Archiv für den Monat: Juli 2013
09.07. Ehrlichkeit und Selbsterkenntnis
Heute habe ich großes Programm. Begutachtung in der Familie M., durch das Sozialamt veranlasst. Es geht um die Pflegeeinstufung des Sohnes, der nächstes Jahr 50 wird und mit seiner Mutter zusammen lebt. Ich fahre durch die noch kühle Morgenluft nach Kleefeld. Ich liebe Fahrrad fahren, gerade im Sommer ist es eine wahre Freude. Die Blumenwiesen auf den Verkehrsinseln erfreuen mich täglich. Das ist so eine gute Idee der Stadt Hannover und macht den doofen Autoverkehr echt erträglicher, wenn er zum Teil von hohen Wiesenblumen verdeckt wird. Mir fällt bei dieser Gelegenheit mal wieder auf, dass der weibliche Körper Konstruktionsvorteile bietet. Wenn man z.B. eine schwere Schultertasche um hat. Oberhalb vom Busen getragen, d.h. wie ohne Busen, drückt der Gurt auf den Hals. Unterhalb des Busens geklemmt, hält das Teil prima, wie der reinste biologische Garderobenhaken.
Die Mutter in Familie M. ist Betreuerin und hat das jahrelang total spitze gemacht bis das Sozialamt der Meinung war die Mietkosten müssen gesenkt werden und ihr auf Nerven ging, bis sie dieselben verloren hat. Dann wurde ich bestellt als Ergänzung zu der Mutter und ich mache seitdem die behördlichen Dinge. Ich helfe ihr auch ein Konto zu bekommen, denn das Scheck verschicken klappt nicht immer reibungslos und dann führe ich sie ein in die Techniken des Geldautomaten. Den Jahresbericht haben wir neulich zusammen ausgefüllt, Frau M. ist nämlich Analphabetin (fiese Probe, weil zu Beginn der Betreuung versehentlich eine andere Kollegin bestellt wurde, aber Frau M. das gemerkt hat, weil der Briefkopf anders aussah) und ich habe es ihr vorgelesen und in meiner Sauklaue für sie ausgefüllt während ich parallel meinen Bericht fürs Amtsgericht geschrieben habe. Da wurde deutlich, dass wir uns sehr gut ergänzen. Man wird da nämlich gefragt, wann haben Sie den Betroffenen zuletzt gesehen und wie häufig besteht Kontakt. Ich konnte sagen, nur einmal überhaupt gesehen und ca. 1,5 Jahre her, aber bei Frau M. täglich. „Haben Sie Wünsche ihres Betreuten festgestellt und konnten diese erfüllt werden?“ lese ich vor. Dazu Frau M., ja, manchmal will er, dass ich was Bestimmtes aus dem Supermarkt mitbringe, einen Joghurt oder so. Antwort: Ja, konnten erfüllt werden.
Die Begutachtung ist schon voll im Gang als ich halb 8 da bin, wobei ich eigentlich erst für 9 Uhr angekündigt war. Verschwörungsvoll flüstert mir Frau M. ins Ohr, dass die Dame schon kurz nach halb 8 gekommen sei. Die Gutachterin hat eine schlanke Figur, ein sehr dünnes Kleidchen und einen Tribal am Knöchel. Sie trägt hohe Sandaletten und befragt Herrn M. ob er nicht in die Tagespflege wolle. Er will eine Freundin, wie er sagt und auf die Tagespflege bezogen: Sport machen, ne? Klar könne er sich das vorstellen. Die Mundtrockenheit sei eine Nebenwirkung der Medikamente. Sie kennt sich aus. Ob wir uns vorstellen könnten, dass er studiert will er wissen. Später sagt er uns, er sei nur Arbeiter. Dann wieder, er könne keine Ausbildung machen wegen seiner Krankheit. Sie lobt ihn, dass er so lange still sitzen und der Anhörung beiwohnen kann. Er darauf: “bei dem Ausblick!