten Steinen und ich gewinne ein Spiel mit über 350 Punkten. Da ich sonst in einigen Spielrunden hinten liege, freue ich mich, dass ich beim Meister wieder mal gut punkte und erkläre den Spieleabend für erledigt nach diesem überragenden Erfolge (ein normales Spiel bringt vielleicht zum Vergleich 16 oder 32 Punkte).
Wir sprechen die Jungs aufs Heiraten an. Thomas soll unter die Haube bevor er 50 wird. Das wird nicht klappen. Zu seinem Geburtstag lädt er uns ins Le Moissonnier ein. Da sagen wir gleich zu und freuen uns. Er will uns nächstes Jahr zu einer Doppelhochzeit überreden bzw. wir hätten das ins Spiel gebracht (was stimmt). Die Schwiegereltern aus China sind vielleicht das letzte Mal da und sie sind flexibel und kommen nach Hannover. Wir hatten schon viel geplant (Crepewagen und Kaffeemobil vor der Kirche, die Pastorin aus Eilvese, Menüfolge von Dieter Grubert mit Gänsestopfleber, Fisch, Taube oder geschmortes Fleisch und Peche Melba, 70er Jahre Saal, ehemalige Postkantine usw.) und dann nicht umgesetzt. Wir sollten das vielleicht machen, schließlich wissen die Jungs auch, wann sie sich das erste Mal geküsst haben, am 10.04.1989 und wir im Februar 1987 und ich habe außer mit meinem Mann nach der Heirat nur mit diesen zusammen gelebt und vielleicht passt es ja. Langjährige Beziehungen, die noch mal bewusst „ja“ sagen auf die ein oder andere Art. Sie rechtlich und wir symbolisch und für eine neuen Hochzeitstag. Thomas will Karaoke. Das finde ich auch lustig, sowie die Vorstellung der verschiedenen Schwiegereltern, die sich hier begegnen würden. Ich sage Thomas, dass ich seinen Schwiegereltern gegenüber meine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen werde, dass ihr Sohn nun seinen langjährigen Vermieter heiratet.
Telefonate mit Claudi. Wir gehen in die goldene Gans essen, weil ich als Abstinenzlerin nicht für die Kneipentour taugen und man praktisch nur mit uns essen kann. Vielleicht kommen die Jungs dazu.
Thomas hat eine Ärztepärchen geoutet, die beide gleichzeitig am selben Ort Urlaub gemacht haben. Er ist klug und wenn die Polizei solche Ermittler hätte wie Thomas und mein Mann würde einiges anders laufen.
02.05. Auch wegen des kalten Wetter hatten wir bei einer Interessierten, die in Hamburg wohnt angefragt, ob wir heute High Tea machen wollen, aber sie arbeitet. Das hätte ich wohl lieber auch tun sollen. Erst Emailverkehr mit dem Sachbearbeiter von Frau Yoga. Ich überlege, ob ich aus dem Krisengebiet Schanze als Grußformell schreiben soll, lass es dann aber lieber. Dann Arzt aus der Psychiatrie Wunstorf. Herr PM ist gestern nach PsychKG eingefahren, er hält sich für jemand anderes und war gestern nach Drogenkonsum stundenlang orientierungslos herumgeirrt. Ich berichte, dass eigentlich alles positiv gelaufen sei und ich gerade die Bestätigung der Rückgabe der alten Wohnung bekommen habe. Muss Montag den Antrag auf betreuungsrechtliche Unterbringung stellen. Die geistig behinderte Betreute wollte Geld holen und hat nichts mehr zu essen. „Scheiße“, dass ich nicht da sei. Das ginge nicht immer so auf Abruf. Ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, dass sie Hunger leiden muss.
Weil ich hier schon mal gewohnt habe, fühle ich mich wie zuhause und mache mir Kaffee und einen Ingwertee und schnüffele in der Küche herum bis ich den leckeren Rohzucker, Farin mittel oder wie das heißt in den großen 2 kg Gewerbecontainern finde. Ich hatte meine Tür mit „intravaginale Bestrahlung“ beklebt und der Lackschaden ist heute noch sichtbar.
Es ist 11 Uhr und Yunfeng ist auch wach und hat seinen Physio-Therapie-Termin verschwitzt. Ich bin seit 8 wach und habe kalte Füße. Ich hatte gestern Hamam vorgeschlagen zum Zeitvertreib bei der Kälte, aber das ist ja doch nichts für mich. Vielleicht die Kaffeerösterei und dann um 16 Uhr bei Claudi sein.
Die Hinrichtung halte ich immer für einen bestialischen Akt, bei dem der Staat sich auf dieselbe Stufe stellt wie die Verbrecher. Noch schlimmer, die haben im Affekt gehandelt, wenn sie es überhaupt waren und hier wird kaltblütig vollstreckt. Das ist noch schlimmer. Im einen Fall verabreicht der überforderte Erziehungsberechtigte eine Ohrfeige aus dem Affekt heraus und das andere kann im Film „Das Weiße Band“ beobachtet werden, wenn die Bestrafung völlig überlegt und angekündigt kommt. Heute Abend um 18 Uhr werde ich die Strafe ausführen. So etwas hat mein tiefreligiöser Patenonkel im tiefsten Schwarzwald auch an seinen Kinder exerziert und ich habe es furchtbar gefunden. Auch Stephan regt sich zu Recht über den Todeskampf auf, über den auf Spiegelonline berichtet wird. Mit Elektroschockern in die Zelle verfrachtet und dann keine Vene gefunden und dann eine in der Leiste genommen, die dann geplatzt ist und nur das Gift gelangte in den Körper und dann Todeskampf und Schmerzen und nach einer ¾ Stunde Herzinfarkt. Man habe die Hinrichtung abbrechen müssen, weil keine geeignete Vene gefunden werden konnte und auch kein Giftcocktail mehr zur Verfügung gestanden habe. Das ist mal gründlich schief gegangen, würde ich mal sagen. Ich sage zu Stephan, warum, ihm würde es genauso gehen. Es meine er denn, wie sich seine Venen zusammen ziehen würden in dem Fall, dass ein Giftcocktail gespritzt werden sollte. Er müsse aufpassen mit Kapitalverbrechen in den USA.
Ich beobachte meinen Mann gerne beim Rasieren. Er macht das gut, sagt aber das sei intim, weil es auch mit Bluten und so zu tun hätte. Wir sprechen über Krankenkassen. Die TK ist die beste, sage ich. Die machen integrierte Versorgung und so. Stephan moniert, dass sie keine Zahnreinigung bezahlen. Das sei auch egal. Er ist anderer Meinung. Ich muss an den Rockerarzt von letztem Freitag denken, der sich entschuldigte, weil er Kaugummi kauen würde. Das sei nicht unhöflich gemeint, sondern ärztlich verordnet um dem Zahnfleisch zu helfen. Ob das nicht zu spät sei, meint er selber.
Das Unwichtigste habe ich dabei: frische Unterwäsche, keine Schlafbrille, keine Wollsocken, keine Jacke, aber so was. Ich klaue Thomas einfach einen Werbekulli. Mal sehen, was diese Freundschaft so aushält.
Nach dem Frühstück legen wir uns wieder ins Bett zum Aufwärmen und ich muss dann Stephans Club RTL Jacke tragen, weil Eitelkeit ist hier fehl am Platze. Schließlich verlassen wir das Haus vor unseren Gastgebern, weil das zuhause herum drücken einem auch nicht angezeigt vorkommt. Wo sollen wir bloß hin? Eine neue Kaffeerösterei hinten Tim Mälzer? Stephan trinkt keinen Kaffee und mir ist kalt und ich bin anti. Wir fahren erst mal Bahn, da ist es schön warm. Dann Kunsthalle, die Kriegsbilder von Otto Dix, das kann ich immer schauen. Es ist der lange Weg zum Bahnhof und irgendwie landen wir am falschen Ende und dann im Museum für Kunst und Gewerbe in einer Coco Chanel Ausstellung, die ich schon plakatiert gesehen habe. Ich in einer Modeausstellung mit einer Club-RTL Bomberjacke. Das verbessert die Laune keineswegs. Die Kleider sind schön, gerade die 60er Jahre Wollkostüme, aber die Alte hatte einen Sockenschuss. Menschen, die schlechtes Essen nicht von gutem unterscheiden können und auf den Mond wollen und die um 22 Uhr kommen, wenn man um 20 Uhr zum Essen eingeladen hat und das normal finden. Sie schimpft und lästert vor sich hin als alte, dürre Schreckschraube. Da passt dieser Karl Lagerfeld mit seiner Klatsche gut rein. Auf den fahren die Hamburger total ab, weil er von hier kommt. Im Erdgeschoss wird andere Mode gezeigt, die aber auch z.T. sehr ansprechend ist und für Nähnachmittage vorgemerkt werden muss, gerade die alte Unterwäsche kann offenbar salonfähig gemacht werden. Die entsprechenden Modelle sind von Jill Sander.
Am Schlump kaufe ich mir warme gebrannte Mandeln. Ich brauche jetzt was zum Trösten und Zucker. Ich merke, dass ich total Anti-Hamburg bin, mich nervt hier echt alles und diese Stadt ist nicht meine und ich lasse es leider meine Freunde spüren, die natürlich nicht erfreut sind, wenn man ihre Stadt so ablehnt, dass ist so ein bisschen wie das Kind dumm oder hässlich finden. Ich sage, echt jede Stadt mag ich Frankfurt, Köln, München, Berlin, Nürnberg, Fürth, aber dies Hamburg. Diese unfreundlichen Leute und dann bin ich selber extraunfreundlich, was es noch verschlimmert. Am Schlump lassen einen die doofen Autofahrer nicht über die Straße, obwohl sie 50 Meter später ohnehin rot haben. Rücksichtlos Man will mit der flachen Hand auf die Kühlerhaube schlagen. Das wäre bei uns nicht so und im Bus wird nicht geguckt, wer steht schon länger und hat Gepäck, sondern es herrscht die reinste Ellbogenmentalität und schnell sitzen und vorbei drängeln, jeder kämpft für sich und es herrscht keine Freundlichkeit. Ich lästere natürlich laut darüber. Ich habe hier sogar schon mal gewohnt und fand es auch in dieser Zeit nicht gut hier, ist einfach nicht meine Stadt. Dann echt lieber Nürnberg und Regensburg oder Frankfurt oder Köln, aber eigentlich strebe ich eh keinen Wechsel an.
Bei Claudia ist es warm, sie macht es warm mit Wolldecken und Wärmflaschen und wir trinken Ingwertee und essen Kuchen, Mangocheesecake und Rührkuchen, sie duscht und wir gehen in die Goldene Gans.
Da ist es ganz lecker, auch wenn ich unter Pastrami auf dem Salat nicht 3 hauchdünne kleine Scheiben verstehe. Wir haben Diskussionen über den Sinn einer Konfirmation, (machen das die jungen Leute nur um das Geld abzugreifen) und wie man sich zu positionieren hat. Anschließend in die Laudrette, der Laden, wo sie Morgen feiern wird. Ein bisschen Disko hinten drin, eine sehr nette Bedienung und einen leckeren, alkoholfreien Drink. Was will man mehr. Meine Batterie ist leider fast alle und ich kann mich nicht mehr so gut unterhalten. Dann 12 Uhr und endlich das Geschenk. Lakritze aus Berlin und mal zusammen nach London. Claudia freut sich. Auf dem Heimweg treffen wir die Jungs, Gäste von Morgen, einer aus San Jose, aber meine Spitzigkeit fehlt. Noch mal Tee und Wärmflasche von der umsichtigen Gastgeberin (ihre Wollsocken hatte ich durchgehend an) und ich schlafe wie ein Stein. Als ihre Eltern den Geburtstaganruf starten werde ich wach um 9:45 Uhr und die Sonne scheint mir ins Gesicht.