“ und schaut sie dabei schmachtend an. Zu Kopfschmerzen befragt sagt er, als Kind habe er schlimm Migräne gehabt, jetzt sei es so, wenn er merke, dass Kopfschmerzen kommen, würde er dies abschalten. Wie will sie wissen. „Vom Kopf her“, lautet die Antwort und die überraschte Fragende will das Rezept dafür. Die Mutter wird angehalten auch mal Verhinderungspflege in Anspruch zu nehmen. 28 Kalendertage stünden ihr zu. Sie hat aber keine „Bock“ alleine weg zu fahren. Sie hat 4 Kinder, sagt sie mir später und die kümmern sich alle gut um sie. Sie könne sich über ihre Kinder nicht beschweren. Ich mag diese einfache, aber herzliche Frau sehr. Der Sohn, der nicht mehr in die Disko gehe und mehrfach Cashes Klay sagt, wenn er Körperübungen auf Anforderung der Pflegegutachterin hin ausführt, macht erst mal einen Filterkaffee als der Spuk vorbei ist und ich trinke eine Tasse. Die Gutachterin war gegangen und hatte ihren festen Händedruck zur Verabschiedung mit „ich arbeite in der Pflege“ erklärt. T. will wieder sein Zimmer, aber Mutter und ich fordern ihn auf, mit raus auf den Balkon zu kommen in die Sonne. Er fragt, ob Rechtsanwalt ein schwerer Beruf sei. Schön, weiß seine Mutter. Sie würde das auch gerne machen, Leute verteidigen und guckt sich die Gerichtssendungen im Fernsehen an. Er sagt dann, dass er am liebsten den ganzen Tag Fernsehen und Radio hören und auf dem Balkon rauchen würde. Manchmal schneide er auch ein paar Scheiben Käse, aber dann würde sie, bezogen auf seine Mutter, ihm sagen, dass er ein Brett unter legen soll. „Wenn Du eine Frau hättest, würde sie Dir das auch sagen“, meint Frau M. lakonisch und will irgendwie meine Zustimmung.
Da nach dem Termin noch Zeit ist, fahre ich zu einem anderen Kandidaten. Spontanbesuch machen. Leider bin ich sehr orientierungslos und merke erst am Braunschweiger Platz, dass ich nicht die Hildesheimer Straße entlang fahre. Eiere auf Umwegen durch die Südstadt. Sonnenweg, Kleine Düwelstraße, Geibelstraße, an jeder Ecke ist eine Erdbeerstand aufgebaut. Endlich bin ich am Ziel. Diesen Betreuten duze ich, weil ich ihn vor Einrichtung der Betreuung schon kannte. Er ist jünger als ich und spielte in einer coolen Szeneband bis ihm nachts ein Aneurysma im Kopf geplatzt ist. Er sitzt jetzt mit deutlichem Übergewicht im Rollstuhl. Vorher hat er ein ganz normales Leben geführt mit einer Lebensgefährtin, deren Traummann er war. Das ist schon eine harte Prüfung, denke ich immer. Er macht immer wieder lustige Sachen z.B. versuchen mit E-Rolli eine Skateboardrampe hoch zu fahren. Folge: Fixateur im Arm. Ein Freund von ihm ist bei mir auch unter Vertrag und ist mal bei der Einkaufbegleitung unter seinen Rolli geraten und hat seitdem einen Rückenschaden. M. wartet heute auf den Fahrdienst und will zum Zahnarzt. Sein älterer Sohn ist ein gutaussehender Skater mit mehreren Freundinnen in jedem Stadtteil. Er könne sich das aussuchen, erklärt mir der stolze Vater. Der jüngere hat ein Superzeugnis und fotografiert gerne Luxusautos einer bestimmten Marke. Da kann das gute Zeugnis später nützlich sein ist mein Fazit. Jello Biafra spielt am 06.08.2013 in der Faust. Guter Tipp.