03.05. Lecker Kaffee. Claudi hat eine Email von ihrem Ex bekommen, auf die ich antworten will, aber mit eigenem Namen als Sekretariat Claudia. Sie hat geträumt vom Yoga-Challenge, den ihre Freundin Lena auch machte in ihrem Traum. Die Nachbarin der Eltern kann nach Meinung der Mutter bald nicht mehr alleine leben, wochenlang hat sie nicht gewaschen (Wäsche), die Putzfrau macht nichts und Claudias Mutter muss den Haushalt schmeißen. Claudia schenkt mir 2 Bücher, u.a. ein neues von Friedrich Torberg und ein anderes aus Wien sowie den Nescafé aus Griechenland in der taillierten Dose. Überhaupt ihre Erzählungen aus Griechenland und von Athen machen Lust da mal hinzufahren. Sie geht bald aufs Everlast-Konzert, aber der Juli ist bei uns zu voll. Ich werde ihr selbstgeklebte Tüten aus dem Physikbuch sowie eine Retro-Seifenschale schicken. Wir wollen im Stadtteil etwas bummeln.
Erst lassen wir uns anfüttern mit Gummibärchenmaterial und kaufen gleich (Waldmeisterbärchen und Rosen) und dann ein Strickladen, wo ich überteuert für 7,50 € ein gehäkeltes, gelbes Seepferdchen kaufe. Kaffee beim Franzosen, Kaffee gut, Backwaren schlechter als im türkischen Backshop in Berlin, aber lieb dekoriert mit Körben usw. Aufmachen ist alles, gerade in Hamburg. Claudia darf doch nebenan nicht aufs Klo, obwohl ein Bekannter, der ebenfalls Kaffee trinkt, ihr sagt, die seien ganz nett. Aber nicht zu ihr. Wir überlegen mal zusammen nach Tel Aviv zu fahren. Schön Strand und Bauhaus und lecker Essen. Ich verwechsele das erst mal mit Tel Aviv, der Strandbar in Wien und behaupte, wir seien schon da gewesen und es war sehr nett. Stephan lauscht amüsiert unserem Missverständnis. Dann Rotes Kreuz (Kiloladen), da will ich hin). Ich kaufe auf den billigen Seite 4 Teile für 4 €. Ein langärmeligen BW-Pulli, bei dem man die Eule auf meinem Kleid sieht, aber ich nicht mehr frieren muss und selbstgestrickte Kinderfäustlinge in den spanischen Farben, asymmetrisch. Die sind toll und sprechen mich gleich an. Das gibt ein prima Hütchen mit dem Seepferd. Dann noch ein Rock in rosa-lila-blau mit etwas weiß kariert (mal sehen, ob der getragen wird) und ein Gretarschloch T-shirt „Lieber ne Flasche Bier als Freund, als ne Flasche als Freund“. Dann Tee kaufen bei Claus Kröger und teure Schokolade. Die Flaschendeko im Schaufenster stürzt ein im Dominoeffekt. Auch nicht schlecht, etwas Unterhaltung fürs Geld. In der Sonne ist es warm. Viele sind mit Kindern und Kinderwagen unterwegs, verstehen aber keinen Spaß. Claudia will zu H & M und ich sage „nein“, sie kauft doch wieder ein schwarzes Kleid und davon hat sie genug. Ich bin auch eine fiese Freundin. Dann gehen wir zum Vietnamesen, aber statt dem bewährten „Wild Rice“ einen neuen, der empfohlen wurde, „Green Papaya“ und die würzen mit Maggie. Claudia ist entsetzt. Der Minztee mit Honig schmeckt gut.
Zurück zu ihr. Vorher noch der Laden mit den englischen Waren. Leider keine Butterkekse, aber Scones zum Aufbacken und das ein oder andere was ich gebrauchen kann, Postkarten, wiederum alte Propagandaplakatmotive aus dem 2. Weltkrieg, die mich ansprechen, einen kleinen Teller mit einem Uhrenzifferblatt drauf zum Verschenken und Fudge. Anprobe für abends (und ich berate meine Freundinnen ehrlich) und dann ist es Zeit zu gehen. Claudia geht gleich ins warme Bikram-Studio und macht Yoga mit ihren Freunden, die können auch alle richtig feiern, während mit mir nichts mehr los ist und wir kehren nach Hause zurück. Auch gut so. Mit dem Bus, Kurzstrecke zum Bahnhof Altona. Hier bekommt Stephan noch seine Franzbrötchen von zwei verschiedenen Bäckern und wir testen und wir fahren schön Zug. Das schwule Pärchen vor uns macht einen auf Nachtflug und stellt den Sitz weit zurück, aber ich kann trotzdem vor mich hin schreiben und klackern. Ich hoffe, das nervt die. So macht mich Hamburg, wird Zeit, dass ich wieder normal werde. Ich überlege, ob meine Abneigung daher kommt, dass ich hier in der Stadt meine Lähmung bekommen habe und richtig krank wurde, ob ich es der Stadt vielleicht übel nehme. Ich habe jedenfalls auch hier gewohnt und werde nicht warm mit der Stadt.
Ich schreibe Text für die Konfirmation und beschließe den Fudge zu verschenken. Das kennt der junge Mann vielleicht noch nicht. Die Freundin aus Köln kommt spät, d.h. um nach halb neun, weil ihr Billigzug Stunden brauchte und ich bin müde. Wir gehen eine Pizza essen ins Mio Mio, obwohl sie zu viel italienisches Essen isst und es ihr zum Hals raushängt und sie lieber Thai mag, aber auch kein Reis, zumindest kein Risotto. Gut, dass wir nicht gekocht haben. Ich muss mir anhören, dass es gut sei, dass ich nicht mehr trinken würde, dass wäre wohl zu viel gewesen, hätte sie gehört von Stephan. Ich denke, da kritisiert mich ja die Richtige und bin eingeschnappt. Wir gehen alle früh zu Bett.
04.05. Ich thematisiere noch mal morgens, warum meine gesundheitlichen Themen hinter meinem Rücken besprochen werden und gerade von Leuten, die genug eigene haben. Ich traue mich nicht das weiße gesteppten Polyesterkleid anzuziehen, was etwas aussieht, als wäre Oma aus dem Krankenhaus geflohen, weil der Konfirmand soll keinem Spott ausgesetzt sein. Ich denke unweigerlich an die gehässigen Konfirmanden neulich aus der Bahn. Wir fahren zur blauen Glashaltestelle und dann nach Neustadt. Dort stehen wir eine Weile am Hinterausgang des Bahnhofs und werden dann von meiner Schwiegerfamilie eingesammelt. Wir fahren vorbei an der Baulücke Bahnhof, wo sie innerhalb kürzester Zeit irgendwelche Gebäude weggerissen, d.h. dem Erdboden gleich gemacht haben und man kann sich gar nicht mehr daran erinnern, was da überhaupt stand. Mein Schwiegervater fliegt schon vor der Kirche aus dem Auto. Wow, hier ist wieder ein harter Umgangston angesagt. Stephan sagt später, er habe auch aussteigen wollen, damit er nicht so lange laufen muss. Irgendwie kam das anders rüber. Moderne Kirchen kenne ich ja, aber diese Kirche sieht aus wie ein Wohnhaus. In der Familie des Vaters haben etliche gesundheitliche Themen und ich werde kurz dazu gebrieft. Die Kirche ist voll und es steht eine Ampel auf der Kanzel und ich denke, Lichtanlage? Es singt ein gut gelaunter Chor englisch sprachige Lieder. Die Mädchen sehen aus wie volljährig und sind aufgedonnert, die Jungs sehen aus wie Bubies um die 11-12. Die Mädels waren offenbar seit 7 Uhr beim Friseur und haben sich maximal gekünstelte Locken und Lockensteckfrisuren fertigen lassen, die schwer einbetoniert sind, dass die Kreuze am Lederband beim Umhängen Widerstand leisten, wenn sie gegen die steifgesprühten Haare prallen. Mensch, natürlich ist angesagt, sehen die nicht, welche Frisuren Kate trägt? Dafür haben sie mehr soziale Kompetenzen als die Jungs und schaffen es danke zu sagen. Die letzte Gruppe der Jungs bewegt dann auch die Lippen. Sie haben es sich abgeschaut.
Zwei Reihen vor uns sitzt Herr Rösler, den Kathrin neulich im Flieger für Yunfeng gehalten hat. Ein kleines Mädchen vor mir ist von mir sehr fasziniert. Der Dirigent des Chores trägt einen Schal in Regenbogenfarben (Gay Pride mäßig) und die Chormitglieder sich je nach Stimmlage farblich auch schalmäßig ausgestattet bzw. abgestuft von gelb, blau bis hin zu weinrot. Der Pastor hält eine nicht nachvollziehbar Predigt über die Ampelmännchen, die ihn an den Gekreuzigten erinnert hätten und er habe sich über so viel christliche Symbolik in der DDR gewundert und es sei auch das Segenzeichen und wenn man zwei Ampelmännchen an einander stellt, ergibt das eine Menschenkette und das ist der Zusammenhalt in der Gemeinde der Christen. Schon mal was von an den Haaren herbeigezogen gehört? Die „Konfis“ bekommen Türschilder mit Ampelmännchen, damit sie „Stopp, jetzt Privatsphäre, aber frag ruhig warum und wie es mir geht“ bis hin zu „komm rein, ich bin bereit“ alles signalisieren können. Vielleicht auch „Bitte Zimmer aufräumen“ als Hinweis an die Mütter, wie später bei uns am Tisch gescherzt wird. Die Konfirmanden sollen das letzte Stück zusammen mit dem Chor singen. Das klappt eher schlecht und sie ziehen aus der Kirche und empfangen die Gemeinde draußen als Spalier.
Bei uns geht es weiter mit Spargelmenü in einer Gastronomie, die heute voll ich mit Konfirmationsgesellschaften und einem Freund von K. kommt dazu, den ich frage, ob er nächste Woche dran ist um zu erfahren, dass er keine Konfirmation macht und auch Wert und Norm als Schulfach hat. „Ja, und wie will er das finanzielle Loch stopfen?“ Will ich dann von ihm wissen. Über Geburtstage, lautet die sympathische Antwort. Ich schlage K. vor, dass wir für seinen Freund sammeln oder er was von seinem Reichtum teilen müsse. Unsere Kölner Freundin hatte noch gestern Abend von ihrer Jugendweihe erzählt. Der Konfirmand und sein Kumpel essen den Spargel immer noch mit Ketchup. wie damals. ich kann es nicht fassen, dass die Kindheit offenbar gastronomisch voll andauert.
Die Eisportionen sind sehr unterschiedlich groß und während ich ein ca. 10 cm dickes Stück bekomme, hat Stephan weniger als die Hälfte, was er natürlich moniert. Ich frage eine Verwandte gegenüber, wie lange ihre Konfirmation her sei und erkläre ihr das Dilemma der Rentnerperspektive als sie mir antwortet: 5 Jahre. Für mich sehe sie genauso aus, die die Mädels heute in der Kirche und sie könne vermutlich auch nicht sagen, ob ich vierzig oder sechzig sei. So sei das eben mit etwas Altersabstand.
Anschließend fahren wir zu dem Konfirmanden nach Hause und essen weiter. Den Blumenschmuck nehmen wir mit, der ist bezahlt.
Der Vater und Schwiegervater fliegt aus der Küche. Meine Schwiegermutter und Schwägerin machen Schnittchen. Der Konfirmand hatte sich Rehrücken gewünscht und als es nun Spargelmenü geben sollte, wollte er wenigstens einen süßen Rehrücken und das war schwieriger als gedacht, aber die Frauen in der Familie haben alles getan um seine Wünsche zu erfüllen.
Er sitzt vor dem großen Stapel aus Briefumschlägen und sein Freund hilft ihm Buch zu führen. Die Karten werden nach Aufforderung laut verlesen und der Geldbetrag wird sowohl in eine Liste eingetragen als auch auf den Umschlag geschrieben.