Meine dritte Station ist eine schicki-micki Augenarztpraxis in der Innenstadt mit Einrichtungskram, Glasbodenvasen für 60,- €, die man dort erwerben kann und einer verwaisten Tee-Station (keine Selbstbedienung) mit neumodischen Tees zum kaufen und einem fancy Zimmerbrunnen, bei dem das Wasser optisch sowohl runter als auch hoch fließt. Da ist richtig was los und es wird auch vor Ort operiert, so dass nach und nach die Rentner mit einem verbundenen Auge aus dem OP auftauchen und von Enkel oder Kindern und Enkeln abgeholt werden. Der langhaarige junger Mann mit der Lederhose mit dem festgeketteten Portemonnaie und dem Heavy Metall T-Shirt sitzt zwar nicht neben seiner Mutter, aber die Familienähnlichkeit ist unverkennbar. Er geht noch mal runter sich die Beine vertreten nach Absprache mit ihr und kehrt wieder zurück. Ein freundlicher Rentner wird von seinem sportlichen, kleinen Sohn, der aussieht wie ein Turner, breit aber nur 1,50 hoch und echt kurzen Waden und dem Enkel (rothaarig) abgeholt. Sie lassen den Operierten erst noch mal zu Kräften kommen und haben es sich in einer stylischen, aber unpraktischen Sitzecke gemütlich gemacht so gut das eben geht. Eine Oma freut, als die Enkelin kommt und sie mit dem Wort: „Omi“ begrüßt und sie erwidert, schön, dass Du da bist mein Schatz. Die Enkelin hat direkt vor der Tür geparkt. Gut gemacht. Auch krasse Rentnermode gibt es zu sehen. Weiße Hosen mit großen runden „Deko-Flicken“ auf den Knien mit einem Kreis aus Strass Steinen und einem total runden weißen, steifen Bustier, was aber nicht mehr ausgefüllt wird und völlig unglaubwürdig zu den faltigen Haut kontrastiert. Hier kann man aber wenigstens erleben, dass es auch familiären Zusammenhalt gibt.
Nachmittags gilt es 30 Briefe zu bearbeiten, darunter allerdings auch ein Rundschreiben der Rentenversicherung zur Rentenanpassung. Die Arbeit mag einfach sein, strengt mich aber an in der Stumpfsinnigkeit. Ich bin in Vorfreude auf den Yogaworkshop abends und auch schon leicht aufgeregt. Ich werde von meiner Yoga-Freundin, die mir den Kurs zur Hälfte spendiert hat abgeholt und wir radeln Richtung Südstadt, Geibelstraße, dort wo ich heute schon mal war.
Es ist super voll und es wird zum Glück keine Büchersignierstunde abgehalten oder dann nur im Anschluss für Freiwillige. Der Schweiß fließt in Strömen. Ich sehe ihn meine Waden herunter laufen in einem kleinen Rinnsal und spüre die Tropfen meinen Körper herunter fließen. Es kritzelt ungewohnt. Schon lange nicht mehr gehabt. Elena hat eine tolle Stimme, die mich an Laurie Anderson erinnert. Sie spricht davon, die Dinge so zu sehen, wie sie sind und nicht wie sie mal waren und in den Asanas auf die innere Symmetrie des Körpers zu achten, gerade bei denjenigen, die äußerlich asymmetrisch gehalten werden, in Verdrehungen usw. Ich mag ihren Unterrichtsstil ganz gerne. Sie läuft herum und richtet unsere Frisuren, wie sie es angekündigt hat. Mich sucht sie auch auf in meiner Ecke und streicht mir die schweißnassen Stirnhaare glatt zur Seite und sagt: „I told you, I’d fix your hair. I’m fixing everyone’s hair. Oh boy, I miss my kids“. Meine Matte ist zu rutschig und ich finde keinen Halt in dem Hund. Ich brauche ein neues Modell. Die Matten meiner Nachbarinnen, die ich aufgrund der räumlichen Enge zwangsläufig mit teste, sind stumpf und geben halt, während meine flutscht wie auf der Wasserrutsche im Schwimmbad. Zum Schluss gibt es eine Partnerübung und Elena muss mich nehmen, weil ich übrig geblieben bin. Es ist ein In-die-Augen des Gegenüber schauen und dann gibt es eine sehr herzliche Umarmung von der Meisterin. Danach ist Fragestunde. 1. Frage an die Elfe (sehr originell): wie sie sich ernährt und die Antwort. Sie hat alles schon probiert, vegan, vegetarisch, Rohkost, aber der Arzt hat ihr gesagt, sie muss Fleisch essen, sonst fällt ihr Körper auseinander und jetzt isst sie viel Gemüse, aber auch täglich Eier und auch Fleisch. Das sei keine Empfehlung für andere, jeder Körper sei anders. Ich denke unweigerlich an den letzten Workshop, bei dem es im Schulterstand einen Vortrag über Kuhvergewaltigungen angesichts des Milchkaffeekonsums gab. Sie ist nicht nur in diesem Punkt sehr ehrlich vor einem Raum voller Yogalehrerinnen, sondern sie spricht auch über ihre Abneigung nach Deutschland zu kommen, dass sie Jüdin ist und in beruflich in Nürnberg war und nie wieder kommen wollte. Das sind Umstände, die von vielen nicht realisiert werden, dass irgendwo auf der Welt, gerne auch in New York, die Nachkommen der Toten und Überlebenden der Schoah leben, die von dieser Realität geprägt sind. Diese Frau ist bereit jede Frage ehrlich zu beantworten und ich nehme ihr das ab. Mir taugt das viel mehr als diese hohlen Predigten, die ich schon gehört habe, von denen man kaum etwas demjenigen abnimmt, der sie hält. Das zunehmende Alter hat mich eine Sache gelehrt, das wovon einer sehr viel spricht und es viel beteuert, das fehlt ihm meist oder damit hat er ein Problem. Vorsichtig bei Männern die Schwanz ab für Kinderschänder fordern. Ich denke auch an den Ex meiner Freundin, der offenbar total eifersüchtig war und ihr immer fremdgehen unterstellt hat und alleine Reisen deswegen nicht befürworten konnte und auf Tugendhaftigkeit geschworen hat mit den Worten, das passiere einem nicht, ein Seitensprung, das sei eine „Charakterfrage“. Und was war dann? Oder wie es in Wien einem Buch zu lesen stand. Warum reden die Banker so viel von der Kunst und die Künstler so viel vom Geld? Jeder spricht von dem, was er nicht hat. So empfinde ich Yoga oft als scheinheilig. Die Frauen gucken sich musternd von der Seite an und man merkt ihnen an, dass sie es nicht wollen und nicht dürfen und das auch wissen. Das bringt eine bestimmte Verklemmtheit mit sich und es steigert sich noch, wenn man es unterdrücken will. Da ist mir in vielerlei Hinsicht mein normaler Sport lieber. Keiner hält sich für einen besseren Menschen, bloß weil er ihn macht. So einfach funktioniert es nämlich nicht. Ob Du ein guter Mensch bist, hängt von anderen Dingen ab, so wie es in jeder Religion gute Menschen gibt. Das macht nicht die Religion an sich und das sektenhafte an dem Yoga widerstrebt mir. Heute hat es mir gefallen. Wenn ich eine neue Erkenntnis hatte dann die, dass man den eigenen Tod bereits miterlebt in dem Sinne, ich bin nicht mehr der Mensch meiner Jugend, den gibt es nicht mehr. Genauso wie es meine Eltern wie ich sie als Kinder kannte auch nicht mehr gibt. Wir leben zwar noch, aber die früheren Identitäten sind schon tot, nicht mehr da. Die Frage ist, wie oft sterbe ich oder erneuere mich? Täglich wäre wohl übersteigert, aber alle 5-7Jahren vielleicht schon und alle 25 Jahre bestimmt.
Noch einige Schlussbemerkungen zum Verkehr. Ich meine jetzt den Straßenverkehr. Ich habe mit zunehmendem Alter eine Abneigung gegen Autos. Sie sind wie die Raubtiere und ich als Radfahrer, die Gazelle oder das Gnu. Was an dem Bild nicht stimmt ist, dass die Raubtiere alle im Rudel an der Ampel stehen wie eine Herde Bison vor dem Losrennen. Was ist außerdem nicht verstehe ist berittene Polizei? Was soll das? Die riesigen Gäule laufen gemütlich nebeneinander und blockieren Straße und Radweg. Gassi gehen mit Tüte ist auch nicht angesagt. Die Fiakerpferde in Wien haben hinten Beutel. Hier fallen die riesigen Hinterlassenschaften an die Straße und werden platt getreten. Ich verstehe den Sinn dieses Reitens in der Stadt nicht, denke immer nur daran, dass ich auf meine Steuererklärung als Verwendungszweck: Filmförderung für Wenzel Storch Filme schreiben will.