Der Konfirmand mit seinem Pflaum auf der Oberlippe erinnert uns unweigerlich an Zero aus „Grand Budapest Hotel“. Ich will die Meerschweinchen sehen und die werden in der Garage gehalten. Ich versuche sie mit einer Erdbeere zu locken, aber sie sind sehr menschenscheu und als ich nassforsch das Gitter entferne ist alles zu spät und quickend kauern sie zusammen. Ich lass es dann. Später machen wir einen Spaziergang durch die Neubausiedlung und betrachten die verschiedenen Häusertypen, die für mich oft ausschauen, wie Musterhäuser. Dieter braucht einen Gullideckel. Wir suchen schon mal ein schönes Objekt. Ich sage, wie eine polnische Einbrechertruppe, bei Helligkeit schauen und später dann holen. Dieter pflückt Löwenzahn. Ich tue es ihm nach. Das mögen die Meerschweinchen weiß er und sie fressen ihm aus der Hand und er steckt die Finger durch die Glitter und streichelt sie immer wieder und redet ihn gut zu. Er ist sehr geduldig und ich erkenne meinen Mann in seinem Vater. Das sei eine Schande, dass man sich so wenig mit den Tieren beschäftige, früher sei es noch schlimmer gewesen und ihnen immer Gurken und so kaufen, dabei mögen sie das frische Grün am liebsten. Er hat sowohl den Käfig in der Garage als auch den für draußen gebaut. Innen schwindet die Familie des Vaters und die Arnholds sind bald unter sich. Ich wühle mich sehr wohl bei meiner Familie und wenn die Schwiegermutter ihren Mann wieder anherrscht sage ich, kein Wunder, dass Dieter keine Angst vor den Meerschweinchen hat. Es ist eine ausgelassene und gute Stimmung. Stephan und ich helfen verlässlich die Schnittchen zu dezimieren.
Meine Schwiegerfamilie fährt uns zum Bahnhof und bleibt im Auto und wir winken immer wieder. Ob sie bleiben wollen, bis der Zug einfährt. Ich brülle über die Gleise: „Danke, Dieter, dass Du mir gezeigt hast, wie man Meerschweinchen füttert“. Das reicht jetzt wohl und der weiße Mercedes fährt los.
Wir kommen spät nach Hause und die Freundin noch etwas später. Ich entdecke neue Kunst in der Rampenstraße, die wohl zum Teil schon zerstört wurde.

Die Oma, die Geburtstag hatte, hat immer vom Sterben gesprochen und wer alles verstorben sei (soundso ist aufgewacht und gestorben. Ist das nicht schön?) , auch wenn man diejenigen nicht kannte, so das Fazit der Enkelin, sie mochte es jedenfalls nicht mehr hören. Heute kann keiner mehr was essen, außer etwas Lakritze aus Berlin. Ich bügele eine Runde. Dann gehen wir ins Bett.
BM-Outfit 29.04.2014
Die Radbruch-Theorie
28.04. Ich stehe auf Busfahrer, wenn man überhaupt auf einen Berufszweig stehen kann. Die sind meistens coole Säue, die nichts aus der Ruhe bringen kann und die einzigen, wahrhaft sozialen Autofahrer. In Hannover flirte ich regelmäßig mit dem ein oder anderen und habe das Gefühl, dass es auf Gegenliebe beruht, zumindest teilweise.
Heute steige ich der Stellenleiterin der Jobcenters, deren Email Adresse die Jobvermittlerin mir fahrlässigerweise gegeben hat richtig aufs Dach und es wirkt. Die Jobvermittlerin hat schon eine Anhörung rausgeschickt, weil Frau Yoga nicht bei der Arbeitsvermittlung war am 25.04. Das war alles schon doppelt und dreifach geklärt und ich hatte vorsorglich auch noch ein Fax geschickt, weil man sich da auf nichts verlassen kann, außer dass sie mahnen und kürzen. Die Anwältin der Hausverwaltung schaue ich mir vorher im Internet an. Sie wirbt mit einem Zitat von Gustav Radbruch:
„Recht ist Wille zur Gerechtigkeit.“
Radbruch ist nun genau mein Thema. Genauer gesagt, die Radbruch-Theorie. Ich habe für mein erstes Staatsexamen in Jura auf dem Gebiet Rechtsphilosophie über die sog. Radbruch-Theorie eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben, die über 500 Fußnoten hatte, z.T. die Fußnote in der Fußnote und mehr an eine Doktorarbeit angrenzte als alles andere. Ich habe dafür zu wenig Punkte bekommen und ich meine, es war eine inhaltliche Zensur. Die These, die zu belegen war, lautet, dass der Rechtspositivismus der 20er Jahre den Weg zu Hitler geebnet habe und ich habe diese Theorie widerlegt, statt sie zu untermauern. Diese sog. Radbruch-Theorie besagt, dass der böse Rechtspositivismus, der kurz zusammengefasst besagt, dass man als Jurist und Richter an Recht und Gesetz gebunden ist und Gesetze umsetzen muss, die Juristen quasi willenlos gemacht hat, weil sie nicht erkennen konnten, dass es Unrecht war, was sie taten. Der Gegensatz zum Rechtspositivismus ist z.B. Naturrecht und ich war der Meinung nach meinen Recherchen, dass die Nazis mehr mit Naturrecht gearbeitet haben. Dieses ganze völkische Zeug, mit dem sie die Ausgrenzungen gerechtfertigt haben ist quasi Ersatzreligion und hat mit formellem Recht gar nichts zu tun. Die bekannten Rassegesetze waren nur die Spitze des Eisberges und kamen zeitlich viel spät ins Spiel. Die Juristen waren nicht durch die veränderten Gesetze geknebelt, die sie anwenden mussten, sondern haben im vorauseilenden Gehorsam die Ideen der Nazis umgesetzt. So war keine einzige Änderung der Bürgerlichen Gesetzbuches vonnöten. Die Richter haben einfach definiert, dass Juden nicht zur Volksgemeinschaft gehören und daher auch nicht zur Hausgemeinschaft und damit automatisch ihre Rechten in Mietverhältnissen verlieren, ohne dass ein Buchstabe des Mietrechts geändert wurde. Besonders eindrucksvoll war das im Strafrecht. Man hat sich sogar bewusst über bestehende Gesetze hinweggesetzt, was mit Rechtspositivismus nun gar nichts zu tun hat, wenn z.B. erst ab 16 die Todesstrafe für Deserteure verhängt werden durfte, hat der zuständige Richter, der nun einen fremdstämmigen 15-Jährigen vor sich hatte, der durch einen Diebstahl von Lebensmitteln die Wehrkraft zersetzt hatte kurzerhand überlegt, wie würde der Führer entscheiden und dann war die Hinrichtung ohne weiteres möglich und auch angezeigt. Das jedoch hat nichts mit Rechtspositivismus zu tun und der Theorie, dass die armen Juristen durch den Glauben, das Recht umsetzen zu müssen, willenlose Werkzeuge waren. Sie haben als Vorreiter der Nazis alles umgesetzt bevor oder ohne dass Gesetzesänderungen überhaupt erforderlich waren. So was lesen die Juristen natürlich nicht gerne.