Letzte Woche war ich beim vorletzten Kundalini-krass-Selbsterfahrungs-nichts-ist-peinlich-Kurs und irgendwie machen mich diese Praktiken wie verstrahlt. Wir machen schön 4 Minuten irgendwelche krassen Armhochhalt und Drehübungen, die super anstrengend sind und mein ganzer Oberkörper kribbelt. Wir machen eine noch anstrengendere Übung und atmen mit offenem Mund und ich habe das Gefühl, dass alles Mögliche bei mir hinten im Gaumen herum baumelt und immer mehr wird, als wäre ich im vermeintlichen Körper des Tracheostoma-Betreuten. Dann machen wir Knie an Knie im Kreis sitzen und 4 x auf den Boden hauen Har, Har, Har, Har, dann Wha Hey Gu Ru und jeweils Knie zur linken Nachbarin, zur rechten, die eigene Brust und dann Arme nach oben und immer schneller werdend. Wir chanten Mantren in drei Etagen bis wir mit der Stirn am Boden liegen und ich höre meine eigene Stimme unglaublich laut. Als wir uns anschließend was wünschen sollen und es visualisieren, fällt mir gar nichts ein, wunschlos glücklich und zufrieden. Ich weiß, das kann man keinem erklären und es sollte besser auch keiner zusehen, aber wenn es sich gut anfühlt, sollte man es machen. Erklärungen hier erscheinen mir oft sehr unbeholfen und esoterisch und ich brauche diese Brücke gar nicht. Der Körper mag es, die Nervenzellen und der Geist auch. Das reicht doch wohl.
Dann noch ein Wort zur Rückengesundheit. Die Bandscheiben ernähren sich nachts, habe ich unlängst gelesen. Im Schlaf und im Liegen saugen sie sich voll mit Flüssigkeit. Mein Tipp: auf dem Bauch schlafen ohne Kissen, schön flach, so mache ich es immer, dann sind die immer richtig schön vollgefressen und es geht ihnen gut. Dann klappt das auch beim Yoga mit den Vorder- und Rückbeugen.
die neue Hausbar
Wo findet man das Testament am ehsten? Am Kühlschrank.
Streetart Nieschlagstraße
Neues Reich
Impressionen Atelierräumung
Messies mögen keine Veränderungen
Jetzt musste es aber doch sein, weil ich seit ca. 1,5 Jahren mein angemietetes Atelier nicht mehr nutze und dieses Mal Miete abdrücken wurmt mich. Das muss dann nicht sein. Es gibt dort zwar auch Lehrerinnen, die es nur als Lager anmieten, aber hier will ich mich nicht einreihen. Es war ein Gemeinschaftsatelier mit einigen Wechseln in der Zusammensetzung und die Wellenlänge stimmte nicht mehr oder ich war zu faul, wie auch immer. Vielleicht ist die Zeit für mich auch vorbei, weil ich den Schmuck wenigstens trage, aber so viele Leinwände nicht hängen kann und da auch keine richtige Zukunft für mich sehe. Es war wohl nur die Exkursion einer Autodidaktin, aber es hatte seine Berechtigung. Ich drückte mich jedenfalls vor der Räumungsaktion und Samstag war es so weit. Heldenhaft hat mich mein Mann, der echt gut tragen kann, unterstützt und mit dem Rollwagen, in gebückter Körperhaltung eine Wanne voller Farben, zwei Kartons darauf und oben eine große Collage zu Fuß nach Hause transportiert unter ständigem Ausbalancieren. Ich bin insgesamt 3 x mit dem Fahrrad gefahren und war auch schwer bepackt u.a. mit einem kleinen ausklappbaren Beistelltischchen und irgendwie auch stolz auf meine Eselqualitäten. Wenn man es gewohnt ist, alles auf dem Fahrrad zu transportieren, ergeben sich diese Fähigkeiten. Dann erst mal eine Runde im Keller ausmisten und wie Stephan feststellte, kann ich nichts wegwerfen, aber ich kann es zumindest freigeben zum Wegwerfen und die Drecksarbeit müssen dann andere erledigen. Lauter verdrecktes, altes Zeugs, Rosendünger, verrostete Sägen, Gartenschirmchen und Glaslampen, die mir nicht gehören und irgendwie da rein geraten sind. Da war das aussortieren und aufräumen nicht schwer. Dann durchsortieren und einen Sack Kleidung selber in die Luke des Containers werfen, ein Befreiungsschlag. Was verändern, was sich nicht mehr gut anfühlt ist super. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und hilft zu leben“, große Worte, die meine Oma immer gerne zitiert hat aus Stufen von Thomas Mann, auch wenn sie hoch gegriffen sein mögen, gehen sie mir durch den Kopf.