Die Telefonate mit der „Radbruch-Frau“ verlaufen etwas eckig und kantig und sie will taktieren, dass die fristgerechte Kündigung auch noch nach Zahlung der Mietrückstände im Raum sei und ich drohe damit, dass nicht zu akzeptieren und vom Amtsgericht prüfen zu lassen, weil meiner Betreuten sei ein weiterer Umzug nicht zumutbar sei und ich das nicht zulassen werde, dass sie ihre Wohnung verliert und da könne sie sich ja überraschen lassen, was Betreuung beim Amtsgericht in Mietsachen so bewirken kann. Übermorgen soll erst Mal Vorabnahme sein, aber es wird noch rot sein und nicht gestrichen. Ich sage, lieber dran bleiben und biete daher im Interesse des Vermieters diesen Termin an zu dem ich fahren muss. Am späten Nachmittag warne ich sie kurz, dass der Sachbearbeiter vom Jobcenter, dem seine Chefin und die Chefin darüber nun aufs Dach gestiegen sind aufgrund meiner Mails sich bei ihr melden wird. Es geht darum, ob die Mietkosten als angemessen anerkannt werden, also soll sie nichts Falsches sagen, weil wir das Darlehen sonst knicken können. Sie bedankt sich für die Vorwarnung. Ich habe überhaupt das Gefühl, dass sie recht beeindruckt ist von meinem Arbeitstempo. Kann man auch sein.
Morgens kommt mein kurdischer Betreuter und seine Frau, mit der er nur 3 Kinder hat, aber nicht verheiratet ist. Es geht um den Vorwurf des Kreditbetruges, weil hier jemand gefälschte Lohnabrechnungen von ihr eingereicht hat als Reinigungskraft bei einer Baufirma um einen Autokredit zu bekommen. Sie war es jedenfalls nicht und hat immer nur brav gezahlt. Sie haben keinen Darlehensvertrag geschlossen, immer nur Raten bezahlt, so ihre Wahrnehmung. Das jüngste Kind, ein Mädchen haben sie dabei und es singt fröhlich. Mein Betreuter will noch eines und seine Frau sowie ich sagen beide nein. Ich sage, sie ist doch keine Maschine und das zarte Ding wiederholt das, „ja, ich bin doch keine Maschine“. Sein Arzt hat zugleich empfohlen, dass ich Betreuerin bleibe „er mich behalten darf“.
Herr Ihme war natürlich nicht bei der Spritze und ich muss Morgen hin.
Ich habe in einer Woche Termin bei der TCM-Ärztin.
Beim Sport fragt mich Mikael, als ich im Treppenhaus mit nackten Füssen und Trainingshose in meinen Ansatzschuhen stecke, ob ich so im Büro gewesen sei. Ich sage, nein, nur freitags, das ist Casual Friday. Auch 3 andere Frauen machen Doppelkurse, aber für Aufsehen sorge ich offenbar mal wieder.
Stephan hat mir Blue Valentin aufgenommen, den ich gerne gucken wollte bis kurz vor 12. Was für ein trauriger Liebesfilm, weil die Liebe nicht erwidert wird und er so schön konsequent ist, aber es ihm nichts bringt.
29.05. Kurz ins Büro, dann zu meinem Termin beim Oststadtkrankenhaus. Hier ist mal Street-Art der anderen Sorte zu bewundern.
Die Alkoholikerbetreute ist dick geworden, genau wie ihr Hund.
Außerdem hat sie noch einen Vogel und auf dem Balkon ein Kaninchen. Der reinste Privatzoo. Der Jagdhundmischling der ambulanten Wohnbetreuung zittert vor Aufregung, weil das Kaninchen frei herum hoppelt. Frau KV hat den Ratenzahlungsplan für die Badermöbel zu einer Wandinstallation verarbeitet.
Ich boxe sie aus einer Sache raus (Tierheimkosten für abgegebene Katzen und zack schließt sie eine Ratenzahlungsvereinbarung ab). Sie hat einen grünen Daumen und eine neue Waschmaschine von einer Haz-Spende bekommen. Den persischen Tee der Wohnbetreuung will sie mir schenken mit den Worten, sie wisse nicht, wo sie den her habe. Die Wohnbetreuung protestiert, dass er von ihr sei und so gehe sie mit Geschenken um. Die Tochter der Betreuten, die ich auch kenne, erwartet ein Kind am 02.06. Sie sei mit einem Türken zusammen, den sie noch nie kennen gelernt habe. Die Wohnbetreuung vermutet, dass die Mutter ihrer Tochter peinlich ist. Das kann schon sein. Es geht viel um Mr. Lover. Ein rassistischer und gewalttätiger Freund der Betreuten, auf den sie stolz ist, weil er mehr als 10 Jahre jünger ist. Während die Wohnbetreuung sich als Therapeutin versucht und feststellt, dass sie ihre eigene lieblose Kindheit du den gewalttätigen Vater in ihren Männerbeziehungen wiederholt, sieht die Betreute das anders. Nach 3-4 Tagen seien die Männer schwanzgesteuert. Dann würden sie Druck ablassen wollen. Er würde dann nachts klingeln und sie wecken und fragen, ob sie besoffen sei. Er würde sich dann selber ein Bier aufmachen und dann Sex haben wollen. Ja und es sei schade, dass sie sich für so was hergebe, meint die Wohnbetreuung und die Betreute ist der Meinung, dass sie auch nicht abgeneigt sei. Ich bin auch der Meinung, dass sie den Typen in den Wind schließen soll, aber das wird wohl nicht passieren. Er beleidigt sie und sagt, sie sei zu alt und nicht attraktiv und dann säuft sie und heult und es ist Schluss, aber nur bis er sie nächstes Mal wieder wachklingelt.
In der Bahn im Fahrgastfernsehen die heldenhafte Kängurumutti Claudia und ein Vater, der ein Baby vorne auf den Bauch geschnallt hat und damit eine perfekte Mischung aus Kaiserpinguin und Känguru darstellt. Eine Frau flirtet mit beiden und kriegt sich nicht mehr ein.
Ich muss bei den Wahlplakaten lachen, weil Fleischmann kandidiert tatsächlich. Hier beruhte das satirische Motto: Fleischmann for President auf einer wahren Begebenheit. Ich mag die Axel Brockmann-Plakate weil ich jetzt immer an Kent Brockmann, den Nachrichtensprecher der Simpsons denken muss. Wenn ich könnte, würde ich die Plakate entsprechend modifizieren.
Auf dem Rückweg zu Herrn Ihme, er ist nicht da. Ich steige unten aus dem Fahrstuhl und er steht mit einer Einkaufstüte und seinem bodenlangen Columbine-Mantel vor mir und strahlt mich an. Ob ich bei ihm gewesen sei, will er wissen. Nein, er war nicht da. Ich wollte schon antworten, dass ich hier jetzt auch wohne. Ja, Spritze, er verspricht mir, dass er dort hingehen werde. In 20 Minuten sei er da.
Die Nichte hat Geburtstag und ich telefoniere mit ihr. Sie hat einen Fat Boy geschenkt bekommen, den hat sie sich in einem Möbelhaus ausgesucht und Mama und Papa haben das besprochen, ob Oma und Opa den bezahlt können und das hat geklappt und jetzt ist ihr Bruder ganz neidisch darauf, weil da kann man gemütlich drauf herum fletzen oder ihn zum Sitzen benutzen oder als Tisch oder darauf knien oder auch unbequem darauf sitzen. Ich telefoniere mit der Mutter und mache Smalltalk. Ich erfahre, dass in St. Gallen am 1. Mai kein Feiertag ist, in Zürich schon.
Herr Ihme war nicht bei der Spritze und ich darf es Morgen ein drittes Mal versuchen. Das nervt, weil der gar nichts hinbekommt.
Abends ist das Burgtheater in Hannover zu Gast. Wir sitzen ganz hinten, außen und haben Leselampen wie im Flugzeug. Statt erste Reihe Mitte, letzte Reihe außen, also mal andere Perspektive.
Es ist viel Unruhe bei uns in der Ecke und ständig wollen Frauen raus und manchmal auch wieder rein und es wird viel geredet. Das nervt, kann aber die erstklassige Inszenierung und die weltklasse Leistung auf der Bühne nicht versauen. 3 Schauspieler decken alle Rollen ab und erzählen den Rest. Es ist schön abstrakt gemacht, gerade die Gewaltszenen. Ariel wird von einem lange, dünnen Typ gespielt, der wunderbar devot seinem Meister alle Wünsche erfüllt und immer so eine herrlich devote Körperhaltung einnimmt und „ja, Meister“ sagt, leicht buckelig und rückwärts abtritt. Er erinnert mich an eine Mischung aus Herrn Ihme und einem anderen Betreuten von mir, dem Architekten, der auch Glatze trägt. Ich bin schwer beeindruckt von dem Stück, was auch viele skurrile Ansätze hat mit den Geistern, die im Baum gefangen sind, aber eben auch voller tiefer Weisheit steckt. Als Prospero geläutert ist und nicht mehr auf Rache sinnt, stellt er fest, wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser winziges Leben ist umfüllt von Schlaf. Wie viel Weisheit und Poesie hierin steckt. Ich bin richtig gerührt. Ich weiß auf jeden fall auch, wie mein nächster Hund heißt, wenn er am besten noch ein körperliches Gebrechen hat. Caliban, die Missgeburt, Dir habe ich mühsam versucht Sprache beizubringen, schimpft Prospero mit ihm und er wirft sich gerne anderen Herrn an den Hals um dann zurück zu kehren als Diener und festzustellen, wie dumm von mir diesen versoffenen Matrosen als neuen Herren erkoren zu haben.
Im Kunstverein wird ein Typ verabschiedet, über dessen Wegzug aus Hannover ich mich nur freuen kann. Will schon so was wie: immer schön Beratungsdienstleistungen bezahlen auf die Abschiedstafel schreiben, aber ich stehe darüber. Er ist ein farbloser Langweiler, meiner Meinung nach. Er redet lang und langweilig und wir fallen über das Büffet her, was armselig ist, wie die ganze Veranstaltung und aus meinen Umsonstpackung Nimm 2 Lachgummis besteht und schlechter Salami und schlechtem Käse. Das einzige Highlight ist eine Bigband in veränderten Blaumannuniformen mit Putzschwämmen als Schulterposter umrahmt von goldenen Fransen, die spielt und wir kennen einige der Herren die sich hier zusammen getan haben (es sind 19), u.a. unseren begabten Tischler, der ein großes, kompliziert aussehendes Blasinstrument spielt. Ich frage nach dem Auftritt, ob sie sonst auf Beerdigungen spielen, weil es so New Orleans mäßig rüber kommt. Ein Kostüm kann Leute verändern und ein Kleingartenbesitzer und ehemaligen Nachbar, der sonst immer sehr reserviert ist, ist heute wie ausgetauscht und ich will ihm Kölner Karneval verordnen, dass er mal ein bisschen aus sich herausgeht.