Ich habe jetzt eine kleine Stelle vor einem Fenster, eine Nische frei gemacht und das Tageslicht war mir das Wichtigste. Dort standen bislang Blumenerde und Blumentöpfe. Die Wände bröseln, aber der Keller ist 2,70 hoch und nicht so schlecht. Dennoch hat mir mein Mann wieder eine große Liebeserklärung gemacht. Er will nicht, dass meine gebastelten Sachen in den Keller kommen, hat Angst vor Zerstörung durch Feuchtigkeit und sagt dann sinngemäß: „Schatz, jetzt wo Du die anderen Zimmer alle okkupiert hast und sie total voll sind, mache ich Dir in meinem Zimmer noch etwas Platz für ein Atelier“. In seinem Arbeitszimmer war tatsächlich mal mein Atelier, als wir in das Haus nicht einziehen konnten, weil die Miteigentümer sich gegen die Sanierung zur Wehr gesetzt haben und Gerichtsverfahren anhängig waren, da hat meine Freundin Sunla gesagt, wir machen ein Sommeratelier, um die Wohnung wenigstens etwas zu nutzen und das war auch so ein herrlicher Befreiungsschlag. Jetzt will ich ihm aber nicht auf die Pelle rücken und will eine andere Lösung, außerdem finde ich den Keller nicht so schlecht und immer wieder wird mir was von tollen Lösungen mit Tageslichtlampen erzählt. Ich möchte auch gerne wieder ein Atelier außerhalb des Hauses, aber nicht zur Miete, ein kleines, schnuckeliges Hinterhaus in Linden oder ein Kiosk oder eine Gästewohnung in der Nähe, die ich einrichten, sprich vollstellen und dann auch zum Basteln nutzen kann. Träumen darf man ja. Das Beistelltischchen ließ sich übrigens prima zur neuen Hausbar um dekorieren und ich habe es heute endlich geschafft das gemeinschaftliche Testament mit Daten 26.04., welches ich verfasst habe einmal handschriftlich abzuschreiben. Das wäre also auch geregelt.
Outfit 08.07.2013
Giftpack – alles geklärt mit Frau C.
Ein Telefonat mit Frau C. ergibt folgende Klärung. Der Vermieter hat ihr nicht gesagt, dass ihr ehemaliger Keller nun Gemeinschaftskellerraum ist. Sie will sich entschuldigen für den Brief. Sie war alleine mit dem Giftpack. War Notfallbrief. Waren feige und sind zu zweit gekommen. Nachbarin guckte wie Tier aus dem kleinen Türchen und hat ihr Freundin gleich abgefangen im Treppenhaus und ausgefragt wie Stasi, wo sie hin will. Will meinen Tipp was sie machen soll, wenn sie von denen nicht mehr angesprochen werden will. Soll sie sagen, dass sie keine Zeit hat? Auch andere im Haus können die nicht leiden. Sie will am liebsten nichts mehr mit denen zu tun haben. Ich schlage vor, dass ich mir vom Vermieter die Telefonnummer geben lassen und mal mit denen telefoniere. Wieder eine Heldentat vollbracht und eine Kerbe auf meinen Spazierstab gemacht.