30.04. Morgens zu Herrn Ihme. Er ist schlecht drauf und weiß nicht, was gestern passiert ist und will nicht darüber reden. Ich warte vor der Tür, es stinkt in der Wohnung nach verbrauchter Luft und seinem Körpergeruch. Er wird aggro und macht was kaputt. Er kann sein Portemonnaie nicht finden, es taucht doch wieder auf. Auf zum Arzt. Der Mann im Wartezimmer lobt meine neuen Schuhe, in die ich auch ganz verknallt bin. Ja, die gibt es in Hannover zu kaufen. Meiner will schon gehen und ist dann an der Reihe. Seinen Spitzenpass hat er schon für den Filterbau aufgebracht und lässt sich einen neuen geben. Er will noch mit mir einen Kaffee trinken gehen und bettelt, nur 10 Minuten. Ich sage, nein, ich muss arbeiten. Ich schlage vor, dass er heute noch mal um 17 Uhr vorbei kommt, weil er heute Geld bekommt und was bei mir abgeben sollte, damit ich es einteilen kann, weil ich ihm keines mehr leihe. Er kommt nicht, das weiß ich schon, aber ich werde hart bleiben.
Will Lumix-Karten kaufen, aber Enjoy your Camera hat sehr eingeschränkte Öffnungszeiten erst ab 15 Uhr.
Im Büro stelle ich fest, dass ich beim übernächsten Spritzentermin in Paris bin. Ich nerve die Beratungsstelle so lange und nein, am 28.05 bin ich schon im Urlaub, bis ich am 21.05., dem Geburtstag meines Mannes, Hilfeplanung habe und informiere den Träger über den ersten Spritzentermin, den die wahrnehmen müssen, nämlich am 28.05.
Fahre zur Wohnungsübergabe und Frau Yoga kommt mir im Treppenhaus mit Sachen entgegen. Die Wohnung ist nicht ganz leer und die beiden Herren, die erscheinen haben leider keine Geduld und auch kein Werkzeug dabei um die Tür zu öffnen, die nicht aufgeht oder das Wasser abzustellen, damit sie die Spüle herunter tragen kann. Sie brechen die Sache nach 5 Minuten ab. Heute kommen die Kinder der Betreuten. Der Scheidungsantrag ist eingegangen. Wir besprechen uns und ich komme leicht zu spät zum ersten Geldabholtermin. Die Mitarbeiterin des Kollegen hat mir eine email geschickt, dass meine Mandantin da sei. Ich reagiere darauf sehr säuerlich, dass sie mich nicht an meine Termine erinnern müsse, die habe ich selber auf dem Schirm. Ich hatte mich im grünen Wasserschutzgebiet auf dem Rückweg etwas verfahren. Die Vögel sind so laut, dass einem die Ohren abfallen. Er ist alles im Überfluss und herrlich. Meiner Betreuten erkläre ich, dass ich ihr kein extra Kleidergeld zahle, weil sie 90 statt 70 die Woche bekommt und davon was ansparen soll und außerdem kenne sie doch die Kleiderkammer und verkaufe die Schuhe von dort auf ebay. Eine Diskussion ist entbehrlich.
Es folgen noch heftige Telefonate mit der Radbruchanwältin, die immer noch taktieren will mit der unteren Wohnung und ich sage, umgekehrt, ich tanze nicht mehr und mache gar nichts mehr bis ich von ihr die schriftliche Bestätigung habe. Nachdem ich ihr gedroht habe, dass sie ihr blaues Wunder erleben wird, kriegen wir uns beide wieder ein und sie sagt, ihre Mandantin sei sozial eingestellt und vielleicht wird auf das Streichen verzichtet, Hauptsache die Wohnung ist leer. Ich gebe das so weiter und Freitag kommt einer der Wasser abstellt und die Waschmaschine unten anschließt. Frau Yoga fährt gerade zu Ikea und kauft dort Stangen, dass sie weiter Regale aufbauen kann. Ich freue mich, dass meine Dynamik offenbar ansteckend wirkt.
Eine ambulante Wohnbetreuung, die ich nach dem Namen nicht kenne, fragt an wegen Betreuerwechsel. Er bekommt seine Anwältin nie zu Gesicht, nur die Mitarbeiter. Es 25 Jahre alt und drogenabhängig und hat eine Psychose und kommt aus der Wohnungslosigkeit und Mutter war auch drogenabhängig und ist schon tot. Das klingt nach meinem Fall. Wir vereinbaren für nächsten Donnerstag einen Termin zum Kennenlernen. Der Wohnbetreuer weiß nicht, wo mein Büro ist, war also offenbar noch nicht bei mir.
Nachdem meine Suizidbetreute mir gestern anvertraut hat, dass sie sich nicht entspannen kann und ich feststellte, dass wir – auch in diesem Punkt – gegensätzliche Charaktere seien, weil ich fast zu gut und schnell entspannen könne. Sie hat alle Techniken durch und sogar selber eine therapeutische Ausbildung gemacht. Diese Imaginationsübungen richten sich immer gegen sie und ich sage, meiner Meinung nach, zu verkopft, es muss über den Körper laufen. Heute beim Pilates beugt sich eine Teilnehmerin über mich und sagt, ich sähe so entspannt aus und ich: „war ich auch, Schwester, ist jetzt Fieber messen?“.
Statt Tanz in den Mai koche ich Hühnerfleisch mit viel Staudensellerie in Zitronen-Sahnesoße mit Basmati-Reis. Stephan und ich haben beide Kopfschmerzen und gehen früh zu Bett. Telefonat mit Hamburg. Die haben wieder Angst, dass wir ihnen die Pest ins Haus bringen. Nein, Durchfall und Erbrechen sind längst überstanden.














































